Bericht vom internationalen Finanzmarkt
Die Anleger zügeln ihren Risikoappetit
Von Folker Dries
14. März 2004 Das Klima an den internationalen Finanzmärkten ist rauher geworden. Nach fast zwölf Monaten, in denen die Aktienmärkte wieder zur Einbahnstraße wurden, sehen sich die Anleger an einem Scheideweg. Ist der Rückschlag der vergangenen Woche der Auftakt zu einer längerwierigen Korrektur oder handelt es sich nur um ein Atemholen nach einem steilen Aufstieg?
Die Terroranschläge von Madrid haben die Beantwortung dieser Frage eher erschwert, wenngleich sie nicht der Auslöser für die Kursverluste der vergangenen Woche waren. Sollte sich jedoch herausstellen, daß die Terrororganisation Al Qaida hinter den Anschlägen gestanden hat, würde dies wohl nachhaltig auf das Marktklima und die Konsumstimmung ausstrahlen.
Beweislast liegt bei den Optimisten
Na endlich! Und ich dachte schon Richebächer und Bill Bonner würden sich umsonst bemühen.
Dies wiegt um so schwerer, als die Nachhaltigkeit des Aufschwungs der Weltwirtschaft zunehmend in Frage gestellt wird. Das Schlüsselereignis für die Märkte waren vor zehn Tagen die amerikanischen Arbeitsmarktzahlen für Februar. Der Stellenaufbau war deutlich hinter den Markterwartungen zurückgeblieben, obwohl fast alle Stimmungsindikatoren gerade das Gegenteil verheißen hatten. Seither scheinen die Skeptiker in der Konjunkturdebatte die Oberhand gewonnen zu haben. Stimmungen kann man fabrizieren, aber die Wirklichkeit holt uns eben doch ein.
Die Beweislast für die Nachhaltigkeit des Aufschwungs liegt jetzt bei den Optimisten. Tony Dolphin, Marktstratege bei Henderson Global Investors, glaubt, daß es zwei bis drei Monate dauern wird, bis besser als erwartet ausfallende Wirtschaftsdaten die Stimmung wieder umkippen lassen werden. Wenn der Aufschwung sich als "jobless recovery", also als ein Wachstumsschub ohne zusätzliche Arbeitsplätze, entpuppen sollte, würde das Wachstum der Haushaltseinkommen enttäuschen, was wiederum die Konsumneigung dämpfen würde.
Gibt es das wirklich? Wachstumsschübe ohne zusätzliche Arbeitsplätze? Wenn man den Finanzmarkt einbezieht vielleicht, aber was nützt es, wenn Aktiensteigen, weil der Hebel die Staatsverschuldung ist?
Das Jahr der Zinswende
Wie groß die Konjunkturskepsis inzwischen ist, läßt sich nirgendwo so eindrucksvoll ablesen wie am Anleihemarkt. Die langfristigen Kapitalmarktrenditen haben inzwischen ein Niveau erreicht, das sich nicht mehr mit einer in Aufbruchstimmung befindlichen Weltwirtschaft in Einklang bringen läßt. In Amerika und in Europa verzinsen sich Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit wieder mit weniger als 4 Prozent, was letztmals im Juli vergangenen Jahres der Fall gewesen war. Im Juni, also nur einen Monat zuvor, war die Rendite amerikanischer Treasuries sogar bis auf 3,1 Prozent abgestürzt, das niedrigste Niveau seit 45 Jahren. Allerdings herrschte seinerzeit Deflationsangst, wovon heute keine Rede mehr ist. Das Jahr 2004 war zu Jahresbeginn sogar von den meisten Marktexperten zum Jahr der Zinswende ausgerufen worden.
Hat sich in den vergangenen zwei Monaten so viel geändert, daß jetzt schon wieder nur noch Marktzinsen wie in Krisenzeiten gezahlt werden? Nach wie vor liegt die Konsensschätzung für das diesjährige Wirtschaftswachstum in Amerika bei 4,6 Prozent, was die höchste Wachstumsrate seit zwei Jahrzehnten wäre. Selbst wenn diese Schätzung zunehmend angezweifelt wird, erklärt dies allein noch nicht das Hoch der Anleihekurse. Der Schlüssel für die niedrigen Renditen ist wohl eher in der amerikanischen Zinspolitik und in den Manipulationen am Devisenmarkt zu suchen. Zum einen hat die Fed die implizite Garantie stabiler Leitzinsen gegeben, solange sich der amerikanische Arbeitsmarkt nicht erholt.
>Wieder das Märchen von der FED, die die Zinsen zaubert. Gute Stimmung und steigende Zinsen gibt es nur in der Inflation. Diese können bei steigender Verschuldung mitsteigen, weil man noch nicht an die Grenzen des Verschuldungspotentials gekratzt hat. Das wird erst wieder möglich sein, wenn Schulden massenhaft abgeschrieben sind.
