Die Nase voll vom Neuen Markt
WELT-Umfrage belegt: Die tägliche Dosis Pleiten, Pech und Pannen bei den Technologietiteln sind den wenigen verbliebenen Qualitätsunternehmen zur Last geworden
Von Alexander Antonoff und Holger Zschäpitz
Berlin – „Wenn wir die Möglichkeit hätten, den Neuen Markt zu verlassen, würden wir es heute Nachmittag noch tun.“ Nicht nur Tjeu Blommart, Vorstandschef des Reparaturdienstleister Teleplan, hat die Nase gestrichen voll vom deutschen Wachstumssegment. Die tägliche Dosis Pleiten, Pech und Pannen bei den Technologietiteln werden zu einer Belastung für die noch wenigen verbliebenen Qualitätsunternehmen. Immer mehr Firmenlenker klagen über einen rapiden Imageverlust auch für das eigene Unternehmen. Gab es früher an der Börse noch stattliche Bewertungsaufschläge, wird die Mitgliedschaft im deutschen Wachstumssegment inzwischen mit einem Malus bestraft. „Obwohl wir gar nichts dafür können, müssen wir uns für die täglichen Skandalfälle mitverantworten“, sagt Blommart.
Insbesondere die jüngsten Hiobsbotschaften der ehemaligen Lieblinge Mobilcom, Comroad und D.Logistics haben weiteres Vertrauen zerstört. „Neuer Markt wird mittlerweile mit Katastrophe gleichgesetzt. Beinahe täglich bekomme ich Anrufe von Investoren, die fragen, wann denn nun wir mit einer Horror-Nachricht kommen“, beklagt sich Alexander Kirsch, Vorstand beim Kunststoffhersteller Centrotec.
Ohnehin kehren Anleger dem Wachstumssegment zunehmend den Rücken. Deutschlands zweitgrößte Fondsgesellschaft Deka hat in allen Fonds gerade noch fünf Neue-Markt-Werte. Im milliardenschweren Union-Fonds Uni Neue Märkte finden sich gerade noch 23 Titel – Fondsmanager Wassili Papas setzt seinen Schwerpunkt lieber auf die USA. Und so fürchtet nicht nur Wilfried Glaum, Finanzvorstand von Pfeiffer Vacuum, dass die Anleger dem Neuen Markt endgültig ade sagen. „Für viele Investoren sind wir schlicht durch unsere Zugehörigkeit zu diesem Segment nicht attraktiv. Da heißt es einfach: ‚Sorry, Neue-Markt-Unternehmen fassen wir nicht an‘“, klagt Caspar von Blomberg, Vorstandsmitglied von International Media.
Tatsächlich aber verfolgen nur die wenigsten Unternehmen konkrete Austrittspläne. Denn dann bliebe den kleinen und mittelgroßen Unternehmen nur eine Notiz im Small-Cap-Segment Smax oder dem Geregelten Markt. Zwar schwanken hier im Gegensatz zum Neuen Markt die Kurse wesentlich weniger. Doch vielen Unternehmen droht jenseits des Neuen Marktes der Sturz in die absolute Bedeutungslosigkeit.
Statt des Austritts hoffen die Gesellschaften auf eine Bereinigung des Segmentes. „Mit der Zeit trennt sich die Spreu vom Weizen“, sagt Christian Holtmann, Vorstand bei Singulus. Den schwachen Gesellschaften werde die Puste ausgehen. Zur Beschleunigung des Ausleseprozesses mahnt er ein härteres Durchgreifen durch die Deutsche Börse an. „Die Marke Neuer Markt muss besser gemanagt werden.“ Man könne sich nicht einfach hinter Regelwerken verstecken. „Wenn ich solch eine Markenführung betreiben würde, wäre meine Marke bald tot“, so Holtmann.
In die gleiche Kerbe schlagen auch andere Firmenlenker. „Es ist wichtig, dass die Börse Signale setzt und die Qualität unterstreicht. Hier würde es helfen, die Regeln auch konsequent anzuwenden und nicht immer neue Vorschriften hinzuzusetzen“, sagt Günter Thiel, Vorstand bei Thiel Logistik. Und Wolfgang von Geldern, Vorstandsvorsitzender bei Plambeck Neue Energien, regt schärfere Richtlinien für die Zugehörigkeit im Leitindex Nemax-50 an. „Eine Aufnahme sollte beispielsweise erst nach einer mehrjährigen Zugehörigkeit zum Neuen Markt möglich sein.“
Teleplan-Vorstand Blommart kann sich jedoch nicht vorstellen, dass all diese Maßnahmen kurzfristig greifen, da selbst die positivsten Unternehmensnachrichten vom Negativimage des Neuen Marktes überlagert werden: „Ich würde für Anleger wahrscheinlich mehr Wert schaffen, wenn ich aus dem Neuen Markt austrete, statt einen neuen dreistelligen Millionenauftrag an Land zu ziehen.“
QUELLE: http://www.welt.de/daten/2002/02/22/0222fi316050.htx
WELT-Umfrage belegt: Die tägliche Dosis Pleiten, Pech und Pannen bei den Technologietiteln sind den wenigen verbliebenen Qualitätsunternehmen zur Last geworden
Von Alexander Antonoff und Holger Zschäpitz
Berlin – „Wenn wir die Möglichkeit hätten, den Neuen Markt zu verlassen, würden wir es heute Nachmittag noch tun.“ Nicht nur Tjeu Blommart, Vorstandschef des Reparaturdienstleister Teleplan, hat die Nase gestrichen voll vom deutschen Wachstumssegment. Die tägliche Dosis Pleiten, Pech und Pannen bei den Technologietiteln werden zu einer Belastung für die noch wenigen verbliebenen Qualitätsunternehmen. Immer mehr Firmenlenker klagen über einen rapiden Imageverlust auch für das eigene Unternehmen. Gab es früher an der Börse noch stattliche Bewertungsaufschläge, wird die Mitgliedschaft im deutschen Wachstumssegment inzwischen mit einem Malus bestraft. „Obwohl wir gar nichts dafür können, müssen wir uns für die täglichen Skandalfälle mitverantworten“, sagt Blommart.
