„Nur Drillisch will Zerschlagung“
13.07.2007
Freenet-Chef Eckhard Spoerr (39) über Spannungen auf der Hauptversammlung am kommenden Freitag und die Perspektiven des Telekom-Unternehmens
€uro am Sonntag: Herr Spoerr macht Ihnen der Job als Freenet-Chef noch Spaß?
Spoerr: Der Job macht mir nach wie vor Spaß, auch wenn ich mich lieber mehr um das operative Geschäft kümmern würde als um die Themen, die derzeit diskutiert werden.
€uro am Sonntag: Haben Sie diese Entwicklung erwartet?
Spoerr: Nein. Ich bin über die Entwicklung überrascht, vor allem über den Ton. Ich habe nichts gegen eine sachliche Diskussion, aber der Ton und die Methoden überraschen mich sehr und sind meines Erachtens sehr ungewöhnlich für deutsche Verhältnisse.
€uro am Sonntag: Rechnen Sie mit Schwierigkeiten bei der Entlastung des Vorstands?
Spoerr: Nein. Wir haben ein gutes Geschäftsjahr gehabt und wir haben korrekt und professionell gehandelt. Es gibt keinerlei Gründe dem Vorstand eine Entlastung zu verwehren.
€uro am Sonntag: Wird es auf der Hauptversammlung, die Strategie des Unternehmens betreffend, zu einer Lagerbildung kommen?
Spoerr: Ich glaube nicht. Die Stimmung entspricht nicht dem Bild, das von Medien vermittelt wird.
€uro am Sonntag: Es gibt also von Seiten der Aktionäre ausreichend Unterstützung für die Argumente des Freenet-Vorstands?
Spoerr: Wir haben gute Argumente und große Unterstützung für unsere Strategie. So hat sich jüngst Großaktionär Vatas eindeutig für uns ausgesprochen. So etwas ist im Vorfeld einer Hauptversammlung für institutionelle Investoren nicht selbstverständlich. Ich weiß noch von anderen institutionellen Anlegern, die ähnlich denken und die mit der Vorgehensweise des Großaktionärs Drillisch nicht glücklich sind.
€uro am Sonntag: Der Freenet-Vorstand geht also von einer klaren Mehrheit für sein Vorhaben aus?
Spoerr: Ja.
€uro am Sonntag: Sie sehen den Verkauf von Freenet inzwischen als strategische Option, schließen als Vorstand eine Zerschlagung der Firma jedoch aus. Sehen Sie Chancen, eine Zerschlagung zu verhindern?
Spoerr: Selbstverständlich. Viele Aktionäre mit denen wir Kontakt haben, sehen eine Zerschlagung weder im Gesellschaftsinteresse noch als adäquates Mittel, den Wert zu steigern. Die Forderung nach einer Zerschlagung hält nach meinen Gesprächen Drillisch nachhaltig aufrecht. Aus meiner Sicht nur, weil das Drillisch-Management, die Brüder Choulidis, wollen, dass wir ihre Firma überteuert kaufen, oder dass wir in eine Situation kommen, unseren Serviceprovider günstig an Drillisch zu veräußern.
€uro am Sonntag: Stephan Howaldt, Chef des Freenet-Großaktionärs Hermes Focus Asset Management hat sich ähnlich geäußert.
Spoerr: Herr Howaldt hat uns gebeten für strategische Optionen offen zu sein. Das ist auch einer der Gründe, warum wir dem Verkauf jetzt höhere Priorität einräumen. Mit Großinvestor Florian Homm haben wir eine ähnliche Sicht der Dinge entwickelt.
€uro am Sonntag: Sie stimmen dem Verkauf von Freenet als Ganzes also zu, wenn es der Konsolidierung der Branche dient.
Spoerr: Der Markt ist hart umkämpft und es macht aus industrieller Sicht Sinn, über Konsolidierung nachzudenken und Optionen zu prüfen.
€uro am Sonntag: Mit wie vielen Kauf-Angeboten rechnen Sie?
Spoerr: Dazu kein Kommentar.
€uro am Sonntag: Würden Sie auch an einen Finanzinvestor verkaufen?
