Aus der FTD vom 11.8.2000
Das Broker-Board von Consors und der Fluch des Internets
Von Thomas Godt, Hamburg
Das Problem der Consors-Community ist das Problem aller Börsen-Foren im Netz: Seit mehr als eineinhalb Jahren ist ein Qualitätsverlust zu beobachten. Am vergangenen Freitag war es dann wieder einmal so weit. Da konnte das Consors-Broker-Board noch einmal an alte Zeiten anknüpfen.
Bereits um elf Uhr vormittags wussten die Mitglieder der Consors-Community, wie die neue Börsenspielrunde in der populären 3sat-Börse zusammengesetzt sein wird.
Dabei sollten die Spielteilnehmer bis zum Sendestart um 21.30 Uhr streng geheim bleiben.
Peter Nemec, der Leiter der 3sat-Börse, war dementsprechend sauer. Er wollte auch um 15.00 Uhr die längst öffentliche Liste nicht bestätigen. Er konnte es auch nicht, weil natürlich nicht alle Zuschauer der Börsen-Sendung vorher im Internet auf Jagd nach Informationen gehen können. Der Schuldige war schnell ausgemacht, "irgend so ein jungscher Typ von der DWS, der noch was werden will", sagte Nemec am Telefon. Aus seiner Redaktion würden solche Informationen nicht weitergegeben, nie. Die Redaktion habe sich strenge Regeln auferlegt, ein Verstoß führe unweigerlich zum Verlust des Arbeitsplatzes.
Die 3sat-Börse und das Consors-Board, eine nahezu unendliche Geschichte. Jeden Freitag werden die vermeintlichen Kaufkandidaten der Börsenspielteilnehmer vorab veröffentlicht. Wobei "veröffentlicht" nicht das richtige Wort ist, denn das wäre ein krasser Regelverstoß. Auffällige Kursbewegungen sind anschließend trotzdem zu beobachten. Für Nemec ist dies "der Fluch des Internets". Es sei zwar zu begrüßen, dass sich Anleger in Foren über Unternehmen informieren könnten, dass dabei aber seine Sendung missbraucht wird, nimmt Nemec übel.
Vor Wochen, sagt Nemec, sei bei Consors zu lesen gewesen, ein Börsenspielteilnehmer werde die Aktien von Hunzinger zum Kauf empfehlen. Kurz danach sei der Kurs um bis zu 15 Prozent nach oben geklettert. Die Aktie wurde nicht vorgestellt und nicht empfohlen. Die Folge: Montags brach der Kurs wieder ein. "Da hat sich einer auf Kosten der Dummen von seinen Papieren getrennt", so Nemec. Aus seiner Redaktion werde jedenfalls nichts nach außen getragen.
Das Problem der Consors-Community ist das Problem aller Börsen-Foren im Netz. Seit mehr als eineinhalb Jahren ist ein Qualitätsverlust zu beobachten. Früher war das Consors-Board Kult. Selbst die professionellen Marktteilnehmer kamen regelmäßig auf ein paar Klicks vorbei, um nach guten Diskussionsbeiträgen und News zu suchen.
Consors hat auf den Verfall der Qualität reagiert. Ähnlich wie andere Anbieter auch, veranstaltet Consors so genannte Events. Vorstandschefs börsennotierter Unternehmen sind eingeladen, um mit den Nutzern zu diskutieren. Die Speakers-Corner im Netz. Wer an der Live-Diskussion nicht teilnehmen kann, kann im Archiv nachblättern und sich ein Bild von den Unternehmen machen. Darauf ist Consors besonders stolz.
Consors hat frühzeitig erkannt, dass es einen hohen Informationsbedarf der Anleger gibt, so Stefanie Förster. Förster ist bei Consors für "Corporate Communication" zuständig. Bei Consors unterscheidet man zwischen dem alten Board von Consors und dem neuen, das in mehrere Teilbereiche aufgegliedert ist. Hier können die User ganz gezielt nach Meinungen suchen oder selbst einen Beitrag verfassen.
