Deutsche Bank zum Konjunkturverlauf

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Nassie:

Deutsche Bank zum Konjunkturverlauf

 
16.05.03 14:15
"So große Abweichungen sind eine absolute Seltenheit"

Der Konjunkturverlauf wird über das mittel- bis langfristige Kurspotenzial der Börsen entscheiden. Anleger sollten deshalb die Wirtschaftsentwicklung kontinuierlich beobachten. Wir sprachen mit Dr. Markus Heider, Senior Economist der Deutschen Bank, über die Chancen zur Rückkehr auf den Wachstumspfad. Die Deutsche Bank analysiert alle drei Monate in dem Ausblick "Globale Trends" alle wichtigen Indikatoren.

Stock-World: Herr Dr. Heider, im ersten Quartal war das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland überraschend rückläufig. Was waren die Ursachen?

Markus Heider: Die Zahlen zum BIP waren in der Tat überraschend. So große Abweichungen zwischen Konsensprognose - 0,2 Prozent Wachstum - und gemeldetem Wert - Rückgang um 0,2 Prozent - sind eine absolute Seltenheit. Über die Ursachen lässt sich noch nichts genaues sagen.

Stock-World: Wieso?

Markus Heider: Das Statistische Bundesamt hat erstmals eine Richtlinie von Eurostat umgesetzt, die Zahlen zum BIP innerhalb von 45 Tagen nach Ende des Quartals zu veröffentlichen. Detaillierte Daten zu den BIP-Komponenten wie Konsum, Investitionen oder Staatsverbrauch meldet das Amt allerdings erst nächste Woche. Es lassen sich nur Mutmaßungen anstellen, wo die Schwächen zu suchen sind.

Stock-World: Und wo wäre das?

Markus Heider: Es war schon vorab bekannt, dass die Industrieproduktion von Januar bis März um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal zugelegt hat und somit kein Schwachpunkt ist. Deshalb gehen wir davon aus, dass irgendwo im Bereich Dienstleistung die Erwartungen nicht erfüllt wurden, beispielsweise im öffentlichen Sektor. Außerdem sind die Importe stärker gestiegen als die Exporte, so dass der Außenhandel wohl einen negativen Wachstumsbeitrag geleistet hat. Mehr Klarheit werden die kompletten Zahlen bringen, die am 22. Mai veröffentlicht werden.

Stock-World: Welche Folgen hat das schwache Wirtschaftswachstum?

Markus Heider: Zunächst mal handelt es sich ja um einen Wert, der ausschließlich über die Vergangenheit Auskunft gibt. Insofern ließe sich das Thema schnell ad acta legen. Als direkte Folge werden die Wachstumsprognosen von Banken und Wirtschaftsinstituten für das Gesamtjahr nach unten korrigiert. Bundesfinanzminister Hans Eichel geht zwar weiterhin von 0,75 Prozent Zuwachs aus. Das erscheint jedoch sehr optimistisch. Der Konsens liegt aktuell bei 0,5 Prozent und könnte auf etwa 0,25 Prozent sinken. Möglicherweise wirkt sich die schlechte Nachricht noch indirekt aus, indem die Stimmung bei den Unternehmen weiter gedrückt wird.

Stock-World: Rechnen Sie mit einer Rezession?

Markus Heider: Im Grunde genommen steckt Deutschland schon fast in einer Rezession. Im vierten Quartal meldete das statistische Bundesamt 0,0 Prozent Wachstum, weiter hinter dem Komma zeigt sich, dass es sich um eine rote Null handelte. Wir sind bei der Deutschen Bank bislang davon ausgegangen, dass erst im laufenden zweiten Quartal der Tiefpunkt der Konjunktur erreicht wird, dachten dabei aber an 0,0 Prozent nach 0,2 Prozent im ersten Quartal. Es liegen bis dato keine aussagekräftigen Indikatoren für das zweite Quartal vor, ein Minus ist aber im Bereich des Möglichen und damit eine "richtige" Rezession.

Stock-World: Wann und wie kommt Deutschland aus der Misere heraus?

Markus Heider: Wir glauben an eine moderate Besserung der konjunkturellen Lage ab dem dritten Quartal. Ausgangspunkt sind die Vereinigten Staaten. Im Basisszenario der Deutschen Bank gehen wir davon aus, dass sich die US-Wirtschaft ab Q3 vor allem dank stimulierender geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen erholen und dem Trendwachstum nähern wird.

Stock-World: Skeptiker sagen, dass die Maßnahmen der amerikanischen Regierung wenig Wirkung zeigen werden. Sie verweisen darauf, dass auch in der Flaute viel konsumiert wurde, das aber nicht viel geholfen hat.

Markus Heider: Wir sehen nicht den Konsum, sondern die Investitionen der Unternehmen als treibende Kraft. Das Konsumniveau ist schon hoch, die aktuellen Daten zum Verbrauchervertrauen deuten dennoch an, dass es noch Spielraum nach oben gibt. Wenn die Nachfrage aber leicht steigt, müssen sich die Unternehmen darauf einstellen und investieren, um genügend anbieten zu können. Als Unternehmen können Sie dann nicht einfach zusehen was passiert. Das Exportwachstum schließlich dürfte durch die derzeitige Dollar-Schwäche stimuliert werden.

Stock-World: Auf Kosten der europäischen Wirtschaft?

Markus Heider: Die Gefahren des starken Euros für die Exportwirtschaft werden dramatisiert. Der Kurs steht nach wie vor unter dem Startkurs von 1999. Mitte der 90er Jahre mussten die deutschen Konzerne mit einem viel weicheren Dollar zu Rande kommen. Von größerer Bedeutung für die hiesigen Unternehmen ist das Klima in der Weltwirtschaft. Bessert sich das, profitieren auch die Europäer.

© 16.05.2003 www.stock-world.de [1]

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