Alan Greenspan wird am Donnerstag reichlich Gelegenheit erhalten, seiner offenbar stark missverstandenen Rede vom 11. Januar eine transparentere Gestalt zu geben. Vor dem Haushaltsausschuss des US-Senats dürfte es spannend werden, wie sehr der Chairman der Federal Reserve sich von seinen in San Francisco geäußerten pessimistischen Konjunkturtönen distanzieren oder diese klar stellen wird.
Greenspan hatte in dieser Rede allzu optimistische Erwartungen über ein Durchstarten der US-Konjunktur gedämpft, dabei von „signifikanten Risiken“ gesprochen und so Zinssenkungserwartungen am Leben gehalten. Skeptisch hatte er sich unter anderem zur weiteren Entwicklung der Unternehmensinvestitionen geäußert, aber auch - angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit - zu den künftigen Konsumausgaben. Eine Woche später hieß es dann aber in einem Bericht der „Washington Post“, die Rede von Greenspan sei pessimistischer formuliert worden, als dies zunächst beabsichtigt gewesen sei.
Der Zeitung zufolge wurde nämlich eine ursprünglich zu optimistische Version umgearbeitet, da innerhalb der Fed Befürchtungen aufgekommen waren, dass die Zinsen am Kapitalmarkt steigen und die Aktienkurse zu enthusiastisch reagieren würden. Offenbar war dann die zweite überarbeitete Version der Greenspan-Rede zu negativ ausgefallen. Entsprechend reagierten auch am 11. Januar die Bondmärkte mit Kursgewinnen, während die Aktienmärkte deutlich nachgaben. Zugleich fielen die Sätze für die Fed Fund Futures kräftig, da die Marktteilnehmer eine Zinssenkung zum Monatsende wieder für wahrscheinlicher hielten.
Nach dem Artikel in der „Washington Post“ und einigen starken US-Konjunkturdaten änderte sich die Stimmung am Terminmarkt wieder; im Moment gehen die Marktteilnehmer für die Sitzung des Offenmarktausschusses FOMC eher von unveränderten Leitzinsen aus. Sollte Greenspan den Eindruck haben, dass seine Rede überinterpretiert worden ist, kann er vor dem Senatsausschuss noch mal einiges klarer stellen und dabei auch die zuletzt recht volatilen Zinserwartungen stabilisieren. Dennoch, insgesamt dürfte der Fed-Chairman wenig glücklich sein über die Schwankungen, die er an den Finanzmärkten geschaffen hat. Eine Mitschuld tragen dabei jedoch auch seine Kollegen im FOMC, die zuletzt zumeist sehr positive Ausblicke auf den weiteren Verlauf der US-Konjunktur gegeben hatten.
Blickt man auf die aktuellen Konjunkturdaten, so zeigt sich allerdings in der Tat, dass die US-Wirtschaft vor der Wende stehen könnte. Dennoch hat Greenspan nicht zu Unrecht auf die bestehenden Risikofaktoren verwiesen, auch wenn seine Absichten dafür nicht klar sein mögen. Einige kritische Konjunkturexperten sehen die USA angesichts dieser Unsicherheiten bereits vor einer „double-dip“-Rezession mit einem W-förmigen Konjunkturverlauf: Auf eine kurze zwischenzeitliche Erholung, die jetzt gerade in den Startlöchern wartet, folgt zu einem späteren Zeitpunkt ein zweiter Abschwung. Dass Greenspan sich am Donnerstag dieser sehr pessimistischen Fraktion anschließt, ist unwahrscheinlich.
Quelle: wiwo