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Gemeinsamkeiten der Fußball-WM mit der Börse
Freitag
Was passiert, wenn Ihr Börsenschreibel täglich mit Fußball berieselt wird? Er denkt an Chancen/Risiko-Verhältnisse und an Arbitrage-Geschäfte.
Vielleicht ist dies eine Gelegenheit, um Ihnen die vermeintlich komplizierten Gedankengänge an der Börse in einfacher und volksnaher Sprache zu erklären.
Für mich sind die einzelnen Aktienunternehmen so etwas wie Nationalmannschaften. Jede Mannschaft hat ihren Preis – die Erwartungen an jede Mannschaft sind jedoch entsprechend ihres Preises unterschiedlich.
Am teuersten ist sicherlich Brasilien. Um eine Vorstellung über den Preis der brasilianischen Mannschaft zu bekommen, schauen wir doch einfach einmal auf eine Seite, die den Preis im Minutentakt neu ermittelt: Ein Wettportal.
Wenn Sie 1.000 Euro darauf setzen, dass Brasilien Weltmeister wird, dann haben Sie die Chance auf einen Gewinn von dem 3,3-fachen Ihres Einsatzes: Sie könnten also 3.300 Euro gewinnen, wenn Brasilien Weltmeister wird.
Falls es nicht klappt verlieren Sie 1.000 Euro.
Der Faktor ist niedrig, da sehr viele damit rechnen, dass Brasilien es schaffen wird. Brasilien ist daher die teuerste Mannschaft – es bringt Ihnen am wenigsten, wenn Sie Recht haben.
Auf der anderen Seite gibt es Ghana. Dieser Mannschaft traut kaum jemand zu, den Titel zu holen. Wenn Sie 1.000 Euro auf Tunesien setzen und Ghana gelingt die Sensation, dann erhalten Sie das 45-fache Ihres Einsatzes – also 45.000 Euro.
Sie riskieren genau wie bei Brasilien auch hier 1.000 Euro, die weg sind, sobald Ghana ausscheidet. Ihre Gewinnchance ist jedoch ungleich höher – aber auch ungleich weniger wahrscheinlich.
Wenn ich eine Aktie anschaue, dann beurteile ich ebenfalls stets die Chance und das Risiko. Die Chance ist das, was das Unternehmen an mehr erreichen kann, als allgemein erwartet wird. Das Risiko ist, dass es die Erwartungen nicht erreicht. Am besten kann ich die Erfolgsaussichten des Unternehmens beurteilen, wenn ich mich über den Unternehmenschef informiere, denn er hält die Fäden in der Hand.
Und aus dieser Sicht sind weder Brasilien, noch Ghana interessant für mich. Denn Brasilien kann nur gerade einmal die Erwartungen erfüllen, wenn es wieder Weltmeister wird und Ghana ist meiner Einschätzung nach nicht in der Lage, den Durchmarsch zu schaffen.
Für Deutschland liegt die Quote bei 5,5. Für Ihren Einsatz von 1.000 Euro erhalten Sie also 5.500 Euro, falls Deutschland Weltmeister wird. Die Erfahrung Klinsis spricht dafür, denn immerhin hat er es als Spieler schon einmal geschafft und kennt daher ein paar Tricks und Kniffe, die ihm im entscheidenden Augenblick vielleicht die richtige Einwechslung ermöglichen.
Klinsi hat insbesondere schon bewiesen, dass er mit dem Überraschungsmoment ganz gut spielen kann. Das ist bei Brasilien nicht der Fall, der neue Trainer wechselt ziemlich langweilig aus und vertraut auf ein einziges altbewährtes Konzept. Darauf haben sich jedoch alle Mannschaften dieser WM vorbereitet, ich rechne also nicht damit, dass Brasilien es schaffen wird.
Die Wettbüros geben Argentinien noch bessere Chancen als Deutschland. Mit einer Quote von 4,25 rangieren die Gauchos nach ihren bisherigen Glanzvorstellungen auf Platz zwei. Direkt hinter Deutschland auf Platz vier notieren die Teetrinker von der Insel. Es hat schon Tradition, dass die Engländer stets hoch gehandelt werden, dann aber kaum etwas bringen.
