"Jetzt beginnt die Arbeit"
Scheer: Die Übertreibungen der ,New Economy"
haben ein Ende - Entwicklung geht weiter
Die vergangenen Monate waren turbulent. Viele Firmen der
"neuen Wirtschaft" (New Economy) waren angetreten, die
klassischen Vetriebsstruktur aufzubrechen. Inzwischen ist
Ernüchterung eingekehrt. Was dies für Folgen hat, darüber
sprachen wir mit dem Saarbrücker Hochschullehrer
Professor August-Wilhelm Scheer, gleichzeitig
Aufsichtsratsvorsitzender der IDS Scheer AG.
Frage: Die Internet-Wirtschaft schwächelt, abstürzende
Aktienkurse, Firmenpleiten. Alles nur eine Schimäre - ist
die "New Economy" schon wieder am Ende, ehe sie richtig
begann?
Scheer: Nein, das ist sie nicht. Wir stehen mitten drin.
Man muss aber Unterschiede zwischen der
Veränderungskraft des Internet und den Geschäftsmodellen
machen, mit denen im Augenblick gearbeitet wird.
Dot-com-Unternehmen haben nur deshalb die "New
Economy" für sich beanspruchen können, weil die
klassische Wirtschaft, also die "Old Economy", diese nicht
angenommen hat oder annehmen konnte.
Frage: ...so wie die Napster?
Scheer: Bertelsmann etwa konnte nicht auf die Idee
kommen, einen kostenlosen Musiktitelaustausch wie
Napster anzubieten. Dadurch hätten sie ihre etablierten
Vertriebskanäle kaputtgemacht. Die "New Economy"
konnte sich zunächst parallel entwickeln. Jetzt übernehmen
Unternehmen der alten viele Ideen der jungen Unternehmen.
Die "New economy" lernt, dass sie sich nicht aus der
betriebswirtschaftlichen Seriösität lösen kann.
Frage: Wo liegen die Gründe für die gegenwärtigen
Probleme?
Scheer : Es wäre schon ein Witz gewesen, wenn die "New
economy" auf Dauer in solchen Übertreibungen Erfolg
gehabt hätte, weil sie das klassische betriebswirtschaftliche
Denken auf den Kopf gestellt hat. Wenn es funktioniert
hätte, dass 19-Jährige Tausende von gestandenen
Unternehmern die Nase mit unausgegorenen
Geschäftsideen lang gemacht hätten, dann hätte das
letztlich unsere gesamte Wertevorstellung auf den Kopf
gestellt. Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen.
Frage: Wollten da nicht zu viele zu schnell reich werden?
Scheer: : Da haben sich in der Tat Denkweisen
eingeschlichen, die jeder Rationalität entbehrten. Auch die
Banken haben ihre Mitschuld an dieser Entwicklung: Sie
haben einen regelrechten Wettbewerb nach dem Motto
"Wer liegt vorn?" veranstaltet, immer mehr junge Firmen an
die Börse zu bringen, ohne ausreichend auf deren Substanz
zu achten. Anleger haben Aktien von Firmen gekauft, deren
Produkte sie nicht mal kannten. Da ist eine ganze
Generation aus den Fugen geraten. Jetzt ist die
Katerstimmung da, für viele traurig, aber auch heilsam.
Frage: Wie konnten sich Unternehmen zu
Milliardenbewertungen im Börsenwert aufschaukeln, die nur
millionenschwere Verluste schreiben wie etwa der
Internet-Buchhändler Amazon?
Scheer: Amazons Geschäftsidee gefällt mir ja noch und
macht auch Sinn. Die wird sich auch durchsetzen. Generell
wurde da aber mit Zukunftshoffnungen gehandelt, die jetzt
auf wieder auf den Boden der Ökonomie zurückgefallen
sind. Nochmal: Die "alte Ökonomie" konnte aus ihrem
Selbstverständnis her mit ihren eingefahrenen Wegen in
Produktion und Vertrieb gar nicht das Salz in der
Internet-Suppe sein. Da kamen die Jungfirmen und
besetzten die Lücke. Aber all jene, die außer einer leicht
kopierbaren Idee nichts hatten, die scheiden jetzt aus dem
Markt aus. Wer es schafft, mit seiner Idee eine
Alleinstellung zu erreichen und betriebswirtschaftlich seriös
handelt, hat Chancen.
Frage: Welche Rolle haben denn die Analysten und
Banken bei der Überhitzung gespielt?
