Sparen für die Zukunft
Die Zeit-ist-Geld-Maschine
Von Thomas Hillenbrand
Wegen der miesen Börsenentwicklung würde mancher Anleger am liebsten erst in ferner Zukunft wieder in sein Depot schauen. Kein Problem: Für verzweifelte Investoren bietet eine amerikanische Firma nun einen Zeitreise-Fonds an.
Reuters
Zeitmaschine: Investieren nach dem H.G.-Wells-Prinzip
Hamburg - Mit Aktien reich zu werden sei ganz einfach, meinte Börsenguru André Kostolany. Man müsse einfach nur Wertpapiere kaufen, sich ins Bett legen und 30 Jahre schlafen. Besser noch ist es, sich 50 oder mehr Jahre auf sein Depot zu hocken. Dann kann man statistisch gesehen ziemlich sicher sein, auf jeden Fall ein fettes Plus zu erwirtschaften.
Ein Anlagehorizont von 50 Jahren ist allerdings lachhaft im Vergleich zu dem, was die amerikanische Website "The Time Travel Fund" verzweifelten Investoren anbietet. Der Fonds verspricht Anlegern, einen kleinen Betrag (zehn Dollar) für sie anzulegen - und zwar mehrere hundert Jahre lang. Durch den Zinseszinseffekt schwelle das eingezahlte Vermögen auf lange Sicht zu einem mehrstelligen Milliardenbetrag an.
Let's do the time warp
Für das Problem, dass wir auf lange Sicht alle tot sind, hat der Fondsanbieter eine feine Lösung parat: Irgendwann, so Time Travel Fund, werde es bestimmt Zeitreisen geben. Und irgendwann seien Zeitsprünge sicher auch für jeden erschwinglich. Dann, so das Unternehmen, werde man einfach die schon vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden zu Staub zerfallenen Kleinsparer in die Zukunft beamen und ihnen ihr Vermögen aushändigen. Abzüglich Spesen, doch die dürften kaum ins Gewicht fallen: Aus einem Dollar wird bei fünf Prozent Zinsen nach 500 Jahren eine Summe von 39 Milliarden Dollar.
Optimalerweise, so Time Travel Fund, werde man die Investoren kurz vor ihrem natürlichen Ableben aus dem Jetzt in die Zukunft zappen und ihnen dort einen jüngeren Körper klonen. Um schneller an die zukünftigen Pfründe zu kommen, könnten ungeduldige Anleger auf die Idee kommen, sich frühzeitig eine Kugel durch den Kopf zu jagen - denn dann müssten ja kurz vorher die Fondsmanager mit der Zeitmaschine auftauchen und sie einsammeln. Kleiner Haken: Selbstmörder und jene, die wegen begangener Verbrechen exekutiert werden, lässt der Fonds laut Teilnahmebedingungen eiskalt in der Vergangenheit sitzen.
Die Startgebühr für das mit zahlreichen Unsicherheiten behaftete Investment beträgt zehn Dollar pro Teilnehmer. Dafür bekommt der Investor ein signiertes, auf säurefreiem (lange haltbar!) Papier gedrucktes Zertifikat (Zitat: "Zum Einrahmen geeignet") und jede Menge Hoffnung auf ein besseres Leben in der Zukunft.
Time is on my side
Schwer zu sagen, ob Wayne Quigley, der Betreiber von Time Travel Fund, tatsächlich an seine abstruse Idee glaubt oder nur nach einer hübschen Idee sucht, die eigene Rendite aufzubessern. Quigley besteht darauf, dass er die Sache bierernst meint. "Den Gebrüdern Wright hat am Anfang auch jeder gesagt, dass sie niemals fliegen würden, so Quigely gegenüber SPIEGEL ONLINE. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Sicher ist, dass der selbst ernannte Visionär und seine Partner, "die zurzeit anonym bleiben wollen" (Quigley), sich für die zukünftigen Dienste ihres Fonds überdurchschnittlich gut bezahlen lassen. Von den zehn Dollar, die man einzahlen muss, landet lediglich einer in dem tatsächlichen Fonds. Ein weiterer Dollar geht laut Kleingedrucktem auf ein Konto, über das die Verwaltungsgebühren gedeckt werden sollen. Die restlichen acht Dollar kassiert das Unternehmen für Eintragung, Porto und das Zertifikat. Ohne Rahmen. Der Fonds hat somit einen Ausgabeaufschlag von 800 Prozent. So schön hat lange keiner mehr hingelangt.
