Mo, 25.04.11 16:22
ROUNDUP: Kosten des Atomausstiegs unklar
BERLIN (dpa-AFX) - Die geplante Energiewende könnte für die Stromverbraucher mit Milliardenkosten verbunden sein. Ein schneller Atomausstieg bis Ende 2017 würde einer wissenschaftlichen Analyse zufolge die Strompreise in Deutschland um fast ein Drittel steigen lassen. Ein Durchschnittshaushalt mit einem Stromverbrauch von 3500 Kilowattstunden müsste nach der Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) im Jahr 2018 rund 137 Euro mehr für Strom ausgeben.
Der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder bezeichnete es als 'Aufgabe eines ehrlichen Energiekonzepts', den Bürgern und der Wirtschaft eine Vorstellung zu vermitteln, wie sich die Energiepreise durch den beschleunigten Eintritt in das Zeitalter der erneuerbaren Energien künftig entwickeln. Der CDU-Politiker warf den Grünen in einem Gastbeitrag für das 'Hamburger Abendblatt' (Dienstag) vor, zwar einen Energieumstieg zu propagieren, aber nie zu sagen, 'wie der bewerkstelligt werden kann'.
Nach der am Sonntag vom BDI veröffentlichten Studie des Kölner Energieforschungsinstituts r2b energy consulting kämen auf die Stromverbraucher bis 2020 allein durch einen vorgezogenen Atomausstieg Mehrkosten von insgesamt rund 33 Milliarden Euro zu. Den größten Anteil müsste mit 24 Milliarden Euro die Wirtschaft tragen, 9 Milliarden an Mehrkosten kämen auf private Verbraucher zu. Werden die Kosten des Ausbaus erneuerbarer Energien und der Netzinfrastruktur addiert, betragen die Mehrbelastungen demnach sogar 51 Milliarden Euro.
Nach einer Emnid-Umfrage im Auftrag der Kommunikationsberatung Ketchum Pleon in Düsseldorf ist rund ein Drittel der Deutschen aber nicht bereit, für atomenergiefreien Ökostrom mehr Geld zu zahlen. 39 Prozent würden demnach einen Preisaufschlag von maximal 50 Euro im Jahr akzeptieren. 17 Prozent würden auch 100 Euro zahlen. Mehr als 100 Euro Aufschlag sind nur 9 Prozent der Bevölkerung bereit zu bezahlen.
Die halbstaatliche Deutsche Energie-Agentur Dena hält beim nötigen Ausbau der Stromnetze auch den streckenweisen Einsatz teurer Erdkabel, wie sie viele Bürgerinitiativen fordern, für finanzierbar. Dena-Chef Stephan Kohler sagte der 'Augsburger Allgemeinen' (Samstag), ein Ausbau mit Freileitungen belaste die Verbraucher mit 0,2 Cent pro Kilowattstunde Mehrkosten, Erdkabel mit 0,5 Cent. Insgesamt erwartet die Energie-Agentur einen Anstieg des Strompreises um 4 bis 5 Cent pro Kilowattstunde - das wäre ein Plus von etwa 20 Prozent.
Nordrhein-Westfalens Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) geht davon aus, dass Familien nur mit geringen Strompreissteigerungen zu rechnen hätten. 'Da werden Horrorgebilde gemalt', sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Bundesnetzagentur-Chef Matthias Kurth warf den Energiekonzernen Panikmache vor. Die großen Versorger warnen vor dem Hintergrund des Atommoratoriums der Bundesregierung, aufgrund dessen sieben Kernkraftwerke abgeschaltet wurden, vor einem Zusammenbruch der Stromnetze. 'Nach allem, was unsere Erhebungen ergeben haben, sind die Effekte des Moratoriums auf die Netze beherrschbar', sagte Kurth am Sonntag 'Spiegel Online'.
Der FDP-Umweltpolitiker Michael Kauch forderte, dass nun auch auf dem Land mehr für die Stromversorgung der Republik getan werden müsse - etwa durch größere Biogas-Anlagen, mehr Windparks und neue Stromtrassen. 'Das heißt, dass die Idylle zum Teil auch vorbei ist', sagte er der dpa./ol/DP/he
Quelle: dpa-AFX