"Es könnte noch schlimmer kommen"
Die deutsche Wirtschaft ist "zurzeit am Rande der Rezession". Nicht gerade ein rosiges Bild, das die sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten zeichnen. Und es könnte noch schlimemr kommen: Ein negativerer Konjunkturverlauf als im Herbstgutachten prognostiziert ist durchaus denkbar. "Risiken gibt es genug", sagte Oscar-Erich Kuntze vom Münchner ifo-Institut für Wirtschaftsforschung am Dienstag bei der Vorstellung des Herbstgutachtens in Berlin. Prompt kommt die Gegenreaktion der Bundesregierung: Deutschland stehe nicht vor einer Rezession, ließ Bundeswirtschaftsminister Müller verlauten...
Immerhin teilt Müller die Auffassung der Institute, die für dieses Jahr ein Wachstum von 0,7 und für nächstes von 1,3 Prozent voraussagen, ausdrücklich. Allerdings sei die Talsohle bereits im Spätsommer verlassen worden, so Müller. Durch die Anschläge komme es jedoch zu Verzögerungen.
Dagegen sehen die sechs Forschungsinstitute für Deutschland im vierten Quartal dieses Jahres eine wirtschaftliche Stagnation. Die Talsohle werde erst im Frühjahr 2002 durchschritten sein. Außerdem führen die Wirtschaftsforscher das schwache Wachstum im Wesentlichen auf die Verschlechterung des weltwirtschaftlichen Umfeldes zurück. Vor allem seien die von der Abschwächung in den USA ausgehenden dämpfenden Effekte auf andere Regionen und die damit verbundenen kumulativen Wirkungen unterschätzt worden. Ein weiterer Grund für die Korrektur liege in der unerwarteten Beschleunigung des Preisauftriebs im Frühjahr. Dagegen sei die Prognosekorrektur nur zu einem geringen Teil Folge der Terroranschläge vom 11. September.
Die wirtschaftlichen Folgen der Terroranschläge in den USA seien insgesamt nur schwer abzuschätzen. Eine Quantifizierung aller "Effekte und ihres Zusammenwirkens ist schwierig und von großer Unsicherheit geprägt, da nur sehr begrenzt Analogien zu früheren Ereignissen gezogen werden können", heißt es in dem Gutachten. Die negativen direkten und indirekten Folgen der Terroranschläge in den USA würden "zunächst deutlich überwiegen".
IT-Sektor profitiert
Einige Folgen könnten sich als dauerhaft erweisen, wie etwa die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen. Die dadurch bedingten höheren Flug- und Transportkosten könnten wieder zu größerer Lagerhaltung führen, heißt es im Gutachten. Zudem könnte die Konzentration von Produktionsprozessen aus Sicherheitserwägungen überdacht und dadurch auf Skalenerträge verzichtet werden.
Die Folge dieser Entwicklungen seien steigende Produktionskosten. Der IT-Sektor dürfte nach Einschätzung der Institute hingegen langfristig profitieren und per saldo angeregt werden, da die Nachfrage nach elektronischen Produkten durch wachsende Militärausgaben, Investitionen in Sicherheitstechnologien oder Back-up-Systeme für die Datenverarbeitung zunehme.
Konsumenten haben bald wieder Vertrauen
Die psychologischen Effekte auf das Konsumenten- und Investitionsverhalten beurteilen die Institute als überwiegend vorübergehend. Die gestiegene Unsicherheit halte derzeit private Haushalte von geplanten Käufen und Unternehmen von Investitionen ab. Erfahrungsgemäß näherten sich die Verbrauchs- und Investitionsgewohnheiten jedoch mit der Zeit wieder alten Mustern an.
Die momentan schwächere Nachfrage führe allerdings zu Entlassungen und dies schmälere für sich genommen das verfügbare Einkommen. Bei erhöhtem Arbeitsplatzrisiko könne zudem die Sparquote steigen. Sobald jedoch das Vertrauen der Konsumenten zurückkehre, träten auch sich selbst verstärkende expansive Effekte auf, schreiben die Wirtschaftswissenschaftler.