In the year 2525
Reuters
"Sorry, aber nach Abzug der Steuern bleiben lediglich 2,67 Dollar"
Sicherheiten bietet Quigley natürlich nicht. Im Gegenteil. Laut Teilnahmebedingungen ist das Ganze "reine Spekulation. Wir können und werden keine Garantien geben". Ebenfalls hübsch ist der Passus, laut dem das eingezahlte Geld und die auflaufenden Zinsen dem Fonds gehören - nicht etwa dem Investor. Der erhalte seinen prozentualen Anteil "im Fall eines Erfolgs unseres Ziels", was auch immer das heißen mag. Sämtliche Konditionen des Vertrags kann Time Travel Fund jederzeit einseitig und ohne Vorwarnung ändern.
Von diesen Pferdefüßen abgesehen bleibt noch die Frage, wie Quigley die in den Beispielrechnungen auf seiner Seite angepeilte, inflationsbereinigte Rendite von fünf Prozent erreichen will. Wenn sich der Fonds verspekuliert und etwa nur drei Prozent Rendite pro Jahr erwirtschaftet, erhält der Zeitreisenden nach 500 Jahren lediglich 2,6 Millionen Dollar. Davon kann man 2525 vermutlich nicht einmal einen albanischen Kleinwagen kaufen.
--------------------------------------------------
© SPIEGEL ONLINE 2002
Die Zeit-ist-Geld-Maschine
Von Thomas Hillenbrand
Wegen der miesen Börsenentwicklung würde mancher Anleger am liebsten erst in ferner Zukunft wieder in sein Depot schauen. Kein Problem: Für verzweifelte Investoren bietet eine amerikanische Firma nun einen Zeitreise-Fonds an.
Reuters
Zeitmaschine: Investieren nach dem H.G.-Wells-Prinzip
Hamburg - Mit Aktien reich zu werden sei ganz einfach, meinte Börsenguru André Kostolany. Man müsse einfach nur Wertpapiere kaufen, sich ins Bett legen und 30 Jahre schlafen. Besser noch ist es, sich 50 oder mehr Jahre auf sein Depot zu hocken. Dann kann man statistisch gesehen ziemlich sicher sein, auf jeden Fall ein fettes Plus zu erwirtschaften.
Ein Anlagehorizont von 50 Jahren ist allerdings lachhaft im Vergleich zu dem, was die amerikanische Website "The Time Travel Fund" verzweifelten Investoren anbietet. Der Fonds verspricht Anlegern, einen kleinen Betrag (zehn Dollar) für sie anzulegen - und zwar mehrere hundert Jahre lang. Durch den Zinseszinseffekt schwelle das eingezahlte Vermögen auf lange Sicht zu einem mehrstelligen Milliardenbetrag an.
Let's do the time warp
Für das Problem, dass wir auf lange Sicht alle tot sind, hat der Fondsanbieter eine feine Lösung parat: Irgendwann, so Time Travel Fund, werde es bestimmt Zeitreisen geben. Und irgendwann seien Zeitsprünge sicher auch für jeden erschwinglich. Dann, so das Unternehmen, werde man einfach die schon vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden zu Staub zerfallenen Kleinsparer in die Zukunft beamen und ihnen ihr Vermögen aushändigen. Abzüglich Spesen, doch die dürften kaum ins Gewicht fallen: Aus einem Dollar wird bei fünf Prozent Zinsen nach 500 Jahren eine Summe von 39 Milliarden Dollar.
