Die Pennystocks-Regelung schafft am Neuen Markt ein wildes Zockerparadies
Die Deutsche Börse kann ihr Sorgenkind, den Neuen Markt, einfach nicht bändigen. Anstatt das neue Regelwerk zur Bereinigung des ehemaligen Wachstumssegments zügig voranzutreiben, bietet sie nun Zockern unfreiwillig eine willkommene neue Spielwiese. Und das ausgerechnet mit jenen Unternehmen, die sie am liebsten in der Versenkung verschwinden sähe. Zwar werden sich ab November die ersten vier Firmen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens planmäßig vom Neuen Markt verabschieden. Doch alle Unternehmen, die zurzeit per einstweiliger Verfügung einen halbjährigen Aufschub der "Penny-Stock-Regeln" erwirken, verzeichnen kurzfristig Kursgewinne im hohen zweistelligen Bereich. Und von rund 40 akut gefährdeten Firmen haben sich erst zwölf die Karenzzeit erstritten. Ist die Spekulation auf den "Abschied mit Verzögerung" das nächste unerfreuliche Kapitel in der Geschichte des Neuen Marktes? ANZEIGE:
Für die betroffenen Unternehmen ist der Aufschub des Rauswurfs nach dem Präzedenzfall des Berliner Prozessfinanzierers Foris ein praktisch risikoloses Spiel. "In der Regel wird dieser Fall schon als Grundlage für die Entscheidung genommen", bestätigt der Vorsitzende Richter am zuständigen Frankfurter Landgericht, Stefan Möller. Er schätzt die Zahl der allein bisher eingegangenen Klagen auf 20. Damit dürften in Kürze noch mindestens acht Unternehmen vermelden, dass sie bis April 2002 vom Ausschluss verschont bleiben werden - die nächsten Verdoppler?
Eine der Firmen ist die Stuttgarter Brokat Technologies. "Wir erwarten die Antwort vom Gericht", bestätigt Sprecher Reiner Jung. Auch die GfN hat Klage eingereicht und sieht noch in diesem Monat einem positiven Bescheid entgegen. NSE Software will "alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen", Fantastic wird erst bei akuter Gefahr tätig werden. Me, Myself and Eye, Fame, Kleindienst und Gauss Interprise wägen noch ab und vertrauen zunächst darauf, dass der Markt ihre fundamentale Situation bisher falsch eingeschätzt hat. Bei der niederländischen Aeco gab man sich bedeckt, kündigte aber viel sagend eine Ad-hoc-Mitteilung zum Thema Delisting an.
Das "Nemax-Rodeo" um die Werte, die sich am längsten im Sattel halten, sollten Anleger aber lieber den Zockern überlassen. "Wer jetzt noch nicht aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat, dem ist nicht mehr zu helfen", sagt Marc Schädler. Der Fondsmanager der Hamburger Nordinvest bekommt "regelmäßig Kopfschmerzen, wenn ich mir im aktuellen leichten Aufwärtstrend die Gewinnerlisten anschaue". Am zuletzt deutlichen Zuwachs des Nemax All Share von rund 650 auf 1000 Punkte haben die Pleite-Kandidaten und Aufschubanwärter denn auch einen nicht zu unterschätzenden Anteil.
Auch die Aktionärsschützer raten, die Abstiegskandidaten genau unter die Lupe zu nehmen. "Schon das Pendeln um die Ein-Euro-Marke ist ein Warnzeichen", sagt Reinhild Keitel von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre SdK. Wer die betreffenden Aktien vor weniger als einem Jahr, also innerhalb der Spekulationsfrist, erworben hat, sollte sie verkaufen. Das hat zumindest den Vorteil, dass sich die Verluste mit möglichen Spekulationsgewinnen verrechnen lassen. Die Miesen lassen sich sogar in die Zukunft "mitnehmen".
Viele Aktionäre halten die potenziellen Pleitiers vom Neuen Markt aber schon deutlich länger als ein Jahr. "Wer Aktien der betreffenden Unternehmen im Depot hat und die Verluste nicht mehr geltend machen darf, kann durchaus noch warten und auf eine kurzfristige Reaktion des Marktes spekulieren", sagt Götz Albert von Independent Research. Das Problem: Dem schnellen und heftigen Anstieg nach Bekanntgabe des Aufschubs folgen in der Regel Gewinnmitnahmen. "Das richtige Timing gelingt da nur jenen Teilnehmern, die den Markt ständig im Blick haben", sagt Albert.
Während die Deutsche Börse mit ihrer Penny-Stock-Regelung bisher kein glückliches Händchen bewiesen hat, greift in Kürze immerhin der zweite Teil des zum 1. Oktober eingeführten Regelwerks. Danach schließt die Deutsche Börse alle Unternehmen aus dem Neuen Markt aus, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. So müssen Kabel New Media (letzter Handelstag 2.11.), Management Data (4.11.), MB Software und Infomatec (beide 10.11.) das Segment verlassen. Bei diesen Werten rät die SdK zum bedingungslosen Ausstieg, auch wenn der Verkaufserlös in manchen Fällen kaum die Spesen decken dürfte. Dass die Aktien dann nicht mehr handelbar sind, stimmt allerdings nicht. "Sie wechseln laut Börsenordnung quasi automatisch in den Geregelten Markt", erklärt Helge Wachsmuth, der die MB Software als Insolvenzverwalter betreut.
