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VARTA AG korrigiert Prognose für 2023
Die VARTA AG passt ihre Prognose für das Geschäftsjahr 2023 an. Demzufolge soll der Umsatz zwischen 820 und 870 Millionen Euro liegen (vorher: 850 bis 880 Millionen Euro). Das bereinigte EBITDA soll mindestens auf dem Vorjahresniveau liegen. Grund für die Abweichungen beim Umsatz ist eine unsichere Marktentwicklung und daraus resultierend volatile prognostizierte Abnahmemengen seitens der Kunden, vor allem im Bereich der kleinformatigen Lithium-Ionen-Zellen.
Quelle: Varta
Ich bin übers Wochenende mal den Geschäftsbericht durchgegangen und finde den Inhalt nochmal schockierender als die ganzen Überschriften und Mitteilungen vermuten lassen. Ich lasse euch hier mal ein paar meiner wichtigsten Erkenntnisse da. Mir erschließt sich nicht, wie man in das Unternehmen noch investieren und Vertrauen haben kann. Der Geschäftsbericht ist voller Widersprüche und offenbart alles andere als ein kohärent (gutes) Bild. Wer nachschlagen will, dem habe ich die Seitenverweise angefügt.
Wie bei W:O schon jemand geschrieben hat, ist allgemein und speziell nach der Durchsicht des Geschäftsberichts schleierhaft, wie VARTA die Ziele für 2023 erreichen will, insbesondere wenn man sich die Prognosen der einzelnen Segmente betrachtet.
Die Sonderabschreibungen im Bereich CoinPower und Large Cells unterstreichen nochmal, dass das Management implizit wenig Zukunftspotential in beiden Bereichen sieht. Der Zeitwert beträgt laut Geschäftsbericht 307m Euro für CoinPower und 95m Euro für die Large Cells, das macht einen Firmenwert für die beiden Hoffnungsträger von gerade mal um die 400m Euro. VARTA schreibt im Chancenbericht, dass der "stark wachsende" (wenn ich mir das Ergebnis in 2022 und die Prognose für 2023 anschaue, sieht das nicht so aus... - wo gab es nochmal Sonderabschreibungen?!) CoinPower-Bereich "besonders aussichtsreich" ist. Von E-Mobilität ist im Chancenbericht gar keine Rede mehr. (S 63, S 121)
Mit 125m Euro war ein Kunde in CoinPower der größte Kunde (92% der CoinPower-Umsätze; wer das wohl sein wird...) und der Kunde ist zum Jahresende auf Samsung SDI umgestiegen. Genauso wie davor Samsung (von dem oft gelobten Deal ist nicht mehr viel übrig...), Bose, Jabra, Sony, Beats und viele weitere. Die 2021 groß angekündigte Offensive auf chinesische Hersteller hat auch nicht gefruchtet - ich habe keine einzige VARTA-Batterie in irgendeinem Teardown gesehen. Sieht nicht so aus, als hätte man die führende Position, die man sich selbst zuschreibt, noch inne. (S 36, S 116)
Die Bundesregierung sowie Bayern und Baden-Württemberg haben zudem die Fördersumme im Rahmen des IPCEI um 108m von 300m auf 192m Euro reduziert (oder doch nur um 90,5m wie im englischen Geschäftsbericht geschrieben?). Warum die Kürzung eingetreten ist, wird mit keinem Wort erwähnt. (S 154)
Im Bereich Micro Batteries stellt man vor allem Hörgerätebatterien her, der Markt für Primärbatterien ist weniger volatil (da Bestandseffekte bei den Hörgeräten) als der für sekundäre Li-Ion Batterien. So legt der Einbruch der Umsätze nahe und auch der oben zitierte Ausblick, dass man auch hier einen großen Kunden verloren hat. Selbiges gilt wohl auch für die Power Packs im Bereich Sonstiges. (S 115)
Interessant sind auch die Markterwartungen für die Entwicklung der TWS: 500 Milliarden USD bis 2033, ein Drittel davon in den USA und 26 Milliarden in Großbritannien. Wenn man das durch die jeweilige Bevölkerung (USA 380m, Großbritannien 60m) teilt, kommt man auf ungefähr 400$ pro Jahr und Person für TWS. Das wären zwei Paar AirPods pro Person pro Jahr - inklusive Babys, Senioren, Gefängnisinsassen... (S 41)
Richtig spannend und auch pikant wird es in Abschnitt 8.6 über Finanzielle und Ausfallrisiken. Die Banken stellen ihre Kredite nur dann nicht fällig, wenn sich das Sanierungskonzept als tragfähig und die Ziele als erreichbar herausstellen. Eine größere Gewinnwarnung könnte also die Insolvenz der Firma nach sich ziehen. (S 62)
Mit der Gewinnwarnung vom Freitag hat man sich fehlende Perspektive zum Teil schon eingestanden. Wenn aber nicht wie durch ein Wunder neue Kunden in CoinPower gewonnen werden (die selbst nach VARTA erst ab 2024 Umsätze beitragen "könnten", S 65), wird sicherlich noch die ein oder andere Gewinnwarnung ins Haus stehen. Fraglich ist, ob das rechtlich dann schon unter Insolvenzverschleppung fallen würde...
Ich kann nur jedem empfehlen, die 200 Seiten genau zu studieren. Ich fand es erschreckend.
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