Jeder Experte wird jeden erdenklichen Börsenverlauf mit vernünftig klingenden Argumenten belegen können, den neuen Rekordflug genauso wie den Supersupercrash. Mach dich darauf gefaßt, daß der Dax auf minus 18 000 fällt. Dann freust du dich schon, wenn er bei minus 17 000 für eine Weile unentschlossen herumzappelt.
Im Börsen-Voodoo gibt es verschiedene Gruppen. Die exotischste sind wohl die Charttechniker. Wenn sie auftauchen, ist die Party vorbei. Dann wandern die Stühle auf den Tisch, und vom Parkett werden die Blutlachen gewischt.
Die Charttechniker sind vergleichbar mit den Leuten, die todsichere Systeme für den Roulette-Tisch entwickeln. Sie tragen rosa Hemden zu grünen Jacketts, sprechen süddeutsche Dialekte und erläutern auf großen, selbstgefertigten Schautafeln die verschiedenen "Unterstützungslinien" der Aktienkurse.
Das sind dicke, rote Balken, unter welche die Aktienkurse nicht fallen dürfen, bei Strafe allergrößter Verachtung. Sollten sie es dennoch tun, werden sie von der nächsten unteren Linie aufgefangen. Der Dax haßte diese Linien in den vergangenen Wochen. Er durchschlug sie wie ein beleidigter Karatekämpfer. Zack, wusch. Dann schmiß er uns die Bretterreste um die Ohren und zog weiter. Nach unten.
Wir Kleinanleger also lagen im Börsenkeller und bluteten. Kai und ich schworen uns stündlich: Sollten wir hier je halbwegs heil wieder herauskommen, würden wir alles auf Postsparbücher transferieren und bei ehrlichen Mikrozinsen ein fortan rechtschaffenes karges Langeweiler-Leben führen.
Das Todesurteil kam schneller als erwartet. Es wurde von Carola Ferstl verlesen. Am Montag vergangener Woche begann sie die Telebörse mit den Worten: "Wenn Sie in den vergangenen Tagen kalte Füße hatten, sollten Sie jetzt besser ausschalten. An der Wall Street gab es ein Blutbad." Innerhalb von drei Minuten war der Dow Jones um 400 Punkte gefallen.
Der Grund waren, wie sollte es anders sein die Russen. Nachdem der junge Premier Kirijenko den Rubel abgewertet hatte, war er selbst abgewertet worden. Nun aber war der von Jelzin vorgeschlagene Kandidat Tschernomyrdin von den Kommunisten in der Duma im ersten Wahlgang abgelehnt worden. Sein Gegenspieler, ein finsterer Altsowjet mit steifem Hut, hatte die freie Börsenwelt zertreten.
Mir war zwar nicht ganz klar, warum Disney-Chef Eisner seine Aktien abstoßen sollte, weil Sjuganow "njet" gesagt hatte , aber Börse ist, wie gesagt, Psychologie. Rot hatte gewonnen.
Kai keuchte von einer neuen Existenz irgendwo auf Mallorca. Ich blieb merkwürdig gefaßt. Mein Sohn würde sich auch in einer Gesamtschule eingliedern lernen. Vielleicht könnte man ihn zur Vorbereitung in einen Selbstverteidigungskurs stecken? Solange unser altes Auto noch nicht auseinanderfällt, könnte ich ihn dorthin fahren.
Der New Yorker Kurssturz war der zweittiefste in der Geschichte
Im Börsen-Voodoo gibt es verschiedene Gruppen. Die exotischste sind wohl die Charttechniker. Wenn sie auftauchen, ist die Party vorbei. Dann wandern die Stühle auf den Tisch, und vom Parkett werden die Blutlachen gewischt.
Die Charttechniker sind vergleichbar mit den Leuten, die todsichere Systeme für den Roulette-Tisch entwickeln. Sie tragen rosa Hemden zu grünen Jacketts, sprechen süddeutsche Dialekte und erläutern auf großen, selbstgefertigten Schautafeln die verschiedenen "Unterstützungslinien" der Aktienkurse.
Das sind dicke, rote Balken, unter welche die Aktienkurse nicht fallen dürfen, bei Strafe allergrößter Verachtung. Sollten sie es dennoch tun, werden sie von der nächsten unteren Linie aufgefangen. Der Dax haßte diese Linien in den vergangenen Wochen. Er durchschlug sie wie ein beleidigter Karatekämpfer. Zack, wusch. Dann schmiß er uns die Bretterreste um die Ohren und zog weiter. Nach unten.
Wir Kleinanleger also lagen im Börsenkeller und bluteten. Kai und ich schworen uns stündlich: Sollten wir hier je halbwegs heil wieder herauskommen, würden wir alles auf Postsparbücher transferieren und bei ehrlichen Mikrozinsen ein fortan rechtschaffenes karges Langeweiler-Leben führen.
Das Todesurteil kam schneller als erwartet. Es wurde von Carola Ferstl verlesen. Am Montag vergangener Woche begann sie die Telebörse mit den Worten: "Wenn Sie in den vergangenen Tagen kalte Füße hatten, sollten Sie jetzt besser ausschalten. An der Wall Street gab es ein Blutbad." Innerhalb von drei Minuten war der Dow Jones um 400 Punkte gefallen.
Der Grund waren, wie sollte es anders sein die Russen. Nachdem der junge Premier Kirijenko den Rubel abgewertet hatte, war er selbst abgewertet worden. Nun aber war der von Jelzin vorgeschlagene Kandidat Tschernomyrdin von den Kommunisten in der Duma im ersten Wahlgang abgelehnt worden. Sein Gegenspieler, ein finsterer Altsowjet mit steifem Hut, hatte die freie Börsenwelt zertreten.
Mir war zwar nicht ganz klar, warum Disney-Chef Eisner seine Aktien abstoßen sollte, weil Sjuganow "njet" gesagt hatte , aber Börse ist, wie gesagt, Psychologie. Rot hatte gewonnen.
Kai keuchte von einer neuen Existenz irgendwo auf Mallorca. Ich blieb merkwürdig gefaßt. Mein Sohn würde sich auch in einer Gesamtschule eingliedern lernen. Vielleicht könnte man ihn zur Vorbereitung in einen Selbstverteidigungskurs stecken? Solange unser altes Auto noch nicht auseinanderfällt, könnte ich ihn dorthin fahren.
Der New Yorker Kurssturz war der zweittiefste in der Geschichte