Horrorszenarien in aller Munde
von Jochen Steffens
Es überrascht mich immer wieder, obwohl ich mich selbst nicht ganz davon frei machen kann. Egal mit wem ich rede, die meisten Menschen, ob Börsianer oder nicht, haben ein äußerst pessimistisches Bild für die Zukunft dieser Welt. Selbst die Dauerbullen unter meinen Kollegen sehen die Zukunft skeptisch, nur rechnen sie mit gewissen Horrorszenarien erst viel später als die Bären.
Es gibt wenig Menschen von denen ich höre: “Wieso, es sieht doch alles ganz gut aus. Wir werden eine prima Zeit erleben – alles wird gut." Ich finde das erschütternd. Es ist, als ob ein kollektives Trauma auf den Menschen liegt. Ich weiß nicht, ob das nur in Nord-Europa so ist, oder auch in anderen Ländern (da ich weiß, dass einige von Ihnen im Ausland leben, schreiben Sie mir doch einmal, welchen Eindruck Sie von der Stimmung in Bezug zur Zukunft des jeweiligen Landes haben).
Ich frage mich auch, wie es dazu kommen konnte. In den 90er wurde noch das Ende des kalten Krieges gefeiert, alles schien möglich. Aber spätestens mit dem 11. September und mit dem Crash an den Aktienmärkten hat sich die Stimmung dramatisch geändert. Dabei ist die Realität doch eine andere:
Die Welt ist abhängig von sich selbst
Niemals zuvor kam es zu einer solchen Kooperation zwischen den Ländern, niemals zuvor waren die wirtschaftlichen Verflechtungen und Abhängigkeiten zwischen den Ländern dieser Erde so groß. Eigentlich kann sich kein größerer Staat erlauben, aus diesen wirtschaftlichen Verflechtungen auszuschwenken, ohne dabei einen riesigen volkswirtschaftlichen Schaden für das eigene Land zu riskieren. Das bedeutet zwar auch viel denkbarer Streit, aber eben auch eine enorme Sicherheit.
Die Nationen reden miteinander, wie niemals zuvor
Niemals zuvor kam es zu derart vielen Gesprächen und Diskussionen zwischen den einzelnen Ländern. Natürlich werden somit auch die Unterschiede deutlich, die verschiedenen Interessen, die sich zum Teil massiv widersprechen. Man erkennt es an dem aktuellen Konflikt mit dem Iran. Russland und China haben eine andere Haltung als die USA, die Europäische Union versucht eine Vermittlerrolle und Japan mischt auch noch kräftig mit. Aber alle reden miteinander, streiten zwar, arbeiten jedoch ebenso an Lösungen. Das war zuweilen ganz anders.
Doch irgendwie ticken wir nicht richtig
Das alles ändert nichts daran, dass die Menschen sich mit Horror- und Untergangszenarien beschäftigt sind. Sie glauben nicht, was ich alles für Mails erhalte, in denen diverse Szenarien beschrieben werden. Es scheint eine perfide Lust am Untergang zu existieren. Dabei ist das eigentlich nicht Neues. Untergangsszenarien sind dem Menschen ein treuer Freund. Die Bibel mit der Apokalypse ist nur das bekannteste Beispiel. Immer schon neigten die Menschen dazu alles Neue direkt mit einem möglichen Untergang zu verbinden.
Und vielleicht liegt darin auch der Grund, warum die Menschen so skeptisch sind. Wir erleben gerade tatsächlich eine neue Epoche. Wir erleben ein Informationszeitalter, in dem jedes Bussunglück in Indien zu uns auf die Monitore dringen kann. Die Welt wird kleiner und kleiner. Sie rückt immer enger zusammen. War es nicht gestern, als wir nur die Tagesschau hatten? Als morgens noch Schulfernsehen auf den Fernsehern flimmerten. Als die Zeitungen uns die meisten Nachrichten in wohl aufbereiteter Form gefühlvoll nahe brachten?
Und was ist heute? Angst verkauft sich. Jede noch so schrille negative Headline ist ein Absatzrenner mit dem viel Geld zu verdienen ist. Die ganze Welt wird nach absatzbringenden Negativ-Schlagzeilen durchforstet. Wir werden mit Angst quasi überkonsumiert.
Wundert es da, dass wir aufgrund dieser extremen Dauerberieselung von Katastrophen-Headlines „ängstlich“ werden? Wundert es da, dass wir alle anfangen nur noch in großen Schlagzeilen zu denken: Finanzcrash, Immobiliencrash – Rezession in den USA – Gewalt in den Schulen, etc.
