27. März 2009 10:52
Inside Wall Street
Die Bullen werden nervös
Von Lars Halter, New York
Am Ende der dritten grünen Woche fragen sich Anleger erneut, ob der Dow Jones in der ersten März-Woche bei 6500 Punkten einen Boden erreicht hat - oder ob gewiefte Zocker wieder einmal eine Bärenmarkt-Rally aufgeführt haben, die sich bald in Luft auflösen könnte. Während starke Konzepte aus Washington zunehmend für eine Erholung sprechen, ist letzteres nicht auszuschließen.
Amerikanische Anleger kennen sich mit Bärenmarkt-Rally aus. Sie sind oft darauf hereingefallen. Allein in den letzten anderthalb Jahren hat die Wall Street mindestens drei Mal gedacht, es ginge jetzt wieder aufwärts: nach Dow-Tiefständen 12.700, bei 11.650, bei 7900 Punkten. Entsprechend zögerlich wagen sich Investoren nun in den Markt - was allerdings schon wieder für weiteres Kletterpotenzial spricht, denn offensichtlich ist noch viel Kapital verfügbar, das in Aktien fließen könnte.
Doch hier und da zeigt sich, dass Investoren das Risiko noch nicht eingehen wollen. Erst am Mittwoch wurde bekannt, dass bei den jüngsten Versteigerungen von US- und britischen Bonds nicht genug Kaufinteresse herrschte - von einem Moment auf den anderen brachen die Märkte ein: Die Blue Chips stürzten von einem Plus von 200 Punkten auf ein Minus von 80 Punkten. Letztlich schlossen sie zwar wieder im grünen Bereich, doch auf anhaltende Stabilität im Markt lassen solche Bewegungen sicher nicht schließen.
Die USA und Großbritannien und die Politik der jeweiligen Regierungen werden in der nächsten Woche wieder im Mittelpunkt stehen, wenn sich die Staatschefs zum G20-Gipfel in London treffen.
Vorausgesetzt, es platzen nicht wichtigere Nachrichten mitten in den Markt. So geschehen bei den letzten Bärenmarkt-Rallys. Im November, als man zuletzt einen Boden zu fühlen glaubte, hatten plötzliche Bankrott-Gerüchte im Automobilsektor und die Verhaftung von Bernie Madoff zu den Auslösern weiterer Kursstürze gezählt.
Man fragt sich, was jetzt kommen könnte: Bei den Autos sieht die Lage heute nur minimal besser aus als im Winter, und ein Konkurs von GM ist immer noch denkbar. Ein Untergang von AIG ebenfalls, und auch mit der möglichen Verstaatlichung der Banken und neuer Regulierung für Hedgefonds und andere Investment-Vehikel hat sich der Markt noch nicht angefreundet.
"Fool me once, shame on you; fool me twice, shame on me", sagt der Amerikaner. Das heißt: Einen ersten Reinfall steckt man gerne weg, ein zweites Mal lässt man sich aber nicht verkohlen. In den nächsten Tagen werden viele Anleger ihren Finger am Drücker haben, um binnen Sekunden aus dem Markt auszusteigen und Gewinne mitzunehmen, sollte man aus London, Washington oder sonstwo schlechte Nachrichten hören.
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