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Auch China zieht Konsequenzen aus der Fukushima-Katastrophe: Alle Genehmigungsverfahren für AKW-Projekte sind mit sofortiger Wirkung gestoppt. Peking wollte die Atom-Kapazität in den kommenden Jahren verachtfachen - nun geht eine Überprüfung der Sicherheit vor.
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Peking - China hat am Mittwoch die Genehmigungsverfahren für alle Atomprojekte auf Eis gelegt. Die Regierung zog damit bei einer Krisensitzung die Konsequenz aus der Atomkatastrophe in Japan. Jetzt müssten die Sicherheitsbestimmungen überarbeitet werden, erklärte das Kabinett laut der Nachrichtenagentur Xinhua.
Die Regierung versicherte außerdem, die radioaktive Belastung durch das havarierte japanische Kernkraftwerk Fukushima werde "die Gesundheit der Menschen in Chinanicht beeinträchtigen". Peking werde die Zusammenarbeit mit Tokio verstärken und Chinesen bei der Ausreise aus den japanischen Katastrophengebieten helfen.
25 im Bau, 50 in Planung
Weiter heißt es in der Regierungserklärung, in Betrieb befindliche AKWs würden nicht abgeschaltet. Jedoch sollten alle laufenden Reaktoren und Reaktorbaustellen auf die Sicherheit hin überprüft werden.
Bisher sind 13 Reaktoren mit 10,8 Gigawatt Leistung im Betrieb, 25 im Bau und 50 in Planung. Nirgendwo in der Welt werden so viele Kernkraftwerke gebaut wie in China. In den kommenden zehn Jahren sollen die Kapazitäten verachtfacht werden. Der weltgrößte Energieverbraucher China will mit Kernkraft seine Engpässe bewältigen und die Abhängigkeit von Kohle und Ölimporten verringern. Außerdem will Peking den Ausstoß des "Klimakillers" Kohlendioxid verringern.
Erst am Montag hatte der Volkskongress beschlossen, allein in den nächsten fünf Jahren mit dem Bau von rund 40 Reaktoren zu beginnen. Einige der Delegierten betonten aber, China sollte der Sicherheit von Kernkraftwerken mehr Aufmerksamkeit schenken.
Das Unglück stärkt Chinas Aufsichstbehörden
Bei der Überprüfung der Richtlinien sollen nun die "strengsten Maßstäbe" angelegt werden, hieß es in der Regierungserklärung. "Alle möglichen Gefahren müssen gründlich untersucht werden - und bei Projekten, die nicht den Sicherheitsrichtlinien entsprechen, wird ein sofortiger Baustopp verfügt."
Die Katastrophe in Japan werde nun die Durchsetzungskraft der chinesischen Atomaufsichtsbehörden stärken, sagt der Nuklear-Experte Mark Hibbs von der Carnegie-Stiftung der Nachrichtenagentur Reuters: "Bis jetzt sind die Behörden der Industrie hinterhergerannt, aber nach dem Reaktorunglück in Japan werden sie viel mehr Macht haben."
Atomkraftwerke versprächen einer Region Ansehen, Einkommen und vor allem Jobs, erklärt Hibbs weiter. "Manche Lokalpolitiker lassen schon die Baugruben für den neuen Reaktor ausheben, bevor auch nur die Genehmigung für das Projekt vorliegt. Damit stehen die Aufsichtsbehörden immer unter enormem Druck."
Online-Protest gegen AKW im chinesischen Erdbebengebiet
Doch nun wendet sich das Blatt, das Unglück in Japan gibt auch in China Atomkraftgegnern ersten Auftrieb. Öffentlich auftreten können sie nicht, aber im Internet erheben sie ihre Stimme. Vor allem das Vorhaben, ausgerechnet in Nanchong ein AKW zu bauen, trifft auf Online-Protest.
Nanchong liegt in der Provinz Sichuan, die erst 2008 von einem Erdbeben erschüttert wurde. "Die Krise in Japan hat mir die Bedrohung durch Radioaktivität erst richtig bewusst gemacht", heißt es in einem der vielen Blogs über das geplante Kraftwerk. "Jetzt bin ich absolut gegen den Bau einer Atomanlage in Sichuan."
oka/dpa/Reuters