Spoerr: Ich verkaufe gar nichts. Darüber entscheiden die Aktionäre. Ich denke aber, dass ein strategischer Investor, ein Unternehmen aus der Telekommunikationsbranche also, als Käufer besser wäre. Ein Finanzinvestor würde nicht im ersten Schritt, zur Konsolidierung der Branche beitragen. Das letzte Wort in dieser Entscheidung haben aber die Aktionäre.
€uro am Sonntag: Gibt es eine Vorstellung zum Mindestpreis?
Spoerr: Auch dazu kein Kommentar. Der Verkauf ist lediglich eine Option.
€uro am Sonntag: Wie überzeugen Sie die Aktionäre von einer Fortsetzung des unabhängigen Status von Freenet?
Spoerr: Freenet ist für den Zukunftsmarkt mobiles Internet bestens positioniert. Internet wird mobil und Mobilfunk wird internetorientiert, also mehr als Sprachtelefonie und SMS. Als fusioniertes Unternehmen sind wir gegenüber isolierten Geschäftsmodellen, sei es DSL oder Mobilfunkdienstleister, im Vorteil.
€uro am Sonntag: In beiden Märkten sind Freenet Übernahmeziele weggekauft worden. Eigentlich ein Handicap, oder?
Spoerr: Das waren keine großen Ziele, vor allem Dienstleister Talkline nicht. Wir haben einen Kauf mit der Vorgabe erwogen, dass das Preis/Leistung-Verhältnis stimmen muss. Für die Umsetzung unserer Strategie brauchen wir Talkline nicht.
€uro am Sonntag: Warum?
Spoerr: Wir haben Mobilfunkkompetenz bereits im Haus. Talkline hat zudem für uns wenig relevante Vertriebskanäle. Dennoch ist es so, dass man mit einem weiteren Serviceprovider und damit einer größeren Kundenanzahl unsere Strategie unterstützen kann, aber nur wenn der Kaufpreis stimmt. Aus unserer Sicht und auch aus der Sicht der meisten Großaktionäre war es der richtige Schritt, Talkline zu diesem Preis nicht zu übernehmen. Wir lassen uns aus populistischen Gründen nicht in eine Übernahme zwängen.
€uro am Sonntag: Haben Sie im Vorfeld der Übernahme Großaktionäre konsultiert?
Spoerr: Nein. Nach Bekanntgabe des Kaufpreises gab es jedoch eine klare Unterstützung.
€uro am Sonntag: Der Marktanteil im Serviceprovidermarkt ist also für Freenet nicht primär entscheidend. Sie können Wachstum auch mit dem bestehenden Mobilcom-Anteil erreichen?
Spoerr: Ja, weil ein neuer Markt entstehen wird, den es so heute noch nicht gibt. Die Marktanteile im Mobilfunkmarkt sind gefestigt. Durch das Aufkommen des mobilen Internet wird es Verschiebungen zugunsten von Freenet und zulasten von anderen Providern geben.
€uro am Sonntag: Durch welche Produkte oder Dienstleistungen?
Spoerr: Wir werden auf der Hauptversammlung konkret darüber informieren. Als Beispiel können Sie aber auch den Komplett-Anschluss nehmen – Telefonanschluss, DSL, Mobilfunk und Handy-Flatrate ins deutsche Festnetz. Das Ganze für 19,95 Euro.
€uro am Sonntag: Vergleichbar mit dem 4DSL-Angebot von United Internet..
Spoerr: Wird sind nicht der Einzige im Markt, aber es gibt keinen anderen unabhängigen Mobilfunk-Serviceprovider in diesem Segment. Da sehen Sie die Schwäche des isolierten Geschäftsmodells. Wir haben durch die verzögerte Fusion Zeit verloren, sonst wären wir für einige Monate die Einzigen mit dem Angebot gewesen. United Internet hat sich hervorragend darauf eingestellt.
€uro am Sonntag: Befürchten Sie, dass sie in einem ähnlich heftigen Preiskampf wie im DSL-Geschäft weniger Ressourcen als United Internet haben?
