Wal-Mart hat mit dem Rückzug aus Deutschland und demselben Schritt vor ein paar Monaten in Südkorea 2 dauerhafte Löcher in seiner GuV zugeschüttet, zudem scheint sich in der Zentrale beim neuen Chef was zu bewegen
Wal-Mart
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Pragmatismus vor Eitelkeit
Von Roland Lindner
Rückgang auf dem Heimatmarkt, niedriger Aktienkurs, schlechtes Image - Wal-Mart hat viele Sorgen
28. Juli 2006
Vor etwas mehr als zwei Jahren hat Lee Scott die europäische Handelswelt in Angst und Schrecken versetzt: Der Vorstandschef des weltgrößten Einzelhändlers Wal-Mart kam zum ersten Mal nach Brüssel und traf sich mit dem damaligen EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti.
Die Spekulationen überschlugen sich: Holt das Unternehmen aus Bentonville im amerikanischen Bundesstaat Arkansas zu einem Schlag in Europa aus? Plant Wal-Mart eine Großakquisition und will die Wettbewerbskommission vorab schon einmal milde stimmen? Scott selbst hatte die Gerüchteküche vorher noch angeheizt, indem er in Interviews seinen Ehrgeiz bei der Auslandsexpansion unterstrich. Er könne sich kein europäisches Land vorstellen, wo Wal-Mart langfristig nicht gerne vertreten wäre, sagte er.
Rückzug statt Eroberungsfeldzug
Die Aufregung war so groß, daß selbst über einen Zusammenschluß mit dem französischen Wettbewerber Carrefour spekuliert wurde, der weltweiten Nummer zwei in der Einzelhandelsbranche. Es war eine ähnliche Reaktion wie im Jahr 1997, als Wal-Mart mit der Übernahme der Verbrauchermarktkette Wertkauf in Deutschland eingestiegen war. Auch damals fragte man sich: Ist das der Beginn eines großen Eroberungsfeldzuges, mit dem die Amerikaner den deutschen Markt aufrollen werden?
Nach dem abrupten Rückzug von Wal-Mart in Deutschland weiß man nun: Man muß vor Lee Scott keine Angst haben, und es ist für lokale Wettbewerber möglich, gegen den finanzgewaltigen Konzern aus Amerika zu bestehen. Für den 57 Jahre alten Scott mag die Beendigung des Deutschland-Engagements eine Blamage sein, aber für ihn ist Pragmatismus wichtiger als Eitelkeit. Warum soll man einen fast neun Jahre währenden Albtraum weitergehen lassen, wenn sich keine Wende zum Besseren abzeichnet?
Viele Sorgen
Zumal das Unternehmen genug andere Sorgen hat, als die im Verhältnis zum Gesamtkonzern vernachlässigbaren Aktivitäten in Deutschland: Eine Abschwächung auf dem weitaus wichtigeren Heimatmarkt, ein seit Jahren vor sich hindümpelnder Aktienkurs, ein ramponiertes Image in der amerikanischen Öffentlichkeit.
Lee Scott, der seine Karriere bei Wal-Mart im Jahr 1977 begann und im Jahr 2000 Vorstandsvorsitzender wurde, verkörpert eine neue Nüchternheit an der Spitze des Unternehmens. Traditionell war Wal-Mart als eigenwilliges und auch etwas schrulliges Unternehmen bekannt. Wal-Mart ging seinen Weg, ohne große Rücksicht darauf zu nehmen, was andere davon halten. Diese Philosophie geht auf den legendären Gründer Sam Walton zurück. Walton vertrat die Auffassung, das Unternehmen sei der Öffentlichkeit keine Rechenschaft schuldig - schließlich profitiere ganz Amerika von Wal-Mart und seinen niedrigen Preisen.
Wal-Mart-Chef geht in die Offensive
Scott hat eingesehen, daß sich die Zeiten geändert haben. Wal-Mart ist in den vergangenen Jahren immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Dem rasch expandierenden Unternehmen wird vorgeworfen, mit seinen großflächigen Supermärkten kleinere Händler zu ruinieren. Wal-Mart steht im Ruf, gewerkschaftsfeindlich zu sein und seine Mitarbeiter mit Niedrigstlöhnen abzuspeisen und zu langen Arbeitszeiten auszubeuten. Es gab einige peinliche Klagen gegen Wal-Mart, die sich um die schlechte Behandlung von Mitarbeitern drehten.
Scott hat entschieden, daß er in die Offensive gehen muß. Er zeigt sich mehr in der Öffentlichkeit und verteidigt sein Unternehmen. Er hat Imageexperten angeheuert, zuletzt erst in dieser Woche einen Berater des früheren Präsidenten Bill Clinton. Die Imagepflege ist kein Selbstzweck, sondern eine nüchterne Notwendigkeit: Der ramponierte Ruf von Wal-Mart belastet das Geschäft und ist zu einer Hürde in der Expansion geworden. Mehrere Kommunen haben geplante Filialen abgeschmettert.
Die Bemühungen, Wal-Mart als sanfteren Konzern darzustellen, zeigen offenbar Wirkung. So hat die Wirtschaftzeitschrift Fortune in dieser Woche eine große Geschichte über Wal-Mart und seine Umweltinitiativen. Auf der Titelseite sieht man Lee Scott, wie er vor einem Maisfeld steht und ein Körbchen mit bunten Paprika hält.