Scheer: Alle haben eifrig mitgespielt. Es war in der Tat
überall Goldgräberstimmung. Bei den Anlegern, die
glaubten, mühelos reich zu werden, und bei den Banken,
die ihre Provisionen an jedem Börsenumsatz verdienen und
natürlich auch bei den Analysten, die unter einer Art
Gruppenzwang handelten und sich gegenseitig in ihren
Prognosen übertreffen wollten. Alle haben sich gegenseitig
am Neuen Markt hochgeschaukelt und das rechte Maß
verloren. Die haben Millionen in die Hand genommen wie
andere Leute einen Zehn- oder Hundertmarkschein.
Frage: "New Economy" - das hieß auch eine neue
Gründerkultur mit mutigen jungen Leuten. Nimmt diese
Kultur jetzt durch die Katerstimmung Schaden?
Scheer: Ich hoffe es nicht. Denn ohne mutige junge
Unternehmen mit Visionen geht es nicht. Allerdings wird es
nicht mehr so viele Spontangründungen geben. Boy Groups,
die mal eben nach Hamburg fahren und ihre Idee dort
Analysten präsentieren und auf dem Rückweg schon wieder
andere Ideen haben - das ist vorbei. Ich hatte bei meinem
Unternehmen immer einen Vorlauf von etwa fünf Jahren
Forschung, bis wir etwas realisiert haben. Jetzt ist die
große Nachdenklichkeit eingekehrt. Eine ähnliche
Bereinigung, wenn auch auf niedrigerem Niveau, wird es
über kurz oder lang auch in der Boombranche
Biotechnologie geben. Aber nicht Häme und Besserwisserei
sind gefragt, sondern Hilfe.
Frage: Aktueller Konjunktureinbruch wie in den USA,
unsichere Konjunktur-Aussichten hierzulande,
Katerstimmung an den Börsen. Ist das Spiel aus? Welche
Signale erwarten Sie von der Cebit?
Scheer: Das Spiel ist zwar aus, die Arbeit aber geht weiter.
Die neuen Technologien eröffnen weiterhin innovative Ideen
für innovative Produkte und Geschäftsprozesse und damit
Unternehmensgründungen und Wachstum. Deshalb glaube
ich, dass auf der Cebit die euphorische Stimmung durch
professionellere Diskussionen ersetzt wird. Das E-Business
wird jetzt von Profis übernommen. Eine mögliche
Konjunkturschwäche muss bei
IT-(Informationstechnik)Lösungen nicht nur negativ wirken:
Unternehmens müssen rationalisieren, sich im stärkerem
Wettbewerb kundenfreundlicher aufstellen. Das sind jetzt
die Treiber für neue IT-Anwendungen.
Scheer: Die Übertreibungen der ,New Economy"
haben ein Ende - Entwicklung geht weiter
Die vergangenen Monate waren turbulent. Viele Firmen der
"neuen Wirtschaft" (New Economy) waren angetreten, die
klassischen Vetriebsstruktur aufzubrechen. Inzwischen ist
Ernüchterung eingekehrt. Was dies für Folgen hat, darüber
sprachen wir mit dem Saarbrücker Hochschullehrer
Professor August-Wilhelm Scheer, gleichzeitig
Aufsichtsratsvorsitzender der IDS Scheer AG.
Frage: Die Internet-Wirtschaft schwächelt, abstürzende
Aktienkurse, Firmenpleiten. Alles nur eine Schimäre - ist
die "New Economy" schon wieder am Ende, ehe sie richtig
begann?
Scheer: Nein, das ist sie nicht. Wir stehen mitten drin.
Man muss aber Unterschiede zwischen der
Veränderungskraft des Internet und den Geschäftsmodellen
machen, mit denen im Augenblick gearbeitet wird.
Dot-com-Unternehmen haben nur deshalb die "New
Economy" für sich beanspruchen können, weil die
klassische Wirtschaft, also die "Old Economy", diese nicht
angenommen hat oder annehmen konnte.
Frage: ...so wie die Napster?
Scheer: Bertelsmann etwa konnte nicht auf die Idee
kommen, einen kostenlosen Musiktitelaustausch wie
Napster anzubieten. Dadurch hätten sie ihre etablierten
Vertriebskanäle kaputtgemacht. Die "New Economy"
konnte sich zunächst parallel entwickeln. Jetzt übernehmen
Unternehmen der alten viele Ideen der jungen Unternehmen.
Die "New economy" lernt, dass sie sich nicht aus der
betriebswirtschaftlichen Seriösität lösen kann.
Frage: Wo liegen die Gründe für die gegenwärtigen
Probleme?
Scheer : Es wäre schon ein Witz gewesen, wenn die "New
economy" auf Dauer in solchen Übertreibungen Erfolg
gehabt hätte, weil sie das klassische betriebswirtschaftliche
Denken auf den Kopf gestellt hat. Wenn es funktioniert
hätte, dass 19-Jährige Tausende von gestandenen
Unternehmern die Nase mit unausgegorenen
Geschäftsideen lang gemacht hätten, dann hätte das
letztlich unsere gesamte Wertevorstellung auf den Kopf
gestellt. Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen.
