US-Finanzkasino auf Kosten der Sparer
Zinspolitik
von Marc Faber
Strategen und Ökonomen zeigen sich immer wieder begeistert über die glänzenden Gewinne der US-Unternehmen. Tatsächlich haben sich die Ergebnisse seit 2002 stark erholt und markieren derzeit einen Rekordstand. Aber ähnlich wie bei der Beurteilung des Bruttosozialproduktwachstums, muß man auch bei den Unternehmensgewinnen zwischen " Quantität" und " Qualität" unterscheiden. In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts machten die Gewinne der Produktionsbetriebe in den USA (manufacturing earnings) immer mehr als 50 Prozent der S&P-500-Gewinne aus. Anfang der 80er Jahre fielen sie auf rund 40 Prozent und in den 90er Jahren auf rund 30 Prozent der S&P-500-Gewinne. Nach 1997 brachen die Gewinne der Herstellungsbetriebe erschreckend ein und stellen gegenwärtig nur noch neun Prozent der Indexgewinne.
In der Zwischenzeit sind die Finanzgewinne dagegen gewaltig angestiegen. Bis 1986 betrugen die Gewinne des Finanzsektors nie mehr als 20 Prozent der S&P-500-Gewinne. Aber in den 90er Jahren begannen sie stark zu wachsen und haben seit 1994 mit 50 Prozent ihren Anteil mehr als verdoppelt. Mit anderen Worten, in den USA haben wir eine Wirtschaft, die von einer ganz bedenklichen Gewinnlage der Herstellerbetriebe gekennzeichnet wird. Obwohl die amerikanischen Ökonomen immer wieder auf die " gewaltigen Produktivitätszunahmen" in ihrer Industrie hinweisen. Im Gegensatz verdienen die " Geldschieber" (money shufflers) einen weit überproportionalen Anteil an den Unternehmensgewinnen. Tatsächlich muß man sich fragen, wie es um die US-Wirtschaft wirklich steht, nachdem die Industrieunternehmen wie General Motors und Ford kein Geld mit der Produktion von Fahrzeugen verdienen. Aber ihre Finanztochtergesellschaften diese " Industriebetriebe" mit ihren Gewinnen tragen.
Zwar ist es klar, daß ein gesunder und gut ausgebauter Finanzsektor das Wachstum eines Wirtschaftssystems fördert. Aber wenn über 50 Prozent der Gewinne in einer Wirtschaft auf den Finanzsektor entfallen, dürfte es sich doch weitgehend um Spekulationsgewinne handeln, die - ähnlich wie Spielgewinne in einem Kasino von jemand anders bezahlt werden müssen und somit wenig oder gar nichts zu einem " gesunden" Wirtschaftswachstum beitragen. Aber wer verliert denn eigentlich bei dem Finanzkasino? Nachdem das amerikanische Finanzkasino weitgehend durch künstlich tiefe Zinsen ermöglicht wird, die im Fall der kurzfristigen Zinsen weit unter der Inflationsrate liegen, werden die Sparer bestraft. Zudem sind die Erstkäufer von Immobilien die Dummen, weil sie wesentlich höhere Eigenheimpreise bei fallenden persönlichen Realeinkommen bezahlen müssen. Und letztlich büßt die gesamte Wirtschaft, weil das System sich gewaltig verschuldet und der, von der Vermögensgüterinflation geschaffene illusorische Reichtum, Finanz- und Immobilienspekulation auf Kosten von Produktion stimuliert. Das bittere Ende kommt früher oder später.
füx