Unternehmer schaffen Wohlstand – oder vernichten ihn.
Geliebt werden sie selten. Nur in Boomphasen, in denen steigende Börsenkurse auch Normalanleger reich machen, gelten Unternehmer und Konzernchefs als Helden. Ende der neunziger Jahre war so eine Zeit. Die Deutschen feierten Ron Sommer für die Volksaktie Telekom und Jürgen Schrempp für die Welt-AG DaimlerChrysler. Firmengründer wie Stephan Schambach, der in Jena mit Intershop einen Liebling der New Economy gegründet hatte, erhielten Star-Status. Doch je hemmungsloser die Börsenparty, desto schlimmer der Kater danach: Unternehmer sind heute in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem üble Gesellen, die sich Millionen abzweigen wie der ehemalige Mannesmann-Chef Klaus Esser oder Aktionäre täuschen wie so mancher Dotcom-Chef.
Das Bild, das die Menschen sich von Unternehmern machen, war immer extrem, schwarz oder weiß – und ist bis heute nicht geklärt.
Das fängt schon beim Begriff an: Unternehmer, wer ist das eigentlich? Darf sich nur der Gründer und Eigentümer so nennen oder auch der angestellte Manager? Beide, meinte der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter. Ein Unternehmer sei, wer gegen alle Widerstände neue Produktionsverfahren oder Produkte durchsetze und einen Prozess der „schöpferischen Zerstörung“ vorantreibe.
Adam Smith, britischer Vater aller Ökonomen, hatte ein gespaltenes Verhältnis zu den Oberkapitalisten. Sie schafften Jobs und Wohlstand, meinte er, aber sie tricksten auch. Und angestellte Topmanager vernachlässigten nur zu oft das Wohl der Firma. Publikumsgesellschaften hielt er für Teufelszeug. Kein Wunder, hatten doch in Smiths 18. Jahrhundert einige Kolonialunternehmen die Briten erst begeistert – und sie dann viel Geld gekostet.
Firmengründer oder Firmenerben, Eigentümer oder Manager – die ZEIT-Serie Momente der Entscheidung soll das Verständnis unternehmerischen Handelns vertiefen. Rund ein Jahr lang wollen wir die wichtigsten Phasen in Aufstieg oder Niedergang großer Unternehmen erzählen und analysieren. Waren es Weitsicht und Fantasie oder wilde Entschlossenheit und Brutalität, die eine Erfolgsgeschichte begründeten – und wie groß war die Rolle des Zufalls? Hätte der Untergang eines Unternehmens verhindert werden können, und wenn ja, an welchem Punkt?
Statt die Herren über Milliarden Euro und Millionen Jobs zu verteufeln oder zu vergöttern, wollen wir sie ergründen. Sie schaffen Arbeit für viele, aber nicht unbedingt auf angenehme Art. Gerade Firmengründer müssen besessen sein von ihrer Idee, um sich zu behaupten. Jedermanns Lieblinge sehen anders aus. Einerseits sollen sie führen – das verlangen Mitarbeiter ebenso von ihnen wie Anleger. Sogar Banker und Aufsichtsräte erliegen oft dem Charisma der Schöpfer und Zerstörer – und wollen es irgendwie auch, weil es ihre Entscheidungen einfacher macht. Andererseits sollen die Bosse bescheiden bleiben und ihrer Verantwortung für Jobs und Umwelt, Wirtschaft und Gemeinschaft gerecht werden.
Wie einst John D. Rockefeller und heute Bill Gates haben viele erfolgreiche Unternehmer als Antwort darauf quasi zwei Leben geführt. In der Aufbauphase sind sie knallhart, und solange es ums Geschäft geht, bleiben sie es auch. Doch später im Leben treten sie als Philanthropen auf, eröffnen Stiftungen, spenden Abermillionen für Museen, Hochschulen, Entwicklungsprojekte. Reinhard Mohn, der aus Bertelsmann mit harter Hand einen Medienkonzern formte, hat später Deutschlands größte Stiftung gegründet, die mit praxisnahen Vorschlägen das öffentliche Leben verbessern soll.
Der Mythos Unternehmer – die Serie soll ihm näher kommen und ihn durch ein realistischeres Bild ersetzen.