Spoerr: Nein. Wir sind auch nach der Sonderausschüttung ein schuldenfreies Unternehmen und damit für alle Arten von Preis- und Marktanteilskämpfen gerüstet. Wir proklamieren ja nicht die Marktführerschaft, sondern wollen eine gute Entwicklung unseres Unternehmens
€uro am Sonntag: United Internet vermarktet seit kurzem auch Anschlüsse von Telefonica und QSC. Sehen Sie darin eine negative Beeinträchtigung für Freenet?
Spoerr: Nein. Im Gegenteil, mehr Kunden auf den Netzen von QSC und Telefonica verschafft Luft für Preissenkungen weil Skaleneffekte schneller greifen. Wir werden gemeinsam mit unseren Netzpartnern an Stärke gewinnen. Es ist eine Win-win Situation.
€uro am Sonntag: Thema Sonderdividende. Einige fordern eine größere Ausschüttung. Zehn bis 13 Euro pro Aktie, die zum Teil über Schulden finanziert werden soll. Wie steht der Freenet-Vorstand dazu?
Spoerr: Aus unser Sicht ist eine schuldenfinanzierte Ausschüttung zum einen mit juristischen Risiken verbunden – eine Vereinbarung mit Gegnern der Fusion von Freenet und Mobilcom besagt, dass der Vorstand eine kreditfinanzierte Ausschüttung bis zum 18. August 2007 nicht unterstützen darf – und zum anderen würde sie den Handlungsspielraum der Firma zu sehr einschränken.
€uro am Sonntag: Ein Kritikpunkt einiger Großaktionäre ist das Aktienoptionsprogramm, dem der Freenet-Aufsichtsrat im Mai zugestimmt hat. Kritiker behaupten dass das Programm, daß für fünf Jahre gilt, eine Gesamtausschüttung bis zu 50 Millionen Euro zulässt.
Spoerr: 50 Millionen Euro sind ein theoretischer und zudem deutlich überzogener Wert. Die Fakten sind: Das Programm wurde nicht im Mai 2007 sondern bereits vor über einem Jahr vereinbart und der Bezugspreis entspricht in etwa dem damaligen Aktienkurs. Es läuft bis 2011. Pro Vorstandsmitglied können im Durchschnitt pro Jahr maximal 1,7 Millionen Euro eingelöst werden, auch wenn wir den Unternehmenswert um mehrere Milliarden steigern. Dies wurde und muss bei der Beurteilung der Angemessenheit entsprechend berücksichtigt werden.
€uro am Sonntag: Könnte das Optionsprogramm, wie von Kritikern angedeutet, ein juristisches Nachspiel haben?
Spoerr: Wir haben wegen einer Überprüfung keine Bedenken. Es ist ein Programm, dass zu marktgerechten Konditionen vergeben wurde. Es ist also nicht sachgerecht, jetzt, bei einem höheren Kurs, zeitpunktbezogen, zu sagen, die Erfolgsziele sind zu niedrig. Der Aufsichtsrat der Freenet AG konnte im Mai nur einen Bestätigungsbeschluss machen, das Programm aber nicht mehr ändern, weil es bereits individualvertraglich an Führungskräfte und Vorstände begeben wurde.
€uro am Sonntag: Für die von Freenet-Großaktionär und Hermes-Focus-Chef Howaldt geäußerte Option eines freiwilliger Teilverzichts sehen Sie also keine Grundlage?
Spoerr: Es gibt keine rechtliche Grundlage für Änderungen. Zudem ist es schwierig bei 40 bis 50 Optionsinhabern mit vertraglichen Rechten Änderungen zu verhandeln und vorzunehmen. Es ist Teil der Gesamtvergütung der entsprechenden Führungskräfte. Außerdem: Wenn der Kurs heute bei 14 Euro stünde, würde keiner fordern, den Bezugspreis zu senken. Wir müssen dafür arbeiten, das Programm werthaltig zu machen und zu halten, davon profitieren unsere Aktionäre am meisten.
€uro am Sonntag: Gehen Sie davon aus, dass es auch in den kommenden Jahren eine unabhängige Freenet geben wird?
Spoerr: Dazu gebe ich keine Prognose ab. Das hängt auch von anderen ab.
Das Interview führte €uro am Sonntag-Redakteur Klaus Schachinger
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