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News - 16.09.08 08:53
Experten: Finanzmarktkrise macht erneute Fed-Zinssenkung möglich
FRANKFURT (dpa-AFX) - Die US-Notenbank (Fed) könnte nach der jüngsten Zuspitzung der US-Finanzmarktkrise nach Einschätzung von Volkswirten an diesem Dienstag (16. September) ihren Leitzins doch senken. Der Zielsatz für Tagesgeld könnte laut einigen Experten von bisher 2,00 Prozent auf 1,75 Prozent sinken. Diese Zinssenkung gilt jedoch keineswegs als sicher. Vor der jüngsten Zuspitzung der Finanzmarktkrise war die Mehrheit der Experten noch von einem unveränderten Leitzins ausgegangen. Sollte die Fed den Leitzins nicht antasten, dann würde sie die Zinsen zum dritten Mal hintereinander unverändert lassen. Zuvor hatte sie den Leitzins von 5,25 Prozent im August 2007 auf 2,00 Prozent reduziert.
In den USA haben sich die Nachrichten um die angeschlagenen Finanzunternehmen zuletzt überschlagen: Lehman Brothers beantragte Gläubigerschutz nach Kapitel 11 und die ebenfalls angeschlagene US-Investmentbank Merrill Lynch wird von der Bank of America übernommen.
WAHRSCHEINLICHKEIT FÜR ZINSSCHRITT GESTIEGEN
'Die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Leitzinssenkung in den USA ist damit deutlich gestiegen', sagte Ralf Umlauf, Analyst bei der Landesbank Hessen-Thüringen. An den Geldmärkten werde eine Leitzinssenkung um 0,25 Prozentpunkte erwartet. Diese Senkung ist laut Umlauf aber noch nicht sicher. 'Schließlich hat die Fed mehrfach betont, dass sie mit ihren Zinssenkungen bereits in Vorleistung getreten ist.'
Eine schnelle Zinssenkung der US-Notenbank sähe Postbank-Chefvolkswirt Bargel als wenig hilfreich an. 'Man kann eine Notfall-Zinssenkung zwar nicht ausschließen, allerdings bezweifle ich die Sinnhaftigkeit einer solchen Maßnahme.' Im Gegensatz zu den liquiditätsstützenden Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) in Form von Refinanzierungsgeschäften würden zusätzliche Leitzinssenkungen in der aktuellen Situation kaum helfen. 'Zinssenkungen wirken langfristig, auf kurze Sicht entfachen sie nur geringfügige Wirkungen.'
LEITZINS NICHT DAS EIGENTLICHE PROBLEM
Am Markt werde eine weitere Zinssenkung der Fed erwartet, sagt Commerzbank-Experte Bernd Weidensteiner. 'Eine Zinssenkung würde einen gewissen Beitrag zur Abschirmung der Geschäftsbanken gegen die Finanzmarktverwerfungen liefern.' Das Leitzinsniveau kann laut Weidensteiner allerdings kaum als das eigentliche Problem des Bankensystems bezeichnet werden - abgesehen davon, dass der Leitzins mit zwei Prozent ohnehin niedrig sei. 'Das Kernproblem liegt in der mangelhaften Qualität der Bilanzen der Banken und dem damit verbundenen, nahezu totalen gegenseitigen Vertrauensverlust'. Auf Liquiditätsprobleme im Bankenbereich könne die Notenbank auch - und effektiver - mit der Bereitstellung neuer Refinanzierungsmöglichkeiten reagieren.
Zuvor vorhandene Zinserhöhungserwartungen sind nach einhelliger Einschätzung von Experten jedoch aus dem Markt. Neben dem fragilen Finanzsystem sprächen auch das schwache Wirtschaftswachstum und die steigende Arbeitslosigkeit gegen steigende Zinsen. Zudem hätten die deutlich gefallenen Ölpreise den Inflationsdruck gemindert. Der US-Ölpreis ist am Montag zeitweise unter 95 Dollar gefallen.
ZINSERHÖHUNGSERWARTUNGEN AUS DEM MARKT
Die US-Notenbank dürfte laut der DekaBank deutlich machen, dass in den kommenden Monaten keine Anhebung der Zinsen zu erwarten sei und damit die Markterwartungen bestätigten. Die zentralen Aussagen des Kommentars der vergangenen Sitzung dürften wiederholt werden. Sie dürfte weiterhin von einem schwachen Arbeitsmarkt und einer erheblichen Anspannung an den Finanzmärkten sprechen. Zudem dürfte sie von einem in der näheren Zukunft schwachen Wirtschaftswachstum und einer allmählich nachlassenden Inflation ausgehen./js/bf/he
Quelle: dpa-AFX
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