Über 1300 Leserbriefe, Faxe und Mails erhielt die "Financial Times Deutschland" nach ihrer Wahlempfehlung für die Union. Die meisten ärgerten sich über den Tabubruch der rosaroten Wirtschaftszeitung. Doch auf der Leserbrief-Seite der "FTD" kamen die Kritiker kaum zu Wort.
Im Sekundentakt gingen die Leserreaktionen nach der Wahlempfehlung in der Redaktion der "Financial Times Deutschland" ein. 26 davon sind in der Ausgabe vom Dienstag veröffentlicht. Doch die wenigsten davon beziehen Stellung zu der Frage, inwieweit eine Wahlempfehlung an sich sinnvoll und richtig ist. In den meisten geht es lediglich um inhaltliche Fragen des Artikels vom Montag. Stoiber ja, Stoiber nein, doch lieber Schröder, noch besser die Grünen. Nur wenige Leser kommen zu Wort, die eine Wahlempfehlung generell als falsch betrachten. Die Auswahl steht im krassen Gegensatz zum Tenor der Zuschriften. "Über 90 Prozent der Leser haben sich über die Aktion beklagt", sagt ein "FTD"-Redakteur. Die Auswahl der Leserbriefe auf der Sonderseite grenze an Manipulation.
Ein der wenigen kritischen Bemerkungen, die die "FTD" zuließ, stammt von einem Leser aus Köln: "Die Leser der FTD brauchen keine Wahlempfehlung seitens der Redaktion, sondern offene und informative Berichterstattung. Berichten Sie informativ und objektiv, eine Meinung können wir uns auch ohne ihre Hilfe bilden." Ein Leser aus Landsberg beklagte: "Dass sie dem Leser die Kompetenz absprechen, sich aus all den Ausführungen eine eigene Meinung zu bilden, finde ich erschreckend." Auch ein Hamburger Leser bittet die Zeitung, den Leser mit subjektiven, emotionalen Äußerungen zu verschonen. "Wenn Sie meinen, in verkürzter Art und Weise die gesamte deutsche Politik darstellen zu können, dann überschätzen sie sich gewaltig", schreibt er.
Nikolaus Förster, Kommentar-Chef der "FTD", kümmert sich um die Leserbriefe der Tageszeitung. Er sagt, man habe nur wenige Stimmen veröffentlicht, die generell gegen eine Wahlempfehlung sind, da die Argumente sich wiederholten. "Natürlich gibt eine Auswahl bei so vielen Reaktionen", so Förster. "Wir wollten einfach so viele verschiedene Meinungen wie möglich dokumentieren."
Die Chefredaktion der "FTD" hatte der Redaktion zwar von vornherein klargemacht, dass der Wahlempfehlung kein basisdemokratisches Verfahren vorausgehen würde. "In der Regel werden Entscheidungen einvernehmlich gefällt. Hier muss jedoch die Chefredaktion entscheiden", hatte Chefredakteur Christoph Keese erklärt. Die Wahlempfehlung zugunsten der Union hatte in der Redaktion dennoch großen Unmut ausgelöst. "Bei einer Abstimmung in der Redaktion hätte die Union nach der PDS das schlechteste Ergebnis erzielt", sagte ein Redakteur gegenüber SPIEGEL ONLINE.
Um die "gesamte Meinungsbreite" der Zeitung abzubilden, aber wohl auch, um die internen Wogen zu glätten, durften in der Dienstag-Ausgabe der "FTD" Politik-Ressortleiter Thomas Hanke sowie die leitenden Redakteure Peter Ehrlich und Thomas Fricke ihre eigene Meinung kundtun.
Unter der Überschrift "Eine zweite Chance für Rot-Grün" erläutern Hanke, Ehrlich und Fricke, warum Stoiber trotz aller rot-grünen Fehler aus ihrer Sicht keine sinnvolle Alternative darstellt. "Wenn nur einigermaßen sicher wäre, dass die Union all dieses viel besser machen würde, wäre die Wahlentscheidung klar. Genau das ist aber nicht der Fall", heißt es im Text. Hinter Stoibers scheinbarer Wirtschaftskompetenz stecke ein finanziell gewagtes Sammelsurium. Außerdem sei die Zuwanderungs- und Familienpolitik der CDU nicht tragbar.
Stoiber sei weder sehr entscheidungsfreudig, noch besitze er ausreichende Führungsqualitäten. Daher sei die Union weder personell und konzeptionell reif für eine Rückkehr an die Macht. Rot-Grün hingegen habe in der Außenpolitik und in verschiedenen Reformprojekten gezeigt, dass die Koalition auf dem richtigen Weg sei. "Das spricht dafür, auf einen Regierungswechsel zu verzichten und Rot-Grün eine zweite (und vielleicht letzte) Chance zu geben", heißt es im Artikel.
Für Mittwoch ist laut Nicolas Förster eine weitere Sonderseite mit Reaktionen von Medienwissenschaftlern, Politikern und Lesern geplant. Dies sei ein weiterer Schritt dazu, die Wahlempfehlung so transparent wie möglich zu gestalten. "Jede Zeitung macht indirekte Wahlempfehlungen", so Förster. "Die Financial Times hat sich nur dazu entschieden, ihre offen zu sagen." Mit einem so heftigen Medienecho habe man aber nicht gerechnet.
