(die ja auch in diesem Bären-Thread als "Hauptbeweggrund" betrachtet wird)
Kolumne
Wolfgang Münchau - Geld sucht Hafen
Die herkömmlichen Anlagetipps von Beratern taugen in diesen Zeiten kaum noch etwas. Anleger, die langfristig Rendite erzielen wollen, müssen die Schieflage der Märkte für sich ausnutzen. Das Zauberwort heißt Makroökonomie. von Wolfgang Münchau
Es ist selten, dass ich in einer Kolumne über Geldanlagen spreche. Und doch ist gerade dieses Thema während und vor allem nach der Finanzkrise für viele Leser besonders wichtig geworden. Die Krise stellt insbesondere private Investoren vor ein Dilemma. Die Renditen sind miserabel, die Gefahr des Kapitalverlusts ist groß. Sprach man früher von risikolosen Renditen, drohen heute renditelose Risiken. Es gibt kaum noch unterbewertete Klassen von Wertpapieren. Die alten Tipps von Anlageberatern und Anlagejournalisten taugen in Zeiten, in denen sich Märkte seitwärts bewegen, kaum noch etwas.
Keine Frage ist daher häufiger von Lesern zu hören als die, was man mit dem Geld in Krisenzeiten nun machen soll. Diese Frage ist völlig berechtigt. Was also tun? Wohin mit dem Geld?
Die Antwort darauf sind Makrostrategien (siehe auch mein neues Buch). Damit meine ich Anlagestrategien, die auf einer makroökonomischen Analyse aufbauen. Hier geht es nicht um Konjunkturforschung, sondern vor allem um eine Analyse makroökonomischer Schieflagen, etwa von Ungleichgewichten, die für den Investor wichtige Informationen liefern. Es geht darum, diese Missverhältnisse an den Märkten zu analysieren und für sich auszunutzen - genauso, wie es professionelle Hedge-Fonds machen.
Risiko Rückfall
Das größte Risiko, dem wir momentan ausgesetzt sind, ist eine Rückkehr der Finanzinstabilität. In meiner FTD-Sommerserie über die Finanzkrise habe ich dargelegt, warum ich eine erneute Krise für wahrscheinlich halte: Einer der Auslöser für eine solche Krise könnte die Instabilität in der europäischen Peripherie sein. Wenn es am Rande des Kontinents knallt, kann das zu einer globalen Kettenreaktion führen, die den langsam genesenden Finanzsektor erneut in die Knie zwingen könnte. In Ländern wie Irland, Griechenland, Portugal und auch Spanien sind die Renditen der Staatsanleihen wieder so hoch wie mitten in der Euro-Krise Anfang Mai - kurz bevor der EU-Gipfel die spektakulären Rettungsmaßnahmen beschloss.
Die Märkte gehen trotz alledem davon aus, dass mehrere europäische Länder in den nächsten Jahren zahlungsunfähig werden und dass Investoren zumindest einen Teil ihrer Investitionen verlieren. Die Differenz in den Renditen zwischen irischen und deutschen Zehn-Jahres-Staatsanleihen beträgt um die 3,4 Prozentpunkte.
Wenn man davon ausgeht, dass die deutschen Papiere risikolos sind, dann entsprechen diese 3,4 Prozent einem Risikoaufschlag, denn sie sind schließlich in der gleichen Währung emittiert. Ein solcher Risikoaufschlag bedeutet eine mit 18 Prozent erwartete Wahrscheinlichkeit eines 18-prozentigen Verlusts (ziehen Sie dazu einfach die Quadratwurzel aus der Zinsdifferenz von 340 Basispunkten).
Griechische Krankheit
Das ist nur eine von unendlich vielen Kombinationen aus Erwartungswahrscheinlichkeit und Verlusten, aber das vermittelt schon ein Gefühl für die Größenordnungen, von denen wir hier reden. Über eine Zehn-Jahres-Periode sehen Investoren eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit einer Zahlungsunfähigkeit oder Umstrukturierung eines Mitgliedsstaats in der europäischen Währungsunion.