Aufstieg oder Untergang: Acht Beispiele
Percy Barnevik
Er hatte sich daran gewöhnt, ein Starmanager genannt zu werden. Innerhalb weniger Jahre hatte Percy Barnevik aus zwei kränkelnden Elektronikfirmen einen der größten Industriekonzerne der Welt gemacht. Von der Lokomotive bis zur Finanzdienstleistung, Asea Brown Boveri (ABB) mischte Anfang der neunziger Jahre überall mit. Barneviks Erfolgsrezept kam aus dem Lehrbuch und war einfach: Dezentralisierung. Der rastlose Manager zerteilte den Konzern in 5000 Profit-Center. Begeistert von seinem Erfolg, merkte er nicht, dass zu viel von derselben Arznei Schaden anrichten kann. Statt Synergien erzeugte Barnevik Doppelarbeit, die Produktivität sank und das Management wurde demotiviert. 1997 wechselte Barnevik in den Verwaltungsrat des Konzerns, der seinen Vorbildcharakter immer mehr verlor. Seit zwei Jahren befindet sich die ABB-Aktie im freien Fall, der Koloss krebst am Rande des Abgrunds. Und Percy Barnevik? Der hat eine großzügige Abfindung kassiert und sich zur Ruhe gesetzt.
Beate Uhse
Wenn ihre Firma Pakete verschickt, dann immer ohne Absender. So manchem Empfänger wäre es zu peinlich, könnten die Nachbarn sehen, dass er bei der Beate Uhse AG einkauft. Die Firmengründerin selbst hatte nie derartige Bedenken. 1945, ihr Mann war gefallen, die Rote Armee belagerte Berlin, da schnappte sich die Testpilotin Beate Uhse ein herrenloses Flugzeug der Wehrmacht und flog mit ihrem kleinen Sohn nach Nordfriesland. In Flensburg verkaufte sie zunächst Broschüren mit Verhütungstipps und entdeckte, dass sich mit Sex viel Geld verdienen lässt. 1951 gründete sie das „Spezial-Versandhaus für Ehe- und Sexualliteratur und für hygienische Artikel“, den Vorgänger des mittlerweile in zwölf Ländern operierenden Konzerns. Beate Uhse starb im Juli 2001 – ihr Erotik-Imperium wächst weiter.
Bill Gates
Er war Student an der renommiertesten Universität Amerikas. Aber er studierte nicht. Stattdessen schlug sich William Henry Gates der Dritte die Nächte in Harvards Computerzentrum um die Ohren. Mit seinem Schulfreund Paul Allen hatte er während der Schulzeit im Nordwesten der USA kleine Programme geschrieben und von einer eigenen Softwarefirma geträumt. Nun, Mitte der siebziger Jahre, war Gates überzeugt, dass der Markt für Heimcomputer rasend schnell wachsen würde. Und er würde gemeinsam mit Allen die Software dafür entwickeln und verkaufen. Die erste Gelegenheit bot ein Rechnerbausatz namens Altair 8080. Die beiden Youngster schrieben ein Betriebssystem für das Pionierprodukt – und der Hersteller kaufte es. Kurze Zeit später verließ Gates die Uni, und die beiden Softwarehelden gründeten eine Firma namens Microsoft. Bis heute sagt Gates, der zum reichsten Mann der Erde wurde und seinen Markt mit rüden Methoden dominiert, es gehe ihm lediglich um great new software – um tolle neue Programme.
Henry Ford
Geboren wurde er als Sohn armer irischer Einwanderer. Als er starb, war er eine Ikone amerikanischen Unternehmertums. Henry Ford personifiziert noch heute den American Dream. Vom Tüftler in der Gartenlaube wurde er zu einem der reichsten Männer des Landes. In Detroit arbeitete er sich vom einfachen Arbeiter zum Ingenieur hoch und bastelte in seiner Freizeit an einem mit Petroleum betriebenen Automobil. Mit 33 fuhr er den Prototypen durch Detroit spazieren. Der Mann hatte seine Berufung gefunden. 1903 wurde die Ford Motor Company eröffnet, deren sofortiger Erfolg Henry I. zu einer bahnbrechenden Idee verhalf: Ford sah in seinen Autos das Transportmittel der Zukunft, ein Vehikel für die Massen. Doch wenn er mehr Autos verkaufen wollte, musste er billiger und effizienter produzieren. 1913 rollten die ersten Ford-Autos von einem Gebilde namens Fließband. 1927 hatte er schon über 15 Millionen Autos verkauft. Die Fertigung von Industrieprodukten war für alle Zeit revolutioniert, und das Transportmittel Auto trat seinen Siegeszug um die Welt an.
