Auch im Valley werden die Ideen knapp
Von Carsten Knop, San Francisco
Sollen wir es einmal mit Subventionen versuchen? Die Antwort auf diese Frage haben sich die Vorstandsvorsitzenden der Technologieunternehmen im Silicon Valley und anderswo längst gegeben: Ja, und bitte so schnell wie möglich.
Das Geld soll in den Ausbau von Hochgeschwindigkeitszugängen zum Internet fließen. Denn erst knapp zehn Prozent aller amerikanischen Haushalte sind über ein schnelles Modem mit dem Internet verbunden. Diese Zahl, die in Deutschland noch niedriger liegt, ist aber viel zu klein, um für eine breite Nachfrage nach neuen Computern, neuer Netzwerkausrüstung und neuen Hochleistungsrechnern in Rechenzentren zu sorgen. Die Lobbygruppe der High-Tech-Industrie hat den Politikern in der Hauptstadt Washington deshalb jüngst ein ehrgeiziges Ziel vorgegeben. Bis zum Jahr 2010 will der Verband mit dem Namen TechNet 100 Millionen Haushalte im Land mit dem Internet über eine Verbindung verknüpft wissen, die fünfzigmal schneller ist als das, was zur Zeit an Breitbandverbindungen zum weltumspannenden Datennetz angeboten wird. John Chambers, der Vorstandsvorsitzende des Netzwerkspezialisten Cisco Systems, hat diese "nationale Aufgabe" schon mit dem Rennen um die erste bemannte Mondlandung verglichen.
Craig Barrett, der Vorstandsvorsitzende von Intel, dem größten Hersteller von Mikroprozessoren für Personalcomputer der Welt, pflichtet Chambers bei und klagt, daß Amerika das einzige große Industrieland ohne eine klare Strategie zum Ausbau von Breitbandverbindungen zum Internet sei. Einige Politiker haben die Wünsche der Unternehmer, die in der Vergangenheit immer auf ihre eigene Innovationskraft stolz waren und mit dem Staat nicht viel zu tun haben wollten, beherzt aufgegriffen. Tom Daschle, Mitglied der Demokratischen Partei und Mehrheitsführer im Senat, forderte in der Haushaltsdebatte im Januar "Steuervorteile, Zuschüsse und Kredite, um Breitbandverbindungen zum Internet morgen so allgegenwärtig zu machen, wie es normale Telefonanschlüsse heute sind". Es gibt Volkswirte, die glauben, allein Subventionen in dieses Projekt reichten aus, um Amerika aus der konjunkturellen Flaute zu führen. Doch trotz solcher Prognosen und zahlreicher prominenter Fürsprecher sieht es bisher nicht danach aus, daß sich Chambers und Barrett mit ihren Wünschen schnell durchsetzen werden. Man kann nur hoffen, daß das so bleibt.
Natürlich täte es der Wirtschaft gut, wenn sich mehr Menschen entschieden, jeden Monat rund 50 Dollar in einen schnellen Internetzugang zu investieren, zuvor noch die heimischen Computer entsprechend aufzurüsten und danach teure Multimedia-Angebote von Musik bis hin zu Kinofilmen aus dem Internet zu beziehen. Nur: Die Hilfe des Staates braucht die High-Tech-Branche dazu nicht. Vielmehr mangelt es bis heute an guten Ideen, die die Konsumenten in großer Zahl den dringenden Wunsch verspüren ließen, den schnelleren Anschluß zum Internet zu suchen. Wahrscheinlich wäre es deshalb zwar nicht für die Musikindustrie, wohl aber für die High-Tech-Branche das beste Konjunkturprogramm gewesen, wäre die Internet-Musiktauschbörse Napster niemals abgeschaltet worden. Die kostenlose Musik, die sich in der Blütezeit von Napster rund 80 Millionen Menschen auf der ganzen Welt aus dem Netz geladen haben, war der bisher beste Grund, Geld in ein schnelles Modem und höhere monatliche Grundgebühren zu investieren. Seitdem es Napster nicht mehr gibt, ist dieser Anreiz weg.
