gruss
310367a
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310367a
07.02.2007 18:45
von Jochen Steffens
Seltsam ist, dass in den letzten Wochen immer wieder einzelne Werte massiv nach oben geprügelt werden. Heute ist es Infineon mit über 11 %. Das ist für einen Daxwert einfach ein Hammer. Oder Tui mit knapp 5 %. Gestern war es Fresenius Medical Care, davor E.ON, Siemens und andere. Fast jeden Tag scheint ein neuer Wert durchs Dorf getrieben zu werden und selbst konservative Daxwerte werden um sechs oder mehr Prozent nach oben gekauft.
Ich frage mich schon seit Tagen, was das zu bedeuten hat. Sektor-Rotation ist ausgeschlossen, dafür ist es zu schnell.
Wenig wahrscheinlich ist es, dass hier das große Geld einsteigt, denn in den meisten Fällen waren diese starken Kursbewegungen Reaktionen auf Nachrichten. Das große Geld kauft selten „nach“ Nachrichten, meistens ist es vorher schon drin. Zudem steigen erfahrene Trader nicht mehr ein, wenn ein Daxwert nach einer Nachricht schon 4 % im Plus ist.
Wesentlich wahrscheinlicher ist, dass hier Shorties verbrennen. Die guten Nachrichten verursachen ein Short-Squeeze. (Ein Short-Squeeze entsteht, wenn Anleger, die auf fallende Kurse setzen, also Short sind, durch steigende Kurse dazu gezwungen sind, die Short-Positionen zurückzukaufen. Dadurch steigen die Kurse noch weiter, so dass wieder andere auch gezwungen sind, die Shorts zurückzukaufen. Ein Teufelskreislauf.) Das alleine kann es allerdings nicht sein.
Sehr wahrscheinlich kommt noch hinzu, dass hier „dump Money“ also dummes, unerfahrenes Geld unterwegs ist und einfach auf alles draufspringt, was steigt und irgendwie in den Nachrichten erscheint.
Einigen von Ihnen werden sich bei dem letzten Satz die Nackenhaare gekräuselt haben. Genau, mich erinnert das auch an 1999/2000. Wir scheinen offenbar immer weiter in die Übertreibungsphase überzugehen. Einzelne Nachrichten zu Unternehmen werden gekauft, als gäbe es morgen keine Aktien mehr. Dazu passt, dass die Indizes, besonders der Dax aus seinem Aufwärtstrend nach oben ausgebrochen ist.
Das Problem dabei ist, und das habe ich hier schon häufiger geschrieben: Keiner kann sagen, wie lange so eine Übertreibungsphase die Kurse treiben wird. Das hängt im Prinzip von zwei Faktoren ab:
Mit anderen Worten, so unbefriedigend das auch sein mag, was da gerade passiert, ist auf der einen Seite sehr gefährlich, auf der anderen höchst explosiv. Und somit ist es verständlich, dass so viele meiner Kollegen nervös sind und nicht recht wissen, was sie machen sollen. Einer drückte das gestern sehr schön aus: Ich weiß einfach nicht mehr, was ich kaufen soll, die meisten Aktien sind einfach schon zu gut gelaufen. Und immer wenn man das denkt, dann sollte man vorsichtig werden.
Und trotz all dieser Warnzeichen kann es sein, dass der Markt erst einmal noch weiter steigt. Dazu möchte ich Ihnen noch einmal den Nasdaq100 vorstellen, der mit hoher Wahrscheinlichkeit der beste Indikator dafür sein wird, ob sich die Übertreibungsphase auswächst oder nicht
Sie können hier einen breiten Trend erkennen, der seit Ende 2003 anhält. Gerade ist der Nasdaq 100 dabei, die obere Linie des Trendkanals zu durchbrechen, also auch nach oben auszubrechen, ähnlich wie der Dax. Das hatte er allerdings schon einmal Ende 2005 versucht. Als er es dann bis Mai 2006 nicht geschafft hatte, den Ausbruchsversuch erneut zu überwinden, kam es zu einem starken Einbruch. Einige von Ihnen werden sich noch erinnern, dass es auch damals schon um die Frage „Übertreibungsphase oder nicht“ ging.
