Der Turnschuh-Zuhälter

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Der Turnschuh-Zuhälter

 
06.09.02 09:49
Manche Turnschuhe gelten längst als Kultobjekte. Marktführer Nike heizt das Sammelfieber durch Sondermodelle in limitierter Auflage bewusst an. Ein Teenager aus Brooklyn beutet diese Marketingstrategie aus - und verdient gutes Geld dabei.

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Sneaker-Pimp Eric: Im Kinderzimmer nur ein lieber Junge aus Brooklyn, der vergisst, Getränke anzubieten
 
New York - Eric Eways hat einen Turnschuhtick, das ist nicht zu übersehen. Sein Zimmer sieht aus wie ein Schuhladen, die Schuhe stehen im Regal, auf dem Boden, auf der Heizung. Nebenan stapeln sich die leeren Kartons, orange und mit dem "Swoosh"-Logo von Nike.
Im Internet nennen sie Eric respektvoll den "Sneaker Pimp", Turnschuh-Zuhälter. Das klingt taff. In seinem Kinderzimmer in Brooklyn ist er jedoch bloß ein lieber Junge mit Baseballkappe. Er vergisst, etwas zum Trinken anzubieten. Das tut seine Mutter. Der 16-jährige Zwölftklässler daddelt am Computer neben seinem Etagenbett herum und erzählt von seinem Business: "Es ist nicht wirklich arbeiten, weißt du? Ich sitze hier und schreibe E-Mails, rede über Turnschuhe." Er denkt kurz nach. "Man könnte es wahrscheinlich Kundenservice nennen."

Ein Jordan mit Krokodilhaut gefällig?

Ja, könnte man wahrscheinlich. Zusammen mit seinem elf Jahre älteren Geschäftspartner Joe Guerrero betreibt Eric die Website sneakerpimp.com. Auf den ersten Blick ist es ein gewöhnlicher Online-Laden, wo man Turnschuhe kaufen kann. Doch wer genauer hinschaut, stutzt: 400 Dollar für ein Paar? Das sei nicht irgendein Paar, erklärt Eric, sondern "ein Air Force I Taiwan Patent". Ach so.

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Das Lager des Markenfetischisten: Seit der Website-Premiere 1500 Schuhe verkauft
 
Oder wie wäre es mit einem "Jordan 17, low top, mit Krokodilhaut"? Der kostet inzwischen nur noch 500 Dollar - runtergesetzt von 700 Dollar. "Wenn wir als einzige den Schuh haben, müssen wir den Preis setzen", erklärt Eric. Bei mangelnder Nachfrage erfordert das manchmal Feintuning.

Globales Netzwerk von Spionen

Der clevere Teenager hat eine lukrative Nische entdeckt, die Weltmarktführer Nike selbst geschaffen hat - unfreiwillig durch eine besondere Art des Marketing. Um einen ständigen "Buzz" rund um die Marke zu erhalten, produziert Nike Sondermodelle in streng limitierter Auflage, zum Beispiel eine grüngelbe Serie für die West Indian Parade in Brooklyn.

Die Sondermodelle, oft nur wenige hundert, werden an besonders hippe Läden in New York, London und Tokio verteilt. Es wird nicht offiziell angekündigt, wann sie an welchem Ort erscheinen, damit die Kunden einen Anreiz haben, die Läden immer wieder zu besuchen.

Ein Teen als Global Player

Doch viele Schuhe landen nie in den Regalen. Denn Eric und Joe haben ein weltweites Netzwerk von Spionen und Kontaktleuten entwickelt, mit deren Hilfe sie so viele der seltenen Schuhe wie möglich aufkaufen. Hinterher verkaufen sie die "Kicks", wie die Schuhe bei Kennern heißen, über ihre Website zu erhöhten Preisen - ebenfalls in die ganze Welt. "Japan und die USA sind die heißesten Märkte", sagt Eric.

Das "Wall Street Journal" hat dem Nachwuchskapitalisten deshalb eine Geschichte auf der ersten Seite gewidmet. Der 16-Jährige, der den Weltkonzern düpiert. Und er ist nicht allein: Es gibt noch andere Zwischenmänner, die auf diese Weise Profit machen.

