www.cash.ch/cash/ca_archiv/arvt_frm.htm
cash-invest Interview
Publikations-Datum: 20000218
Seite i9
Zeitungs-Nummer: 7
Autor: Stefan O. Waldvogel
«Ich erwarte einen Kurssturz von etwa 90 Prozent»
Crash-Prophet Marc Faber holt zum Rundumschlag aus
Der in Hongkong lebende Finanzberater Marc Faber erwartet Kursstürze von bis zu 90 Prozent. Damit bleibt er seinem Ruf als Mister «Untergang» auch im Hightech-Fieber treu.
CASH: Herr Faber, Sie verkünden schon länger den bevorstehenden Crash, aber die Börse geht steil nach oben. Wann kommt der Crash endlich?
Marc Faber: Der Crash hat schon stattgefunden. 1998 sind die Börsen in Asien um 90 Prozent gefallen.
CASH: Davon haben sich die Kurse aber extrem schnell erholt, und weltweit zeigen die meisten Börsenbarometer nach oben.
Faber: Die Börsen Asiens haben sich tatsächlich erholt, aber auf einem sehr tiefen Niveau. In Dollar gerechnet liegen beispielsweise Thailand und Indonesien immer noch 80 Prozent unter ihren Höchstständen. Asien ist nicht die ganze Welt, aber auch in den USA gabs einen Crash, einen Branchencrash. Dabei verloren beispielsweise gute Gesellschaften wie Philipp Morris oder Martin Marietta drei Viertel ihres Wertes.
CASH: Aber das ist doch kein Crash, sondern eine Verschiebung von mehr oder weniger belasteten Firmen zu hoffnungsvollen Tech-Titeln hin?
Faber: Der Markt ist extrem konzentriert, und das macht es so gefährlich. Schauen Sie den Nasdaq an. Von den vier- oder fünftausend Aktien ziehen etwa 50 bis 100 gross kapitalisierte Werte den Index nach oben. Die Nasdaq hat sich in den letzten zwei Jahren vervierfacht, obwohl die meisten Titel gefallen sind. Auch im S&P 500 stiegen nur die Gruppen Telekommunikation und Hightech. Alles andere hat sich schlecht gehalten. Das Verhältnis von steigenden zu fallenden Aktien, die Advance-Decline-Line, ist auf einem absoluten Tief.
CASH: Kommt jetzt also bald der Crash?
Faber: Beachten Sie Folgendes. Die Nasdaq-Aktien haben derzeit eine Börsenkapitalisierung von 5,2 Billionen Dollar. Das sind 55 Prozent des amerikanischen Bruttosozialproduktes und mehr als die Börsenkapitalisierungen von ganz Europa oder von ganz Asien inklusive Japan. Gegenwärtig wird die Hightech-Industrie ganz massiv überschätzt, ihr Anteil an der realen Wirtschaft liegt bei rund 7 Prozent. Auch mit schnellem Wachstum wird das Internet nicht die ganze Wirtschaft beherrschen.
CASH: Immerhin hat AOL kürzlich Time Warner gekauft.
Faber: Genau. Und für mich ist das ein weiteres Zeichen, dass die Party bald vorbei sein wird. Die Börse bewertet die Titel ja mittlerweile tiefer als vor dem Merger. AOL hat seine hohe Börsenbewertung als Übernahmewährung eingesetzt. Wenn immer mehr mit Aktien statt mit Cash bezahlt wird, ist das System noch anfälliger auf Korrekturen. Die Nasdaq-Titel kosten im Schnitt mehr als 200-mal die Gewinne pro Aktie, langfristig war ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 25 schon hoch.
CASH: Aber in der so genannten New Economy zählt nicht mehr das Kurs-Gewinn-Verhältnis, sondern nur das Wachstum.