Im Sekundentakt gingen die Leserreaktionen nach der Wahlempfehlung in der Redaktion der "Financial Times Deutschland" ein. 26 davon sind in der Ausgabe vom Dienstag veröffentlicht. Doch die wenigsten davon beziehen Stellung zu der Frage, inwieweit eine Wahlempfehlung an sich sinnvoll und richtig ist. In den meisten geht es lediglich um inhaltliche Fragen des Artikels vom Montag. Stoiber ja, Stoiber nein, doch lieber Schröder, noch besser die Grünen. Nur wenige Leser kommen zu Wort, die eine Wahlempfehlung generell als falsch betrachten. Die Auswahl steht im krassen Gegensatz zum Tenor der Zuschriften. "Über 90 Prozent der Leser haben sich über die Aktion beklagt", sagt ein "FTD"-Redakteur. Die Auswahl der Leserbriefe auf der Sonderseite grenze an Manipulation.
Ein der wenigen kritischen Bemerkungen, die die "FTD" zuließ, stammt von einem Leser aus Köln: "Die Leser der FTD brauchen keine Wahlempfehlung seitens der Redaktion, sondern offene und informative Berichterstattung. Berichten Sie informativ und objektiv, eine Meinung können wir uns auch ohne ihre Hilfe bilden." Ein Leser aus Landsberg beklagte: "Dass sie dem Leser die Kompetenz absprechen, sich aus all den Ausführungen eine eigene Meinung zu bilden, finde ich erschreckend." Auch ein Hamburger Leser bittet die Zeitung, den Leser mit subjektiven, emotionalen Äußerungen zu verschonen. "Wenn Sie meinen, in verkürzter Art und Weise die gesamte deutsche Politik darstellen zu können, dann überschätzen sie sich gewaltig", schreibt er.
Nikolaus Förster, Kommentar-Chef der "FTD", kümmert sich um die Leserbriefe der Tageszeitung. Er sagt, man habe nur wenige Stimmen veröffentlicht, die generell gegen eine Wahlempfehlung sind, da die Argumente sich wiederholten. "Natürlich gibt eine Auswahl bei so vielen Reaktionen", so Förster. "Wir wollten einfach so viele verschiedene Meinungen wie möglich dokumentieren."
Die Chefredaktion der "FTD" hatte der Redaktion zwar von vornherein klargemacht, dass der Wahlempfehlung kein basisdemokratisches Verfahren vorausgehen würde. "In der Regel werden Entscheidungen einvernehmlich gefällt. Hier muss jedoch die Chefredaktion entscheiden", hatte Chefredakteur Christoph Keese erklärt. Die Wahlempfehlung zugunsten der Union hatte in der Redaktion dennoch großen Unmut ausgelöst. "Bei einer Abstimmung in der Redaktion hätte die Union nach der PDS das schlechteste Ergebnis erzielt", sagte ein Redakteur gegenüber SPIEGEL ONLINE.
Um die "gesamte Meinungsbreite" der Zeitung abzubilden, aber wohl auch, um die internen Wogen zu glätten, durften in der Dienstag-Ausgabe der "FTD" Politik-Ressortleiter Thomas Hanke sowie die leitenden Redakteure Peter Ehrlich und Thomas Fricke ihre eigene Meinung kundtun.
Unter der Überschrift "Eine zweite Chance für Rot-Grün" erläutern Hanke, Ehrlich und Fricke, warum Stoiber trotz aller rot-grünen Fehler aus ihrer Sicht keine sinnvolle Alternative darstellt. "Wenn nur einigermaßen sicher wäre, dass die Union all dieses viel besser machen würde, wäre die Wahlentscheidung klar. Genau das ist aber nicht der Fall", heißt es im Text. Hinter Stoibers scheinbarer Wirtschaftskompetenz stecke ein finanziell gewagtes Sammelsurium. Außerdem sei die Zuwanderungs- und Familienpolitik der CDU nicht tragbar.
Stoiber sei weder sehr entscheidungsfreudig, noch besitze er ausreichende Führungsqualitäten. Daher sei die Union weder personell und konzeptionell reif für eine Rückkehr an die Macht. Rot-Grün hingegen habe in der Außenpolitik und in verschiedenen Reformprojekten gezeigt, dass die Koalition auf dem richtigen Weg sei. "Das spricht dafür, auf einen Regierungswechsel zu verzichten und Rot-Grün eine zweite (und vielleicht letzte) Chance zu geben", heißt es im Artikel.
Für Mittwoch ist laut Nicolas Förster eine weitere Sonderseite mit Reaktionen von Medienwissenschaftlern, Politikern und Lesern geplant. Dies sei ein weiterer Schritt dazu, die Wahlempfehlung so transparent wie möglich zu gestalten. "Jede Zeitung macht indirekte Wahlempfehlungen", so Förster. "Die Financial Times hat sich nur dazu entschieden, ihre offen zu sagen." Mit einem so heftigen Medienecho habe man aber nicht gerechnet.