Leitzins doppelt so hoch
Dies ist eine Einladung zu sogenannten "carry trades", bei denen sich Investoren Geld zum historisch niedrigen Leitzins von einem Prozent leihen und in höherverzinsliche Staatsanleihen investieren. Zum anderen hat die japanische Zentralbank im bisherigen Jahresverlauf so massiv am Devisenmarkt interveniert wie nie zuvor. Sie hat Yen im geschätzten Wert von 130 Milliarden Dollar auf den Markt geworfen und hierfür vor allem Treasuries kumuliert.
Die amerikanischen Kapitalmarktzinsen von weniger als 4 Prozent sind somit nicht allein Spiegelbild einer wachsenden Konjunkturskepsis, sondern auch Folge der skizzierten markttechnischen Faktoren. Im Euroraum liegt der zehnjährige Kapitalmarktzins mit 3,9 Prozent zwar nur marginal höher als in Amerika. Hierzulande ist jedoch der Leitzins doppelt so hoch und das erwartete Wirtschaftswachstum nur etwa ein Drittel so hoch. Die Lücke zwischen nominalem Bruttoinlandsprodukt und Leitzins beträgt nicht einmal 2 Prozent, in Amerika hingegen 6 Prozent. >Keiner schaut sich mal die Bilanzen der ZBs an, wie Dottore und von daher sieht auch keiner den Zwang, der die Zinsen wieder nach oben treiben könnte. Keiner betrachtet das Eigenkapital der ZBs. Alle ZBs außer der FED werden die Zinsen erhöhen müssen. Die FED als letzte, weil sie ja keine Reserven in Dollars horten muß.
Steigende Kapitalmarktzinsen nötig
Auch vor diesem Hintergrund ist es gefährlich, aus den abermals gesunkenen Kapitalmarktrenditen weiteres Aufwärtspotential für den Aktienmarkt abzuleiten. Die niedrigen Marktzinsen sind inzwischen eher zu einem Warnsignal für Aktien geworden. Wenn die Zentralbanken so unsicher über die weitere Konjunkturentwicklung sind, daß sie von ihren Zinserhöhungsplänen vorerst Abstand nehmen, ist dies kein gutes Zeichen.
Der Deutsche Aktienindex Dax dürfte sich denn auch schwertun, in dieser Woche wieder die Marke von 4.000 Punkten zu nehmen. Die Stabilisierung des Marktes am Freitag ist zwar ein ermutigendes Signal, die Anleger dürften aber auf absehbare Zeit ihren Risikoappetit zügeln. Damit der Aktienmarkt wieder seinen Optimismus zurückgewinnt, bedarf es, so paradox das klingen mag, steigender Kapitalmarktzinsen.
Die Anleger zügeln ihren Risikoappetit
Von Folker Dries
14. März 2004 Das Klima an den internationalen Finanzmärkten ist rauher geworden. Nach fast zwölf Monaten, in denen die Aktienmärkte wieder zur Einbahnstraße wurden, sehen sich die Anleger an einem Scheideweg. Ist der Rückschlag der vergangenen Woche der Auftakt zu einer längerwierigen Korrektur oder handelt es sich nur um ein Atemholen nach einem steilen Aufstieg?
Die Terroranschläge von Madrid haben die Beantwortung dieser Frage eher erschwert, wenngleich sie nicht der Auslöser für die Kursverluste der vergangenen Woche waren. Sollte sich jedoch herausstellen, daß die Terrororganisation Al Qaida hinter den Anschlägen gestanden hat, würde dies wohl nachhaltig auf das Marktklima und die Konsumstimmung ausstrahlen.
Beweislast liegt bei den Optimisten
Na endlich! Und ich dachte schon Richebächer und Bill Bonner würden sich umsonst bemühen.
Dies wiegt um so schwerer, als die Nachhaltigkeit des Aufschwungs der Weltwirtschaft zunehmend in Frage gestellt wird. Das Schlüsselereignis für die Märkte waren vor zehn Tagen die amerikanischen Arbeitsmarktzahlen für Februar. Der Stellenaufbau war deutlich hinter den Markterwartungen zurückgeblieben, obwohl fast alle Stimmungsindikatoren gerade das Gegenteil verheißen hatten. Seither scheinen die Skeptiker in der Konjunkturdebatte die Oberhand gewonnen zu haben. Stimmungen kann man fabrizieren, aber die Wirklichkeit holt uns eben doch ein.
Die Beweislast für die Nachhaltigkeit des Aufschwungs liegt jetzt bei den Optimisten. Tony Dolphin, Marktstratege bei Henderson Global Investors, glaubt, daß es zwei bis drei Monate dauern wird, bis besser als erwartet ausfallende Wirtschaftsdaten die Stimmung wieder umkippen lassen werden. Wenn der Aufschwung sich als "jobless recovery", also als ein Wachstumsschub ohne zusätzliche Arbeitsplätze, entpuppen sollte, würde das Wachstum der Haushaltseinkommen enttäuschen, was wiederum die Konsumneigung dämpfen würde.
Gibt es das wirklich? Wachstumsschübe ohne zusätzliche Arbeitsplätze? Wenn man den Finanzmarkt einbezieht vielleicht, aber was nützt es, wenn Aktiensteigen, weil der Hebel die Staatsverschuldung ist?
