Chinas Firmen zwischen Himmel und Hölle

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EinsamerSam.:

Chinas Firmen zwischen Himmel und Hölle

 
24.06.05 10:02
Naive Großeinkäufe auf dem Weltmarkt

Chinas Firmen zwischen Himmel und Hölle

Chinas Unternehmen machen sich derzeit auf weltweite Einkaufstour. Doch für viele Konzernchefs entwickelt sich der vermeindlich groß Coupe blitzschnell zum Reinfall. Den Chinesen mangelt es nicht selten an einer klaren Strategie. Auch kulturelle Differenzen, unterschiedliche Rechtssysteme und politische Bedingungen werden unterschätzt.

HB PEKING. Es sei nur ein ganz kleiner Schritt zwischen Himmel und Hölle, hat Lenovo-Gründer Liu Chuanzhu gesagt. Das war kurz nachdem sein Konzern die Genehmigung für die spektakuläre Übernahme der PC-Sparte von IBM erhalten hatte. Chinas Bill Gates, wie Entrepreneur Liu gern genannt wird, ist sich darüber bewusst, dass Milliardenübernahmen auch ganz großer Markennamen keineswegs automatisch den Erfolg versprechen.

Wie schnell einem spektakulären Einkauf ein herber Rückschlag folgen kann, hat auch Chinas Elektroriese TCL zu spüren bekommen. „Ich gebe zu, dass dies keine besonders befriedigende Entwicklung ist“, grummelte Konzernchef Li Dongsheng im April, als er vor seinen Aktionären einen Rückgang des Jahres-Nettogewinns um 57 Prozent bekannt geben musste. Einziger Grund: die Zukäufe von TCL im Ausland.

Als eines der ersten chinesischen Unternehmen hatte es TCL 2002 nach Übersee gezogen. Erst wurde der deutsche TV- und Hi-Fi-Hersteller Schneider Electronics übernommen, ein Jahr später die Elektrosparte des französischen Konzerns Thompson. Zwar verkauft TCL seitdem mehr Geräte, doch beide Zukäufe stecken noch immer tief in den roten Zahlen und haben TCL im 1. Quartal 2005 sogar ein Minus beschert.

Ähnlich verlief auch die Handy-Partnerschaft mit dem französischen Telekomausrüster Alcatel. Nach steigenden Verlusten stiegen die Franzosen im Mai aus, nun führt TCL die Sparte allein. „Der gefeierte Coup war eher aus der Not geboren“, sagt der Pekinger Unternehmensberater Song Xinju. Auf jeden Fall haben sich damit die Chinesen vom einst groß angekündigten Plan, mit Alcatel ein Innovationszentrum im starken Europa aufzubauen, zunächst ganz verabschiedet.

Sind die Chinesen also überhaupt reif für den Weltmarkt? Für Berater-Guru Roland Berger, der in China viele Kunden hat, sind die Firmen aus dem Reich der Mitte zur Expansion verdammt. „Ich glaube, dass die chinesischen Firmen sehr schnell international werden“, sagt Berger. Allerdings sei die Integration ausländischer Firmen mit chinesischen Partnern ein großes Problem. „Auf der anderen Seite: Krupp und Thyssen zusammenzubringen ist mindestens ebenso schwierig“, sagt Berger.

Auch wenn momentan die Offerten und Zukäufe die Schlagzeilen beherrschen – die Floprate sei mit 70 Prozent relativ hoch, sagt Jonathan Woetzel von McKinsey in Schanghai: „Und es gibt keinen Grund zu glauben, dass chinesische Firmen es besser machen.“ Ein Grund für die Probleme der Chinesen sehen Experten darin, dass sie oft zu schnell zugreifen. TCL hat seine wichtigsten Übernahmen in Übersee in nur drei Monaten durchgeboxt, heißt es.

Geblendet von den großen Namen und getrieben vom Traum einer globalen Präsenz würden chinesische Konzerne sehr oft einen erschreckenden „Mangel an Prüfung und Bewertung“ aufweisen, hat auch Marktforscher Ma Yu vom Pekinger Wirtschaftsministerium festgestellt.

Kulturelle Differenzen, unterschiedliche Rechtssysteme und politische Bedingungen nennt er als weitere Hindernisse. Und Corporate Governance ist noch immer ein Problem. So entpuppte sich der Anfang 2004 mit großem Bahnhof in New York vollzogene Börsengang des Versicherers China Life nach nur drei Monaten als großer Flop. Der ebenfalls in Hongkong mit großen Vorschusslorbeeren vollzogene Börsengang des Hongkong-Ablegers der Bank of China endete in einem Korruptionsskandal. Dennoch streben zurzeit Chinas Unternehmen an die Börse, erst gestern wagte sich die Bank of Communication mit dem weltweit zweitgrößten Börsengang aufs Parkett.

Blauäugig und naiv verlief auch die Expansion des größten chinesischen TV-Herstellers, der Changchong Group. Changchong lieferte zwar brav an den US-Partner Apex, der bezahlte jedoch mit 37 ungedeckten Schecks. Changchong fordert nun vor Gericht vier Mrd. Yuan (483 Mill. Dollar) zurück. Doch das wird schwierig: Angeblich soll der Vertrag zwischen beiden Firmen nur eine Din A-Seite umfassen. Ein Berater urteilt: „Die standen schon von Beginn an mit einem Fuß in der Hölle.“

Auch in Deutschland sind chinesische Unternehmen auf Übernahmetour. Zwar wurden bislang noch nicht die großen Konzerne geschluckt, aber zum Beispiel der Maschinenbauer Schiess in Aschersleben, die Welz-Gaszylinder-Werke in Rathenow und der Nähmaschinenhersteller Dürkopp-Adler in Bielefeld sind mittlerweile in chinesischer Hand. Nicht immer scheinen die Übernahmen so erfolgreich wie erhofft, manchmal bleibt auch nicht viel von den Firmen übrig. Arbeitsplätze in Deutschland sind gefährdet.

Der neueste Fall: Erst am Donnerstag gab die Grosse Jac Webereimaschinen GmbH bekannt, dass sie rückwirkend zum 1. Mai 2005 an die chinesische Textilgruppe Qingdao Hisun Garment Group verkauft wurde. Seit dem Jahr 2001 war der ehemalige Weltmarktführer für Jacquard-Webmaschinen insolvent und suchte einen Käufer.

Quelle: HANDELSBLATT, Freitag, 24. Juni 2005, 09:30 Uhr

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Der Einsame Samariter

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