Diese Linie von damals, die bei ca. 1750 Punkten liegt, ist nun interessanterweise zu der Unterstützungslinie des aktuellen Ausbruchsversuch geworden. (So gesehen hat sich in einem Jahr im Nasdaq100 kaum etwas getan)
Jetzt vergleichen Sie aber einmal diese beiden Versuche, aus dem Trend nach oben auszubrechen:
Erkennen Sie diese unglaubliche Ähnlichkeit? Aber es sind nicht nur die beiden Kursverläufe, die sich ähneln. Die Bewegungen geschehen auch noch fast zu den gleichen Monaten. Der Nasdaq100 bewegt sich aktuell exakt so, wie zum Jahreswechsel 2005/6.
Das wäre sicherlich zu früh. Denn sollte es weiterhin ähnlich verlaufen, dann dürfte noch Zeit bleiben, auszusteigen. Immerhin hat der Nasdaq auch 2006 noch bis Mai gebraucht, um einzubrechen. In dieser Zeit, in der der Nasdaq100 mehr oder weniger seitwärts lief, starteten die anderen Indizes, insbesondere der Dax durch!
Sollte aber der Nasdaq100 dieses Mal den Ausbruch schaffen, dann wäre man viel zu früh ausgestiegen. Bricht nämlich der Nasdaq100 nachhaltig aus seinem alten Trendkanal nach oben aus, dann wäre immerhin für 300 Punkte Platz. Knapp 20 % und das in kurzer Zeit. Das wiederum würde zu einem S&P500 auf Allzeithoch sowie einem explodierendem Dax passen und sich perfekt in den Präsidentschaftzyklus eingliedern. Sie wissen, ich mag es, wenn alles zusammenpasst.
Doch aller Hoffnung zum Ärger: Die Ähnlichkeit dieser beiden Entwicklungen, die wirklich eindrucksvoll ist, sollte uns die Gefahr vergegenwärtigen. Sie kennen meine Meinung, ich bin noch immer bullish. Aber bei weitem nicht mehr so uneingeschränkt, wie die letzten Jahre. Ich kann mir eine Übertreibungsphase gut vorstellen, die Anzeichen werden immer deutlicher. Und trotzdem droht uns jederzeit so ein Einbruch wie im Mai letzten Jahres. So unbefriedigend das auch sein mag, so sehr ist es Realität.
Wir werden auf jeden Fall erkennen, wenn der Nasdaq die Parallelität aufgibt, oder sogar das letzte Hoch, den Spike an die 1840/50er Marke überwinden kann. Dann ist die Übertreibungsphase da.
Es wird Zeit bei weiter steigenden Kurse die langfristigen Positionen zu reduzieren. Nehmen Sie ein paar Gewinne mit, ohne allerdings alles zu verkaufen. Sie können die Positionen nach und nach reduzieren und sichern sich so Gewinne, können aber auf der anderen Seite bei weiter steigenden Kursen noch profitieren. Sollten die Kurse anfangen einzubrechen, verringern Sie Ihre Positionen nach und nach immer deutlicher. Natürlich bleibt ein Stamm investiert, denn als langfristiger Anleger sollte man nie vollkommen aussteigen. Zumal noch die großen Trends alle in Ordnung sind.
Mit dem freiwerdenden Geld kann man sich vermehrt kurzfristig orientieren. Wenn das kleine Geld den Markt überspült, dann wird Charttechnik eine interessante Sache. Kaufen Sie jedes neue Hoch, eine einfache Regel, die gerade in Übertreibungsphasen sehr gut funktioniert. Wenn es nicht läuft kann man dann auch schnell wieder aussteigen.
gruß jokko
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