Die Prognosen im Überblick
Voraussetzung für die neue Prognose sei, dass es keine neuen Anschläge und keine politische Eskalation gebe, dass die Militäreinsätze der USA begrenzt und der Ölpreis bei 25 US-Dollar im Schnitt stabil bleibe. Unter diesen Bedingungen wird für das zweite Halbjahr 2002 ein Anziehen der Weltkonjunktur erwartet. Der Welthandel könne dann um 3,5 Prozent zunehmen - nach einer Stagnation in diesem Jahr. Die einzelnen Prognosen der Forschungsinstitute im Überblick:
Wirtschaftswachstum: Nach einem Wachstum von lediglich 0,7 Prozent im laufenden Jahr wird sich die Konjunktur im kommenden Jahr verbessern. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte dann um 1,3 Prozent zulegen - angeregt von einer Erholung der Exporte und kräftigerer Inlandsnachfrage. Damit korrigierten die Wirtschaftsforscher ihre Prognosen deutlich nach unten. Noch im Frühjahr waren sie für dieses Jahr von einem Wachstum von 2,1 Prozent und für 2002 von einem Plus von 2,2 Prozent ausgegangen. Als mögliche Maßnahme zur Ankurbelung der Wirtschaft nennen die Experten ein Vorziehen der für Anfang 2003 geplanten Steuerreform auf das kommende Jahr.
Inflationsrate: Die Forscher sehen die Inflationsrate in diesem Jahr bei 2,5 und im nächsten Jahr bei 1,5 Prozent. Der reale Verbrauch würde davon profitieren. Die Unternehmen sollten ihre Investitionen angesichts der optimistischeren Absatz- und Ertragserwartungen wieder deutlich ausweiten.
Arbeitslosenquote: Die Arbeitslosigkeit wird zunächst weiter steigen und im kommenden Winter saisonbereinigt 3,9 Millionen erreichen; unbereinigt entspreche dies 4,25 Millionen. Im Verlauf des kommenden Jahres werde die Arbeitslosigkeit wieder sinken und am Jahresende bei 3,8 Millionen liegen. Für 2001 werden im Schnitt 3,845 Millionen Arbeitslose und für nächstes Jahr 3,860 Millionen erwartet. Die Arbeitslosenquote sehen die Institute bei 9,0 bis 9,1 Prozent.
Leitzins der EZB: Die Europäische Zentralbank (EZB) wird den Leitzins nach Einschätzung der Forscher bis zum Jahresende um weitere 25 Basispunkte senken. Er erreiche dann mit 3,5 Prozent eine Größenordnung, die bei dem derzeit geringen Inflationsrisiko und der voraussichtlichen Konjunkturentwicklung "angemessen" sei. Die Leitzinsenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) nach den Terroranschlägen in den USA war im Urteil der sechs Wirtschaftsforschungsinstitute gerechtfertigt, denn sie habe damit "der Verschlechterung der Konjunkturaussichten gerade auch nach dem 11. September Rechnung getragen".
US-Wirtschaft: Das Bruttoinlandsprodukt der USA wird im laufenden Jahr um 0,9 Prozent und im kommenden Jahr um 1,7 Prozent wachsen. Im Herbstgutachten gehen die Institute davon aus, dass sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und Produktion nach dem "schockinduzierten" Rückgang im zweiten Halbjahr 2001 im kommenden Jahr erholen und im weiteren Jahresverlauf als Folge der expansiven Fiskal- und Geldpolitik noch an Schwung gewinnen wird. Derzeit befinde sich die US-Wirtschaft in einer Rezession. Privater Konsum, Ausrüstungsinvestitionen sowie das gesamte Bruttoinlandsprodukt werden nach Meinung der Institute trotz der zusätzlichen finanzpolitischen Maßnahmen und der gelockerten Geldpolitik im zweiten Halbjahr 2001 absolut sinken. Das rasche Vorgehen der Wirtschaftspolitik wird aus Sicht der Institute jedoch dazu führen, dass die Stimmungseintrübung nicht von Dauer sein wird.
Mittel- und Osteuropa: Das Bruttoinlandsprodukt der mittel- und osteuropäischen Länder werde 2001 und 2002 um jeweils 2,7 Prozent nach 3,8 Prozent im Jahr 2000 zunehmen, heißt es in der Prognose der Institute weiter.
Ölpreis: In ihrem Herbstgutachten unterstellen die Wirtschaftsforscher für das laufende wie das kommende Jahr im Durchschnitt einen Ölpreis von 25 US-Dollar pro Barrel. Die Ölversorgung wird nach Einschätzung der Wissenschaftler nicht beeinträchtigt werden. Allerdings könnte eine Zuspitzung der Situation im Nahen und Mittleren Osten als Folge der amerikanischen Militäraktion zu einer Verknappung des Rohölangebots führen. Daraus könnten höhere Ölpreise resultieren, die die Weltwirtschaft gravierend belasten würden.