Text: F.A.Z., 29.07.2006, Nr. 174 / Seite 16
Bildmaterial: AP
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Wal-Mart
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Pragmatismus vor Eitelkeit
Von Roland Lindner
Rückgang auf dem Heimatmarkt, niedriger Aktienkurs, schlechtes Image - Wal-Mart hat viele Sorgen
28. Juli 2006
Vor etwas mehr als zwei Jahren hat Lee Scott die europäische Handelswelt in Angst und Schrecken versetzt: Der Vorstandschef des weltgrößten Einzelhändlers Wal-Mart kam zum ersten Mal nach Brüssel und traf sich mit dem damaligen EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti.
Die Spekulationen überschlugen sich: Holt das Unternehmen aus Bentonville im amerikanischen Bundesstaat Arkansas zu einem Schlag in Europa aus? Plant Wal-Mart eine Großakquisition und will die Wettbewerbskommission vorab schon einmal milde stimmen? Scott selbst hatte die Gerüchteküche vorher noch angeheizt, indem er in Interviews seinen Ehrgeiz bei der Auslandsexpansion unterstrich. Er könne sich kein europäisches Land vorstellen, wo Wal-Mart langfristig nicht gerne vertreten wäre, sagte er.
Rückzug statt Eroberungsfeldzug
Die Aufregung war so groß, daß selbst über einen Zusammenschluß mit dem französischen Wettbewerber Carrefour spekuliert wurde, der weltweiten Nummer zwei in der Einzelhandelsbranche. Es war eine ähnliche Reaktion wie im Jahr 1997, als Wal-Mart mit der Übernahme der Verbrauchermarktkette Wertkauf in Deutschland eingestiegen war. Auch damals fragte man sich: Ist das der Beginn eines großen Eroberungsfeldzuges, mit dem die Amerikaner den deutschen Markt aufrollen werden?
Nach dem abrupten Rückzug von Wal-Mart in Deutschland weiß man nun: Man muß vor Lee Scott keine Angst haben, und es ist für lokale Wettbewerber möglich, gegen den finanzgewaltigen Konzern aus Amerika zu bestehen. Für den 57 Jahre alten Scott mag die Beendigung des Deutschland-Engagements eine Blamage sein, aber für ihn ist Pragmatismus wichtiger als Eitelkeit. Warum soll man einen fast neun Jahre währenden Albtraum weitergehen lassen, wenn sich keine Wende zum Besseren abzeichnet?
Viele Sorgen
Zumal das Unternehmen genug andere Sorgen hat, als die im Verhältnis zum Gesamtkonzern vernachlässigbaren Aktivitäten in Deutschland: Eine Abschwächung auf dem weitaus wichtigeren Heimatmarkt, ein seit Jahren vor sich hindümpelnder Aktienkurs, ein ramponiertes Image in der amerikanischen Öffentlichkeit.
Lee Scott, der seine Karriere bei Wal-Mart im Jahr 1977 begann und im Jahr 2000 Vorstandsvorsitzender wurde, verkörpert eine neue Nüchternheit an der Spitze des Unternehmens. Traditionell war Wal-Mart als eigenwilliges und auch etwas schrulliges Unternehmen bekannt. Wal-Mart ging seinen Weg, ohne große Rücksicht darauf zu nehmen, was andere davon halten. Diese Philosophie geht auf den legendären Gründer Sam Walton zurück. Walton vertrat die Auffassung, das Unternehmen sei der Öffentlichkeit keine Rechenschaft schuldig - schließlich profitiere ganz Amerika von Wal-Mart und seinen niedrigen Preisen.
Wal-Mart-Chef geht in die Offensive
Scott hat eingesehen, daß sich die Zeiten geändert haben. Wal-Mart ist in den vergangenen Jahren immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Dem rasch expandierenden Unternehmen wird vorgeworfen, mit seinen großflächigen Supermärkten kleinere Händler zu ruinieren. Wal-Mart steht im Ruf, gewerkschaftsfeindlich zu sein und seine Mitarbeiter mit Niedrigstlöhnen abzuspeisen und zu langen Arbeitszeiten auszubeuten. Es gab einige peinliche Klagen gegen Wal-Mart, die sich um die schlechte Behandlung von Mitarbeitern drehten.
Scott hat entschieden, daß er in die Offensive gehen muß. Er zeigt sich mehr in der Öffentlichkeit und verteidigt sein Unternehmen. Er hat Imageexperten angeheuert, zuletzt erst in dieser Woche einen Berater des früheren Präsidenten Bill Clinton. Die Imagepflege ist kein Selbstzweck, sondern eine nüchterne Notwendigkeit: Der ramponierte Ruf von Wal-Mart belastet das Geschäft und ist zu einer Hürde in der Expansion geworden. Mehrere Kommunen haben geplante Filialen abgeschmettert.
Die Bemühungen, Wal-Mart als sanfteren Konzern darzustellen, zeigen offenbar Wirkung. So hat die Wirtschaftzeitschrift Fortune in dieser Woche eine große Geschichte über Wal-Mart und seine Umweltinitiativen. Auf der Titelseite sieht man Lee Scott, wie er vor einem Maisfeld steht und ein Körbchen mit bunten Paprika hält.
Text: F.A.Z., 29.07.2006, Nr. 174 / Seite 16
Bildmaterial: AP
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