Statt dessen berichten neue DSL- oder Kabelmodem-Kunden zur Abschreckung über die Schwierigkeiten, die sie bei der Installation der neuen Technik zu überwinden hatten. Mancher stört sich auch daran, daß die Anschlüsse meist nur von den alten Monopolisten unter den Telefon- und Kabelkonzernen zugeteilt werden. Die Deregulierung auf dem Telekommunikationsmarkt hat auf diesem Gebiet in Amerika und auch in Deutschland bisher nicht die erwünschten Erfolge gebracht. In Amerika haben die regionalen Telefonmonopolisten Neueinsteiger in den Markt erst so lange behindert, bis die meisten von ihnen Konkurs anmelden mußten. Jetzt lassen sie sich im Gegenzug mit ihren eigenen Marketingkampagnen zur Einführung von DSL viel Zeit und haben im vergangenen Jahr zunächst die monatlichen Gebühren um rund 10 Dollar erhöht, was wohl niemand als Kaufanreiz verstehen kann. Die Wachstumsraten bei den Neuanträgen für solche Zugänge haben sich entsprechend abgeschwächt. Für die Regulierung des Marktes ist wiederum kein gewählter Politiker, sondern die Behörde Federal Communications Commisson (FCC) zuständig. Deren Vorsitzender Michael Powell will aber noch kein Marktversagen erkannt haben.
"Reine Marktherausforderungen sollten den Spielern auf dem Markt selbst überlassen bleiben", sagt er. Powell hätte damit recht, wenn der Markt tatsächlich funktionieren würde. Das ist aber nicht der Fall, und deshalb gibt es inzwischen einige Produkte, die ihrer Zeit um Jahre voraus zu sein scheinen. Als Beispiel möge die Spielkonsole Xbox von Microsoft dienen. Der Softwarekonzern hatte sich vor Jahren entschieden, seine neue Konsole serienmäßig mit einem Breitbandanschluß zum Internet auszurüsten. Wenn es aber vom Sommer an möglich sein wird, mit der Xbox über das Internet gegen weit entfernte Mitspieler anzutreten, werden hierzu viel weniger Menschen die Möglichkeit haben als ursprünglich von Microsoft gedacht. Doch geht der Gedanke von Microsoft grundsätzlich in die richtige Richtung, schafft die Xbox wenigstens einen natürlichen Anreiz, einen Breitbandanschluß zu kaufen. Denn technisch ist es schon heute möglich, 70 Prozent der amerikanischen Bevölkerung mit Breitbandtechnik zu versorgen. Warum rufen die Kunden bei den Anbietern aber nicht an, um ihre Bestellungen abzugeben?
Ein Technologiekonzern, der die notwendige Technik durch einen Geniestreich billiger macht, hätte große Zukunftschancen und auch ein Unternehmen, das eine Idee mit der Sogwirkung von Napster hat. Subventionen sind das Gegenteil einer guten Idee.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.03.2002, Nr. 66 / Seite 15
Von Carsten Knop, San Francisco
Sollen wir es einmal mit Subventionen versuchen? Die Antwort auf diese Frage haben sich die Vorstandsvorsitzenden der Technologieunternehmen im Silicon Valley und anderswo längst gegeben: Ja, und bitte so schnell wie möglich.
Das Geld soll in den Ausbau von Hochgeschwindigkeitszugängen zum Internet fließen. Denn erst knapp zehn Prozent aller amerikanischen Haushalte sind über ein schnelles Modem mit dem Internet verbunden. Diese Zahl, die in Deutschland noch niedriger liegt, ist aber viel zu klein, um für eine breite Nachfrage nach neuen Computern, neuer Netzwerkausrüstung und neuen Hochleistungsrechnern in Rechenzentren zu sorgen. Die Lobbygruppe der High-Tech-Industrie hat den Politikern in der Hauptstadt Washington deshalb jüngst ein ehrgeiziges Ziel vorgegeben. Bis zum Jahr 2010 will der Verband mit dem Namen TechNet 100 Millionen Haushalte im Land mit dem Internet über eine Verbindung verknüpft wissen, die fünfzigmal schneller ist als das, was zur Zeit an Breitbandverbindungen zum weltumspannenden Datennetz angeboten wird. John Chambers, der Vorstandsvorsitzende des Netzwerkspezialisten Cisco Systems, hat diese "nationale Aufgabe" schon mit dem Rennen um die erste bemannte Mondlandung verglichen.
Craig Barrett, der Vorstandsvorsitzende von Intel, dem größten Hersteller von Mikroprozessoren für Personalcomputer der Welt, pflichtet Chambers bei und klagt, daß Amerika das einzige große Industrieland ohne eine klare Strategie zum Ausbau von Breitbandverbindungen zum Internet sei. Einige Politiker haben die Wünsche der Unternehmer, die in der Vergangenheit immer auf ihre eigene Innovationskraft stolz waren und mit dem Staat nicht viel zu tun haben wollten, beherzt aufgegriffen. Tom Daschle, Mitglied der Demokratischen Partei und Mehrheitsführer im Senat, forderte in der Haushaltsdebatte im Januar "Steuervorteile, Zuschüsse und Kredite, um Breitbandverbindungen zum Internet morgen so allgegenwärtig zu machen, wie es normale Telefonanschlüsse heute sind". Es gibt Volkswirte, die glauben, allein Subventionen in dieses Projekt reichten aus, um Amerika aus der konjunkturellen Flaute zu führen. Doch trotz solcher Prognosen und zahlreicher prominenter Fürsprecher sieht es bisher nicht danach aus, daß sich Chambers und Barrett mit ihren Wünschen schnell durchsetzen werden. Man kann nur hoffen, daß das so bleibt.