Nick Leeson
Die Barings-Bank war eine der feinsten Adressen am Londoner Bankenmarkt. Sie wurde 1763 von einer Bremer Familie als erste Merchantbank der Welt gegründet, als Bank, die nicht Kundengelder einwirbt und Kredite vergibt, sondern als reine Investmentbank fungiert. Die Finanzierung von Transaktionen und der Handel an der Börse machten die Barings-Bank berühmt. 1806 kauften die jungen Vereinigten Staaten von Amerika den Franzosen mithilfe von Barings den Südteil Louisianas ab. Nur noch das Bankhaus Rothschild reichte damals an Barings heran. Ende des 20.Jahrhunderts hatte die Bank, die immer noch von der Familie Barings geführt wurde, zwar an Bedeutung eingebüßt, der Ruhm aber blieb. Bis sie am 26. Februar 1995 von der britischen Bankenaufsicht geschlossen wurde. Ein Hasardeur namens Nick Leeson hatte mit einem kleinen Team von sechs Mitarbeitern durch Spekulationen am Terminmarkt in Singapur 500 Millionen Pfund verloren. Die Manager der Barings-Bank hatten versagt. Drei Jahre lang waren ihre Kontrolleure den billigen Buchungstricks, mit denen Leeson seine Geschäfte verschleierte, nicht auf die Schliche gekommen.
Miuccia Prada
Der Anfang war lang und mühsam. Als Miuccia mit 29 Jahren in das Familienunternehmen einstieg, gab es die Firma Prada bereits seit über 50 Jahren. 1913 hatte ihr Großvater begonnen, in einer kleinen Werkstatt in Mailand Ledertaschen zu fertigen. Davon hatte die Familie unauffällig gelebt. Mit Miuccia als kreativem Kopf begann der Aufstieg. Sie entwickelte einen Stil, der eine ganze Generation modebewusster Gutverdiener beeinflusste und ihr einen spektakulären Erfolg bescherte. Ihre Nylontaschen mit dem Dreieck wurden zum Statussymbol. 1989 schickte sie ihre erste Damenkollektion über den Laufsteg, ein paar Jahre später bekleidete sie Männer von Japan bis Finnland. Heute ist Prada nicht nur Innbegriff teurer Kleidung, sondern auch Eigentümer anderer, einst eigenständiger Modehäuser wie etwa Jil Sander.
Cornelius Vanderbilt
Er gilt als Amerikas Eisenbahn-Tycoon – und hat doch nie einen Kilometer Schiene gebaut. Sein Vermögen machte er mit Dampfschiffen und kaufte erst im hohen Alter von 68 Jahren seine ersten Eisenbahn-Aktien. Eine Bahnlinie nach der anderen ging in sein Eigentum über, am Ende herrschte er über ein Schienennetz, das vor allem den Osten des Landes umspannte. Geizhals, Kriegsgewinnler, Ausbeuter: All das war Cornelius Vanderbilt, den sie Commodore nannten. Aber der ungebildete Mann mit den ungehobelten Manieren, der mit elf Jahren die Schule verlassen hatte, war auch ein Kaufmann mit dem untrüglichen Instinkt für die rentabelste Investition und die lukrativste Finanztransaktion. Und für den richtigen Zeitpunkt. Vom Segelschiff zum Dampfer, vom Wasser auf die Schiene, stets erkannte Vanderbilt seine Chance und griff zu. Als er 1877 im Alter von 82 Jahren starb, war er der wohl reichste Mann der USA. Einen „Eisenbahn-, Land-, Schlot- etc. Baron“ nannte ihn Friedrich Engels. Sein Denkmal hat sich der privatem Luxus abholde Vanderbilt selbst gesetzt: die imposante Grand Central Station im Herzen Manhattans.
Sir Basil Zaharoff
Woher seine Eltern kamen, wie er aufwuchs, weiß man bis heute nicht. Womit er sein Geld verdiente, dagegen schon: Basil Zaharoff, geboren 1849 in Anatolien als Basileios Zacharias, galt Anfang des vergangenen Jahrhunderts als mächtigster und reichster Waffenhändler Europas. "Verkäufer des Todes" nannte man ihn. Zaharoff handelte mit jedem, der Waffen brauchte, ob Engländer, Deutsche oder Franzosen. Sein Handwerk lernte er beim britischen Munitions- und Waffenhersteller Vickers, dessen Chef er schließlich wurde. Auch an Rüstungsschmieden wie Krupp oder Skoda soll er beteiligt gewesen sein. Genaueres ist unbekannt. Intrigen, Vertuschungen und Geheimverträge waren sein Geschäftsprinzip. Weil Zaharoff im Ersten Weltkrieg für die Engländer gegen die Deutschen spionierte, schlug ihn König George V. zum Ritter. Ruhe fand er dennoch nicht: Jahrzehntelang beschäftigte er aus Angst vor Attentaten mehrere Doppelgänger, Fotos von sich erlaubte Zaharoff erst kurz vor seinem Tod - 1936 in Monaco.