verhindern jede vernünftige Diskussion. Wenn man die Kommentare zu den oben zitierten Essays (Elemente des Antiamerikanismus + die USA sind das Böse) liest, muss man schier verzweifeln an der Böswilligkeit (oder Dummheit), mit der die Autoren absichtlich missverstanden werden. Es geht ihnen doch nicht darum, ein Lob auf die USA auszusprechen und ihre Rolle als weltpolitische Ordnungsmacht zu verteidigen. Wenn man die Essays genau liest, kann man die immanente (USA-) Kritik eigentlich nicht übersehen. Fast alle Kommentare unterstellen dem Autor eine amerikafreundliche Haltung, obwohl er lediglich auf die Klischeehaftigkeit der antiamerikanischen Ressentiments hinweist und ihre Rolle als Prügelknabe für die abgespaltenen eigenen Anteile entlarvt.
Das eigentlich Interessante ist doch die Selbstreflektion, sprich das Nachdenken über die eigene Gedankenlosigkeit, mit der wir einem eingefahrenen Trend gefolgt sind (mit Antiamerikanismus kann man auf jeder Party punkten, egal ob das Klientel links, rechts oder sonstwie gesonnen ist.
Aus meiner Sicht scheint es sich um eine Art Hassliebe zu handeln, zumindest ist unser Verhältnis zu den USA stark ambivalent. Ein Kommentar bringt es gut zum Ausdruck:
"Deutschland und überhaupt ganz Europa müssen halt kompensieren, dass sie ohne den militärischen Schutz der Amis keine fünf Minuten überleben könnten. Nachdem die USA Frankreich in zwei Weltkriegen vor dem totalen Aus bewahrt hatten, konnte man schon damals den in einem Unterlegenheitsgefühl begründeten Hass auf den Retter erkennen. Ein frühes Griechenland-Syndrom sozusagen. Es wäre sehr ergiebig, darüber nachzudenken, was eine Welt ohne Amerikaner für Deutschland politisch und sicherheitstechnisch bedeuten würde." www.cicero.de/salon/usa-bashing-die-usa-sind-das-boese/54798
Ohne jeden Zweifel finden Menschenrechtsverletzungen durch die USA statt, aber ich finde es ziemlich dumm und durchsichtig, wenn an dieser Stelle Vergleiche mit Staaten gezogen werden, die keine Menschenrechte verletzen, weil für ihre Bürger nicht mal die minimalsten Bürgerrechte existieren !!!.
Ich möchte hier mal die Frage stellen, wie andere Großmächte wohl handeln würden (oder gehandelt hätten), wenn sie über eine derartige militärische Stärke und kulturelle Dominanz verfügen würden. Darüber denken diejenigen am wenigsten nach, die Vergleiche mit anderen Großmächten (China, Russland) oder Staatsgebilden wie Nordkorea, Iran usw. heranziehen. In Nordamerika gibt es immerhin keine homogene, gleichgeschaltete Gesellschaft, sondern eine vielfältige Gegenbewegung, die stärkste Kritik an den USA kommt aus den eigenen Reihen (so wie auch damals im Vietnamkrieg, der durch die moralischen Proteste der eigenen Bevölkerung beendet wurde).
Zitat aus dem Essay von Fabian Kettner:
"In der Gegenwart kann der Antiamerikanismus am „War on Terror“ andocken. Die Weltbeherrschung könnten die USA nicht nur indirekt über kulturelle Entfremdung erreichen, sondern auch direkt, per militärischer Macht. Bekannterweise treten die USA „das Völkerrecht mit Füßen“ (L&P, 29) - im Gegensatz zu anderen Staaten, die nichtmals die Bürgerrechte verletzen, weil sie keine haben. Sie stünden mit ihrem „Kreuzzug einer fundamentalistischen protestantischen-zionistischen Gruppe“ (111) dem „objektiven Menschheitsbedürfnis nach Frieden“ (65) entgegen."
Für viele Menschen ist es scheinbar nicht erträglich, in die Kritik (die ja unmissverständlich auch an den USA geübt wird) mit einbezogen zu werden. Sie möchten am Wohlstand partizipieren und sich trotzdem von jeder Mitschuld reinwaschen:
„Die Wahrheit über Amerika ist das Geheimnis, das jeder kennt“ (11). Das, was an den USA kritisiert wird, sind allgemeine Entwicklungstendenzen und Erscheinungen des Kapitalismus. Für sie werden aber die USA verantwortlich gemacht. Antiamerikanismus ist, so Diner, ein „ideologisch befrachteter Rationalisierungsversuch, die unübersichtlich gewordenen Lebenswirklichkeiten und Lebenswelten durch projektive Schuldzuweisung an den definitiv Anderen erträglicher zu machen.“ Das, was auch der eigene gesellschaftliche Zusammenhang zwangsläufig hervorbringt, wird abgespalten und auf die USA projiziert. Sie dienen so als „Projektionsfläche für die geschmähten und exorzierten Anteile der Zivilisation“ (35f.). Die USA stehen für den „ungezügelten Kapitalismus“ (L&P, 92), gegen den man selber eine gemäßigte Form propagiert."
"... man will sich mit Deutschland identifizieren – dies geht nicht wegen des Nationalsozialismus – also müssen auch andere so schlimm sein, am besten die, die einem den geliebten „Führer“ genommen haben und am besten die, denen man nicht verzeihen kann, dass man sie fast vernichtet hat. Der beliebte Verweis auf den ‚Völkermord’ an den Indianern wie an den Palästinensern, deren Schicksal einem Deutschen (wie das Dutzender anderer Menschengruppen) ansonsten herzlich egal wäre, wird hierfür instrumentalisiert. Wie beim Antisemitismus, so sind sich beim Antiamerikanismus Linke und Rechte einig; er stellt eine Volksfront her. Die Geschichte dieses Ressentiments ist lang und stets war es auf Seiten der Reaktion zu finden – spätestens bis 1945. Da kam es zu einer Verwirrung, und die Jungen, die Linken, übernahmen die Rolle der Amerikahasser. "
s.o. (Elemente des Antiamerikanismus)
Wer erinnert sich nicht an das Verbot der Swingmusik im 3. Reich und nach dem Krieg Jazz, Elvis, die aufkommende Rockmusik, Hollywood, die Verteufelung der transatlantischen "Un"Kultur (Hollywood, Comikhefte unterm Bett), womit man so gut die Eltern und Erzieher ärgern konnte...?
Zitat Timo Stein: (der Antiamerikanismus)..."wurde vor dem 20. Jahrhundert vor allem in konservativen Eliten formuliert. Amerika vereinigte alles Moderne und Progressive, was der Konservative ablehnte. Zu Zeiten der Weimarer Republik war der Antiamerikanist ein Konservativer, der Amerika mit Versailler Vertrag und Reparationszahlungen gleich setzte. Er blieb bis über den Zweiten Weltkrieg hinaus vornehmlich Merkmal faschistischer und konservativer Strömungen. All jener also, die ihre Nation und Kultur durch die moderne Macht aus Übersee bedroht sahen.
Politisiert und in die Mitte der Gesellschaft getragen, wurde das Zerrbild Amerikas mit dem Kalten Krieg. Blockbildung schematisierte auch das Vorurteil. Unter Linken, Studenten und Friedensaktivisten galt mit Korea, spätestens aber mit Vietnam die USA als Feind Nummer 1. Die Kritik an der Außenpolitik ging einher mit einer zunehmenden Wesenskritik Amerikas, eine Haltung, die sich bereits im antimodernistischen Denken deutscher Konservativer im 19. Jahrhundert fand."