Die deutsche Wirtschaft ist "zurzeit am Rande der Rezession". Nicht gerade ein rosiges Bild, das die sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten zeichnen. Und es könnte noch schlimemr kommen: Ein negativerer Konjunkturverlauf als im Herbstgutachten prognostiziert ist durchaus denkbar. "Risiken gibt es genug", sagte Oscar-Erich Kuntze vom Münchner ifo-Institut für Wirtschaftsforschung am Dienstag bei der Vorstellung des Herbstgutachtens in Berlin. Prompt kommt die Gegenreaktion der Bundesregierung: Deutschland stehe nicht vor einer Rezession, ließ Bundeswirtschaftsminister Müller verlauten...
Immerhin teilt Müller die Auffassung der Institute, die für dieses Jahr ein Wachstum von 0,7 und für nächstes von 1,3 Prozent voraussagen, ausdrücklich. Allerdings sei die Talsohle bereits im Spätsommer verlassen worden, so Müller. Durch die Anschläge komme es jedoch zu Verzögerungen.
Dagegen sehen die sechs Forschungsinstitute für Deutschland im vierten Quartal dieses Jahres eine wirtschaftliche Stagnation. Die Talsohle werde erst im Frühjahr 2002 durchschritten sein. Außerdem führen die Wirtschaftsforscher das schwache Wachstum im Wesentlichen auf die Verschlechterung des weltwirtschaftlichen Umfeldes zurück. Vor allem seien die von der Abschwächung in den USA ausgehenden dämpfenden Effekte auf andere Regionen und die damit verbundenen kumulativen Wirkungen unterschätzt worden. Ein weiterer Grund für die Korrektur liege in der unerwarteten Beschleunigung des Preisauftriebs im Frühjahr. Dagegen sei die Prognosekorrektur nur zu einem geringen Teil Folge der Terroranschläge vom 11. September.
Die wirtschaftlichen Folgen der Terroranschläge in den USA seien insgesamt nur schwer abzuschätzen. Eine Quantifizierung aller "Effekte und ihres Zusammenwirkens ist schwierig und von großer Unsicherheit geprägt, da nur sehr begrenzt Analogien zu früheren Ereignissen gezogen werden können", heißt es in dem Gutachten. Die negativen direkten und indirekten Folgen der Terroranschläge in den USA würden "zunächst deutlich überwiegen".
IT-Sektor profitiert
Einige Folgen könnten sich als dauerhaft erweisen, wie etwa die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen. Die dadurch bedingten höheren Flug- und Transportkosten könnten wieder zu größerer Lagerhaltung führen, heißt es im Gutachten. Zudem könnte die Konzentration von Produktionsprozessen aus Sicherheitserwägungen überdacht und dadurch auf Skalenerträge verzichtet werden.
Die Folge dieser Entwicklungen seien steigende Produktionskosten. Der IT-Sektor dürfte nach Einschätzung der Institute hingegen langfristig profitieren und per saldo angeregt werden, da die Nachfrage nach elektronischen Produkten durch wachsende Militärausgaben, Investitionen in Sicherheitstechnologien oder Back-up-Systeme für die Datenverarbeitung zunehme.
Konsumenten haben bald wieder Vertrauen
Die psychologischen Effekte auf das Konsumenten- und Investitionsverhalten beurteilen die Institute als überwiegend vorübergehend. Die gestiegene Unsicherheit halte derzeit private Haushalte von geplanten Käufen und Unternehmen von Investitionen ab. Erfahrungsgemäß näherten sich die Verbrauchs- und Investitionsgewohnheiten jedoch mit der Zeit wieder alten Mustern an.
Die momentan schwächere Nachfrage führe allerdings zu Entlassungen und dies schmälere für sich genommen das verfügbare Einkommen. Bei erhöhtem Arbeitsplatzrisiko könne zudem die Sparquote steigen. Sobald jedoch das Vertrauen der Konsumenten zurückkehre, träten auch sich selbst verstärkende expansive Effekte auf, schreiben die Wirtschaftswissenschaftler.
