USA , Argentinien , Frankreich , Bayern usw. , Monsanto überall
WÜRZBURG
Unkrautkiller giftig für Mensch und Tier?
Roundup und Co werden immer beliebter: Experten sind uneins über die Bedrohlichkeit des enthaltenen Glyphosat
Bumerang statt Wundermittel: In den USA sollen bereits Flächen aufgegeben worden sein. Der Grund: Roundup-resistentes Unkraut.
Foto: thinkstock
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Wenn im Hochsommer das Getreide geerntet ist, fahren Bauern mit dem Traktor und einem Spritzbrühebehälter häufig noch einmal aufs Feld. Auf dem Stoppelacker wird dann mit einem „Pflanzenschutzmittel“ unerwünschtes Grün totgespritzt. Bauern dürfen Unkraut oder grüne Triebe am Getreide aber auch bis zu sieben Tage vor der Ernte durch Gift abtöten.
Der amerikanische Konzern Monsanto stellt das weltweit am häufigsten eingesetzte Unkrautvernichtungsmittel her, den Rundumvernichter Roundup. Dessen Wirkstoff Glyphosat wurde lange als umweltfreundlich, biologisch abbaubar und für Mensch und Tier ungefährlich beworben. Ein wahres Wundermittel also. Doch inzwischen mehren sich Stimmen, die vermuten, dass Glyphosat nicht harmlos ist, dass es vielleicht sogar das Erbgut schädigen und Krebs erregen könnte.
In Frankreich darf ein Roundup-Produkt nicht mehr als „biologisch abbaubar“ bezeichnet werden. Im US-Bundesstaat New York hat sich Monsanto dazu verpflichtet, sein Produkt nicht mehr als „sicher, ungiftig, harmlos, risikofrei, biologisch abbaubar, umweltfreundlich“ oder „praktisch ungiftig“ zu bewerben. Auf der deutschen Internetseite von Monsanto heißt es hingegen weiterhin: „Roundup ist sicher.“
Roundup beliebt in Unterfranken
Monsantos Roundup kam 1974 auf den Markt. Nachdem der Patentschutz für Glyphosat ausgelaufen war, kamen viele weitere Unkrautvernichtungsmittel mit dem Stoff auf den Markt. In Deutschland sind momentan 70 solcher Mittel zugelassen. Rund 5000 Tonnen Glyphosat werden in Deutschland jährlich verkauft.
Landwirte spritzen es auf Äcker, in Weinbergen und zur Vernichtung von Unkraut zwischen Obst- und Christbaumkulturen. Vor allem beim Rapsanbau und bei der Wintergerste kommt Glyphosat zum Einsatz. Auch die Deutsche Bahn setzt in großem Stil Glyphosat ein, um Unkraut an Gleisen den Garaus zu machen.
Jeder kann glyphosathaltige Mittel wie Roundup oder Vorox im Baumarkt kaufen und damit etwa Löwenzahn und Brennnesseln im Garten vernichten. Dass Glyphosat auch in Unterfranken „sehr weit verbreitet“ ist – „sehr stark auch im Kleingartenbereich“ – bestätigt Hans-Jürgen Wöppel vom Amt für Landwirtschaft in Würzburg. In der Landwirtschaft werde das Mittel etwa eingesetzt, wenn der Bauer in feuchten Jahren des Unkrauts mit mechanischen Methoden nicht mehr Herr wird oder wenn das bereits fast erntereife Getreide noch einmal zu grünen beginnt. Zu viel Unkraut oder Zwiewuchs, wie sich das erneute Austreiben nennt, könne den Mähdrescher verstopfen, so Wöppel.
Stoff soll Menschen krankmachen
Den immer stärkeren Einsatz von Glyphosat, besonders den Verkauf an Kleingärtner und den Einsatz kurz vor der Ernte, kritisieren Grüne und Umweltverbände. Die Regierungskoalition hält es momentan für nicht erforderlich, die Zulassung der Substanz auszusetzen und sie neu zu bewerten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung schrieb in einer Stellungnahme im vergangenen Jahr, dass die Studie der Nicht-Regierungsorganisation „Earth Open Source“, wonach Glyphosat angeblich Föten schädigt, kaum Neues enthalte.
Wöppel sagt, dass Glyphosat für Warmblüter „nicht giftiger als Kochsalz“ sei, es komme aber auf Menge und Konzentration an. Die Münchner Biologin Dr. Martha Mertens, Sprecherin des Arbeitskreises Gentechnik beim Bund Naturschutz, erklärt, warum sie den Stoff bedenklich findet: „Glyphosat wird nicht generell so rasch abgebaut, wie Monsanto oder die anderen Hersteller das behaupten.“ Und es werde zu einem Stoff namens AMPA abgebaut, das „nicht weniger toxisch als Glyphosat“ und „in Böden oder auch im Wasser meistens noch länger zu finden“ sei als Glyphosat selbst.
