Florian Haffa (re.), Thomas' jüngerer Bruder, war Finanzvorstand
Kein anderer ist höher geflogen und tiefer gefallen als Thomas Haffa, der Gründer und ehemalige Vorstandschef des Medienunternehmens EM.TV. Am heutigen Montag (4. November) steht der einst gefeierte Sonnyboy noch einmal im Rampenlicht. Als erster Manager eines Neue-Markt-Unternehmens muss sich Haffa zusammen mit seinem Bruder wegen Kursbetrugs vor Gericht verantworten. Das Duo soll den Kurs der EM.TV-Aktie im Boomjahr 2000 mit haltlosen Prognosen in die Höhe getrieben haben. Den einstigen Börsenlieblingen drohen mehrere Jahre Gefängnis.
Brüderpaar wies Vorwürfe zurück
Thomas Haffa und sein Bruder Florian, der Finanzvorstand war, haben die Vorwürfe mehrmals zurückgewiesen. Die Richter am Münchner Landgericht stellen sich deshalb auf einen langen Prozess mit vielen Zeugen ein. Nach der Verlesung der 122 Seiten langen Anklageschrift am 4. November haben sie bis Ende Januar mehr als zehn Verhandlungstage eingeplant.
Signalwirkung für Aktionärsschützer
Für Aktionärsschützer hat der erste Prozess nach der Serie der Skandale am Neuen Markt Signalwirkung. »Alle Unternehmen, die noch Leichen im Keller haben, werden jetzt anfangen zu zittern«, sagt Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Der Ausgang der Strafprozesse sei auch für die vielen Aktionäre von Bedeutung, die durch betrügerische Manager ein Vermögen an der Börse verloren hätten. »Wenn die Haffas verurteilt werden, steigen die Chancen auf Schadenersatz erheblich.« Zum Teil hatten die Richter die Schadenersatz-Verfahren ausgesetzt, um die Entscheidungen der Strafprozesse in München abzuwarten.
Bestrafung auch für Manager
Durch eine Bestrafung von Schwarzen Schafen am Neuen Markt würde nach Ansicht des Börsenexperten Gottfried Heller auch das Vertrauen der Aktionäre gestärkt. »Ich hoffe, dass einige auch hinter Gitter müssen. Aber das wird wahrscheinlich nicht passieren.« Deutschland müsse sich ein Vorbild an den USA nehmen, wo selbst hochrangige Manager bei betrügerischen Aktiengeschäften jahrelang ins Gefängnis müssten.
Auf dem Höhepunkt des Börsenbooms gehörten die Haffa-Brüder zu den schillerndsten Figuren am Neuen Markt. Der braun gebrannte Konzernchef Thomas Haffa ließ sich auf Empfängen der Münchner Schickeria als Börsenstar feiern und gönnte sich mit seinem Millionenvermögen ein Jet-Set-Leben zwischen seiner Villa in München, einer Yacht in Cannes und seiner Finca auf Mallorca. Die Aktionäre begeisterte er mit Ankündigungen hoher Gewinne. Dabei war ihm nach Ansicht der Staatsanwaltschaft aber klar, dass diese Ankündigungen nicht haltbar waren. Statt des erwarteten Gewinns musste EM.TV schließlich Ende 2000 einen Verlust bekannt geben. Der Aktienkurs des Unternehmens stürzte daraufhin von einem Höchststand über 100 Euro ins Bodenlose. Zuletzt dümpelte die Aktie bei weniger als einem Euro. Etliche Anleger verloren durch den Kurssturz ein Vermögen. Mitte vergangen Jahres traten die Haffas von ihren Posten zurück.
Es ging noch dreister
Die Haffa-Brüder sind nach Worten von Bergdolt in punkto Dreistigkeit nur von dem einstigen Chef des Telematik-Unternehmens ComROAD, Bodo Schnabel, überboten worden. Er steht wenige Tage nach dem Beginn des EM.TV-Prozesses wegen des größten Bilanzskandals am Neuen Markt vor dem Münchner Landgericht. Im Gegensatz zu den Haffa- Brüdern gehörte Schnabel eher zu den grauen Mäusen des Neuen Markts. Still und heimlich hat er nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft in den Jahren 1998 bis 2000 einen Großteil der Umsätze seiner Firma ComROAD frei erfunden und die Aktionäre damit bei Laune gehalten.
Luftbuchungen flogen auf
Das schöne Leben war jäh zu Ende, als durch eine Sonderprüfung im Frühjahr der Verdacht der Luftbuchungen aufkam. Schnabel wurde verhaftet und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Auch gegen seine Frau Ingrid, die im Aufsichtsrat saß, wird ermittelt. Bei den Schnabels ist nicht nur die Anklage mit 59 Seiten kürzer als bei den Haffas: Für den Prozess haben die Richter nur einen Tag angesetzt. Nach Einschätzung von Experten deutet das auf ein umfassendes Geständnis hin.
Mein Haus, meine Yacht, meine Jets
Haffa plant schon wieder den großen Auftritt
Dieses eine Mal trägt er ihn bestimmt nicht, den Gürtel mit der Schnalle in Form eines »H«. H von Hermès. H wie Haffa. Dabei scheute der immer braun gebrannte Mann aus dem bayerischen Pfaffenhofen früher kein Klischee des Emporkömmlings. Doch am heutigen Montag wirkt Protz fehl am Platz. Thomas Haffa weiß das. Er steht vor Gericht.
Sein Name
stand einst für raketenhaften Aufstieg an der Börse. Haffa war der Superstar des Neuen Marktes. Heute verbinden Aktionäre mit seinem Namen nur noch Abzocke und Absturz. Vielleicht muss bald, wer A sagt, auch B sagen: Betrug. Die Münchner Staatsanwaltschaft will dem einstigen Chef der Münchner Filmhandelsfirma EM.TV beweisen, dass er zusammen mit seinem Bruder Florian die Bilanzen frisierte und mit falschen Prognosen den kränkelnden Aktienkurs hochzureden versuchte. Kommende Woche, nach einem Jahr penibler Spurensuche und Zeugenbefragungen, beginnt der Prozess, eines der spektakulärsten Wirtschaftsstrafverfahren seit Jahren.
Selten zuvor
hat sich Thomas Haffa auf einen Auftritt so gut vorbereitet wie auf diesen. Seit Wochen probt der 50-Jährige in München und in Kitzbühel für seinen großen Auftritt, trainiert von seinem Verteidiger, dem Frankfurter Strafrechtler Rainer Hamm, und einem ganzen Stab von Anwälten und Beratern. Auch der heutige EM.TV-Chef Werner Klatten schaute bei den Sitzungen vorbei. Haffa ist nervös - er sieht den Prozess aber auch als Chance für einen Neuanfang, heißt es in seinem Umfeld. Gleich zu Beginn der Verhandlung will er tun, was er schon immer am besten konnte: werben und verkaufen. Er will die Richterin davon überzeugen, dass er nie im Leben betrogen hat, »so wahr ich Thomas Haffa heiße«, wie er gerne mal hinzufügt. Gelingt das nicht, drohen dem Multimillionär Wasser und Brot statt Champagner und Kaviar. Und er will das Rampenlicht des Landgerichts München nutzen, so der aberwitzige Plan, um sein lädiertes Image aufzupolieren.
Flughafen München,
General Aviation Terminal. Hier stehen Firmenjets und Maschinen des örtlichen Geldadels im Hangar. Der des gescheiterten Medienmoguls Leo Kirch zum Beispiel. Auch Thomas Haffa unterhält einen Learjet und eine Challenger, die er vermietet. Er ist heute Chef der kleinen Fluggesellschaft Air Independence. Nichts in seinem Büro im ersten Stock des Terminals erinnert daran, dass Haffa - zumindest nach eigener Einschätzung - beinahe einmal so groß war wie Disney. Den Raum prägt schmuckloses Anthrazit und Grau. Weltkarte, schwarzes Telefon, kleiner Fernseher, Computer und ein Fernrohr für voyeuristische Blicke aufs Rollfeld. Haffa fühlt sich wohler, wenn er weiß, wer mit wem kommt und geht.
Eine Klimaanlage zieht die Temperatur selbst an mäßig warmen Tagen auf Gänsehautniveau herab. Thomas Haffa ist niemals kalt. Früher packten ihn cholerische Ausbrüche, wenn ihm ein Satz in einer EM.TV-Pressemitteilung missfiel. Heute sucht er sich den Stress auf dem Flugplatz. Er brauche »das bisschen Freude und Ärger eines Jobs«, sagt ein Haffa-Freund. Nötig hat er die Arbeit nicht. Seine Karriere schrumpfte zwar von Disney- auf Mickey-Maus-Größe, aber finanziell ist Haffa immer noch ein Dagobert: Während die meisten Kleinaktionäre von den »Fantastilliarden« nur träumen konnten, machte Haffa rechtzeitig Kasse. Vor allem zu Boomzeiten hatte er immer wieder eigene EM.TV-Aktien verkauft. Bis zu 250 Millionen Euro, munkelt die Branche, hätten er und seine Familie auf diese Weise in Sicherheit gebracht. Haffa-Freunde wissen, dass er schon vor seinem Ausstieg im vergangenen Jahr regelmäßig Aktienpakete verkauft hat. Bekannt ist ein Verkauf im Februar 2000 für 20 Millionen Euro an einen Schweizer Rentenfonds. Aber auch schon vorher hatte Haffa Anteile verscherbelt. Haffa schweigt dazu. Das Vermögen dürfte noch Generationen zu einem recht komfortablen Leben verhelfen. Aber das reicht ihm nicht. Er ist besessen von Geschäft, Erfolg und Anerkennung.
Thomas Haffa,
vor 50 Jahren am Bodensee geboren, wuchs in Pfaffenhofen inmitten der Holledau auf, dem größten zusammenhängenden Hopfenanbaugebiet der Welt. Den Hopfenbauern und der Region ging es damals nicht besonders, als Haffa kurz vor dem Abitur die Schule schmiss, um lieber dorthin zu ziehen, wo das Geld wächst - nach München. Was Haffa trieb, ist Anekdote. Autoverkäufer, Klinkenputzer für Schreibmaschinen, dann die Erleuchtung: Eine Muppets-Figur soll in einem Video »Verkauft! Verkauft! Verkauft!« gerufen haben, was der damals 22-jährige Tommy sofort persönlich nimmt. Haffa verkauft fortan Zeichentrickfiguren und Plüschpüppchen - erst im Auftrag von Kirch, dann auf eigene Rechnung. Er gründet EM.TV.
Ende 1997
gelingt dem Puppen-Spieler etwas, das heute als Kurswunder von Unterföhring gilt. Dort, im Speckgürtel Münchens, hat das Unternehmen seinen Sitz. Ohne erkennbaren Grund setzt die Aktie zu einem Schwindel erregenden Höhenflug an. Und Tommy, der Verkäufer? Der verspricht riesige Wachstumschancen und befeuert den Hype mit mittelmäßigen Erfolgsmeldungen: Hier ein paar Zeichentrickepisoden verkauft, dort mit Partnern große Pläne verabredet. Das reicht: Er ist der Messias der Anleger, die reißen ihm die Aktie aus der Hand. 200 Tage später, im Mai darauf, ist Thomas Haffa erstmals eine Milliarde Mark schwer. Und er schämt sich für nichts. Im Gegenteil: Haffa lässt die Klatschspalten teilhaben an seinem sagenhaften Aufstieg: Rolex, Sportwagen, Yachten, Partys - endlich hat die angegraute deutsche Wirtschaft ihren Dieter Bohlen. Zu Hause in Pfaffenhofen organisiert die örtliche Sparkasse Busfahrten für die Bauern, die das reiche Wunderkind der Stadt mal aus der Nähe sehen wollen.
Auch EM.TV
geht einkaufen: Anteile am TV-Sender TM3, die Muppets-Firma Jim Henson, einen Teil vom Rennzirkus Formel 1 und eine Hand voll Firmen, an die sich heute niemand mehr erinnern mag. »Wir gehören in den Dax«, posaunte Haffa heraus. »Ich will ein Medienbaron werden. Ich will groß sein.« Ob er bald Disney übernehmen werde, wird Haffa gefragt. Der zwinkert mit den Augen. In solchen Momenten sieht er dem jungen Gerhard Schröder ähnlich. »Kein Kommentar« - alles ist drin, nichts unmöglich. Die Anleger kaufen ihm anfangs jedes Wort ab. Was galt an der Börse schon der Wert einer Lufthansa? EM.TV hatte Kermit und Heidi, Ernie und Bert. Aktionären waren solche Figuren damals mehr wert als eine Flugzeugflotte.
»Wäre er nicht so smart«, urteilte der Promi-Schönheitschirurg Werner Mang über seinen Freund Haffa, »dann stünde der Aktienkurs nur halb so hoch.« Irgendwann wurde Haffa seine Segelyacht zu klein, und er verkaufte sie als »Top-Schnäppchen« an den Arzt. Mang hat ein paar Monate gebraucht, ehe ihm aufging, dass es ein mieses Geschäft war. Die Anleger von EM.TV beginnen erstmals im März 2000 an der Firma zu zweifeln. Die Aktie schmiert ab. Nur Thomas und sein Bruder Florian Haffa, damals Finanzvorstand, bleiben ihrem Kurs treu und verbreiten hemmungslosen Optimismus. Die Firma meldet falsche Halbjahreszahlen, die das Elend noch notdürftig verschleiern, und muss diese später korrigieren. Doch fragt man bei den Haffas nach, geht's dem Unternehmen wahlweise gut, super oder »sehr, sehr gut, super«. Die EM.TV-Story nimmt ein Ende mit Schrecken: Statt versprochener Riesengewinne muss die Firma später mehr als 1,3 Milliarden Euro Verlust ausweisen.
Ende 2000
kommt die Zeit der Abrechnung: In Haffas Nachbarschaft im Münchner Nobelstadtteil Bogenhausen verteilen verprellte Aktionäre Flugblätter. Worte wie »Verbrecher« stehen darauf und »Betrüger«. Ein Packen der Papiere wird direkt vor der 1.000-Quadratmeter-Villa abgelegt. Der Wind treibt sie die Straße herunter. TV-Teams postieren sich vor dem Haus. Sie bieten Nachbarn fünfstellige Summen, um von dort ein Teleobjektiv auf Haffas Wohnzimmer richten zu dürfen. Haffa, der große Zampano, leidet wie ein getretener Hund. Vor dem Aktionärstreffen im Sommer 2001 kneift er lieber. Er schmeißt alles hin und fährt nach Griechenland in Urlaub.
Natürlich,
so viel steht bereits vor der Verhandlung fest, beteuert Thomas Haffa seine Unschuld. Die Linie der Verteidigung ist nicht schwer auszumachen, vieles davon gaben die Herren schon in den Vernehmungen zu Protokoll: Bei all den »Big Deals« sei die Firma irgendwann an einen Punkt gelangt, an dem sie sich im Gestrüpp internationaler Rechnungslegung verhakt habe. Ohne jede Absicht, versteht sich, und stets unter den Augen der Wirtschaftsprüfer und Banken. Er habe ja Geschäft eingefahren, wenn auch nicht alle Einnahmen bilanzrechtlich als Gewinne verbuchbar gewesen seien, argumentiert der Haffa-Clan.
Wenn ich
gewusst hätte, dass das Unternehmen den Bach runtergeht, hätte ich dann nicht sofort meine eigenen Aktien losgeschlagen?, wird er der Richterin Huberta Knöringer zurufen. Seine Verteidigung folgt der Logik des Geldes. Nach stern-Informationen lag Haffa im Oktober 2000 ein schriftliches Angebot der Bank Sal. Oppenheim vor, ihm für 500 Millionen Euro ein Aktienpaket abzukaufen. Damals glaubten die Banker also offensichtlich noch an das Papier. Sal. Oppenheim will das nicht kommentieren. Dass Haffa ablehnte und mit dem Crash der EM.TV-Aktie auch einen Teil des Reichtums einbüßte, soll als stärkster Beleg seiner Unbedarftheit herhalten. Ob das ausreicht?
Die Staatsanwaltschaft lässt kaum ein gutes Haar an den Haffas. Sie hätten gewusst, dass die Halbjahreszahlen »unrichtig waren, und handelten in der Absicht, den Börsenkurs der EM.TV-Aktie positiv zu beeinflussen«, wirft sie den Brüdern vor. Auch die unrealistisch optimistischen Angaben zur geschäftlichen Entwicklung, die den gesamten Herbst 2000 hindurch noch mit »super« beschrieben wurde, habe allein dem Zweck der Kursmanipulation gedient. Mit welchen Luftnummern die beiden agiert haben sollen, wollen die Ankläger an einer Reihe geplatzter Deals belegen, etwa an einem vermeintlich kurz bevorstehenden Verkauf der Übertragungsrechte an der US-Zeichentrickserie »Simpsons«.
Das Beispiel
soll illustrieren, wie es zuging in der Glamourbranche. Am 13. Juni 2000 treffen sich die Haffas mit dem Medienunternehmer Leo Kirch. Sie verbindet ein Joint-Venture namens Junior-TV, in dem die Rechte für die meisten Kinderfilme lagerten. Die Runde wird sich schnell einig: Kirch solle sich in den USA darum kümmern, dass 248 Episoden der »Simpsons« gekauft würden - für 25 bis 30 Millionen Dollar. Haffa hat auch schon einen Käufer für die Filmchen im Hinterkopf: den Kirch-Sender Pro Sieben. Der soll dafür dann knapp 150 Millionen Euro bezahlen - das Fünffache. Warum Pro Sieben nicht direkt bei Kirch kaufen kann, diese Frage stellt sich offenbar keiner.
Ende September
besucht Thomas Haffa dann endlich denjenigen, der diese wundersame Geldvermehrung bezahlen muss: Pro-Sieben-Chef Urs Rohner. Der zeigt sich nicht abgeneigt, schlägt allerdings nicht gleich ein. Auch Kirchs Verhandlungen mit den »Simpsons«-Eigentümern in den USA hängen in der Luft. Trotzdem informiert Haffa seine Vorstandskollegen intern schon mal über den »Ankauf« der Serie durch Pro Sieben. Anfang Oktober 2000 auf der Fernsehmesse in Cannes wiederholt sich das Spielchen zwischen Haffa und Rohner, diesmal in weinseliger Atmosphäre. Ein paar Tage später sieht Pro Sieben das Geschäft schließlich nüchterner: zu teuer. Der Traum von den Millionen für EM.TV löst sich langsam auf.
Nur einer träumt
weiter von diesem Geschäft - Thomas Haffa. Oder wollte er nur, dass es so aussah, als fände dieser Traum nie ein Ende? Fest steht: Haffa brauchte dringend Erfolge, um seine Prognosen halten und den Fall der Aktie stoppen zu können. Bei EM.TV intern war die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Die falschen Halbjahreszahlen hatten Vorstandskollege Ulrich Goebel, als ehemaliger Daimler-Manager ein Gegenpol zu dem schillernden Firmenboss, gegen die Haffas aufgebracht. Goebel hatte die Bilanz intern frühzeitig moniert und vor Geschäftsausfällen gewarnt. Heute ist er einer der Hauptbelastungszeugen der Anklage.
Auch der Aufsichtsrat
der Firma beäugte seit Anfang des Jahres misstrauisch das Treiben der Brüder: Beim Kauf der Formel 1 im Februar hatte sich Thomas Haffa selbstherrlich über einen Beschluss des Kontrollgremiums hinweggesetzt. Er sicherte dem Paten des Rennzirkus, Bernie Ecclestone, eine milliardenschwere Abnahmegarantie für weitere Formel-1-Anteile zu - allerdings ohne dem Aufsichtsrat zu folgen und die Kaufverpflichtung von Banken absichern zu lassen. Diesmal wollten die Kontrolleure wissen, ob die ambitionierten Geschäftsziele überhaupt noch erreichbar seien. Haffa blieb sich treu: Alles im Plan.
Vorbei die Party
Auf Feiern wird Haffa nur noch selten eingeladen. Und wenn, erzählen Freunde, treibe ihn das mulmige Gefühl um, als Kuriosität herhalten zu müssen. Ein Unrechtsbewusstsein plagt ihn dennoch nicht. Wer als Aktionär der ersten Stunde dabeigeblieben sei, habe selbst heute, bei einem Aktienkurs von rund einem Euro, noch einen Gewinn gemacht, gibt sich Haffa intern trotzig. Wie viele ihre Ersparnisse verloren, mag er lieber nicht nachrechnen. Aber die Haffas nahmen es mit Zahlen nicht immer so genau: Fällige Abschreibungen wurden bei EM.TV auch zu Boomzeiten schon auf Jahre hinaus gestreckt, erwartete Einnahmen im Vorgriff verbucht. Damals hat nur niemand nachgerechnet. Einen Teil dieser Praktiken weist ein Gutachten des Münchner BWL-Professors Wolfgang Lück nun als branchenüblich aus. Das macht es kaum besser, aber es soll die Haffas entlasten. Dem Möchtegern-Disney ging es immer nur um das eine: Deals, Deals, Deals - viele seien »zum Greifen nahe« gewesen, sagte Thomas Haffa den Ermittlern. Und auch intern zeigt er sich überzeugt: Ein paar der geplatzten Geschäfte hätte er sicher noch hingebogen, wenn ihm die Zeit geblieben wäre.
Im Spätsommer
dieses Jahres düste Thomas Haffa nach langer Zeit mal wieder an eine seiner alten Wirkungsstätten - in die Metropole des Films, nach Los Angeles. Top secret: Verhandlungen für EM.TV, das ihm immer noch zu 17,5 Prozent gehört, offiziell aber nicht mehr so gern mit seinem Gründer gesehen wird und deswegen nicht kommentieren will »wer wie was angebahnt hat«: Das Unternehmen versucht gerade, die Muppets-Firma Jim Henson Company zu versilbern, die Haffa einst teuer einkaufte. Niemand soll wissen, dass der gefallene Unternehmensgründer noch mitmischt. Under-Cover-Haffa lässt alte Kontakte spielen. »Es gab aber nie einen Auftrag an ihn«, sagt ein EM.TV-Sprecher. Doch so ein »Big Deal«, ahnt Haffa wohl insgeheim, das wäre nichts für seinen Nachfolger Klatten, der sich im Kleinen müht. Da muss einer wie er ran, ein Vollblut-Unternehmer. Ja, Haffa hat ein gutes Gefühl. Er kriegt den Deal hin, in zwei Wochen ist Henson verkauft. Vielleicht auch in drei oder vier. Aber was zählen schon Wochen, wenn die Gespräche so gut laufen. Hat er »gut« gesagt? Ach was, sehr gut. Super.