Zwei weitere Unternehmen werden den Neuen Markt freiwillig verlassen und damit dem Beispiel von Edel Music folgen. United Visions geht nach der Fusion mit der Werbeagentur Scholz & Friends, die ihren Börsengang am Geregelten Markt für das vierte Quartal plant, in deren AG auf. Mediantis hat den Wechsel in den Geregelten Markt zum 1. November beantragt. Eine Zwischenlösung, denn der Online-Buchversender wird sich nach dem Ende der operativen Kerngeschäftstätigkeit wohl mittelfristig auflösen.
Ob der zähe Kampf vieler Unternehmen um den Verbleib im Neuen Markt sich am Ende überhaupt auszahlen wird, ist indes durchaus fraglich. Stefan Eishold, Vorstandsvorsitzender von Me, Myself and Eye, hat sich dazu seine eigenen Gedanken gemacht. "Wenn wir gehen müssten - was verlieren wir?", fragt Eishold. "Der Neue Markt hat ein schlechtes Image, und die meisten institutionellen Investoren haben längst das Weite gesucht. Aber die Kosten für die Notiz in diesem Segment liegen für uns bei weit mehr als 500.000 Mark."
Der Stein des Anstoßes
Die Ausschlussregeln der Deutschen Börse für "Penny-Stocks" im Wortlaut:
"Die Grenze für die Kriterien liegt bei einem Tagesdurchschnittskurs von einem Euro und einer Marktkapitalisierung von 20 Millionen Euro. Unterschreitet ein Unternehmen an 30 aufeinander folgenden Börsentagen beide Grenzwerte und übertrifft beide Werte in den nächsten 90 Börsentagen nicht an mindestens 15 aufeinander folgenden Börsentagen, schließt die Deutsche Börse die Unternehmen aus dem Neuen Markt aus. Der Ausschluss erfolgt dann einen Monat nach Bekanntmachung durch die Deutsche Börse."
In der Online-Penny-Stocks-Liste bei Netbusiness behalten Sie immer den Überblick über die bedrohten Werte am Neuen Markt.
Die Deutsche Börse kann ihr Sorgenkind, den Neuen Markt, einfach nicht bändigen. Anstatt das neue Regelwerk zur Bereinigung des ehemaligen Wachstumssegments zügig voranzutreiben, bietet sie nun Zockern unfreiwillig eine willkommene neue Spielwiese. Und das ausgerechnet mit jenen Unternehmen, die sie am liebsten in der Versenkung verschwinden sähe. Zwar werden sich ab November die ersten vier Firmen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens planmäßig vom Neuen Markt verabschieden. Doch alle Unternehmen, die zurzeit per einstweiliger Verfügung einen halbjährigen Aufschub der "Penny-Stock-Regeln" erwirken, verzeichnen kurzfristig Kursgewinne im hohen zweistelligen Bereich. Und von rund 40 akut gefährdeten Firmen haben sich erst zwölf die Karenzzeit erstritten. Ist die Spekulation auf den "Abschied mit Verzögerung" das nächste unerfreuliche Kapitel in der Geschichte des Neuen Marktes? ANZEIGE:
Für die betroffenen Unternehmen ist der Aufschub des Rauswurfs nach dem Präzedenzfall des Berliner Prozessfinanzierers Foris ein praktisch risikoloses Spiel. "In der Regel wird dieser Fall schon als Grundlage für die Entscheidung genommen", bestätigt der Vorsitzende Richter am zuständigen Frankfurter Landgericht, Stefan Möller. Er schätzt die Zahl der allein bisher eingegangenen Klagen auf 20. Damit dürften in Kürze noch mindestens acht Unternehmen vermelden, dass sie bis April 2002 vom Ausschluss verschont bleiben werden - die nächsten Verdoppler?
Eine der Firmen ist die Stuttgarter Brokat Technologies. "Wir erwarten die Antwort vom Gericht", bestätigt Sprecher Reiner Jung. Auch die GfN hat Klage eingereicht und sieht noch in diesem Monat einem positiven Bescheid entgegen. NSE Software will "alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen", Fantastic wird erst bei akuter Gefahr tätig werden. Me, Myself and Eye, Fame, Kleindienst und Gauss Interprise wägen noch ab und vertrauen zunächst darauf, dass der Markt ihre fundamentale Situation bisher falsch eingeschätzt hat. Bei der niederländischen Aeco gab man sich bedeckt, kündigte aber viel sagend eine Ad-hoc-Mitteilung zum Thema Delisting an.