Mich überrascht allerdings, dass die Spananier mit einer Quote von acht nur auf Rang sechs gehandelt werden – noch hinter den zerstrittenen Spaghettis. Spanien hat einen frischen und abwechslungsreichen Fußball gezeigt und gehört damit für mich ebenfalls zu den Top-Favoriten. Aus Sicht des Chance/Risiko-Verhältnisses würde ich auf Spanien setzen, denn dort würde aus meinem Einsatz 8.000 Euro gemacht werden, wenn Spanien gewinnt.
Sie sehen, obwohl mein Herz natürlich für Deutschland schlägt und ich den Schweizern den zweiten Platz gönne (Quote 18!), würde ich als professioneller Wetter auf Spanien setzen. Wenn’s ums Geld geht, müssen die Emotionen eben außen vor gelassen werden.
Die unterschiedlichen Emotionen können Sie jedoch mit Hilfe von Arbitrage-Geschäften für sich nutzen. Denn während in deutschen Wettbüros die Deutschen (Quote 5,5) knapp vor England (Quote 7,5) gehandelt werden, wird in britischen Wettbüros die englische Mannschaft höher gehandelt (Quote 7) als die Deutsche (Quote 7,5).
Ein Arbitrageur würde nun in Deutschland Wetten auf den WM-Sieg der Deutschen mit der Quote 5,5 anbieten. Er müsste also im Falle eines Sieges Deutschlands für jede 1.000 Euro Wetteinsatz 5.500 Euro Gewinn auszahlen.
Zuvor geht er jedoch nach England und wettet dort selber auf Deutschland. Sein Ziel ist es, genau soviel Wettgewinne zu erwirtschaften, dass er im Falle eines Sieges Deutschlands seine Wettverpflichtungen auszahlen kann. Bei der englischen Quote auf Deutschland von 7,5 muss er 5.500 / 7,5 Euro = 733,33 Euro einsetzen, um abgesichert zu sein. Das Geld ist nun weg. Falls Deutschland Weltmeister wird, dann wird er genau soviel Geld gewinnen, wie er wieder an Wettgewinnen seiner Kunden ausschütten muss. Ihm verbleiben die 1.000 – 733,33 = 266,67 Euro Gewinn.
Ein Arbitrageur nutzt also unterschiedliche Bewertungen derselben Situation aus, um die Differenz ohne jegliches Risiko für sich zu verbuchen. Von den 266,67 Euro Gewinn muss er natürlich noch seine Transaktionskosten abziehen. Daher lohnen sich solche Arbitragegeschäfte nur dann, wenn die Transaktionskosten niedrig gehalten werden können.
Angewendet auf die Börse: Es gibt auch Unternehmen, deren Aktien sowohl in Deutschland, als auch in den USA oder in Asien oder sonst wo gehandelt werden. Die Papiere beziehen sich auf den gleichen zugrunde liegenden Wert – das Unternehmen. Dennoch kann der Kurs an den unterschiedlichen Börsen einmal ein wenig unterschiedlich notieren, da Transaktionskosten höher sind, um über Arbitragegeschäfte den sofortigen Ausgleich der Kurse herbeizuführen. Die Kurse werden jedoch niemals weiter auseinanderlaufen.
So, vielleicht hat ja nun der eine oder andere von Ihnen wieder etwas mehr von der Börse verstanden. Sie sehen: Auch an der Börse ist alles letztlich ziemlich einfach – Aktien und Unternehmen sind nur leider so abstrakt, dass die Vorstellungskraft häufig nicht ausreicht, um die Einfachheit der Dinge zu erkennen. Mit Fußball geht’s eben leichter, oder?
Ich wünsche unserer Elf - äh Dreiundzwanzig – weiterhin viel Spielwitz und sage schon heute Danke für den erfrischenden Fußball, den Klinsmann wieder nach Deutschland geholt hat. Die schönen Spiele sind mir mehr wert, als ein eventuell strategisch erzielter Sieg. Mit anderen Worten: Viel Erfolg zunächst gegen die Wikinger und dann natürlich für den WM-Titel. Und wenn’s denn doch nicht klappen sollte, dann bitte mit fliegenden Fahnen und viel Kampfeslust untergehen!