Noch mehr Steuern!

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Dixie:

Noch mehr Steuern!

 
09.10.02 08:10
Noch mehr Steuern
Zum Strippenziehen des Kanzlers hinter den Kulissen - Kommentar
Von Cornelia Wolber
Erst kürzlich hat Bundeskanzler Gerhard Schröder eines seiner berühmten Machtworte gesprochen. Danach soll es keine Steuererhöhungen geben. Hinter den Kulissen aber zieht der Regierungschef mächtig Strippen. Vermögende und Erben sollen stärker zur Kasse gebeten, die Steuervorteile reicher Ehepaare eingeschränkt werden, Kapitalgesellschaften sollen künftig wieder mehr in die öffentlichen Kassen zahlen, die Gewerbesteuerschraube angezogen und - der Gerechtigkeit halber - auch Freiberufler zur Zahlung verpflichtet werden.

Alles zusammen soll den kleinen Mann für das versöhnlich stimmen, was auf ihn an Grausamkeiten noch zukommt. Denn schon jetzt ist klar, dass die Etatlöcher von Bund, Ländern und Kommunen mit einigen Steuermillionen hier und da nicht gestopft werden können. Das dicke Ende kommt erst noch.

Während Politologen Schröders Vorgehen für taktisch klug halten, raufen sich Ökonomen die Haare. Angesichts der konjunkturellen Lage sind Steuererhöhungen genau das falsche Signal. Sie drücken die Investitions- und Konsumbereitschaft, was die Wirtschaft zusätzlich schwächt und dadurch noch mehr Jobs in Gefahr bringt.

Statt also die bereits abgeschaffte Vermögensteuer wieder einzuführen und die siechende Gewerbesteuer beleben zu wollen, sollte sich Rot-Grün lieber an eine generelle Vereinfachung des Steuersystems machen. Davon hätte letztlich auch der kleine Mann mehr. Denn umfassende Reformen - nicht neue Abgaben für Vermögende - sichern seinen Arbeitsplatz.

Die Autorin erreichen Sie unter: wolber@welt.de



Dixie:

Regierung plant Gewerbesteuer für Freiberufler

 
09.10.02 08:11
Regierung plant Gewerbesteuer für Freiberufler
Mehr als 760.000 Betroffene. Verbände kritisieren: "Gift für die Konjunktur" Insolvenzgefahr wird vergrößert
Berlin - Gewerbetreibende müssen sich auf höhere Steuern einstellen. Wie das Bundesfinanzministerium der WELT bestätigte, hat sich die Bundesregierung im Rahmen der Kommission zur Gemeindefinanzreform bereits auf ein konkretes Modell festgelegt. Danach sollen künftig auch die mehr als 760.000 Freiberufler in Deutschland der Gewerbesteuerpflicht unterworfen werden. Zudem scheint eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage wahrscheinlich. Das heißt, dass künftig neben Zinsen für langfristige Darlehen und den Gehältern der Geschäftsführer auch wieder die Lohnsumme sowie Mieten und Zinsen zum Gewerbeertrag hinzugerechnet werden würden. Seitens der Wirtschaft wird zudem befürchtet, dass die geltenden Freibetragsgrenzen wieder gesenkt werden könnten.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (ASU) reagierten mit heftiger Kritik. De facto käme das einer Steuererhöhung gleich, sagte der ASU-Bundesgeschäftsführer, Hans H. Stein. Das sei "Gift für die Konjunktur". Umso mehr, als die Steuer auf die ertragsunabhängigen Komponenten auch dann gezahlt werden müsse, wenn Verluste anfielen. Statt die Wirtschaft zu entlasten, würde die Bürde noch erhöht und damit die Insolvenzgefahr gesteigert, sagte der ASU-Chef.

BDI und ASU fordern stattdessen, die Gewerbesteuer ersatzlos zu streichen und den Kommunen dafür ein Hebesatzrecht auf die Einkommensteuer, die zugleich gesenkt, und die Körperschaftsteuer, die leicht erhöht werden würde, einzuräumen. Dieses Modell wäre für private Haushalte und Unternehmen belastungsneutral.

