Die Großen markieren den Trend
Die entscheidende Frage, wem man glaubt
Der Glaube macht selig an der Börse – vor allem der Glaube der anderen. Denn wenn die anderen noch glauben, dass eine Aktie gut läuft, und man selbst nicht mehr, dann findet man gute Kurse zum Ausstieg. Wichtig ist also, im richtigen Moment den Glauben zu verlieren oder auch – zum Einstieg – wiederzugewinnen.
Glauben funktioniert manchmal besser unter Anleitung. Aber welchen Analysten soll der Anleger glauben? Zyniker würden sagen, am besten gar keinem. Denn wenn der Analyst öffentlich seine Meinung sagt, hat er hoffentlich seine Kunden schon vorher beraten – sonst würde er ihnen einen schlechten Dienst erweisen. Manche Strategen, die „Contrarians“, machen sogar ein Prinzip daraus: immer das Gegenteil von dem tun, was am Markt gerade so erzählt wird. Das funktioniert aber auch nur manchmal. Denn oft bewegt sich die Börse oder eine Aktie tatsächlich in die Richtung, die viele Experten vorausgesehen haben.
Ein weiteres Problem: Welche Analysten verstehen tatsächlich die Themen, von denen sie sprechen? Auf den ersten Blick sollte man meinen, die Experten in den großen Häusern hätten die Nase vorn. Schließlich haben sie viel mehr Zeit, sich auf einzelne Aktien zu konzentrieren, weil sie nicht so weite Bereiche abdecken müssen. In den Unternehmen werden die Leute von Merrill Lynch & Co. sehr ernst genommen, manche Vorstandsvorsitzenden reden mit ihnen in Konferenzen quasi auf gleicher Augenhöhe. Der Hauptgrund dafür ist allerdings weniger die Kompetenz dieser Leute als der direkte Einfluss, den sie auf Großinvestoren haben. Analysten kleinerer Häuser werden dagegen in den Unternehmen, mit denen sie sich beschäftigen, eher belächelt.
Das ist aber nur die eine Seite. Die andere Seite sind die Analystenrankings – inzwischen gibt es eine ganze Reihe verschiedener Verfahren dazu am Markt. Und dabei zeigt sich: Häufig liegen gerade die Analysten kleiner Häuser mit ihren Prognosen sehr gut, oft besser als die der großen Banken. Wie kommt das?
An der Börse gibt es keine Garantien
Es gibt sicherlich mehrere Gründe dafür. Zum einen sitzen die Analysten kleinerer Häuser in den nationalen Märkten vor Ort und nicht weit weg in London. Und Nähe zum Markt hilft durchaus. Es kann aber auch andere Gründe für ein gutes Abschneiden geben. Wer sich zum Beispiel mit Gewinnprognosen immer hübsch in der Mitte hält zwischen den Werten seiner Kollegen, der hat eine große Chance, einen Treffer zu landen. Mut wird nicht gerade belohnt in diesem Geschäft, Trittbrettfahren kann sich dagegen auszahlen. Deswegen geben auch Analystenrankings keine Garantie für Qualität.
Garantien gibt es aber an der Börse ohnehin nicht. Wichtig ist daher, die Spieler am Markt richtig einzuschätzen und ihre eigenen Interessen einzuschätzen. Und da gilt: Bei kleinen Banken – wie auch bei kleinen Fonds – ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass jemand mit seinen Äußerungen selbst den Markt beeinflusst. Die Leute dort sind unabhängiger, können freier Empfehlungen geben, ohne sich selbst die Kurse zu verderben. Trotzdem ist wichtig zu wissen, was die großen Häuser sagen – sie markieren den Trend. Außerdem sind die Argumente der angelsächsischen Analysten oft ein Maßstab für die Unternehmen: Wer sich auf Dauer mit ihnen anlegt, hat keinen guten Stand.
Glauben sollte man also eher den Analysten kleinerer Häuser. Aber beobachten muss man auch die anderen – als Teil des Marktes. Anders gesagt: Die großen Häuser machen den Trend – und gegen den Trend ist kein Geld zu verdienen. Die kleinen dürften aber freier und früher darüber sprechen, wann sich der Trend drehen könnte.
Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 20. April 2005, 06:00 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Die entscheidende Frage, wem man glaubt
Der Glaube macht selig an der Börse – vor allem der Glaube der anderen. Denn wenn die anderen noch glauben, dass eine Aktie gut läuft, und man selbst nicht mehr, dann findet man gute Kurse zum Ausstieg. Wichtig ist also, im richtigen Moment den Glauben zu verlieren oder auch – zum Einstieg – wiederzugewinnen.
Glauben funktioniert manchmal besser unter Anleitung. Aber welchen Analysten soll der Anleger glauben? Zyniker würden sagen, am besten gar keinem. Denn wenn der Analyst öffentlich seine Meinung sagt, hat er hoffentlich seine Kunden schon vorher beraten – sonst würde er ihnen einen schlechten Dienst erweisen. Manche Strategen, die „Contrarians“, machen sogar ein Prinzip daraus: immer das Gegenteil von dem tun, was am Markt gerade so erzählt wird. Das funktioniert aber auch nur manchmal. Denn oft bewegt sich die Börse oder eine Aktie tatsächlich in die Richtung, die viele Experten vorausgesehen haben.
Ein weiteres Problem: Welche Analysten verstehen tatsächlich die Themen, von denen sie sprechen? Auf den ersten Blick sollte man meinen, die Experten in den großen Häusern hätten die Nase vorn. Schließlich haben sie viel mehr Zeit, sich auf einzelne Aktien zu konzentrieren, weil sie nicht so weite Bereiche abdecken müssen. In den Unternehmen werden die Leute von Merrill Lynch & Co. sehr ernst genommen, manche Vorstandsvorsitzenden reden mit ihnen in Konferenzen quasi auf gleicher Augenhöhe. Der Hauptgrund dafür ist allerdings weniger die Kompetenz dieser Leute als der direkte Einfluss, den sie auf Großinvestoren haben. Analysten kleinerer Häuser werden dagegen in den Unternehmen, mit denen sie sich beschäftigen, eher belächelt.
Das ist aber nur die eine Seite. Die andere Seite sind die Analystenrankings – inzwischen gibt es eine ganze Reihe verschiedener Verfahren dazu am Markt. Und dabei zeigt sich: Häufig liegen gerade die Analysten kleiner Häuser mit ihren Prognosen sehr gut, oft besser als die der großen Banken. Wie kommt das?
An der Börse gibt es keine Garantien
Es gibt sicherlich mehrere Gründe dafür. Zum einen sitzen die Analysten kleinerer Häuser in den nationalen Märkten vor Ort und nicht weit weg in London. Und Nähe zum Markt hilft durchaus. Es kann aber auch andere Gründe für ein gutes Abschneiden geben. Wer sich zum Beispiel mit Gewinnprognosen immer hübsch in der Mitte hält zwischen den Werten seiner Kollegen, der hat eine große Chance, einen Treffer zu landen. Mut wird nicht gerade belohnt in diesem Geschäft, Trittbrettfahren kann sich dagegen auszahlen. Deswegen geben auch Analystenrankings keine Garantie für Qualität.
Garantien gibt es aber an der Börse ohnehin nicht. Wichtig ist daher, die Spieler am Markt richtig einzuschätzen und ihre eigenen Interessen einzuschätzen. Und da gilt: Bei kleinen Banken – wie auch bei kleinen Fonds – ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass jemand mit seinen Äußerungen selbst den Markt beeinflusst. Die Leute dort sind unabhängiger, können freier Empfehlungen geben, ohne sich selbst die Kurse zu verderben. Trotzdem ist wichtig zu wissen, was die großen Häuser sagen – sie markieren den Trend. Außerdem sind die Argumente der angelsächsischen Analysten oft ein Maßstab für die Unternehmen: Wer sich auf Dauer mit ihnen anlegt, hat keinen guten Stand.
Glauben sollte man also eher den Analysten kleinerer Häuser. Aber beobachten muss man auch die anderen – als Teil des Marktes. Anders gesagt: Die großen Häuser machen den Trend – und gegen den Trend ist kein Geld zu verdienen. Die kleinen dürften aber freier und früher darüber sprechen, wann sich der Trend drehen könnte.
Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 20. April 2005, 06:00 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter