Kehl: Geradeaus - nicht link
Am Freitag Morgen prasselten die Bilder nur so auf Sebastian Kehl ein. Hunderte Fans beim Trainingsauftakt, Blitzlichtgewitter schon während des Aufwärmens. Der Jung-Nationalspieler blickte notgedrungen öfter in den Fokus der Kameras als in die Gesichter seiner Mitspieler. Im Anschluss Pressekonferenz vor einer Schar von Medienvertretern, die so groß war, dass Außenstehende sicher auf den Empfang eines Staatsgastes gewettet hätten.
Dann kam Kehl, 21 Jahre jung, durchgestylt, im Burberry-Look. Große Karos auf dem Pulli. Weniger große Worte auf den Lippen. Dafür intelligente, ausformulierte Sätze. Eine positive Erscheinung. Christoph Metzelder, sagt er, sei ein guter Freund von ihm. Das verblüfft kaum. Der Nationalmannschaftskollege ist ebenfalls einer dieser jungen, klugen und leistungsbesessenen Profis. Das Duo passt zusammen. Abseits des grünen Rasens. Auf ihm wird es dies noch unter Beweis stellen.
Kehl: "Ich will kämpfen!"
„Dortmund ist sicher stärker als Freiburg, das Niveau hier ist höher. Ich werde im Training mehr gefordert und hoffe, dass ich mich im Spiel genauso beweisen kann wie bei meinem alten Verein“, sagt Kehl. Er will kämpfen, „damit alle Fans und Journalisten merken, dass ich sportlich und charakterlich überzeuge. Ich bin geradeaus und nicht link.“ Nicht so, wie ihn Bayern Münchens Manager Uli Hoeneß in der Öffentlichkeit abwertend dargestellt hat. Sein neuer Trainer, Matthias Sammer, pflichtet ihm bei: „Sebastian geht es um die sportliche Perspektive. Er hat Biss und Charakter. Bei uns kann der Junge auf lange Sicht eine Führungspersönlichkeit werden.“ Den Willen hat er, Kehl möchte zur WM.
Am Abend zuvor hatte er im klubeigenen hotellennhof eingecheckt und sich kurz darauf eine Stunde mit Josef Schneck unterhalten. „Ich habe ihm einige Dinge über Umfeld und Presse erzählt, später kam der Trainer hinzu“, sagt der BVB-Pressechef und gibt seinen ersten Eindruck preis: „Sebastian ist sehr offen, sehr intelligent. Ein positiver, ein ehrgeiziger Mensch.“
Deshalb blickt Kehl nach vorn: „Ich möchte mich zu den Transfer-Streitigkeiten nicht mehr äußern. Die Zeitungen sollen im Zusammenhang mit dem Namen Sebastian Kehl möglichst schnell wieder über sportliche Belange berichten.“ Ein Journalist fragt nach: „Werden Sie Uli Hoeneß morgen zu seinem 50. Geburtstag gratulieren?“ Kehl antwortet gut gelaunt und mit einem Lächeln im Gesicht: „Damit hätte ich doch gar kein Problem. Ich wünsche ihm auf diesem Wege Alles Gute.“
Das schützende Wort
In ein paar Wochen - das hoffen der BVB und Kehl - wird sich der Fokus wieder auf ein anderes Mitglied der großen Bundesliga-Familie richten. Über den Neuzugang sollen dann Sätze wie diese in der Zeitung stehen: „Der Mann ist flexibel verwendbar, als Verbindungsglied zwischen Abwehrbereich und Offensive kaum zu ersetzen. Kehl unterstützt mit seinen feinen Pässen Spielmacher Tomas Rosicky. Er bringt Emotionalität und unbedingten Siegeswillen mit.“ Dann wird sich Trainer Matthias Sammer vermutlich erneut auf den Plan gerufen fühlen. Diesmal nicht beschützend. Dafür bremsend. So kennt man ihn. Ein Fuß hat sich schon heute vom Gaspedal entfernt. Sammer sagt: „Man darf viel, aber nicht zu viel von ihm erwarten. Sebastian ist jung, er unterliegt Schwankungen. Diese zu minimieren, ist unser Ziel.“
Sascha Fligge