Frage: Wollten da nicht zu viele zu schnell reich werden?
Scheer: : Da haben sich in der Tat Denkweisen
eingeschlichen, die jeder Rationalität entbehrten. Auch die
Banken haben ihre Mitschuld an dieser Entwicklung: Sie
haben einen regelrechten Wettbewerb nach dem Motto
"Wer liegt vorn?" veranstaltet, immer mehr junge Firmen an
die Börse zu bringen, ohne ausreichend auf deren Substanz
zu achten. Anleger haben Aktien von Firmen gekauft, deren
Produkte sie nicht mal kannten. Da ist eine ganze
Generation aus den Fugen geraten. Jetzt ist die
Katerstimmung da, für viele traurig, aber auch heilsam.
Frage: Wie konnten sich Unternehmen zu
Milliardenbewertungen im Börsenwert aufschaukeln, die nur
millionenschwere Verluste schreiben wie etwa der
Internet-Buchhändler Amazon?
Scheer: Amazons Geschäftsidee gefällt mir ja noch und
macht auch Sinn. Die wird sich auch durchsetzen. Generell
wurde da aber mit Zukunftshoffnungen gehandelt, die jetzt
auf wieder auf den Boden der Ökonomie zurückgefallen
sind. Nochmal: Die "alte Ökonomie" konnte aus ihrem
Selbstverständnis her mit ihren eingefahrenen Wegen in
Produktion und Vertrieb gar nicht das Salz in der
Internet-Suppe sein. Da kamen die Jungfirmen und
besetzten die Lücke. Aber all jene, die außer einer leicht
kopierbaren Idee nichts hatten, die scheiden jetzt aus dem
Markt aus. Wer es schafft, mit seiner Idee eine
Alleinstellung zu erreichen und betriebswirtschaftlich seriös
handelt, hat Chancen.
Frage: Welche Rolle haben denn die Analysten und
Banken bei der Überhitzung gespielt?
Scheer: Alle haben eifrig mitgespielt. Es war in der Tat
überall Goldgräberstimmung. Bei den Anlegern, die
glaubten, mühelos reich zu werden, und bei den Banken,
die ihre Provisionen an jedem Börsenumsatz verdienen und
natürlich auch bei den Analysten, die unter einer Art
Gruppenzwang handelten und sich gegenseitig in ihren
Prognosen übertreffen wollten. Alle haben sich gegenseitig
am Neuen Markt hochgeschaukelt und das rechte Maß
verloren. Die haben Millionen in die Hand genommen wie
andere Leute einen Zehn- oder Hundertmarkschein.
Frage: "New Economy" - das hieß auch eine neue
Gründerkultur mit mutigen jungen Leuten. Nimmt diese
Kultur jetzt durch die Katerstimmung Schaden?
Scheer: Ich hoffe es nicht. Denn ohne mutige junge
Unternehmen mit Visionen geht es nicht. Allerdings wird es
nicht mehr so viele Spontangründungen geben. Boy Groups,
die mal eben nach Hamburg fahren und ihre Idee dort
Analysten präsentieren und auf dem Rückweg schon wieder
andere Ideen haben - das ist vorbei. Ich hatte bei meinem
Unternehmen immer einen Vorlauf von etwa fünf Jahren
Forschung, bis wir etwas realisiert haben. Jetzt ist die
große Nachdenklichkeit eingekehrt. Eine ähnliche
Bereinigung, wenn auch auf niedrigerem Niveau, wird es
über kurz oder lang auch in der Boombranche
Biotechnologie geben. Aber nicht Häme und Besserwisserei
sind gefragt, sondern Hilfe.
Frage: Aktueller Konjunktureinbruch wie in den USA,
unsichere Konjunktur-Aussichten hierzulande,
Katerstimmung an den Börsen. Ist das Spiel aus? Welche
Signale erwarten Sie von der Cebit?
Scheer: Das Spiel ist zwar aus, die Arbeit aber geht weiter.
Die neuen Technologien eröffnen weiterhin innovative Ideen
für innovative Produkte und Geschäftsprozesse und damit
Unternehmensgründungen und Wachstum. Deshalb glaube
ich, dass auf der Cebit die euphorische Stimmung durch
professionellere Diskussionen ersetzt wird. Das E-Business
wird jetzt von Profis übernommen. Eine mögliche
Konjunkturschwäche muss bei
IT-(Informationstechnik)Lösungen nicht nur negativ wirken:
Unternehmens müssen rationalisieren, sich im stärkerem
Wettbewerb kundenfreundlicher aufstellen. Das sind jetzt
die Treiber für neue IT-Anwendungen.