Insbesondere die jüngsten Hiobsbotschaften der ehemaligen Lieblinge Mobilcom, Comroad und D.Logistics haben weiteres Vertrauen zerstört. „Neuer Markt wird mittlerweile mit Katastrophe gleichgesetzt. Beinahe täglich bekomme ich Anrufe von Investoren, die fragen, wann denn nun wir mit einer Horror-Nachricht kommen“, beklagt sich Alexander Kirsch, Vorstand beim Kunststoffhersteller Centrotec.
Ohnehin kehren Anleger dem Wachstumssegment zunehmend den Rücken. Deutschlands zweitgrößte Fondsgesellschaft Deka hat in allen Fonds gerade noch fünf Neue-Markt-Werte. Im milliardenschweren Union-Fonds Uni Neue Märkte finden sich gerade noch 23 Titel – Fondsmanager Wassili Papas setzt seinen Schwerpunkt lieber auf die USA. Und so fürchtet nicht nur Wilfried Glaum, Finanzvorstand von Pfeiffer Vacuum, dass die Anleger dem Neuen Markt endgültig ade sagen. „Für viele Investoren sind wir schlicht durch unsere Zugehörigkeit zu diesem Segment nicht attraktiv. Da heißt es einfach: ‚Sorry, Neue-Markt-Unternehmen fassen wir nicht an‘“, klagt Caspar von Blomberg, Vorstandsmitglied von International Media.
Tatsächlich aber verfolgen nur die wenigsten Unternehmen konkrete Austrittspläne. Denn dann bliebe den kleinen und mittelgroßen Unternehmen nur eine Notiz im Small-Cap-Segment Smax oder dem Geregelten Markt. Zwar schwanken hier im Gegensatz zum Neuen Markt die Kurse wesentlich weniger. Doch vielen Unternehmen droht jenseits des Neuen Marktes der Sturz in die absolute Bedeutungslosigkeit.
Statt des Austritts hoffen die Gesellschaften auf eine Bereinigung des Segmentes. „Mit der Zeit trennt sich die Spreu vom Weizen“, sagt Christian Holtmann, Vorstand bei Singulus. Den schwachen Gesellschaften werde die Puste ausgehen. Zur Beschleunigung des Ausleseprozesses mahnt er ein härteres Durchgreifen durch die Deutsche Börse an. „Die Marke Neuer Markt muss besser gemanagt werden.“ Man könne sich nicht einfach hinter Regelwerken verstecken. „Wenn ich solch eine Markenführung betreiben würde, wäre meine Marke bald tot“, so Holtmann.
In die gleiche Kerbe schlagen auch andere Firmenlenker. „Es ist wichtig, dass die Börse Signale setzt und die Qualität unterstreicht. Hier würde es helfen, die Regeln auch konsequent anzuwenden und nicht immer neue Vorschriften hinzuzusetzen“, sagt Günter Thiel, Vorstand bei Thiel Logistik. Und Wolfgang von Geldern, Vorstandsvorsitzender bei Plambeck Neue Energien, regt schärfere Richtlinien für die Zugehörigkeit im Leitindex Nemax-50 an. „Eine Aufnahme sollte beispielsweise erst nach einer mehrjährigen Zugehörigkeit zum Neuen Markt möglich sein.“
Teleplan-Vorstand Blommart kann sich jedoch nicht vorstellen, dass all diese Maßnahmen kurzfristig greifen, da selbst die positivsten Unternehmensnachrichten vom Negativimage des Neuen Marktes überlagert werden: „Ich würde für Anleger wahrscheinlich mehr Wert schaffen, wenn ich aus dem Neuen Markt austrete, statt einen neuen dreistelligen Millionenauftrag an Land zu ziehen.“
QUELLE: http://www.welt.de/daten/2002/02/22/0222fi316050.htx