Electronic Arts: Risikospiel mit Harry Potter
Von Henry Lübberstedt, Hamburg
Der weltgrößte Computerspiele-Verlag Electronic Arts (EA) hat sich die Rechte an Harry Potter gesichert. Kommende Woche erscheint mit "Der Stein der Weisen" das erste Spiel. Doch trotz des weltweiten Erfolges der Bücher und des Films bleibt ein Risiko für EA.
Harry Potter in der Zauberer-Schule
"Wir wissen einfach nicht genau, ob die anvisierte Gruppe der Harry-Potter-Leser auch Videospieler sind", sagt der Geschäftsführer von EA-Deutschland, Stefan Lampinen. Falls nicht, könnte sich der ersehnte finanzielle Segen in einen Fluch verwandeln.
Anfang vergangenen Jahres hatte sich der US-amerikanische Verlag bei Warner die Rechte für Harry Potter als Computer-Spielfigur gesichert. Über die Summe ist Stillschweigen vereinbart worden. Angesichts der hochgesteckten Ziele dürfte die Größenordnung jedoch erheblich gewesen sein.
Potter soll Rekorde brechen
So erhofft sich das Unternehmen nach Angaben des britischen EA-Managers Tome Stone rund eine Mrd. $ Umsatz weltweit. Ein Teil der Einnahmen fließt als Lizenzgebühren an Warner. Um weltweit möglichst jeden Spielwilligen zu erreichen und das eigene Risiko zu streuen, hat EA Harry Potter für den PC, die Sony Playstation-1, den Gameboy Color und den Gameboy Advanced umgesetzt. Microsofts X-Box sowie der Nintendo Gamecube sollen folgen. Kein anderes Spiel hat es bislang für so viele Systeme gegeben.
Für Deutschland erwartet Stefan Lampinen rund 100 Mio. DM Umsatz in den kommenden elf Monaten, was einem Verkauf rund etwa einer Millionen Spiele entspricht. Derzeit gelten in der Software-Unterhaltungsindustrie bereits Spiele mit weltweit 300.000 Abverkäufen als Spitzentitel. Lampinen setzt vor allem auf die Leser der 11,3 Millionen verkauften Harry-Potter-Bücher in Deutschland. "Selbst wenn von den Lesern nur ein kleiner Prozentsatz Videogames spielt, dürfte das für uns ausreichen," sagt Lampinen.
Ein Glücksfall für den Aktienkurs
Drei Freunde: Ron Weasly, Harry.Potter und Hermine Granger. Gleich müssen sie gegen den finsteren Troll (links im BIld) antreten
EA besitzt die Rechte an allen vier Büchern, bis 2004 wird es pünktlich zu Weihnachten einen neuen Harry-Potter-Titel geben, exakt abgestimmt mit dem entsprechenden Kinofilm von Warner. Solche Serien sind ein Glücksgriff für börsennotierte Spielefirmen. EA und andere Unternehmen der Branche erwirtschaften zwischen Oktober und Dezember rund die Hälfte ihres Jahresumsatzes. Die Entwicklung eines modernen Videospiels dauert meist weit über ein Jahr und kostet rund zwei Mio. $. Da der Erfolg eines Titels vor der Veröffentlichung schwer abzuschätzen ist, müssen die Firmen im Falle eines Flopps ihre angepeilten Ergebnisse häufig nachbessern. Schwankende Börsenkurse sind die Folge. Erfolgreiche Serien wie beispielsweise "Tomb Raider" des britischen Verlags Eidos federn diesen Effekt ab. "So gesehen ist Potter für uns eine potenzielle 'Cash Cow', die auch langfristig unseren Aktienkurs stützen kann," meint Lampinen.
Mädchen im Visier
Für EA könnte sich die Potter-Saga noch aus einem anderen Grund als lukrativ erweisen – Harry Potter spielt sich wie ein 3D-Actiongame, ist jedoch weitgehend gewaltfrei. "Das macht dieses Computerspiel zu einem idealen Titel für Mädchen beziehungsweise Frauen," hofft Lampinen. In Deutschland wurden nach Angaben des Verbandes der Unterhaltungssoftware dieses Jahr Videospiele für knapp drei Mrd. DM verkauft – allerdings zu über 95 Prozent an männliche Kunden. Die Umsätze ließen sich noch einmal deutlich in die Höhe schrauben, wenn es gelingt, Mädchen als neue Kundengruppe zu erschließen, ist Lampinen überzeugt.
Der gebürtige Schwede strebt für EA im deutschsprachigen Raum ein Ergebniszuwachs von 20 bis 25 Prozent an, offenbar auch mit Hilfe neuer weiblicher Kundschaft. Derzeit ist allerdings die Schnittmenge an geeigneten Titeln verschwindet gering, da die 16 jährige männliche Klientel Gewalt, Kriegsstrategie und Sport bevorzugt.
Verkaufsstart und Preise
Harry Potter im Klassenzimer. Vor allem die PC-Version glänzt mit hochauflösenden Grafiken.
Verkaufsstart für die Playstation- und Gameboy-Color-Version ist der 16. November zum Preis von 99 DM beziehungsweise 89 DM. Am 22. November folgen die PC- und die Gameboy-Advanced-Versionen für 99 DM beziehungsweise 120 DM