Natürlich täte es der Wirtschaft gut, wenn sich mehr Menschen entschieden, jeden Monat rund 50 Dollar in einen schnellen Internetzugang zu investieren, zuvor noch die heimischen Computer entsprechend aufzurüsten und danach teure Multimedia-Angebote von Musik bis hin zu Kinofilmen aus dem Internet zu beziehen. Nur: Die Hilfe des Staates braucht die High-Tech-Branche dazu nicht. Vielmehr mangelt es bis heute an guten Ideen, die die Konsumenten in großer Zahl den dringenden Wunsch verspüren ließen, den schnelleren Anschluß zum Internet zu suchen. Wahrscheinlich wäre es deshalb zwar nicht für die Musikindustrie, wohl aber für die High-Tech-Branche das beste Konjunkturprogramm gewesen, wäre die Internet-Musiktauschbörse Napster niemals abgeschaltet worden. Die kostenlose Musik, die sich in der Blütezeit von Napster rund 80 Millionen Menschen auf der ganzen Welt aus dem Netz geladen haben, war der bisher beste Grund, Geld in ein schnelles Modem und höhere monatliche Grundgebühren zu investieren. Seitdem es Napster nicht mehr gibt, ist dieser Anreiz weg.
Statt dessen berichten neue DSL- oder Kabelmodem-Kunden zur Abschreckung über die Schwierigkeiten, die sie bei der Installation der neuen Technik zu überwinden hatten. Mancher stört sich auch daran, daß die Anschlüsse meist nur von den alten Monopolisten unter den Telefon- und Kabelkonzernen zugeteilt werden. Die Deregulierung auf dem Telekommunikationsmarkt hat auf diesem Gebiet in Amerika und auch in Deutschland bisher nicht die erwünschten Erfolge gebracht. In Amerika haben die regionalen Telefonmonopolisten Neueinsteiger in den Markt erst so lange behindert, bis die meisten von ihnen Konkurs anmelden mußten. Jetzt lassen sie sich im Gegenzug mit ihren eigenen Marketingkampagnen zur Einführung von DSL viel Zeit und haben im vergangenen Jahr zunächst die monatlichen Gebühren um rund 10 Dollar erhöht, was wohl niemand als Kaufanreiz verstehen kann. Die Wachstumsraten bei den Neuanträgen für solche Zugänge haben sich entsprechend abgeschwächt. Für die Regulierung des Marktes ist wiederum kein gewählter Politiker, sondern die Behörde Federal Communications Commisson (FCC) zuständig. Deren Vorsitzender Michael Powell will aber noch kein Marktversagen erkannt haben.
"Reine Marktherausforderungen sollten den Spielern auf dem Markt selbst überlassen bleiben", sagt er. Powell hätte damit recht, wenn der Markt tatsächlich funktionieren würde. Das ist aber nicht der Fall, und deshalb gibt es inzwischen einige Produkte, die ihrer Zeit um Jahre voraus zu sein scheinen. Als Beispiel möge die Spielkonsole Xbox von Microsoft dienen. Der Softwarekonzern hatte sich vor Jahren entschieden, seine neue Konsole serienmäßig mit einem Breitbandanschluß zum Internet auszurüsten. Wenn es aber vom Sommer an möglich sein wird, mit der Xbox über das Internet gegen weit entfernte Mitspieler anzutreten, werden hierzu viel weniger Menschen die Möglichkeit haben als ursprünglich von Microsoft gedacht. Doch geht der Gedanke von Microsoft grundsätzlich in die richtige Richtung, schafft die Xbox wenigstens einen natürlichen Anreiz, einen Breitbandanschluß zu kaufen. Denn technisch ist es schon heute möglich, 70 Prozent der amerikanischen Bevölkerung mit Breitbandtechnik zu versorgen. Warum rufen die Kunden bei den Anbietern aber nicht an, um ihre Bestellungen abzugeben?
Ein Technologiekonzern, der die notwendige Technik durch einen Geniestreich billiger macht, hätte große Zukunftschancen und auch ein Unternehmen, das eine Idee mit der Sogwirkung von Napster hat. Subventionen sind das Gegenteil einer guten Idee.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.03.2002, Nr. 66 / Seite 15