20. März 2003 Mit seinen Prognosen in den mit FAZ.NET früher geführten Interviews (siehe Links) hat Christian Plenz, Leiter der technischen Analyse bei der auf mittlere und kleinere Nebenwerte spezialisierten Investmentbank Equinet, bewiesen, dass er den Bärenmarkt gut im Griff hat. Seine Vorhersagen haben sich bisher weit gehend bewahrheitet. Nach der jüngsten Kursrally stellt sich die Frage, ob das Szenario für den Dax neu geschrieben werden muss.
Doch Plenz sieht keinen Anlass zum Umdenken. Schon zu Jahresbeginn hat er für das Frühjahr eine Erholungsbewegung angekündigt. Diese Entwicklung habe sich jetzt eingestellt, doch dabei handele es sich nicht um generelle Trendwende, sondern um eine letzte Chance zum Ausstieg. Im nachfolgenden Interview begründet Plenz seine anhaltend skeptische Grundhaltung.
Herr Plenz, markieren die jüngsten Kursgewinne beim Dax das Ende des Bärenmarktes?
Meine Meinung ist ganz klar: Das ist keine Trendwende. Es handelt sich nur um eine heftige Zwischenkorrektur, aber diese Bärenmarktrally wird am grundsätzlich abwärts gerichteten Trend nichts ändern. Das ist mir ganz wichtig, das zu sagen. Denn in ein bis zwei Wochen wird das Ganze wieder ganz anders aussehen. Davon bin ich felsenfest überzeugt.
Allerdings werden vermutlich diejenigen, die sich die ganze Zeit geärgert haben, und gesagt haben, hätte ich nur verkauft, jetzt vermutlich überhaupt nicht mehr verkaufen wollen, weil sie denken, dass es noch weiter läuft. Aber jetzt ist die Chance gekommen, noch einmal auszusteigen
An welchen Chartmarken orientieren Sie sich derzeit?
Mein bisheriges Szenario bleibt bestehen. Wir werden in den kommenden Tagen wieder nach unten drehen. Wir werden ein Hoch im Bereich von 2.700 bis 2.900 Punkten sehen. Das ist dann die letzte Chance, sich aus dem Bärenmarkt zu verabschieden. Nach unten rechne ich für die kommenden Monate mit fallenden Kursen und damit, dass wir das Tief erst im Herbst sehen werden. Das dürfte in der Nähe des bisherigen Tiefs sein, wahrscheinlich aber sogar noch darunter. Das hängt aber davon ab, wo jetzt der Hochpunkt markiert wird. Leider sieht es so aus, als ob sich der Bärenmarkt noch über längere Zeit fortsetzen wird. Die Frage ist nur, ob diese Tiefs noch in diesem Jahr oder erst Anfang kommenden Jahres unterboten werden. Unter den Einzeltiteln dürfte die Deutsche Telekom der Anführer des nächsten Abschwungs sein. Hier habe ich ein Kursziel von acht Euro.
Was spricht noch gegen eine Wende zum Besseren?
Beim Vergleich mit dem ersten Golfkrieg 1991 zeigt sich, dass wir da in zwei Monaten 23 Prozent beim Dax gewonnen haben. Das haben wir jetzt fast in fünf Tagen gemacht. Da muss man sich schon fragen, ob eine solche Bewegung schon den Beginn eines neuen Bullenmarktes bedeuten kann. Schnelle und heftige Bewegungen sind aber eher typische Zeichen für eine Bärenmarktrally.
Mit Schrecken habe ich auch erfahren, dass viele Anleger bereits wieder wissen wollten, ob man jetzt kaufen muss. Das sind genau die Leute, die vor zwei Wochen überhaupt nichts mehr von Aktien wissen wollten. Daraus schließe ich, dass die Stimmung viel zu schnell wieder euphorisch wird. Um das Ende eines Bärenmarktes anzuzeigen, scheint mir die Stimmung jedenfalls noch immer viel zu gut zu sein.
Zur Kriegshausse gibt es auch Folgendes zu sagen. Bisher war der Konsens, dass es nach Kriegsbeginn ein Kursplus zwischen 20 und 40 Prozent geben wird. Unseren Kunden habe ich aber gesagt, so wie sich das alle vorstellen, wird es mit Sicherheit nicht kommen. Entweder wird es erst nach Kriegsende richtig nach oben gehen oder schon vor Kriegsbeginn. Jetzt ist die Bewegung halt schon im Vorfeld abgelaufen. Bei Kriegsbeginn kann alles schon wieder gelaufen sein. Bis dahin haben alle gekauft. So haben sich die von uns verfolgten Fonds zuletzt sehr stark mit Aktien vollgesaugt, sodass die Liquidität fast auf Null gesunken sein dürfte.
Welche Rolle spielt bei den jüngsten volatilen Kursbewegungen eigentlich der Verfallstermin am Terminmarkt?
Der Verfall spielt diesmal eine sehr große Rolle. Wir hatten zuvor extrem viele Leerverkäufe von Aktien. Diese wurden zum Teil deshalb so stark gedeckt, weil der Verfall bevorsteht. Wenn der Verfall durch ist, werden wir wieder in einige vernünftige Bahnen kommen. Signifikante Hoch- und Tiefpunkte entstehen historisch betrachtet oft zum dreifachen Verfallstermin.
Warum halten sich die Kurse an Wall Street eigentlich vergleichsweise gut, obwohl der dortige Markt als überbewertet gilt?
Es gibt in den USA seit dem 87er Crash ein von der US-Regierung geründetes Plunge Protection Team. Dieses soll zum Schutz der Wirtschaft starke Kursverluste am Aktienmarkt in kritischen Phasen verhindern. Laut unseren Kontakten ist dieses mit enormen Summen ausgestattete Team seit ein bis zwei Wochen aktiv am Markt tätig. Wir wissen, dass dieses Team einen Fall unter die Oktober-Tiefs mit allen Mitteln verhindern will. Denn man befürchtet, dass dies charttechnisch gesehen katastrophale Konsequenzen haben könnte. Eingriffe dieser Art lassen sich im Intraday-Handel sehr gut beobachten. Wir wissen auch, dass dieses Team bei Kriegsausbruch noch einmal massiv intervenieren wird. Das ist einer der Gründe, warum der Dax weitaus stärker als die Wall Street gefallen ist. Das Team wird die eingegangenen Positionen irgendwann aber wieder abbauen. Dann dürfte auch in den USA der Hochpunkt markiert werden. Denn auf Dauer kann man eine faire Bewertung des Marktes durch solche Eingriffe nicht verhindern. Ich gehe jedenfalls weiterhin von neuen Tiefs an der Wall Street aus.
Wo muss die Reißleine gezogen werden, wenn Ihr Szenario nicht aufgeht?
Entscheidend ist, wie der Aktienmarkt bei Kriegsausbruch reagiert. Es dürften bereits fast alle engagiert sein, die auf eine Kriegshausse gesetzt haben. Wenn es um den Kriegsbeginn herum innerhalb eines Handelstages zu einem Intraday-Reversal kommen sollte, wäre dies das beste und klarste Verkaufssignal. Denn, wer schon länger engagiert ist, wird dann Positionen glatt stellen und die andern bekommen daraufhin auch bald kalte Füße. Wenn der Dax aber wider Erwarten wieder über 3.100 Punkte steigt, dann hat sich das Thema erledigt. Dann muss man die Reißleine ziehen.