Jeden Tag sechs Stunden "Recherche"

Doch Nike leidet nicht wirklich darunter, dass Eric pro Monat rund 50 Paar "Kicks" verkauft. Der Konzern profitiere sogar, schreibt das "Journal": Webseiten wie sneakerpimp.com dienten der Firma als Gratis-Testgruppe. Gleichzeitig förderten sie den Kultcharakter der Produkte - das ursprüngliche Ziel des Herstellers. Von Nike ist denn auch kein offizielles Statement zu den Turnschuh-Zuhältern zu erhalten.

Sein Fachwissen hat Eric aus dem Internet. Täglich checkt er das Message Board Niketalk.com, den Treffpunkt der Nike-Insider. Eric kennt jeden Schuh, den Nike jemals herausgebracht hat. In Japan seien sie grundsätzlich bunter, in den USA dominierten die "soliden Farben", blau, schwarz und weiß, sagt er. In Europa gebe es weniger "Dunks", die klobigen Basketballkähne, sondern eher leichte Laufschuhe. Die Top-Preise werden für Jordans gezahlt. Pro Jahr kommt ein neuer Jordan raus, und zwei "Retros", Neuauflagen von früheren Modellen.

Zehn Paar für DJ Homicide

Inzwischen ist Eric so gut vernetzt, dass er jeden neuen Nike-Schuh besorgen kann. Behauptet er zumindest. Täglich verbringt er sechs Stunden mit Mailen, "Research" und Telefonieren. Ab und zu geht er zur Post, Kartons verschicken. Die Versandkosten übernimmt er.

So einen Ruf genießt der schüchterne Schlacks in der Szene, dass sogar DJ Homicide sich mit ihm treffen wollte, als er kürzlich zu den MTV Video Music Awards nach New York kam. "Wir haben zusammen abgehangen. Er ist gut drauf, relaxed", sagt Eric. DJ Homicide ist einer seiner Stammkunden, über zehn Paar hat er schon gekauft.

Erste Schritte bei eBay

Ein Paar aller Sondermodelle behält Eric für sich selbst. Seine Kollektion (80 Paar) sei mehrere tausend Dollar wert, sagt er. Aber er hat die gleiche Philosophie wie ein Drogendealer, der selbst keinen Stoff nimmt: Er würde nie 500 Dollar für ein Paar "Kicks" ausgeben. Obwohl, vielleicht doch, aber nur für den Jordan 6 Original, ein tiefrotes, extrem seltenes Prachtexemplar.

Begonnen hat seine Nike-Leidenschaft in der sechsten Klasse. Damals kaufte er nur zwei Paar pro Jahr, "ganz normal". Bald besuchte er regelmäßig Nikepark.com, den Vorgänger von Niketalk.com. Dort hatte er vor vier Jahren die Erleuchtung: Jemand bot 200 Dollar für einen Jordan 4 Retro, der im Laden 100 Dollar gekostet hatte. Eric begann, Schuhe zu kaufen und über die Auktionsseite eBay zu verkaufen.

Sparen für die Uni

Doch die drei Prozent Provision zahlte er nur ungern. Als er daher Joe kennenlernte, einen anderen eBay-Händler aus der Nachbarschaft, schmiedeten sie Pläne für eine eigene Website. Joe, von Beruf Grafikdesigner, richtete sneakerpimp.com ein. Im vergangenen Oktober ging die Seite online. Seither haben sie 1500 Schuhe verkauft. Eric spart das Geld fürs College.

Auch die Besuche der Reporter kommen ihm gerade recht. Zwar wurde er von einigen Veteranen auf Niketalk.com gerügt, dass er mit dem "Wall Street Journal" geredet habe (man will schließlich Underground bleiben), aber das kratzt Eric nicht. Er hofft, dass die Presseclips ihm bei der College-Bewerbung helfen. Angeschaut hat er sich bereits einige Unis in Boston.

Studieren will er Business, was sonst. In der Schule ist sein Hauptfach Architektur, aber nur, weil Business nicht angeboten wird. Seit er jeden Abend von acht bis zwei Uhr als Turnschuhzuhälter arbeitet, ist sein Notendurchschnitt von 95 Prozent auf 84 Prozent gesunken. Deshalb hat er sich noch nicht bei Top-Unis wie Harvard beworben. "Die wollen 99 Prozent", sagt er. Aber vielleicht traut er sich doch noch, schließlich hat er jetzt Empfehlungsschreiben vom "Wall Street Journal".  
GüntherThiel:

Schöne Geschichte, Danke Häbbie! o.T.

 
06.09.02 09:52
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