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Mittwoch, 23. März 2011
Mitteleuropa erwartet Strahlenlast
Deutschland verstärkt Schutz
Nach Berichten über erhöhte Werte radioaktiver Strahlung in Japan steigt die Sorge über mögliche Auswirkungen des Atomunglücks von Fukushima weltweit. Deutschland verstärkt seine Maßnahmen zum Schutz von Lebensmitteln; auch die USA kündigen strengere Importvorschriften an. Das Umweltbundesamt rechnet damit, dass radioaktive Partikel im Tagesverlauf Mitteleuropa erreichen.
Zum Schutz vor Lebensmitteln aus Japan mit erhöhten radioaktiven Werten haben Bund und Länder ihre Vorsichtsmaßnahmen verstärkt. Vor allem bei Fisch und Fischerzeugnissen solle die Strahlenbelastung überprüft werden, teilte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) mit. Die Bundesländer hätten die nötigen Maßnahmen eingeleitet, der Bund sammle alle Messergebnisse. "Die deutschen Behörden bleiben sehr wachsam, vor allem was mögliche Importe aus der Krisenregion betrifft", sagte Aigner. Das Ministerium sprach von umfangreichen Vorkehrungen, um zu verhindern, dass radioaktiv verseuchte Lebensmittel nach Deutschland kommen.
Aigner sieht derzeit keine Gefahren für Verbraucher. Fachleute untersuchen im Auftrag des Ministeriums die Radioaktivität von Fischen und Fischprodukten. Sie schließen eine Gefährdung der deutschen Verbraucher durch kontaminierten Fisch derzeit aus. Der Umfang der Importe aus Japan war im vergangenen Jahr ohnehin sehr gering. Der Handel mit dem Land ist nach Ministeriumsangaben wegen des Erdbebens nun praktisch zum Erliegen gekommen.
USA verschärfen Importregeln
Auch die US-Lebensmittelbehörde kündigte strenge Importvorschriften für Lebensmittel aus dem Land an. Sowohl Milch und Milchprodukte als auch Gemüse und Obst aus den Präfekturen Fukushima, Ibaraki, Tochigi und Gunma dürften nur noch nach vorherigen Radioaktivitätsmessungen eingeführt werden, hieß es in einer Erklärung.
Frankreich rief die Europäische Kommission zu "systematischen Kontrollen aller frischen Lebensmittel" auf, die Europa aus Japan erreichten. Zugleich sprach sich das Land gegen ein vollständiges Einfuhrverbot aus.
Die EU-Kommission hatte den Mitgliedsländern verstärkte Kontrollen von Lebens- und Futtermitteln empfohlen.
Mitteleuropa erwartet Strahlenlast
Nach Angaben des Umweltbundesamtes werden derzeit radioaktive Partikel aus Japan Richtung Europa geweht. Die Luftströmungen sollen heute Mitteleuropa erreichen. Man könne die sehr schwache Radioaktivität allerdings nur mit aufwendigen Methoden nachweisen, sagte der Leiter der Messstation Schauinsland des Bundesamts für Strahlenschutz, Erich Wirth, im MDR.
Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König (l), und der Leiter der Frühwarnstation für Radioaktivität, Erich Wirth, erläutern Auswirkungen der atomaren Katastrophe in Japan.
(Foto: dpa)
Wichtig sei, "dass die Aktivität sehr, sehr niedrig sein wird", betonte Wirth. Man erwarte Werte im Bereich von Hunderttausendstel Becquerel pro Kubikmeter Luft. Die gewöhnliche Strahlenbelastung von 70 Nanosievert pro Stunde werde "davon praktisch nicht beeinflusst". Zuletzt hätten Wissenschaftler den Weg der Partikel über die USA und Island nach Mitteleuropa verfolgen können. "Und von da ist es nicht mehr weit bis Mitteleuropa."
In Deutschland stiegen die Werte nach Wirths Angaben bisher noch nicht an. Es werde aber ein erster Anstieg bei der sogenannten Spurenanalyse erwartet.
Auch langfristig gehe man davon aus, dass die Belastung sehr niedrig bleiben werde: "Das hängt damit zusammen, dass die Entfernungen sehr weit sind", sagte Wirth. Es könne aber sein, dass die Aktivität über einen längeren Zeitraum hinweg gemessen werden könne.
Auch Frankreich misst die Wolke
Frankreich registriert sehr genau den Weg der Wolke mit radioaktiven Partikeln aus Japan, die über Europa driftet. Ein Vierteljahrhundert nach der Atom-Katastrophe von Tschernobyl verhält sich Paris dabei anders als früher. Hatte die Regierung 1986 noch bewusst die Fehlinformation verbreiten lassen, dass das Land von der radioaktiven Wolke aus der Ukraine verschont bleibe, so berichten die Medien des Landes seit Tagen ausführlich.
Zahlreiche Medien vermeldeten das angekündigte Eintreffen der Wolke auf ihren Titelseiten. Sie wiesen aber auch darauf hin, dass die Konzentration der radioaktiven Partikel nach einem Weg von mehr als 10.000 Kilometern so gering sei, dass die Strahlendosis kaum noch nachweisbar sei.
Vor 25 Jahren, nach dem Atomunfall in der Ukraine, war es für Franzosen schwer gewesen, Informationen über die Strahlenbelastung zu erhalten. Als nach der Reaktorkatastrophe eine riesige radioaktive Wolke über Europa zog, spielten die Behörden die damalige Gefahr herunter. Die öffentlichen Sender des Landes erklärten, die Wolke habe an Frankreichs Grenze haltgemacht.
Erst viel später gestand die Regierung ein, dass das Land sehr wohl betroffen war. Als eine Konsequenz aus dem Skandal wurde vor kurzem eine Internetseite mit Daten über die Strahlenbelastung im Land eingerichtet.