Faber: Immer wenn gewisse Leute von einer Neuen Wirtschaft reden, muss man extrem vorsichtig sein. Meist gabs bald darauf einen Crash. Was im Moment bei den Internetaktien abläuft, ist absolut hirnwütig. Alles, was einmal Hightech ist, wird früher oder später zu einem Massenprodukt. Und das drückt auf die Margen. Ein Taschenrechner gehörte mal zur Hightech, jetzt wird er als Werbegeschenk verteilt. Als ich 1970 zu arbeiten begann, war IBM der beliebteste Hightech-Titel, daneben waren Firmen wie Memorex, Control Data und ähnliche sehr in Mode. Von diesen Firmen haben die wenigsten überlebt, die kreative Zerstörung ist in diesem Bereich am grössten. IBM hat zwar überlebt, ist aber im Kurs nur viermal höher als 1972, der Dow Jones stieg dagegen in der gleichen Zeit um den Faktor 11 und die Nasdaq wohl um das Dreissigfache. Aber, um es noch einmal zu sagen, die Entwicklung beruht auf relativ wenigen Titeln. Die grössten sechs Aktien an der Nasdaq legten alleine in den letzten fünf Jahren um das Zwölffache zu. Das ist nicht zuletzt eine Folge des indexorientierten Anlegens. Damit wird gekauft, was am teuersten ist. Für mich ist klar, wo das endet.
CASH: Wie tief fallen denn die Highflyer Ihrer Meinung nach?
Faber: Ich erwarte einen Kurssturz von etwa 90 Prozent für die meisten Technologiewerte, 50 Prozent wären eine milde Baisse, aber ich erwarte wie gesagt eher mehr.
CASH: Aber es ist so viel Geld vorhanden, das angelegt werden muss. Das stützt die Kurse vor einem tiefen Fall.
Faber: Es ist sicher viel Anlagevolumen vorhanden, aber die Schulden der privaten Investoren sind noch schneller gestiegen. Die Gier nach dem schnellen Geld verleitet sehr viele Leute zur Unvorsichtigkeit. Der letzte Teil der Hausse ist am steilsten, jetzt zu investieren gleicht einer Lotterie mit hohen Einsätzen.
CASH: Wo soll man denn Ihrer Meinung nach gegenwärtig Geld anlegen?
Faber: Für mich sind Euro-Anleihen interessant. Dafür gibts 5,5 Prozent Zins, und der Euro ist für Schweizer Anleger absolut kein Risiko.
CASH: Ehrlich gesagt, der Tipp ist nicht gerade originell. Als bekannter Contrarian haben Sie sicher noch andere Ideen.
Faber: Die allermeisten Rohstoffpreise waren jahrelang unter Druck, und nach einem unteren Wendepunkt sind sie historisch immer noch sehr tief. Auch Gold- oder Ölaktien sind sehr interessant. Überhaupt profitieren Schwellenländer am ehesten vom Anziehen der Rohstoffpreise. Zurzeit sind die meisten sehr günstig bewertet. Die grössten sechs Tech-Stocks in den USA entsprechen dem Wert aller börsenkotierten Firmen Asiens ausserhalb von Japan. Und dabei sind beispielsweise indonesische Zigarettenhersteller höher bewertet als Philip Morris...
CASH: Sie leben in Hongkong und beobachten genau, was in China passiert. Optimisten sehen dort ein grosses Potenzial.
Faber: China ist in erster Linie ein grosses Land und bietet ausländischen Firmen ein grosses Marktpotenzial. Nestlé, Coca-Cola und alle anderen müssen zwar Lehrgeld bezahlen, doch langfristig lohnen sich diese Investitionen wohl mehr als solche ins Internet. Ich könnte mir schon vorstellen, dass in 30 Jahren die Börsenkapitalisierung von Schanghai so gross ist wie diejenige von New York. Zum Vergleich: Die gesamte japanische Börse war 1970 weniger wert als IBM alleine, 20 Jahre später war sie grösser als die USA, Deutschland und England zusammen. Das vergessen die Leute relativ schnell.
Marc Faber, 53, arbeitet seit 1973 in Hongkong als Finanzberater. 1990 gründete der gebürtige Zürcher dort seine Firma Marc Faber Limited. Faber ist bekannt als Mister «Doom» (Untergang) und Anhänger von ungewöhnlichen Investmentideen. Zivilstand: Er ist verheiratet und hat eine Tochter, die im Lyceum in Zuoz zur Schule geht. Hobbys: Nachtclubs, Ausgehen, das Sammeln von kommunistischen Abzeichen, Posters usw., Snowboarden. Grösster gegenwärtiger Anlageerfolg: «Mein Indienfonds warf letztes Jahr eine Rendite von 120 Prozent ab.» Grösster Misserfolg: «Mein Fonds à la baisse verlor 60 Prozent.»
cash-invest Interview
Publikations-Datum: 20000218
Seite i9
Zeitungs-Nummer: 7
Autor: Stefan O. Waldvogel
«Ich erwarte einen Kurssturz von etwa 90 Prozent»
Crash-Prophet Marc Faber holt zum Rundumschlag aus
Der in Hongkong lebende Finanzberater Marc Faber erwartet Kursstürze von bis zu 90 Prozent. Damit bleibt er seinem Ruf als Mister «Untergang» auch im Hightech-Fieber treu.