Die Prognosen im Überblick
Voraussetzung für die neue Prognose sei, dass es keine neuen Anschläge und keine politische Eskalation gebe, dass die Militäreinsätze der USA begrenzt und der Ölpreis bei 25 US-Dollar im Schnitt stabil bleibe. Unter diesen Bedingungen wird für das zweite Halbjahr 2002 ein Anziehen der Weltkonjunktur erwartet. Der Welthandel könne dann um 3,5 Prozent zunehmen - nach einer Stagnation in diesem Jahr. Die einzelnen Prognosen der Forschungsinstitute im Überblick:
Wirtschaftswachstum: Nach einem Wachstum von lediglich 0,7 Prozent im laufenden Jahr wird sich die Konjunktur im kommenden Jahr verbessern. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte dann um 1,3 Prozent zulegen - angeregt von einer Erholung der Exporte und kräftigerer Inlandsnachfrage. Damit korrigierten die Wirtschaftsforscher ihre Prognosen deutlich nach unten. Noch im Frühjahr waren sie für dieses Jahr von einem Wachstum von 2,1 Prozent und für 2002 von einem Plus von 2,2 Prozent ausgegangen. Als mögliche Maßnahme zur Ankurbelung der Wirtschaft nennen die Experten ein Vorziehen der für Anfang 2003 geplanten Steuerreform auf das kommende Jahr.
Inflationsrate: Die Forscher sehen die Inflationsrate in diesem Jahr bei 2,5 und im nächsten Jahr bei 1,5 Prozent. Der reale Verbrauch würde davon profitieren. Die Unternehmen sollten ihre Investitionen angesichts der optimistischeren Absatz- und Ertragserwartungen wieder deutlich ausweiten.
Arbeitslosenquote: Die Arbeitslosigkeit wird zunächst weiter steigen und im kommenden Winter saisonbereinigt 3,9 Millionen erreichen; unbereinigt entspreche dies 4,25 Millionen. Im Verlauf des kommenden Jahres werde die Arbeitslosigkeit wieder sinken und am Jahresende bei 3,8 Millionen liegen. Für 2001 werden im Schnitt 3,845 Millionen Arbeitslose und für nächstes Jahr 3,860 Millionen erwartet. Die Arbeitslosenquote sehen die Institute bei 9,0 bis 9,1 Prozent.
Leitzins der EZB: Die Europäische Zentralbank (EZB) wird den Leitzins nach Einschätzung der Forscher bis zum Jahresende um weitere 25 Basispunkte senken. Er erreiche dann mit 3,5 Prozent eine Größenordnung, die bei dem derzeit geringen Inflationsrisiko und der voraussichtlichen Konjunkturentwicklung "angemessen" sei. Die Leitzinsenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) nach den Terroranschlägen in den USA war im Urteil der sechs Wirtschaftsforschungsinstitute gerechtfertigt, denn sie habe damit "der Verschlechterung der Konjunkturaussichten gerade auch nach dem 11. September Rechnung getragen".
US-Wirtschaft: Das Bruttoinlandsprodukt der USA wird im laufenden Jahr um 0,9 Prozent und im kommenden Jahr um 1,7 Prozent wachsen. Im Herbstgutachten gehen die Institute davon aus, dass sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und Produktion nach dem "schockinduzierten" Rückgang im zweiten Halbjahr 2001 im kommenden Jahr erholen und im weiteren Jahresverlauf als Folge der expansiven Fiskal- und Geldpolitik noch an Schwung gewinnen wird. Derzeit befinde sich die US-Wirtschaft in einer Rezession. Privater Konsum, Ausrüstungsinvestitionen sowie das gesamte Bruttoinlandsprodukt werden nach Meinung der Institute trotz der zusätzlichen finanzpolitischen Maßnahmen und der gelockerten Geldpolitik im zweiten Halbjahr 2001 absolut sinken. Das rasche Vorgehen der Wirtschaftspolitik wird aus Sicht der Institute jedoch dazu führen, dass die Stimmungseintrübung nicht von Dauer sein wird.
Mittel- und Osteuropa: Das Bruttoinlandsprodukt der mittel- und osteuropäischen Länder werde 2001 und 2002 um jeweils 2,7 Prozent nach 3,8 Prozent im Jahr 2000 zunehmen, heißt es in der Prognose der Institute weiter.
Ölpreis: In ihrem Herbstgutachten unterstellen die Wirtschaftsforscher für das laufende wie das kommende Jahr im Durchschnitt einen Ölpreis von 25 US-Dollar pro Barrel. Die Ölversorgung wird nach Einschätzung der Wissenschaftler nicht beeinträchtigt werden. Allerdings könnte eine Zuspitzung der Situation im Nahen und Mittleren Osten als Folge der amerikanischen Militäraktion zu einer Verknappung des Rohölangebots führen. Daraus könnten höhere Ölpreise resultieren, die die Weltwirtschaft gravierend belasten würden.