Optimalerweise, so Time Travel Fund, werde man die Investoren kurz vor ihrem natürlichen Ableben aus dem Jetzt in die Zukunft zappen und ihnen dort einen jüngeren Körper klonen. Um schneller an die zukünftigen Pfründe zu kommen, könnten ungeduldige Anleger auf die Idee kommen, sich frühzeitig eine Kugel durch den Kopf zu jagen - denn dann müssten ja kurz vorher die Fondsmanager mit der Zeitmaschine auftauchen und sie einsammeln. Kleiner Haken: Selbstmörder und jene, die wegen begangener Verbrechen exekutiert werden, lässt der Fonds laut Teilnahmebedingungen eiskalt in der Vergangenheit sitzen.
Die Startgebühr für das mit zahlreichen Unsicherheiten behaftete Investment beträgt zehn Dollar pro Teilnehmer. Dafür bekommt der Investor ein signiertes, auf säurefreiem (lange haltbar!) Papier gedrucktes Zertifikat (Zitat: "Zum Einrahmen geeignet") und jede Menge Hoffnung auf ein besseres Leben in der Zukunft.
Time is on my side
Schwer zu sagen, ob Wayne Quigley, der Betreiber von Time Travel Fund, tatsächlich an seine abstruse Idee glaubt oder nur nach einer hübschen Idee sucht, die eigene Rendite aufzubessern. Quigley besteht darauf, dass er die Sache bierernst meint. "Den Gebrüdern Wright hat am Anfang auch jeder gesagt, dass sie niemals fliegen würden, so Quigely gegenüber SPIEGEL ONLINE. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Sicher ist, dass der selbst ernannte Visionär und seine Partner, "die zurzeit anonym bleiben wollen" (Quigley), sich für die zukünftigen Dienste ihres Fonds überdurchschnittlich gut bezahlen lassen. Von den zehn Dollar, die man einzahlen muss, landet lediglich einer in dem tatsächlichen Fonds. Ein weiterer Dollar geht laut Kleingedrucktem auf ein Konto, über das die Verwaltungsgebühren gedeckt werden sollen. Die restlichen acht Dollar kassiert das Unternehmen für Eintragung, Porto und das Zertifikat. Ohne Rahmen. Der Fonds hat somit einen Ausgabeaufschlag von 800 Prozent. So schön hat lange keiner mehr hingelangt.
In the year 2525
Reuters
"Sorry, aber nach Abzug der Steuern bleiben lediglich 2,67 Dollar"
Sicherheiten bietet Quigley natürlich nicht. Im Gegenteil. Laut Teilnahmebedingungen ist das Ganze "reine Spekulation. Wir können und werden keine Garantien geben". Ebenfalls hübsch ist der Passus, laut dem das eingezahlte Geld und die auflaufenden Zinsen dem Fonds gehören - nicht etwa dem Investor. Der erhalte seinen prozentualen Anteil "im Fall eines Erfolgs unseres Ziels", was auch immer das heißen mag. Sämtliche Konditionen des Vertrags kann Time Travel Fund jederzeit einseitig und ohne Vorwarnung ändern.
Von diesen Pferdefüßen abgesehen bleibt noch die Frage, wie Quigley die in den Beispielrechnungen auf seiner Seite angepeilte, inflationsbereinigte Rendite von fünf Prozent erreichen will. Wenn sich der Fonds verspekuliert und etwa nur drei Prozent Rendite pro Jahr erwirtschaftet, erhält der Zeitreisenden nach 500 Jahren lediglich 2,6 Millionen Dollar. Davon kann man 2525 vermutlich nicht einmal einen albanischen Kleinwagen kaufen.
--------------------------------------------------
© SPIEGEL ONLINE 2002