Genau meine Meinung - aus der ftd
Krisenstimmung
Angst ist ein schlechter Ratgeber
Kommentar Europa und die USA haben ein Schuldenproblem. Amerika und einige Staaten Europas haben außerdem ein Konjunkturproblem. Neu ist das allenfalls für die Investoren, die bislang weggeschaut haben – und die jetzt übertreiben. von Frank Bremser Frankfurt
Die Finanzmärkte bieten derzeit für Investoren, die auf steigende Kurse setzen, ein eher trauriges Bild. Die Unsicherheit ist groß, keiner weiß wirklich, an was man noch glauben und auf was man noch setzen kann. Das führt zu einer Fluchtbewegung in vermeintlich sichere Anlagen, wie zum Beispiel Gold oder Währungen wie den Schweizer Franken.
Wie absurd diese Bewegung ist, zeigt sich aber daran, was noch gekauft wird, etwa der Yen: Japans Wirtschaft schwächelt schon seit Jahren und das Beben und der Tsunami im März haben nicht dazu beigetragen, dass die Zukunft sehr rosig aussieht. Dazu kommen eine gewaltige Verschuldung und große demografische Probleme - Japan ist letztlich auch ein Krisenstaat, nur nicht so dicht am Abgrund wie Griechenland.
Oder amerikanische Staatsanleihen: Das Investment hat schon etwas vom Tanz auf dem Vulkan. Wir reden weltweit über eine Schuldenkrise, mittendrin die USA. Wochenlang hielten die Amerikaner die Welt mit ihrer Debatte um eine Anhebung der Schuldengrenze in Atem. Verantwortliches finanzpolitisches Handeln sieht dabei anders aus. Grundsätzliche Probleme werden nicht gelöst.
Warum kaufen Anleger so etwas? Weil sie auf ihre altbewährten Muster vertrauen und keine Alternative sehen. Und dann greift man auch zu einer eher schlechteren Wahl. Aber warum handeln sie gerade jetzt so? Die Situation hat sich doch seit Monaten letztlich nicht wirklich verändert. Dass die Euro-Staaten kriseln oder dass die USA über ihre Verhältnisse leben, wissen wir alle schon seit Jahren. Die Erklärung könnte schlichtweg sein, dass sich die Anleger diese Fragen erst jetzt richtig stellen - und mit ihren Antworten übertreiben.
Die Schuldenkrise in der Euro-Zone ist dramatisch und sie kann überschwappen auf Länder wie Italien und Spanien. Das wäre ein absolutes Desaster. Und Zweifel am aktuellen Volumen des Rettungsschirms sind sicherlich teilweise berechtigt und auch das Risiko von Umschuldungen nach griechischem Vorbild in anderen Ländern besteht. Aber Lösungen sind möglich und wahrscheinlich.
In den USA werden die Schuldendebatte und die Diskussion um die Bonitätsnote weitergehen. Bislang betrachtete man in den USA das "AAA"-Rating des Landes als gottgegeben. Außerdem schien es ausgeschlossen, dass die Ratingagenturen sich wirklich trauen, das Land herabzustufen. Das wird aber nun wahrscheinlicher. Dabei scheint es aber in den Vereinigten Staaten vielerorts die Einstellung zu geben, dass ein Verlust der Top-Note zu verschmerzen wäre. Das mag vielleicht sein, aber für viele Investoren und für das Land selbst könnte es schmerzliche Folgen haben. Stichworte sind zum Beispiel höhere Zinsen und Verkäufe von Investoren, die nur "AAA" halten dürfen oder wollen. Es ist also eine wichtige Debatte - ob Politik und Notenbank die richtigen Konsequenzen ziehen, muss sich noch zeigen.
Die schlimmen Szenarien, die derzeit umhergeistern, sind nicht schön, aber sie sind noch nicht Realität - auch wenn es, zugegebenermaßen, so schlimm kommen könnte. Aber die Gefahr dafür doht derzeit von der Realwirtschaft. Sollten sich die schwachen Daten etwa aus den USA und der Eurozone bestätigen, dann könnte es zu dem lange befürchteten Double Dip und damit zu einer neuen Rezession kommen. Das wäre wirklich dramatisch.
Sollte es dann auch zu Problemen in China kommen - dort könnte eine Blase am Immobilienmarkt platzen und gemeinsam mit Finanzproblem der chinesischen Regionalregierungen viele Banken ruinieren -, dann sieht die wirtschaftliche Zukunft wirklich düster aus. Aber so weit sind wir noch lange nicht.
Was bleibt also über die aktuelle Krisenstimmung an den Märkten zu sagen? Bei den Investoren ist es zu einem Erkenntnisgewinn gekommen und der hat Angst erzeugt. Und Angst ist immer ein schlechter Ratgeber - gerade im Sommerloch, wenn weniger Investoren an den Märkten unterwegs sind als sonst. Aber es bleibt festzuhalten: Noch geht die Finanzwelt nicht unter, heute nicht und morgen auch nicht.
Quelle: www.ftd.de/finanzen/maerkte/...hlechter-ratgeber/60087061.html