Helaba-Volkswirtin Gertrud Traud hat die Entscheidung der EZB begrüßt. Nun rechnet sie frühestens im Oktober mit einer Zinserhöhung. Wie stark die Krise auf die Konjunktur und die Unternehmen abfärbt, werde sich bald zeigen.
boerse.ARD.de: Sind Sie erleichtert über die EZB-Zinsentscheidung?
Traud: Ich hatte erwartet, dass der Leitzins bei vier Prozent belassen wird. Ich wäre erschreckt gewesen, wenn sie die Zinsen erhöht hätte.
boerse.ARD.de: Hat die EZB adäquat auf die Liquiditätskrise reagiert?
Traud: Ja, absolut, die EZB hat adäquat auf die Krise reagiert. Sie schaut darauf, was die Finanzmärkte bewegt und was sie belasten könnte.
boerse.ARD.de: Die EZB hat in den letzten Wochen Hunderte von Milliarden in den Geldmarkt gepumpt. War das richtig?
Traud: Das war ganz wichtig, damit der Markt weiter funktioniert. Sonst wäre Panik auf den Geldmärkten entstanden.
boerse.ARD.de: Hat die Krise nun ihren Zenit erreicht? Oder wird sie sich noch verschärfen?
Traud: Ich weiß es nicht. Es wird noch einige Zeit dauern, bis man sieht, ob die Krise Auswirkungen auf die Quartalsbilanzen der Unternehmen hat. Wenn noch vier Wochen ins Land gehen, dann glaube ich, dass man die Schäden sieht. In der Regel dauert es drei bis sechs Monate, bis die Börsianer Krisen verdauen. Vielleicht schon im Oktober könnten sich die Märkte dann wieder stabilisieren.
boerse.ARD.de: Wann erwarten Sie nun die eigentlich für heute angekündigte Zinserhöhung?
Traud: Den frühesten Zeitpunkt sehe ich nun im Oktober. Denn die Krise ist noch nicht ausgestanden. Bisher gingen wir davon aus, dass die EZB in diesem Jahr die Zinsen noch zwei Mal anheben wird. Nun rechnen wir nur noch mit einer Zinserhöhung.
boerse.ARD.de: Sehen Sie schon erste negative Auswirkungen der Liquiditätskrise auf die US-Konjunktur?
Traud: Wir sehen negative Auswirkungen auf das Konsumklima und den Bausektor. Entscheidend ist aber die Frage, ob sich die Krise im Arbeitsmarkt und in den persönlichen Einkommen niederschlägt. Da dürften die Arbeitsmarktdaten am Freitag Aufschluss geben. Wir rechnen aber insgesamt damit, dass sich die Folgen der Krise in Grenzen halten.
boerse.ARD.de: Seit dem Ausbruch der Krise ist der Euro nach unten gerutscht. Wie wird es mit dem Euro weitergehen?
Traud: Die Krise hat bisher eher dem Dollar geholfen. Das ist oft so. Wenn die Krise besonders stark gespielt wird, wird der Dollar stärker. Auch jetzt scheint der Dollar wieder als sicherer Hafen genutzt zu werden. Es wird offenbar viel Geld zurück ins Land geholt. Wir rechnen damit, dass der Euro bis zum Quartalsende bei 1,33 Dollar und bis zum Jahresende bei 1,35 Dollar liegt.
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