Keir Starmer, der Vorsitzender der britischen Labour Partei bei einer Wahlkampfveranstaltung in Grays (Essex). (9. Juni 2024)
Freitag, 05.07.2024 12:45 von | Aufrufe: 1308

Labour-Wahlsieg: Keir Starmer: So will er die Wirtschaft beleben und mit Europa umgehen

Keir Starmer, der Vorsitzender der britischen Labour Partei bei einer Wahlkampfveranstaltung in Grays (Essex). (9. Juni 2024) - ©Keir Starmer CC2

Keir Starmer, der neue Premierminister Großbritanniens, wird in nur zwei Wochen seinen ersten wichtigen Europa-Termin wahrnehmen. Am 18. Juli wird er Gastgeber des Gipfels der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) im Blenheim Palace sein. Dieser bedeutende Anlass kommt nur kurze Zeit nach dem erdrutschartigen Wahlsieg seiner Labour-Partei, die laut Prognosen der BBC 410 der 650 Sitze im Parlament gewonnen hat – eine Verdopplung ihrer bisherigen Mandate.

Die Konservative Partei des bisherigen Premierministers Rishi Sunak erlebte eine verheerende Niederlage und schrumpfte auf 144 Mitglieder. Diese dramatische Reduzierung ihrer Sitze dürfte Sunak das Amt des Parteivorsitzenden kosten, obwohl er weiterhin als Abgeordneter im Parlament bleibt.

Beim EPG-Treffen wird die neue Regierung ihre europapolitische Richtung klären. Nach 14 Jahren konservativer Herrschaft und dem Brexit stellt sich die Frage, ob Labour eine Annäherung an Europa anstrebt. Sicherheitspolitisch besteht die Kooperation mit Europa weiterhin, insbesondere angesichts des Ukrainekriegs. Doch für die wirtschaftliche Dynamik, die Labour verspricht, könnte eine stärkere Verbindung zu Europa entscheidend sein, zumal der Brexit die britische Wirtschaft um bis zu sechs Prozentpunkte an Wertschöpfung gekostet hat.

Starmer, ein entschiedener Brexit-Gegner, hat dieses Thema während des Wahlkampfs weitgehend gemieden. Stattdessen fokussierte er auf das wirtschaftliche und finanzpolitische Versagen der Tories. Mit dem Versprechen von Wandel und mehr Wohlstand sprach er die frustrierten Briten an, die unter den stark gestiegenen Lebenshaltungskosten leiden.

Seit Liz Truss als Premierministerin durch massive Steuersenkungen ohne erkennbare Gegenfinanzierung beinahe einen Finanzmarkt-Crash auslöste, hat das Vertrauen der Wähler in die Tories stark gelitten. Sunak, der ihr folgte, steht für eine besonnene Fiskalpolitik, konnte jedoch das Vertrauen der Bürger nicht wiedergewinnen. Labour führte in den Umfragen mit 20 Prozentpunkten Vorsprung, ein Abstand, der zuletzt 1997 gesehen wurde.

Starmer hat nun das Mandat, Wirtschaftsreformen durchzuführen, die das Wachstum ankurbeln sollen. Peter Mandelson, ein prominentes Mitglied der Labour-Partei, betont, dass es eine Revolution braucht, um den unproduktiven Regierungsapparat und die finanziell ausgezehrten Kommunen zu reformieren. Es bedarf beschleunigter Planungs- und Genehmigungsverfahren, um den Investitionsstau zu lösen.

Das finanzielle Erbe der Tories umfasst marode Infrastruktur und einen höheren Schuldenberg als bei den europäischen Nachbarn. Labour muss innovative Lösungen finden, da einfach mehr Geld nicht die Antwort sein kann. Starmers Pläne umfassen eine neue Industrie- und Investitionspolitik, kürzere Wartezeiten auf Arzttermine und wirtschaftliche Stabilität.

Steuern sind ein sensibles Thema. Labour plant keine Erhöhung der Einkommens-, Mehrwertsteuer oder Sozialversicherungsbeiträge, sondern das Schließen von Steuerschlupflöchern und eine stärkere Besteuerung von Privatschulen und Immobilienkäufen durch Ausländer. Die Körperschaftsteuer soll bei 25 Prozent gedeckelt werden.

Um den Wachstumsmotor zu zünden, bleibt Labour auch die Möglichkeit, zu sparen oder mehr Schulden aufzunehmen. Starmer plant ausgeglichene Haushalte und eine Lockerung der Schuldenbremse, wobei staatliche Investitionen nicht angerechnet werden sollen. Wie die Tories setzt Labour auf „grünes Wachstum“ und verspricht 650.000 neue Jobs durch Investitionen in Zukunftsindustrien.


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Labour plant die Gründung eines staatlichen Unternehmens „Great British Energy“, das durch Übergewinnsteuern finanziert wird, um höhere Rechnungen zu vermeiden. 8,3 Milliarden Pfund sind für diesen grünen Versorger vorgesehen, und zusätzliche Gelder sollen in den National Wealth Fund fließen, um Infrastrukturprojekte und Zukunftstechnologien zu fördern.

Die Beziehungen zur EU sind ein zentraler Punkt. Die Brexit-Folgen, insbesondere die Konsumschwäche und gestiegene Verbraucherpreise, belasten die britische Wirtschaft. Starmer möchte den Außenhandel mit der EU intensivieren, ohne jedoch der Zollunion oder dem Europäischen Wirtschaftsraum beizutreten. Ein Abkommen über pflanzliche und tierische Erzeugnisse könnte die Handelsschranken erheblich verringern und die Kosten für britische Erzeuger und Verbraucher reduzieren.

Um die Beziehungen zur EU zu verbessern, muss Starmer zunächst Klarheit über seine Ziele schaffen. Die EU wird ihre eigenen Wünsche haben, darunter eine Regelung zur Jugendmobilität und eine neue Vereinbarung über den Fischfang. Je größer Starmers Mehrheit im Unterhaus, desto größer wird der Raum für politischen Mut.

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