Leider ist auch die Politik ein Opfer dieser Form der Berichterstattung geworden. Das Negative wird zum Verkaufsschlager, Hauptsache irgendein armer Politiker hat mal wieder etwas gesagt, was man in den Medien ausschlachten kann. Doch das ist ein anderes Thema.
Schwarz-Weiß Denken
Das alles fördert in uns Menschen ein wenig differenziertes Schwarz-Weiß-Denken. Es geht nur noch um die großen Schlagzeilen, die großen Themen, denn heute kann man nur noch mit diesen großen Themen punkten, ansonsten geht man in der Masse unter. Aufwärtstrends werden zu Rallyes, Kursstürze von wenigen Prozent zu Crashs (ich kann mich da auch nicht von frei machen, keine Frage).
Dass jedoch die Welt eine Welt mit unendlich vielen Schattierungen ist, dass niemals irgendetwas ganz schwarz oder ganz weiß ist, sondern alles grau, also zwei Seiten hat, wird vergessen. Ich behaupte sogar, dass Denken selbst verliert die Fähigkeit zu Differenzierung. In der Psychologie ist so ein Schwarz-Weiß Denken jedoch pathologisch. Kein Wunder also, dass es uns so vorkommt, als sei die Welt dabei wahnsinnig zu werden – aus dieser Sicht stimmt es.
Bleiben Sie differenziert
Gerade wenn Sie sich mit den Börsen beschäftigen, dürfen Sie nicht in Gefahr laufen, in dieses Schwarz-Weiß Denken zu verfallen. Dabei ist es hier um ein Vielfaches leichter, denn es gibt nur zwei Möglichkeiten: Steigende Kurse / Fallende Kurse – so entstehen die Bullen, die auf steigende Kurse setzen und die Bären, die auf fallende Kurse wetten. Sind Sie erst einmal einem dieser Lager beigetreten, wird in Nachrichtenmanier auf Schlagzeilen gesetzt: Dow Jones auf 20.000 – Dax Crash in 2007.
Lassen Sie sich nicht in ein solches Schema pressen. Bleiben Sie differenziert – rechnen Sie immer mit allem und schauen Sie hinter die Schlagzeilen. Besonders auch hinter die Motivation diverser Schlagzeilen.
Die Mehrwertsteuererhöhung wird die Wirtschaft belasten, sie muss aber nicht direkt zu einem Crash an den Aktienmärkten führen. Die USA hat mit großen Defiziten zu kämpfen, das muss jedoch nicht unbedingt in einen Börsencrash münden. Der Immobilienmarkt in den USA war überhitzt, dass muss aber nicht zu einem Immobiliencrash führen. Die Ölreserven werden knapper, dass muss aber nicht direkt zu einer Mega-Ölkrise führen. Die Dax Aktien sind unterbewertet, das muss jedoch nicht unbedingt zu einer Jahrhundertrally führen – etc...
Gerade an den Börsen muss man sich von solchen Katastrophen oder Bullenszenarien lösen und auf das achten, was passiert. Wenn man sich dann noch in beide Seiten absichert – perfekt. Aus diesem Grund hatte ich Ihnen trotz meine bullishen Einstellung vor ein paar Tagen die bearische Sicht der Dinge vorgestellt, die wir unbedingt im Hinterkopf halten müssen – Sie erinnern sich: Das mögliche große Doppeltop im Dow.
Börsen profitieren von der Angst
Und an den Börsen war es eigentlich immer eine gute Zeit, wenn die Stimmung skeptisch war, wenn Angst die Märkte im Griff hatte. Erinnern wir uns an das Ende der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Auch damals waren die wenigsten wirklich bullish. Sehr viel Skepsis lag auf den Märkten, während sie stiegen und stiegen. Schauen Sie sich einfach mit ein wenig Distanz an, was die Börsen gemacht haben, als die Horrorszenarien in diesem Jahrtausend wieder hipp wurden. Es fing meines Erachtens Mitte 2002 so richtig an – damals verschwanden die Bullen und die Bären wie Bill Bonner, Erich Riechebächer u.a. hatten ihre große Zeit.
Der MSCI World fand sein Tief Ende 2002, der Dax folgte im März 2003. Während damals die Börsenwelt noch mit dem Untergang des amerikanischen Finanzsystems beschäftigt war, stiegen die Börsen immer weiter und weiter...