Das Jahr der Zinswende
Wie groß die Konjunkturskepsis inzwischen ist, läßt sich nirgendwo so eindrucksvoll ablesen wie am Anleihemarkt. Die langfristigen Kapitalmarktrenditen haben inzwischen ein Niveau erreicht, das sich nicht mehr mit einer in Aufbruchstimmung befindlichen Weltwirtschaft in Einklang bringen läßt. In Amerika und in Europa verzinsen sich Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit wieder mit weniger als 4 Prozent, was letztmals im Juli vergangenen Jahres der Fall gewesen war. Im Juni, also nur einen Monat zuvor, war die Rendite amerikanischer Treasuries sogar bis auf 3,1 Prozent abgestürzt, das niedrigste Niveau seit 45 Jahren. Allerdings herrschte seinerzeit Deflationsangst, wovon heute keine Rede mehr ist. Das Jahr 2004 war zu Jahresbeginn sogar von den meisten Marktexperten zum Jahr der Zinswende ausgerufen worden.
Hat sich in den vergangenen zwei Monaten so viel geändert, daß jetzt schon wieder nur noch Marktzinsen wie in Krisenzeiten gezahlt werden? Nach wie vor liegt die Konsensschätzung für das diesjährige Wirtschaftswachstum in Amerika bei 4,6 Prozent, was die höchste Wachstumsrate seit zwei Jahrzehnten wäre. Selbst wenn diese Schätzung zunehmend angezweifelt wird, erklärt dies allein noch nicht das Hoch der Anleihekurse. Der Schlüssel für die niedrigen Renditen ist wohl eher in der amerikanischen Zinspolitik und in den Manipulationen am Devisenmarkt zu suchen. Zum einen hat die Fed die implizite Garantie stabiler Leitzinsen gegeben, solange sich der amerikanische Arbeitsmarkt nicht erholt.
>Wieder das Märchen von der FED, die die Zinsen zaubert. Gute Stimmung und steigende Zinsen gibt es nur in der Inflation. Diese können bei steigender Verschuldung mitsteigen, weil man noch nicht an die Grenzen des Verschuldungspotentials gekratzt hat. Das wird erst wieder möglich sein, wenn Schulden massenhaft abgeschrieben sind.
Leitzins doppelt so hoch
Dies ist eine Einladung zu sogenannten "carry trades", bei denen sich Investoren Geld zum historisch niedrigen Leitzins von einem Prozent leihen und in höherverzinsliche Staatsanleihen investieren. Zum anderen hat die japanische Zentralbank im bisherigen Jahresverlauf so massiv am Devisenmarkt interveniert wie nie zuvor. Sie hat Yen im geschätzten Wert von 130 Milliarden Dollar auf den Markt geworfen und hierfür vor allem Treasuries kumuliert.
Die amerikanischen Kapitalmarktzinsen von weniger als 4 Prozent sind somit nicht allein Spiegelbild einer wachsenden Konjunkturskepsis, sondern auch Folge der skizzierten markttechnischen Faktoren. Im Euroraum liegt der zehnjährige Kapitalmarktzins mit 3,9 Prozent zwar nur marginal höher als in Amerika. Hierzulande ist jedoch der Leitzins doppelt so hoch und das erwartete Wirtschaftswachstum nur etwa ein Drittel so hoch. Die Lücke zwischen nominalem Bruttoinlandsprodukt und Leitzins beträgt nicht einmal 2 Prozent, in Amerika hingegen 6 Prozent. >Keiner schaut sich mal die Bilanzen der ZBs an, wie Dottore und von daher sieht auch keiner den Zwang, der die Zinsen wieder nach oben treiben könnte. Keiner betrachtet das Eigenkapital der ZBs. Alle ZBs außer der FED werden die Zinsen erhöhen müssen. Die FED als letzte, weil sie ja keine Reserven in Dollars horten muß.
Steigende Kapitalmarktzinsen nötig
Auch vor diesem Hintergrund ist es gefährlich, aus den abermals gesunkenen Kapitalmarktrenditen weiteres Aufwärtspotential für den Aktienmarkt abzuleiten. Die niedrigen Marktzinsen sind inzwischen eher zu einem Warnsignal für Aktien geworden. Wenn die Zentralbanken so unsicher über die weitere Konjunkturentwicklung sind, daß sie von ihren Zinserhöhungsplänen vorerst Abstand nehmen, ist dies kein gutes Zeichen.
Der Deutsche Aktienindex Dax dürfte sich denn auch schwertun, in dieser Woche wieder die Marke von 4.000 Punkten zu nehmen. Die Stabilisierung des Marktes am Freitag ist zwar ein ermutigendes Signal, die Anleger dürften aber auf absehbare Zeit ihren Risikoappetit zügeln. Damit der Aktienmarkt wieder seinen Optimismus zurückgewinnt, bedarf es, so paradox das klingen mag, steigender Kapitalmarktzinsen.