DAX: Trügerischer Optimismus
Unsicherheit, wohin es den DAX in naher Zukunft verschlägt, macht sich unter den Investoren am deutschen Aktienmarkt breit. Das Motto dieser Woche lautet daher Zurückhaltung – und das obwohl sich Experten zuversichtlich zeigen. Diese Zurückhaltung ist aber kein gutes Zeichen
Bull-Bear-Index vom 25. Mai 2006
Bullish: 46 Prozent
gegenüber Vorwoche: -2 Prozentpunkte
Bearish: 25 Prozent
gegenüber Vorwoche: -4 Prozentpunkte
Neutral: 29 Prozent
gegenüber Vorwoche: +6 Prozentpunkte
Der Sentiment-Indikator wird von der Deutschen Börse Group erhoben und von der Firma cognitrend berechnet. Dabei werden die Optimisten ins Verhältnis zu den Pessimisten gesetzt und mit der Anzahl der neutralen Stimmen gewichtet. Aus diesen Daten lassen sich Aussagen über Positionierung und Einstiegspreise der Investoren treffen und somit mögliche Marktschieflagen erkennen. Wichtig ist insbesondere die Veränderung im Betrachtungszeitraum.
Die Volatilität unseres Stimmungsbarometers ist plötzlich verflogen. Übernommen hat diese Eigenheit nun der Aktienmarkt selbst. Dass die Schwankungsfreude der Aktien - insbesondere die Bewegungen nach unten - den Akteuren ins Konzept passt, kann getrost bezweifelt werden. Selbst wer auf fallende Kurse vorbereitet war, reagierte ziemlich zurückhaltend auf den Kurseinbruch. Lediglich vier Prozent haben sich aus dem Bärenlager verabschiedet und Gewinne eingestrichen.
Mut macht dieser Profit aber niemanden, denn keiner dieser Händler ist jetzt bullish. Die zahlreichen Optimisten von vergangenem Mittwoch scheinen von dem Ausverkauf im DAX verunsichert zu sein. Nur der Bruchteil von gerade einmal zwei Prozent hat überhaupt auf die Verluste reagiert und nimmt im neutralen Lager eine Auszeit.
Eine Trotzreaktion hat es also auch auf die zweite Korrekturwelle nicht gegeben. Im Gegenteil sollte die meisten Marktteilnehmer der Mut verlassen haben. Sie hängen in den Seilen. Das passt so gar nicht in das Bild, das einige Analysten, Strategen, Börsenexperten oder sogar Vorstände namhafter Unternehmen während der vergangenen Handelstage in den Medien zeichnen. In zahlreichen "Verbalinterventionen" wurde dem Aktienmarkt das volle Vertrauen ausgesprochen.
Von gesunder Korrektur, Bodenbildung sowie einer baldigen Wiederaufnahme des Aufwärtstrends wurde gesprochen und dabei zuweilen eine Überdosis Coolness ausgestrahlt. DAX-Werte seien jetzt wieder fair bewertet, ließen die fundamentalen Anhänger wissen - was uns durchaus plausibel erscheint. Der mittel- und langfristige Aufwärtstrend wäre nicht gebrochen, tönten die Techniker - was ebenfalls nicht bestritten wird. Doch das hilft denen, die bei Kursen von 5.900 oder höher eingestiegen sind wahrscheinlich wenig. Sonst wäre viel mehr Courage bei den Akteuren zu verzeichnen gewesen, die jüngste Schwäche zum Aufstocken ihrer bestehenden Long- Engagements zu nutzen. Dies ist aber nicht der Fall. Schnäppchenjäger hat es bei den von uns Befragten nicht gegeben.
Wir vermuten deshalb, dass die Zurückhaltung die Bedenken dieser Marktteilnehmer widerspiegelt, aus der oft zitierten "gesunden Korrektur" könne am Ende eine handfeste Trendwende werden. Welcher Skeptiker möchte vor diesem Hintergrund seine bestehenden Absicherungen auflösen und welcher Optimist sich zusätzliche Risiken aufbürden?
Unser Bull/Bear-Index zeigt derzeit keine überhöhten Werte im Optimismus an, was sicherlich als positiv interpretiert werden kann. Es wäre für den Markt fatal, wenn sich alle Hals über Kopf in Long-Positionen gestürzt hätten. Doch das Verhalten der vergangenen beiden Wochen gibt dennoch keine Entwarnung. Die derzeitige Zurückhaltung wird bei höheren Kursen verfliegen und sich in Verkäufen entladen. Und zwar sobald der DAX denjenigen die Chance zum Ausstieg gibt, die durch den drastischen Kursverfall in eine Zwickmühle geraten sind. Und das sind nicht gerade wenige. Außerdem scheint eins klar: Nicht die von uns befragten, mittelfristig orientierten Akteure, sondern andere, offensichtlich langfristig operierende Quellen, haben mit ihren Abgaben den Markt geflutet. Dass diese Schleusen aber schnell wieder geschlossen werden und der DAX seine alten Pegelstände erreicht, wäre ein Wunder. An Wunder glauben wir aber nicht.
Autor: Gianni Hirschmüller, cognitrend
Gruß Moya