Russischer Staatskonzern will nicht die Erblasten der neu erworbenen Tochter Yuganskneftegaz tragen
von Jens Hartmann
Moskau - Rußlands staatlicher Erdölkonzern Rosneft offenbart höchst sonderbares Geschäftsgebaren. Nachdem der Konzern auf einer sehr umstrittenen Auktion im Dezember das Yukos-Förderunternehmen Yuganskneftegaz für einen Schleuderpreis ersteigerte, will er nun dessen Steuerschuld nicht bezahlen. Die fünf Mrd. Dollar, die russische Steuerbehörden von Yuganskneftegaz fordern, sollten gefälligst die Aktionäre von Yukos zahlen. Unter ihrem schlechten Management seien diese Schulden schließlich zustande gekommen, sagte Rosneft-Chef Sergej Bogdantschikow und machte indirekt klar, daß sein Unternehmen meint, Yuganskneftegaz ohne die bekannten Forderungen gekauft zu haben.
Tim Osborne von der Menatep-Gruppe, dem Hauptaktionär von Yukos, bezeichnete diesen Versuch, die Steuerschuld umzuadressieren, als Farce. "Selbst vom Standpunkt der russischen Gesetzgebung kauft man ein Unternehmen so wie es steht und liegt." Osborn drohte zudem seinerseits, daß Menatep schon in der kommenden Woche einen Kredit zurückfordern könnte, den die Gruppe an Yuganskneftegaz vergeben hatte. Von den ursprünglichen 1,6 Mrd. Dollar seien noch 800 bis 900 Mio. offen.
Außerdem will auch ein westliches Bankenkonsortium, geführt von der Société Générale, einen Kredit an Yukos in Höhe von einer Mrd. Dollar zurück. Yuganskneftegaz und Samaraneftegaz, eine andere auf der Abschußliste stehende Yukos-Tochter, hatten dafür die Garantie übernommen. Yuganskneftegaz soll bereits schriftlich aufgefordert worden sein.
Damit gerät der Staatskonzern unter zusätzlichen Druck. Denn Rosneft weiß offenbar auch nicht, wie es seine Neuerwerbung Yuganskneftegaz bezahlen soll. Ursprünglich hieß es, Rußland habe sich bei einem chinesischen Bankenkonsortium sechs Mrd. Dollar geliehen, um die Verstaatlichung des Kerngeschäfts des größten russischen Erdölkonzerns Yukos zu finanzieren. China gewähre der russischen Staatsbank Vneshekonombank den Milliardenkredit. Diese werde die Summe an den russischen staatlichen Erdölkonzern Rosneft weiterleiten.
Diese Wahrheit hatte nur 24 Stunden Bestand. Dann behauptete Finanzminister Alexej Kudrin das Gegenteil. Der Kredit habe nie etwas mit dem Kauf von Yuganskneftegaz zu tun gehabt. Rosneft begründet den Kredit plötzlich mit dem Hinweis auf nicht näher bezeichnete "kapitalintensive strategische Projekte". Bleibt die Frage, wie Rosneft, das jährlich zwischen 5,5 und sechs Mrd. Dollar einnimmt, den Auktionspreis von 9,35 Mrd. Dollar dann bezahlen will. Der Versteigerungserlös sollte dem Fiskus zukommen.
Rußlands Finanzminister Alexej Kudrin deutete indes an, daß bislang die Kaufsumme für Yuganskneftegaz nicht auf den Staatskonten gelandet sei. Ähnliches sagte ein Vertreter des Fonds für Föderales Eigentum, der die Auktion organisiert hatte. Das Justizministerium konnte auf Anfrage nicht sagen, ob gezahlt wurde.
Yukos-Vorstandschef Steven M. Theede, der sein Geschäft aus dem Exil von London aus führt, bestätigte, Yukos habe bislang keine Quittung der Steuerbehörden erhalten, die beweise, daß die Steuerschuld nun reduziert sei. Das würde bedeuten, daß die Bedingungen der Versteigerung verletzt wurden. Schließlich hatte sich der Käufer verpflichtet, spätestens 14 Tage nach der Auktion, die am 19. Dezember stattfand, die Milliardenrechnung zu begleichen. Anderenfalls hätte die Anzahlung von 1,7 Mrd. Dollar dem Staat zufallen und Yuganskneftegaz erneut unter den Hammer kommen müssen. "Es drängt sich der Verdacht auf, daß Rosneft nur eine Anzahlung leistete und seitdem auf der Suche nach einer Finanzierung war", sagt Chris Weafer, Chefstratege der Moskauer Alfa-Bank.
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Der Yukos-Konzern dürfte dessen ungeachtet weiter ausgeschlachtet werden. Für Yuganskneftegaz sucht der russische Staat offenbar noch einen ausländischen Juniorpartner. So wurde der chinesischen CNPC und der indischen ONGC ein 20-Prozent-Aktienpaket offeriert.
Die Menatep Group, die weiter die Mehrheit an dem Yukos-Konzern hält, kündigte an, die chinesischen Banken sowie die Vneshekonombank vor internationalen Gerichten zu verklagen. Sie hätten sich nicht an das richterliche Auktionsverbot gehalten.
Das komplizierte Finanzierungsschema, chinesische und russische Kreditinstitute zwischenzuschalten, um letztlich ein direktes Geschäft Geld gegen Öl zwischen dem Rosneft-Konzern und der chinesischen CNPC abzuwickeln, soll offenbar nur einen Zweck erfüllen: mögliche Schadenersatzforderungen zu erschweren. Rosneft hat Geschäftsinteressen im Ausland, CNPC ist gar an der New Yorker Börse gelistet. Das Gericht in Houston wird sich am 16. Februar mit dem Fall Yukos befassen.
Artikel erschienen am Mo, 7. Februar 2005
@moya und 2212i, thx :)