CASH: Herr Faber, Sie verkünden schon länger den bevorstehenden Crash, aber die Börse geht steil nach oben. Wann kommt der Crash endlich?
Marc Faber: Der Crash hat schon stattgefunden. 1998 sind die Börsen in Asien um 90 Prozent gefallen.
CASH: Davon haben sich die Kurse aber extrem schnell erholt, und weltweit zeigen die meisten Börsenbarometer nach oben.
Faber: Die Börsen Asiens haben sich tatsächlich erholt, aber auf einem sehr tiefen Niveau. In Dollar gerechnet liegen beispielsweise Thailand und Indonesien immer noch 80 Prozent unter ihren Höchstständen. Asien ist nicht die ganze Welt, aber auch in den USA gabs einen Crash, einen Branchencrash. Dabei verloren beispielsweise gute Gesellschaften wie Philipp Morris oder Martin Marietta drei Viertel ihres Wertes.
CASH: Aber das ist doch kein Crash, sondern eine Verschiebung von mehr oder weniger belasteten Firmen zu hoffnungsvollen Tech-Titeln hin?
Faber: Der Markt ist extrem konzentriert, und das macht es so gefährlich. Schauen Sie den Nasdaq an. Von den vier- oder fünftausend Aktien ziehen etwa 50 bis 100 gross kapitalisierte Werte den Index nach oben. Die Nasdaq hat sich in den letzten zwei Jahren vervierfacht, obwohl die meisten Titel gefallen sind. Auch im S&P 500 stiegen nur die Gruppen Telekommunikation und Hightech. Alles andere hat sich schlecht gehalten. Das Verhältnis von steigenden zu fallenden Aktien, die Advance-Decline-Line, ist auf einem absoluten Tief.
CASH: Kommt jetzt also bald der Crash?
Faber: Beachten Sie Folgendes. Die Nasdaq-Aktien haben derzeit eine Börsenkapitalisierung von 5,2 Billionen Dollar. Das sind 55 Prozent des amerikanischen Bruttosozialproduktes und mehr als die Börsenkapitalisierungen von ganz Europa oder von ganz Asien inklusive Japan. Gegenwärtig wird die Hightech-Industrie ganz massiv überschätzt, ihr Anteil an der realen Wirtschaft liegt bei rund 7 Prozent. Auch mit schnellem Wachstum wird das Internet nicht die ganze Wirtschaft beherrschen.
CASH: Immerhin hat AOL kürzlich Time Warner gekauft.
Faber: Genau. Und für mich ist das ein weiteres Zeichen, dass die Party bald vorbei sein wird. Die Börse bewertet die Titel ja mittlerweile tiefer als vor dem Merger. AOL hat seine hohe Börsenbewertung als Übernahmewährung eingesetzt. Wenn immer mehr mit Aktien statt mit Cash bezahlt wird, ist das System noch anfälliger auf Korrekturen. Die Nasdaq-Titel kosten im Schnitt mehr als 200-mal die Gewinne pro Aktie, langfristig war ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 25 schon hoch.
CASH: Aber in der so genannten New Economy zählt nicht mehr das Kurs-Gewinn-Verhältnis, sondern nur das Wachstum.
