Bei Aktien steht eine Sommer-Rally bevor
DARMSTADT. Um die Frage zu beantworten, wann der Bärenmarkt an den
Aktienbörsen der Welt denn ein Ende finde, empfiehlt sich eine Rückschau in
die Finanzgeschichte. Von neun Baissen im vergangenen Jahrhundert dauerten
in den USA die beiden längsten 34 und 37 Monate. Die erste folgte auf den
großen Krach 1929, die zweite auf die Invasion Polens durch Deutschland 1939.
Ein anderer großer Bärenmarkt war der des japanischen Nikkei-Index ab Anfang
1990. Er ist im Chart zusammen mit dem Nasdaq (NASDAQ: Nachrichten)-Index (ab dem Jahr 2000) eingezeichnet. Dabei wurden die jeweiligen Hochpunkte übereinander gelegt. Eine Ähnlichkeit, die sich bis auf die Unterzyklen erstreckt, sticht ins Auge. Man könnte meinen, der Nasdaq versuche, den Nikkei so gut wie möglich nachzuahmen. Bei japanischen Aktien war nach 31 Monaten der Tiefpunkt erreicht. Nach einer siebenmonatigen
Bodenbildung folgte ein Anstieg um 25 % und dann eine rund einjährige Seitwärtsphase.
Kann man nun Anfang Juni eine Sommer-Rally beim Nasdaq und den ihm folgenden Welt-Aktienmärkten erwarten?
Neben der geradezu normativen Kraft des historischen Vorbilds heben zumindest etliche technische Details die Stimmung unter Charttechnikern. So steigt der breite Aktienmarkt beiderseits des Atlantiks. Dies äußert sich in zulegenden Advance-Decline-Linien und im marktbreiten On-Balance-Volume, das erstmals seit über drei Jahren stärker zulegt als die Aktienkurse.
Ein weiterer Punkt sind marktpsychologische Indikatoren. So zeugen Put-Call-Verhältnisse bei Aktienoptionen von größer eins von starker Skepsis der Anleger. Dies ist aus antizyklischer Sicht ein ideales Umfeld für steigende Kurse. Schließlich indiziert auch die Jahres-Saisonalität ab Juni steigende Kurse bis September. Dies gilt auch für den Vier-Jahres-Zyklus, der bis zur Präsidentenwahl im November 2004 steigende Aktienkurse erwarten lässt.
Ein Bruch des Abwärtstrends bei 960 Punkten im S&P-500-Index könnte eine Rally verstärken, die dadurch angetrieben wird, dass viele institutionelle Anleger ihre in die Verlustzone laufenden Leerverkaufspositionen eindecken müssen. Der zur Zeit scharf abwertende Dollar und die weiter fallenden Zinsen werden US-Unternehmen verstärkt Gewinne bescheren, und wenn zu guter Letzt ab Juni der Ölpreis fallen sollte, sind der guten Daten genug, um eine Sommer-Rally zu zünden. Der Dax könnte dabei bis September auf rund 3.400 Punkte ansteigen, während für den S&P 500 Index (Nachrichten) 15 % Kurszuwachs ab Trendbruch möglich sind.
Handelsblatt.com - Investor, Montag 26. Mai 2003