Im Falle Griechenlands ist die Situation noch dramatischer. Dort beträgt die Risikoprämie fast 1000 Basispunkte - also zehn Prozentpunkte -, was eine 32-prozentige erwartete Wahrscheinlichkeit eines 32-prozentigen Verlusts bedeutet (oder eine 20-prozentige Wahrscheinlichkeit eines 50-prozentigen Verlusts). Hier misstrauen die Investoren schlichtweg den Beteuerungen des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Kommission, die davon überzeugt sind, dass Griechenland durch die Krise ohne jeglichen Zahlungsausfall durchkommen wird. In Deutschland hingegen liegt die Rendite auf Zehn-Jahres-Papiere bei läppischen 2,3 Prozent. Das deutet auf ein deutliches Unterschießen des Inflationsziels der Europäischen Zentralbank hin, und zwar auf lange Sicht. Wer in deutsche Staatsanleihen investiert, verdient kein Geld, und wer in griechische investiert, verliert es womöglich.
Über kurz oder lang wird sich die makroökonomische Instabilität in einer Preisinstabilität niederschlagen. Das kann Deflation oder Inflation bedeuten. Kurzfristig ist das Risiko einer Deflation auch bei uns eher höher einzuschätzen. Langfristig erwarte ich eine moderate Inflation - so um die vier bis sechs Prozent -, was den Schuldnern bei der Entschuldung helfen wird, wenn auch auf Kosten der Sparer. Hierbei handelt es sich um einen weltweiten Trend. Europa wird sicher versuchen dagegenzuhalten. Ich bin nur nicht sicher, ob das gelingen wird.
Dilemma für Kleinanleger
Für Investoren, insbesondere für die, die für ihr Alter sparen, ist somit höchste Vorsicht geboten. Denn die angeblich so sicheren und mittlerweile so teuren Staatsanleihen werden dann plötzlich zu hochriskanten Investitionen. Mein Rat heute wären Investitionen in Rohstoffmärkte, wobei sich der Goldpreis schon um mehr als zehn Prozent innerhalb kürzester Zeit nach oben bewegte.
Aber auch bei einem Kurs von 1249 Dollar je Feinunze, so wie am Dienstag, halte ich das Aufwärtspotenzial noch für relativ groß. Attraktiver noch als Gold sind Platinum und Kupfer, da sie ähnlich wie Gold von einer Inflation profitieren und im Gegensatz zu Gold auch einer industriellen Nachfrage unterliegen. Im Umfeld eines leicht inflationären globalen Wirtschaftsaufschwungs und Niedrigzinsen würde ich erwarten, dass diese Anlageklassen enorm zulegen werden.
Als ich das Buch im Frühjahr schrieb, empfahl ich noch den Kauf deutscher Staatsanleihen. Jetzt würde ich diese verkaufen und in andere Anlageklassen wechseln. Makroinvestitionen sind höchstgradig dynamisch. Es sind aktivistische Strategien. Für den langfristigen Investor bieten sie aus meiner Sicht allerdings die einzige Chance, der miserablen Nullzins-Situation zu entkommen und das kommende Jahrzehnt der Instabilität finanziell zu überleben.
http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/...-geld-sucht-hafen/50166528.html
Kommentar: Ich glaube nicht, dass die deflationären Tendenzen so schnell aufhören werden, wie Münchau vermutet. Es scheint zurzeit "en vogue" zu sein, die "Inflation durch die Hintertür" kommen zu sehen...
(siehe auch Norbert Walter in: http://www.ariva.de/...A_Baeren_Thread_t283343?page=2732#jumppos68323 )
...Daher halte ich die Anlage in Gold/Silber/Platin usw. ebenfalls für riskant und mit Kursverlust-Risiko behaftet. In einem globalen Japan-Szenario mit 20 Jahren Deflation dürften Rohstoffe und Edelmetalle gemeinsam mit allen anderen Assets einbrechen. So absurd es heute klingen mag: In solchen Zeiten ist Cash King - A.L.