Das "Nemax-Rodeo" um die Werte, die sich am längsten im Sattel halten, sollten Anleger aber lieber den Zockern überlassen. "Wer jetzt noch nicht aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat, dem ist nicht mehr zu helfen", sagt Marc Schädler. Der Fondsmanager der Hamburger Nordinvest bekommt "regelmäßig Kopfschmerzen, wenn ich mir im aktuellen leichten Aufwärtstrend die Gewinnerlisten anschaue". Am zuletzt deutlichen Zuwachs des Nemax All Share von rund 650 auf 1000 Punkte haben die Pleite-Kandidaten und Aufschubanwärter denn auch einen nicht zu unterschätzenden Anteil.
Auch die Aktionärsschützer raten, die Abstiegskandidaten genau unter die Lupe zu nehmen. "Schon das Pendeln um die Ein-Euro-Marke ist ein Warnzeichen", sagt Reinhild Keitel von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre SdK. Wer die betreffenden Aktien vor weniger als einem Jahr, also innerhalb der Spekulationsfrist, erworben hat, sollte sie verkaufen. Das hat zumindest den Vorteil, dass sich die Verluste mit möglichen Spekulationsgewinnen verrechnen lassen. Die Miesen lassen sich sogar in die Zukunft "mitnehmen".
Viele Aktionäre halten die potenziellen Pleitiers vom Neuen Markt aber schon deutlich länger als ein Jahr. "Wer Aktien der betreffenden Unternehmen im Depot hat und die Verluste nicht mehr geltend machen darf, kann durchaus noch warten und auf eine kurzfristige Reaktion des Marktes spekulieren", sagt Götz Albert von Independent Research. Das Problem: Dem schnellen und heftigen Anstieg nach Bekanntgabe des Aufschubs folgen in der Regel Gewinnmitnahmen. "Das richtige Timing gelingt da nur jenen Teilnehmern, die den Markt ständig im Blick haben", sagt Albert.
Während die Deutsche Börse mit ihrer Penny-Stock-Regelung bisher kein glückliches Händchen bewiesen hat, greift in Kürze immerhin der zweite Teil des zum 1. Oktober eingeführten Regelwerks. Danach schließt die Deutsche Börse alle Unternehmen aus dem Neuen Markt aus, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. So müssen Kabel New Media (letzter Handelstag 2.11.), Management Data (4.11.), MB Software und Infomatec (beide 10.11.) das Segment verlassen. Bei diesen Werten rät die SdK zum bedingungslosen Ausstieg, auch wenn der Verkaufserlös in manchen Fällen kaum die Spesen decken dürfte. Dass die Aktien dann nicht mehr handelbar sind, stimmt allerdings nicht. "Sie wechseln laut Börsenordnung quasi automatisch in den Geregelten Markt", erklärt Helge Wachsmuth, der die MB Software als Insolvenzverwalter betreut.
Zwei weitere Unternehmen werden den Neuen Markt freiwillig verlassen und damit dem Beispiel von Edel Music folgen. United Visions geht nach der Fusion mit der Werbeagentur Scholz & Friends, die ihren Börsengang am Geregelten Markt für das vierte Quartal plant, in deren AG auf. Mediantis hat den Wechsel in den Geregelten Markt zum 1. November beantragt. Eine Zwischenlösung, denn der Online-Buchversender wird sich nach dem Ende der operativen Kerngeschäftstätigkeit wohl mittelfristig auflösen.
Ob der zähe Kampf vieler Unternehmen um den Verbleib im Neuen Markt sich am Ende überhaupt auszahlen wird, ist indes durchaus fraglich. Stefan Eishold, Vorstandsvorsitzender von Me, Myself and Eye, hat sich dazu seine eigenen Gedanken gemacht. "Wenn wir gehen müssten - was verlieren wir?", fragt Eishold. "Der Neue Markt hat ein schlechtes Image, und die meisten institutionellen Investoren haben längst das Weite gesucht. Aber die Kosten für die Notiz in diesem Segment liegen für uns bei weit mehr als 500.000 Mark."
Der Stein des Anstoßes
Die Ausschlussregeln der Deutschen Börse für "Penny-Stocks" im Wortlaut:
"Die Grenze für die Kriterien liegt bei einem Tagesdurchschnittskurs von einem Euro und einer Marktkapitalisierung von 20 Millionen Euro. Unterschreitet ein Unternehmen an 30 aufeinander folgenden Börsentagen beide Grenzwerte und übertrifft beide Werte in den nächsten 90 Börsentagen nicht an mindestens 15 aufeinander folgenden Börsentagen, schließt die Deutsche Börse die Unternehmen aus dem Neuen Markt aus. Der Ausschluss erfolgt dann einen Monat nach Bekanntmachung durch die Deutsche Börse."
In der Online-Penny-Stocks-Liste bei Netbusiness behalten Sie immer den Überblick über die bedrohten Werte am Neuen Markt.