Das alte Board, eher noch aus nostalgischen Gründen online, wird dagegen als so genanntes Push-Board benutzt. In naher Zukunft wird es bei der Zweiteilung bleiben, der Direkt-Broker hat aber bereits Pläne für eine weitere Umgestaltung der Community in der Schublade. So denke man daran, sagt Förster, die Passwörter künftig nicht mehr per E-Mail, sondern mit der Post zu verschicken. Damit wäre dann die Identifikation der User leichter.
Dabei will der Broker, der "heavy trader", auch künftig auf eine Zensur verzichten. Zensur und Internet passen nicht zusammen. Nur der übliche Müll aus rassistischen und neonazistischen Ecken, der werde so verhindert.
Consors setzt auf den Verstand seiner Community. Und auf die Lust an einem Meinungsstreit. Bleibt ein Posting unbeantwortet, verliert derjenige, so jedenfalls hoffen die Consorianer, schnell die Lust. Dann bleibt eigentlich nur ein Namens-Wechsel, also ein neuer Nick, oder ein fundierter Beitrag.
Das Forum wurde von Consors sehr früh als Bestandteil der Unternehmenspolitik verstanden. Anders als beim Mitbewerber Comdirect. Die Quickborner Konkurrenz konnte sich erst sehr spät dazu entschließen, ihren Kunden einen Meinungsmarktplatz anzubieten. So ist bei Consors auch die hohe Zahl der registrierten Nutzer zu erklären. Es sind nicht nur die Kunden von Consors, die vorbeiklicken.
Das Forum soll vor allem eine Hilfe für Anleger sein, so Förster, im besten Fall sogar die Beratung ersetzen. Von diesem Ziel ist die Community indes noch ein gutes Stück entfernt. Lässt sich aber die Qualität der Event-Foren halten, dann ist der Online-Broker auf einem guten Weg.
© 2000 Financial Times Deutschland
Das Broker-Board von Consors und der Fluch des Internets
Von Thomas Godt, Hamburg
Das Problem der Consors-Community ist das Problem aller Börsen-Foren im Netz: Seit mehr als eineinhalb Jahren ist ein Qualitätsverlust zu beobachten. Am vergangenen Freitag war es dann wieder einmal so weit. Da konnte das Consors-Broker-Board noch einmal an alte Zeiten anknüpfen.
Bereits um elf Uhr vormittags wussten die Mitglieder der Consors-Community, wie die neue Börsenspielrunde in der populären 3sat-Börse zusammengesetzt sein wird.
Dabei sollten die Spielteilnehmer bis zum Sendestart um 21.30 Uhr streng geheim bleiben.
Peter Nemec, der Leiter der 3sat-Börse, war dementsprechend sauer. Er wollte auch um 15.00 Uhr die längst öffentliche Liste nicht bestätigen. Er konnte es auch nicht, weil natürlich nicht alle Zuschauer der Börsen-Sendung vorher im Internet auf Jagd nach Informationen gehen können. Der Schuldige war schnell ausgemacht, "irgend so ein jungscher Typ von der DWS, der noch was werden will", sagte Nemec am Telefon. Aus seiner Redaktion würden solche Informationen nicht weitergegeben, nie. Die Redaktion habe sich strenge Regeln auferlegt, ein Verstoß führe unweigerlich zum Verlust des Arbeitsplatzes.
Die 3sat-Börse und das Consors-Board, eine nahezu unendliche Geschichte. Jeden Freitag werden die vermeintlichen Kaufkandidaten der Börsenspielteilnehmer vorab veröffentlicht. Wobei "veröffentlicht" nicht das richtige Wort ist, denn das wäre ein krasser Regelverstoß. Auffällige Kursbewegungen sind anschließend trotzdem zu beobachten. Für Nemec ist dies "der Fluch des Internets". Es sei zwar zu begrüßen, dass sich Anleger in Foren über Unternehmen informieren könnten, dass dabei aber seine Sendung missbraucht wird, nimmt Nemec übel.