Untersuchungen hätten ergeben, dass Glyphosat Zell- und Erbgutschäden verursachen, die Hormonproduktion beeinflussen, in die frühe Embryonalentwicklung eingreifen und Krebs erregen könne, sagt Mertens. Wasserlebewesen wie Amphibien, aber auch Fische würden besonders geschädigt, Mikroorganismen im Boden würden durch Glyphosat beeinträchtigt und Pflanzen krankheitsanfälliger. Damit Glyphosat nicht ins Wasser ablaufen kann, darf es „nicht auf versiegelte Flächen aufgebracht werden“, sagt Wöppel. Häufig, so Mertens, gebe es aber einen unsachgemäßen Umgang mit den leeren Behältnissen. „Ein Großteil des Eintrags von Herbiziden in Gewässer erfolgt über die Reinigung der Behältnisse.“
In Argentinien, wo massiv Glyphosat – zum Teil aus der Luft – eingesetzt werde, würden beim Menschen Fehlgeburten, Missbildungen und erhöhte Krebsraten mit dem Herbizideinsatz beim Sojaanbau in Verbindung gebracht. Bei den Beobachtungen in Argentinien schränkt Mertens aber ein: „Das muss vielleicht nicht allein am Glyphosat liegen.“ Schließlich werden dort noch andere Pestizide und Herbizide eingesetzt. Da bei uns der Stoff vor allem über die Nahrung aufgenommen werde, seien Auswirkungen wie in Argentinien „so nicht zu erwarten“. Problematisch findet sie jedoch, dass Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Pflanzenschutzmitteln in der Regel nicht eingehend untersucht würden.
Glyphosat in Urin gefunden
Das Öko-Journal Ithaka berichtete kürzlich über eine im Dezember 2011 durchgeführte Urinuntersuchung bei Angestellten, Journalisten und Anwälten aus Berlin – Personen also, die keinen Kontakt zu behandelten Futtermitteln oder zu Glyphosat-Präparaten hatten. Das Ergebnis: Die Werte schwankten zwischen 0,5 bis 2 Nanogramm Glyphosat pro Milliliter Urin. Bei Landwirten, die mit Glyphosat hantieren, könnte die Belastung noch höher sein, mutmaßt Mertens.
Wöppel wundert es, dass der Stoff im menschlichen Urin vorkommen soll. Da bei uns der Glyphosat-Einsatz vor der Ernte nur zulässig sei, wenn das Getreide schon am Abreifen ist, damit der Stoff nicht ins Korn wandern kann, könne er sich die Sache nur so erklären, dass das Glyphosat im Urin von genverändertem Soja aus Südamerika stammt. Pflanzen, die gentechnisch resistent gegen Glyphosat gemacht wurden, könnten den Stoff im Korn abgelagert haben, vermutet er.
Für Monsanto ist Glyphosat ein doppeltes Geschäft. Einerseits stellt der Konzern glyphosatresistente Pflanzen her, die einen Einsatz des Mittels überstehen, während alles Unkraut abstirbt. Andererseits verkauft er sein Roundup – beides in immer größeren Mengen. Bei einem stärkeren Einsatz sei aber die Gefahr sehr groß, dass Unkräuter resistent würden, sagt Mertens. Erst setzten Landwirte noch mehr Glyphosat ein, dann alle möglichen anderen Pflanzenvernichtungsmittel. In den USA seien manche Flächen schon aufgegeben worden, weil gegen bestimmte Unkräuter kein Mittel mehr wirke. Monsanto würde gern auch in Europa glyphosatresistente Pflanzen auf den Markt bringen.
Bei Roundup und anderen Glyphosat-Erzeugnissen kommen außerdem sogenannte Netzmittel zum Einsatz, die die Wirkung des Unkrautvernichters verstärken. Mertens fordert, dass diese auch Tallowamine genannten Stoffe als toxisch anerkannt und reduziert werden, da diese möglicherweise noch giftiger seien als Glyphosat selbst. Diesen Verdacht lege eine 2009 veröffentlichte Studie eines französischen Wissenschaftlers nahe. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat bereits 2008 den Herstellern empfohlen, die möglicherweise gefährlichen Zusatzstoffe wegzulassen.
Die Dosis macht das Gift
Monsanto-Sprecherin Ursula Lüttmer-Ouazane schickt auf Anfrage dieser Zeitung Stellungnahmen des Konzerns, die zum Teil auch auf dessen Internetseite zu finden sind. Szenarien, bei denen es durch Glyphosat etwa zu Schädigungen bei Embryonen komme, seien demnach „absolut unrealistisch“, die Dosen, die dort zugrunde lägen, seien viel zu hoch. Diese Einschätzung teilt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung. Außerdem, so Monsanto, sei es unwahrscheinlich, dass die bei der Berliner Untersuchung festgestellte Konzentration von Glyphosat im Urin gesundheitsschädlich sei.
Kritikerin Mertens sieht das anders und plädiert deshalb für „Vielfalt auf dem Acker“. Große Mengen an Unkrautvernichtern „kosten die Landwirte mehr an Zeit, Geld und Aufwand“, ist sie sicher. In den USA müssten, was eigentlich ein Gebot des gesunden Menschenverstandes sei, manche Landwirte inzwischen notgedrungen wieder zum Pflug zurückkehren.
www.mainpost.de/regional/franken/...h-und-Tier;art1727,6831736