Neuer Markt: Die Flucht der Chefs
Von Nils Happich, Hamburg
Die Krise am Neuen Markt hinterlässt in den Vorstandsetagen deutliche Spuren. Nach dem ehemaligen EM.TV-Chef Thomas Haffa mussten auch zahlreiche andere Vorstände krisengeschüttelter Firmen gehen.
Wie der Münchener Filmverleiher Kinowelt am Donnerstag mitteilte, hat sich das Unternehmen mit sofortiger Wirkung von seinem Finanzvorstand Eduard Unzeitig getrennt. Im Rahmen einer groß angelegten Restrukturierung des Unternehmens, sollen auch die Vorstandsressorts neu zugeschnitten werden, sagte ein Sprecher. Das Programm hierzu solle in den nächsten Wochen vorgestellt werden. Unzeitig habe diesen Prozess nicht verhindern wollen. Deshalb hätten sich er und Kinowelt auf die vorzeitige Auflösung seines zum Jahresende auslaufenden Vertrags geeinigt.
Unzeitig war seit der Gründung 1997 Finanzvorstand und steht dem Unternehmen weiterhin als Berater zur Verfügung. Sein Ausstieg werteten die Anleger am Neuen Markt als positives Zeichen, der Kurs lag am Nachmittag bei 2,66 Euro (plus 1,92 Prozent). Vorstandschef Michael Kölmel bekleidet vorerst auch das Amt des Finanzvorstandes. Kinowelt war im aktuellen Geschäftsjahr stark unter Druck geraten und hatte im ersten Quartal einen Verlust von 33 Mio. Euro ausgewiesen. Die Gewinnerwartungen für 2001 waren daraufhin verworfen worden.
Kabel New Media
Auch der Finanzvorstand und stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kabel New Media, Fritz Mathys, ist zurückgetreten, wie der Hamburger Internet-Dienstleister am Donnerstag mitteilte. Allerdings sei dies aus rein privaten Gründen geschehen und nicht im Zusammenhang mit der aktuellen Entwicklung des Unternehmens zu sehen, teilte das Unternehmen mit. Außerdem sei der Ausstieg Mathys' schon länger geplant gewesen.
Kabel New Media hatte Anfang Juli Insolvenzantrag gestellt. Zuvor waren Gespräche mit potenziellen Geldgebern gescheitert. Erst am Mittwoch war bekannt geworden, dass die Hamburger Staatsanwalt Ermittlungen gegen Peter Kabel, den Gründer der Internetagentur, aufgenommen hat. Ihm werden Verstöße gegen das Kreditwesengesetz vorgeworfen. Diese jüngsten Entwicklungen bei Kabel New Media zerstörten das Vertrauen vieler Aktionäre. Die Aktie stürzte am Donnerstag auf dem Frankfurter Parkett ab und notierten am Nachmittag bei 0,26 Euro (minus 18,75 Prozent).
Prodacta
Noch schlimmer erging es am Donnerstag der Prodacta. Nachdem bekannt wurde, dass das Unternehmen beim Amtsgericht Karlsruhe Insolvenz angemeldet hatte, verlor die Softwarefirma am Neuen Markt den Rückhalt ihrer Anleger und fast die Hälfte ihres Wertes. Die Anteilsscheine notierten nachmittags bei 0,34 Euro. Vorstandssprecher Manfred Metzger-Buschor nahm seinen Hut. Wie bei Kabel begründete das Unternehmen die Entscheidung als Schritt aus rein privaten Beweggründen. Nachfolger im Amt des Vorstandssprechers ist Erwin Leonhardi, der Prodacta interimsweise bereits im vergangenen Jahr für einige Monate geführt hatte.
MB Software
Bei MB Software traf es mit dem Vorstandsvorsitzenden Bernhard Mursch und Vorstand Klaus Wassermann zwei Gründer des Unternehmens. Die Entscheidungen seien auch als Konsequenz der Entwicklung des stark angeschlagenen Unternehmens zu sehen, sagte Sprecherin Cordula Schütze auf Anfrage. Anfang Juli hatte MB Software einen Insolvenzantrag gestellt. Während Wassermann zurückgetreten sei und dem Unternehmen in den nächsten Wochen weiterhin als Berater zur Verfügung stehe, hätte Mursch aufgrund einer Entscheidung des Vorstands gehen müssen, sagte Schütze weiter.
Alleiniger Vorstand sei bis auf weiteres Bernd-Wolfgang Diekmann. So die AG in ihrer Form erhalten bleiben könne, sei es vorstellbar, den Vorstand langfristig wieder zu erweitern. Eindeutig im Mittelpunkt stünde zur Zeit allerdings, die durcheinander geratenen Finanzen wieder zu ordnen, so Schütze weiter. MB Softwares Insolvenzverwalter Helge Wachsmut sieht ein positives Signal. Mit dem Ausstieg der beiden Vorstände können nun "unbelastete" Gespräche mit Investoren geführt werden, sagte Wachsmut. Auch die Anleger am Neuen Markt scheinen diese Meinung zu teilen. Die Papiere von MB Software wurden am Donnerstagnachmittag mit 0,78 Euro 5,41 Prozent fester gehandelt.
(mit Agenturen)
© 2001 Financial Times Deutschland
Von Nils Happich, Hamburg
Die Krise am Neuen Markt hinterlässt in den Vorstandsetagen deutliche Spuren. Nach dem ehemaligen EM.TV-Chef Thomas Haffa mussten auch zahlreiche andere Vorstände krisengeschüttelter Firmen gehen.
Wie der Münchener Filmverleiher Kinowelt am Donnerstag mitteilte, hat sich das Unternehmen mit sofortiger Wirkung von seinem Finanzvorstand Eduard Unzeitig getrennt. Im Rahmen einer groß angelegten Restrukturierung des Unternehmens, sollen auch die Vorstandsressorts neu zugeschnitten werden, sagte ein Sprecher. Das Programm hierzu solle in den nächsten Wochen vorgestellt werden. Unzeitig habe diesen Prozess nicht verhindern wollen. Deshalb hätten sich er und Kinowelt auf die vorzeitige Auflösung seines zum Jahresende auslaufenden Vertrags geeinigt.
Unzeitig war seit der Gründung 1997 Finanzvorstand und steht dem Unternehmen weiterhin als Berater zur Verfügung. Sein Ausstieg werteten die Anleger am Neuen Markt als positives Zeichen, der Kurs lag am Nachmittag bei 2,66 Euro (plus 1,92 Prozent). Vorstandschef Michael Kölmel bekleidet vorerst auch das Amt des Finanzvorstandes. Kinowelt war im aktuellen Geschäftsjahr stark unter Druck geraten und hatte im ersten Quartal einen Verlust von 33 Mio. Euro ausgewiesen. Die Gewinnerwartungen für 2001 waren daraufhin verworfen worden.
Kabel New Media
Auch der Finanzvorstand und stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kabel New Media, Fritz Mathys, ist zurückgetreten, wie der Hamburger Internet-Dienstleister am Donnerstag mitteilte. Allerdings sei dies aus rein privaten Gründen geschehen und nicht im Zusammenhang mit der aktuellen Entwicklung des Unternehmens zu sehen, teilte das Unternehmen mit. Außerdem sei der Ausstieg Mathys' schon länger geplant gewesen.
Kabel New Media hatte Anfang Juli Insolvenzantrag gestellt. Zuvor waren Gespräche mit potenziellen Geldgebern gescheitert. Erst am Mittwoch war bekannt geworden, dass die Hamburger Staatsanwalt Ermittlungen gegen Peter Kabel, den Gründer der Internetagentur, aufgenommen hat. Ihm werden Verstöße gegen das Kreditwesengesetz vorgeworfen. Diese jüngsten Entwicklungen bei Kabel New Media zerstörten das Vertrauen vieler Aktionäre. Die Aktie stürzte am Donnerstag auf dem Frankfurter Parkett ab und notierten am Nachmittag bei 0,26 Euro (minus 18,75 Prozent).
Prodacta
Noch schlimmer erging es am Donnerstag der Prodacta. Nachdem bekannt wurde, dass das Unternehmen beim Amtsgericht Karlsruhe Insolvenz angemeldet hatte, verlor die Softwarefirma am Neuen Markt den Rückhalt ihrer Anleger und fast die Hälfte ihres Wertes. Die Anteilsscheine notierten nachmittags bei 0,34 Euro. Vorstandssprecher Manfred Metzger-Buschor nahm seinen Hut. Wie bei Kabel begründete das Unternehmen die Entscheidung als Schritt aus rein privaten Beweggründen. Nachfolger im Amt des Vorstandssprechers ist Erwin Leonhardi, der Prodacta interimsweise bereits im vergangenen Jahr für einige Monate geführt hatte.
MB Software
Bei MB Software traf es mit dem Vorstandsvorsitzenden Bernhard Mursch und Vorstand Klaus Wassermann zwei Gründer des Unternehmens. Die Entscheidungen seien auch als Konsequenz der Entwicklung des stark angeschlagenen Unternehmens zu sehen, sagte Sprecherin Cordula Schütze auf Anfrage. Anfang Juli hatte MB Software einen Insolvenzantrag gestellt. Während Wassermann zurückgetreten sei und dem Unternehmen in den nächsten Wochen weiterhin als Berater zur Verfügung stehe, hätte Mursch aufgrund einer Entscheidung des Vorstands gehen müssen, sagte Schütze weiter.
Alleiniger Vorstand sei bis auf weiteres Bernd-Wolfgang Diekmann. So die AG in ihrer Form erhalten bleiben könne, sei es vorstellbar, den Vorstand langfristig wieder zu erweitern. Eindeutig im Mittelpunkt stünde zur Zeit allerdings, die durcheinander geratenen Finanzen wieder zu ordnen, so Schütze weiter. MB Softwares Insolvenzverwalter Helge Wachsmut sieht ein positives Signal. Mit dem Ausstieg der beiden Vorstände können nun "unbelastete" Gespräche mit Investoren geführt werden, sagte Wachsmut. Auch die Anleger am Neuen Markt scheinen diese Meinung zu teilen. Die Papiere von MB Software wurden am Donnerstagnachmittag mit 0,78 Euro 5,41 Prozent fester gehandelt.
(mit Agenturen)
© 2001 Financial Times Deutschland