Vor Wochen, sagt Nemec, sei bei Consors zu lesen gewesen, ein Börsenspielteilnehmer werde die Aktien von Hunzinger zum Kauf empfehlen. Kurz danach sei der Kurs um bis zu 15 Prozent nach oben geklettert. Die Aktie wurde nicht vorgestellt und nicht empfohlen. Die Folge: Montags brach der Kurs wieder ein. "Da hat sich einer auf Kosten der Dummen von seinen Papieren getrennt", so Nemec. Aus seiner Redaktion werde jedenfalls nichts nach außen getragen.
Das Problem der Consors-Community ist das Problem aller Börsen-Foren im Netz. Seit mehr als eineinhalb Jahren ist ein Qualitätsverlust zu beobachten. Früher war das Consors-Board Kult. Selbst die professionellen Marktteilnehmer kamen regelmäßig auf ein paar Klicks vorbei, um nach guten Diskussionsbeiträgen und News zu suchen.
Consors hat auf den Verfall der Qualität reagiert. Ähnlich wie andere Anbieter auch, veranstaltet Consors so genannte Events. Vorstandschefs börsennotierter Unternehmen sind eingeladen, um mit den Nutzern zu diskutieren. Die Speakers-Corner im Netz. Wer an der Live-Diskussion nicht teilnehmen kann, kann im Archiv nachblättern und sich ein Bild von den Unternehmen machen. Darauf ist Consors besonders stolz.
Consors hat frühzeitig erkannt, dass es einen hohen Informationsbedarf der Anleger gibt, so Stefanie Förster. Förster ist bei Consors für "Corporate Communication" zuständig. Bei Consors unterscheidet man zwischen dem alten Board von Consors und dem neuen, das in mehrere Teilbereiche aufgegliedert ist. Hier können die User ganz gezielt nach Meinungen suchen oder selbst einen Beitrag verfassen.
Das alte Board, eher noch aus nostalgischen Gründen online, wird dagegen als so genanntes Push-Board benutzt. In naher Zukunft wird es bei der Zweiteilung bleiben, der Direkt-Broker hat aber bereits Pläne für eine weitere Umgestaltung der Community in der Schublade. So denke man daran, sagt Förster, die Passwörter künftig nicht mehr per E-Mail, sondern mit der Post zu verschicken. Damit wäre dann die Identifikation der User leichter.
Dabei will der Broker, der "heavy trader", auch künftig auf eine Zensur verzichten. Zensur und Internet passen nicht zusammen. Nur der übliche Müll aus rassistischen und neonazistischen Ecken, der werde so verhindert.
Consors setzt auf den Verstand seiner Community. Und auf die Lust an einem Meinungsstreit. Bleibt ein Posting unbeantwortet, verliert derjenige, so jedenfalls hoffen die Consorianer, schnell die Lust. Dann bleibt eigentlich nur ein Namens-Wechsel, also ein neuer Nick, oder ein fundierter Beitrag.
Das Forum wurde von Consors sehr früh als Bestandteil der Unternehmenspolitik verstanden. Anders als beim Mitbewerber Comdirect. Die Quickborner Konkurrenz konnte sich erst sehr spät dazu entschließen, ihren Kunden einen Meinungsmarktplatz anzubieten. So ist bei Consors auch die hohe Zahl der registrierten Nutzer zu erklären. Es sind nicht nur die Kunden von Consors, die vorbeiklicken.
Das Forum soll vor allem eine Hilfe für Anleger sein, so Förster, im besten Fall sogar die Beratung ersetzen. Von diesem Ziel ist die Community indes noch ein gutes Stück entfernt. Lässt sich aber die Qualität der Event-Foren halten, dann ist der Online-Broker auf einem guten Weg.
© 2000 Financial Times Deutschland