Zum Markt:
Noch immer ist der Markt unentschlossen, Die Konsolidierung läuft, es ist nach wie vor schwer abzuschätzen, wie weit sie geht. Ich hoffe nur, dass diese Schaukelbörse der letzten Tage nicht noch länger anhält.
von Jochen Steffens
Es überrascht mich immer wieder, obwohl ich mich selbst nicht ganz davon frei machen kann. Egal mit wem ich rede, die meisten Menschen, ob Börsianer oder nicht, haben ein äußerst pessimistisches Bild für die Zukunft dieser Welt. Selbst die Dauerbullen unter meinen Kollegen sehen die Zukunft skeptisch, nur rechnen sie mit gewissen Horrorszenarien erst viel später als die Bären.
Es gibt wenig Menschen von denen ich höre: “Wieso, es sieht doch alles ganz gut aus. Wir werden eine prima Zeit erleben – alles wird gut." Ich finde das erschütternd. Es ist, als ob ein kollektives Trauma auf den Menschen liegt. Ich weiß nicht, ob das nur in Nord-Europa so ist, oder auch in anderen Ländern (da ich weiß, dass einige von Ihnen im Ausland leben, schreiben Sie mir doch einmal, welchen Eindruck Sie von der Stimmung in Bezug zur Zukunft des jeweiligen Landes haben).
Ich frage mich auch, wie es dazu kommen konnte. In den 90er wurde noch das Ende des kalten Krieges gefeiert, alles schien möglich. Aber spätestens mit dem 11. September und mit dem Crash an den Aktienmärkten hat sich die Stimmung dramatisch geändert. Dabei ist die Realität doch eine andere:
Die Welt ist abhängig von sich selbst
Niemals zuvor kam es zu einer solchen Kooperation zwischen den Ländern, niemals zuvor waren die wirtschaftlichen Verflechtungen und Abhängigkeiten zwischen den Ländern dieser Erde so groß. Eigentlich kann sich kein größerer Staat erlauben, aus diesen wirtschaftlichen Verflechtungen auszuschwenken, ohne dabei einen riesigen volkswirtschaftlichen Schaden für das eigene Land zu riskieren. Das bedeutet zwar auch viel denkbarer Streit, aber eben auch eine enorme Sicherheit.
Die Nationen reden miteinander, wie niemals zuvor
Niemals zuvor kam es zu derart vielen Gesprächen und Diskussionen zwischen den einzelnen Ländern. Natürlich werden somit auch die Unterschiede deutlich, die verschiedenen Interessen, die sich zum Teil massiv widersprechen. Man erkennt es an dem aktuellen Konflikt mit dem Iran. Russland und China haben eine andere Haltung als die USA, die Europäische Union versucht eine Vermittlerrolle und Japan mischt auch noch kräftig mit. Aber alle reden miteinander, streiten zwar, arbeiten jedoch ebenso an Lösungen. Das war zuweilen ganz anders.
Doch irgendwie ticken wir nicht richtig
Das alles ändert nichts daran, dass die Menschen sich mit Horror- und Untergangszenarien beschäftigt sind. Sie glauben nicht, was ich alles für Mails erhalte, in denen diverse Szenarien beschrieben werden. Es scheint eine perfide Lust am Untergang zu existieren. Dabei ist das eigentlich nicht Neues. Untergangsszenarien sind dem Menschen ein treuer Freund. Die Bibel mit der Apokalypse ist nur das bekannteste Beispiel. Immer schon neigten die Menschen dazu alles Neue direkt mit einem möglichen Untergang zu verbinden.
Und vielleicht liegt darin auch der Grund, warum die Menschen so skeptisch sind. Wir erleben gerade tatsächlich eine neue Epoche. Wir erleben ein Informationszeitalter, in dem jedes Bussunglück in Indien zu uns auf die Monitore dringen kann. Die Welt wird kleiner und kleiner. Sie rückt immer enger zusammen. War es nicht gestern, als wir nur die Tagesschau hatten? Als morgens noch Schulfernsehen auf den Fernsehern flimmerten. Als die Zeitungen uns die meisten Nachrichten in wohl aufbereiteter Form gefühlvoll nahe brachten?
Und was ist heute? Angst verkauft sich. Jede noch so schrille negative Headline ist ein Absatzrenner mit dem viel Geld zu verdienen ist. Die ganze Welt wird nach absatzbringenden Negativ-Schlagzeilen durchforstet. Wir werden mit Angst quasi überkonsumiert.
Wundert es da, dass wir aufgrund dieser extremen Dauerberieselung von Katastrophen-Headlines „ängstlich“ werden? Wundert es da, dass wir alle anfangen nur noch in großen Schlagzeilen zu denken: Finanzcrash, Immobiliencrash – Rezession in den USA – Gewalt in den Schulen, etc.
Leider ist auch die Politik ein Opfer dieser Form der Berichterstattung geworden. Das Negative wird zum Verkaufsschlager, Hauptsache irgendein armer Politiker hat mal wieder etwas gesagt, was man in den Medien ausschlachten kann. Doch das ist ein anderes Thema.
Schwarz-Weiß Denken
Das alles fördert in uns Menschen ein wenig differenziertes Schwarz-Weiß-Denken. Es geht nur noch um die großen Schlagzeilen, die großen Themen, denn heute kann man nur noch mit diesen großen Themen punkten, ansonsten geht man in der Masse unter. Aufwärtstrends werden zu Rallyes, Kursstürze von wenigen Prozent zu Crashs (ich kann mich da auch nicht von frei machen, keine Frage).
Dass jedoch die Welt eine Welt mit unendlich vielen Schattierungen ist, dass niemals irgendetwas ganz schwarz oder ganz weiß ist, sondern alles grau, also zwei Seiten hat, wird vergessen. Ich behaupte sogar, dass Denken selbst verliert die Fähigkeit zu Differenzierung. In der Psychologie ist so ein Schwarz-Weiß Denken jedoch pathologisch. Kein Wunder also, dass es uns so vorkommt, als sei die Welt dabei wahnsinnig zu werden – aus dieser Sicht stimmt es.
Bleiben Sie differenziert
Gerade wenn Sie sich mit den Börsen beschäftigen, dürfen Sie nicht in Gefahr laufen, in dieses Schwarz-Weiß Denken zu verfallen. Dabei ist es hier um ein Vielfaches leichter, denn es gibt nur zwei Möglichkeiten: Steigende Kurse / Fallende Kurse – so entstehen die Bullen, die auf steigende Kurse setzen und die Bären, die auf fallende Kurse wetten. Sind Sie erst einmal einem dieser Lager beigetreten, wird in Nachrichtenmanier auf Schlagzeilen gesetzt: Dow Jones auf 20.000 – Dax Crash in 2007.
Lassen Sie sich nicht in ein solches Schema pressen. Bleiben Sie differenziert – rechnen Sie immer mit allem und schauen Sie hinter die Schlagzeilen. Besonders auch hinter die Motivation diverser Schlagzeilen.
Die Mehrwertsteuererhöhung wird die Wirtschaft belasten, sie muss aber nicht direkt zu einem Crash an den Aktienmärkten führen. Die USA hat mit großen Defiziten zu kämpfen, das muss jedoch nicht unbedingt in einen Börsencrash münden. Der Immobilienmarkt in den USA war überhitzt, dass muss aber nicht zu einem Immobiliencrash führen. Die Ölreserven werden knapper, dass muss aber nicht direkt zu einer Mega-Ölkrise führen. Die Dax Aktien sind unterbewertet, das muss jedoch nicht unbedingt zu einer Jahrhundertrally führen – etc...
Gerade an den Börsen muss man sich von solchen Katastrophen oder Bullenszenarien lösen und auf das achten, was passiert. Wenn man sich dann noch in beide Seiten absichert – perfekt. Aus diesem Grund hatte ich Ihnen trotz meine bullishen Einstellung vor ein paar Tagen die bearische Sicht der Dinge vorgestellt, die wir unbedingt im Hinterkopf halten müssen – Sie erinnern sich: Das mögliche große Doppeltop im Dow.
Börsen profitieren von der Angst
Und an den Börsen war es eigentlich immer eine gute Zeit, wenn die Stimmung skeptisch war, wenn Angst die Märkte im Griff hatte. Erinnern wir uns an das Ende der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Auch damals waren die wenigsten wirklich bullish. Sehr viel Skepsis lag auf den Märkten, während sie stiegen und stiegen. Schauen Sie sich einfach mit ein wenig Distanz an, was die Börsen gemacht haben, als die Horrorszenarien in diesem Jahrtausend wieder hipp wurden. Es fing meines Erachtens Mitte 2002 so richtig an – damals verschwanden die Bullen und die Bären wie Bill Bonner, Erich Riechebächer u.a. hatten ihre große Zeit.
Der MSCI World fand sein Tief Ende 2002, der Dax folgte im März 2003. Während damals die Börsenwelt noch mit dem Untergang des amerikanischen Finanzsystems beschäftigt war, stiegen die Börsen immer weiter und weiter...
Zum Markt:
Noch immer ist der Markt unentschlossen, Die Konsolidierung läuft, es ist nach wie vor schwer abzuschätzen, wie weit sie geht. Ich hoffe nur, dass diese Schaukelbörse der letzten Tage nicht noch länger anhält.