Marktführer in Not - warum die Telekom in Zukunft auf Masse statt Klasse setzen will
Jahrelang hat der Ex-Monopolist vergeblich nach Visionen gesucht. Jetzt sollen Preissenkungen den Konzern vor weiteren Gewinneinbrüchen retten.
von Lutz Frühbrodt
Fünf Tage im Jahr waltet Kai-Uwe Ricke nicht seines Amtes als Vorstandschef der Deutschen Telekom. In dieser Zeit arbeitet er meist in einem T-Punkt-Laden, um sich die Wünsche und Beschwerden der Kundschaft anzuhören. Ricke will so ein Gespür dafür bekommen, wo es immer noch hakt. Denn der Telekom-Chef hat sich auf die Fahnen geschrieben, den für seine Pannen bekannten Konzern bis Ende 2007 in das beste Serviceunternehmen Europas zu verwandeln.
Bei seinen Stippvisiten mag Ricke auch immer mal wieder etwas verkaufen. Viel jedoch dürfte es nicht sein. Denn das Kernproblem der Telekom ist nach wie vor das Gleiche wie eigentlich immer seit ihrer Privatisierung Ende der 90er-Jahre, und es hat mit dem Service des deutschen Marktführers wenig zu tun: Die Telekom ist zu teuer.
Daran konnten auch diverse Reformversuche nichts ändern. Bis zum Ende ihrer Existenz als Staatsbetrieb etwa galt die ehemalige Fernmeldebehörde als technokratischer Ingenieursbetrieb. Ron Sommer, der als Vorstandschef die Telekom an die Börse führte, kreierte deshalb die T-Marke im auffälligen Magentaton. Sie sollte dem Unternehmen einen Anstrich von Modernität und Flexibilität geben.
Sommers Nachfolger Ricke hingegen entdeckte den besagten schlechten Service als Kernproblem. Doch auch unter ihm konnte die Telekom ihre alte Monopolmentalität nicht völlig abwerfen. "Wir sind der Marktführer. Wir haben die bekannteste Marke. Also können wir auch die höchsten Preise verlangen", hieß die Philosophie.
Die hat sich nun offenbar schlagartig geändert. Am Donnerstag musste die Telekom ein äußerst mieses Halbjahresergebnis verkünden und obendrein noch Gewinnwarnungen für dieses und das nächste Jahr ausgeben.
Ricke tritt nun offenbar die Flucht nach vorn an. Für den Herbst versprach er breits einen DSL-Pauschaltarif für Internettelefonie und Breitbandanschluss mit Internetzugang für monatlich unter 40 Euro. Der Preis liegt rund fünf Euro unter den DSL-Paketen, die derzeit auf dem Markt sind. "Mit dem neuen Angebot wird die Telekom Europas Flatrate-Anbieter Nummer eins werden", so Ricke.
Weitere Kampfangebote dürften folgen. Da die Telekom demnächst auf zahlreichen Teilmärkten aus der Preisregulierung entlassen werde, könnte sie - unabhängig von DSL und damit massenwirksamer - einen monatlichen Pauschalpreis für die gesamte Sprachtelefonie ohne Auslandsgespräche und Telefonate in Mobilfunknetze einführen. "Die Flatrate könnte bei zehn Euro liegen", sagt Frank Rothauge, Analyst bei der Investmentbank Sal. Oppenheim. "Damit könnten die stark rückläufigen Umsätze im Festnetz stabilisiert werden."
Die Konkurrenten werden jedoch reagieren, sind sich Branchenkenner sicher. Und der Trend gehe in der gesamten Branche ohnehin zu Alles-Inklusive-Paketen, ist Rothauge überzeugt. Der Vorstoß der Telekom ist damit um einiges weniger attraktiv, als er es vielleicht vor zwei Jahren gewesen wäre.
Spät reagiert die Telekom auch beim Mobilfunk - dem bisherigen Wachstumsmotor, der jetzt Umsatzeinbußen hinnehmen musste. Als der deutlich kleinere Konkurrent E-Plus vor gut einem Jahr Billigmarken wie Simyo, Base oder Alditalk lancierte, sah sich Marktführer T-Mobile nicht unter Zugzwang. Doch "etwas billiger" hat bei den Mobilfunkkunden inzwischen offenbar so viel Überzeugungskraft wie "ein bisschen schwanger". E-Plus gewinnt die meisten Kunden und kann trotz seiner Kampfpreise den Gewinn steigern. Ricke hat auch hier nachgezogen: Bald soll die Gesprächsminute nur noch zehn Cent kosten - der absolute Tiefpreis für mobiles Telefonieren.
Mit Aktionen wie dieser soll Kasse durch Masse gemacht und der schwächelnde Kurs der T-Aktie beflügelt werden. Ricke ist zu wünschen, dass es klappt. Denn der Telekom-Chef weiß genau, dass sein Vorgänger Ron Sommer vor vier Jahren über den Zorn der Kleinaktionäre gestolpert ist. Ricke sitzt auch der US-Finanzinvestor Blackstone im Nacken, der schnell Ergebnisse sehen will. Wenn die ausbleiben, dürften wie in dieser Woche wieder Rücktrittsgerüchte aufkommen. Nur könnten sie sich dann länger halten.
Artikel erschienen am 13. August 2006
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