Faber: Immer wenn gewisse Leute von einer Neuen Wirtschaft reden, muss man extrem vorsichtig sein. Meist gabs bald darauf einen Crash. Was im Moment bei den Internetaktien abläuft, ist absolut hirnwütig. Alles, was einmal Hightech ist, wird früher oder später zu einem Massenprodukt. Und das drückt auf die Margen. Ein Taschenrechner gehörte mal zur Hightech, jetzt wird er als Werbegeschenk verteilt. Als ich 1970 zu arbeiten begann, war IBM der beliebteste Hightech-Titel, daneben waren Firmen wie Memorex, Control Data und ähnliche sehr in Mode. Von diesen Firmen haben die wenigsten überlebt, die kreative Zerstörung ist in diesem Bereich am grössten. IBM hat zwar überlebt, ist aber im Kurs nur viermal höher als 1972, der Dow Jones stieg dagegen in der gleichen Zeit um den Faktor 11 und die Nasdaq wohl um das Dreissigfache. Aber, um es noch einmal zu sagen, die Entwicklung beruht auf relativ wenigen Titeln. Die grössten sechs Aktien an der Nasdaq legten alleine in den letzten fünf Jahren um das Zwölffache zu. Das ist nicht zuletzt eine Folge des indexorientierten Anlegens. Damit wird gekauft, was am teuersten ist. Für mich ist klar, wo das endet.
CASH: Wie tief fallen denn die Highflyer Ihrer Meinung nach?
Faber: Ich erwarte einen Kurssturz von etwa 90 Prozent für die meisten Technologiewerte, 50 Prozent wären eine milde Baisse, aber ich erwarte wie gesagt eher mehr.
CASH: Aber es ist so viel Geld vorhanden, das angelegt werden muss. Das stützt die Kurse vor einem tiefen Fall.
Faber: Es ist sicher viel Anlagevolumen vorhanden, aber die Schulden der privaten Investoren sind noch schneller gestiegen. Die Gier nach dem schnellen Geld verleitet sehr viele Leute zur Unvorsichtigkeit. Der letzte Teil der Hausse ist am steilsten, jetzt zu investieren gleicht einer Lotterie mit hohen Einsätzen.
CASH: Wo soll man denn Ihrer Meinung nach gegenwärtig Geld anlegen?
Faber: Für mich sind Euro-Anleihen interessant. Dafür gibts 5,5 Prozent Zins, und der Euro ist für Schweizer Anleger absolut kein Risiko.
CASH: Ehrlich gesagt, der Tipp ist nicht gerade originell. Als bekannter Contrarian haben Sie sicher noch andere Ideen.
Faber: Die allermeisten Rohstoffpreise waren jahrelang unter Druck, und nach einem unteren Wendepunkt sind sie historisch immer noch sehr tief. Auch Gold- oder Ölaktien sind sehr interessant. Überhaupt profitieren Schwellenländer am ehesten vom Anziehen der Rohstoffpreise. Zurzeit sind die meisten sehr günstig bewertet. Die grössten sechs Tech-Stocks in den USA entsprechen dem Wert aller börsenkotierten Firmen Asiens ausserhalb von Japan. Und dabei sind beispielsweise indonesische Zigarettenhersteller höher bewertet als Philip Morris...
CASH: Sie leben in Hongkong und beobachten genau, was in China passiert. Optimisten sehen dort ein grosses Potenzial.
Faber: China ist in erster Linie ein grosses Land und bietet ausländischen Firmen ein grosses Marktpotenzial. Nestlé, Coca-Cola und alle anderen müssen zwar Lehrgeld bezahlen, doch langfristig lohnen sich diese Investitionen wohl mehr als solche ins Internet. Ich könnte mir schon vorstellen, dass in 30 Jahren die Börsenkapitalisierung von Schanghai so gross ist wie diejenige von New York. Zum Vergleich: Die gesamte japanische Börse war 1970 weniger wert als IBM alleine, 20 Jahre später war sie grösser als die USA, Deutschland und England zusammen. Das vergessen die Leute relativ schnell.
Marc Faber, 53, arbeitet seit 1973 in Hongkong als Finanzberater. 1990 gründete der gebürtige Zürcher dort seine Firma Marc Faber Limited. Faber ist bekannt als Mister «Doom» (Untergang) und Anhänger von ungewöhnlichen Investmentideen. Zivilstand: Er ist verheiratet und hat eine Tochter, die im Lyceum in Zuoz zur Schule geht. Hobbys: Nachtclubs, Ausgehen, das Sammeln von kommunistischen Abzeichen, Posters usw., Snowboarden. Grösster gegenwärtiger Anlageerfolg: «Mein Indienfonds warf letztes Jahr eine Rendite von 120 Prozent ab.» Grösster Misserfolg: «Mein Fonds à la baisse verlor 60 Prozent.»