BDI-Geschäftsführer Klaus Bräunig forderte die Bundesregierung auf, keine Vorfestlegungen auf eines der Modelle zu tätigen, bevor nicht alle anderen durchgerechnet seien. Die Kommission soll ihren Abschlussbericht im Juni vorlegen. Das Gesetz könnte frühestens 2004 in Kraft treten.cw


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 Warum die Gemeinden an der Gewerbesteuer festhalten
Dixie:

Warum die Gemeinde an der Gewerbesteuer festhalten

 
09.10.02 08:17
Warum die Gemeinden an der Gewerbesteuer festhalten
Analyse
Von Cornelia Wolber
Die Reform der Gemeindefinanzen soll einer der ganz großen Würfe dieser Legislaturperiode werden. Anfang des Jahres berief die Bundesregierung dafür eigens eine Kommission. Das Ziel: Die Einnahmen der Kommunen sollen stetiger werden. Es soll verhindert werden, dass die Kämmerer Einnahmeausfälle durch Ausgabenkürzungen kompensieren müssen und dadurch unter anderem der Ausbau der Infrastruktur leidet.

Wichtige Einnahmequelle

Tatsächlich sind die Einnahmen aus der Gewerbesteuer, eine der wichtigsten Einnahmequellen für die Kommunen, immer weiter zurückgegangen. Die schwache Konjunktur und die rot-grüne Steuerreform haben diesen Trend verschärft. Die Freibetragsgrenze wurde angehoben, dadurch hat sich der Kreis der Gewerbesteuerzahler verkleinert. Kapitalgesellschaften haben vermehrt die Möglichkeit genutzt, vor 2001 gebildete, und mit dem alten Satz von 40 Prozent versteuerte Rücklagen aufzulösen und sich die Differenz zum neuen Steuersatz in Höhe von 25 Prozent rückerstatten zu lassen. Die Folge: Es fällt keine Körperschaft- und damit auch keine Gewerbesteuer an. Alles zusammen hat 2001 zu einem Einbruch des Gewerbesteueraufkommens in Höhe von zehn Prozent geführt.

So weit das Problem. Was die Lösung betrifft, ist den Kommunen eines wichtig: Sie soll schnell kommen. Doch dieser Wunsch wird sich nicht erfüllen. Dafür sind die Interessen der 26 Kommissionsmitglieder zu unterschiedlich. Mit ihrem Vorschlag, die im Sommer 2000 beschlossene Erhöhung der Gewerbesteuerumlage von 20 auf 30 Prozent zu Gunsten der Länder wieder rückgängig zu machen, stießen die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände im Bundesfinanzministerium bereits auf taube Ohren.

Selbst Laien merken schnell, dass auch bei dieser Kommission nicht die Reform im Vordergrund steht, sondern die Frage, wie die Gemeinden am Ende mehr Geld bekommen, ohne dass Bund und Länder im Gegenzug etwas verlieren. Zumindest für die Bundesregierung scheint die Antwort klar zu sein. Sie schlägt vor, dass künftig auch Freiberufler der Gewerbesteuer unterworfen werden. Den Gemeinden ist das Recht, den SPD-geführten Ländern offenbar auch.

Zudem schlägt der nordrhein-westfälische Finanzminister und designierte Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) vor, künftig auch wieder die Lohnsumme sowie Mieten und Zinsen zum Gewerbesteuerertrag hinzuzurechnen. Bislang werden nur Zinsen für langfristige Darlehen und die Gehälter von Geschäftsführern eingerechnet. Unabhängig ob ein Ertrag anfällt, wäre für diese "Substanzelemente" trotzdem Gewerbesteuer fällig.

Während also die einen den Kreis der Steuerzahler erweitern wollen, schlagen die anderen eine Vergrößerung der Bemessungsgrundlage. Beides kommt einer Steuererhöhung gleich. Um so verständlicher ist es, dass sich die Vertreter der Wirtschaft - mit Ausnahme des Handwerkes - dagegen wehren. Sie schlagen stattdessen vor, die Gewerbesteuer abzuschaffen und den Kommunen dafür ein Hebesatzrecht auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer einzuräumen. Die Einkommensteuer soll gesenkt, die Körperschaftsteuer leicht erhöht werden. Unterm Strich würden private Haushalte und Unternehmen dann in etwa so hoch belastet wie heute. Da die Kommunen über die Höhe des Hebesatzes entscheiden, wäre Steuerwettbewerb möglich. Das alles klingt gut, ist aber nach Ansicht von Niedersachsens Finanzminister Heinrich Aller mit "zusätzlichem Verwaltungsaufwand" verbunden. Und die Kommunen geben zu bedenken, dass die Konjunktur auch an Körperschaft- und Einkommensteuer nicht spurlos vorbei gehe.

Wieder nur Flickwerk

Unterm Strich bedeutet das, dass es vermutlich keine Reform der Gemeindefinanzen sondern wieder nur steuerpolitisches Flickwerk geben wird. Doch noch nicht einmal das ist sicher, denn wenn die Kommission ein einheitliches Ergebnis gefunden hat, muss es noch über die parlamentarischen Hürden. Und die von der Union regierten Länder haben bereits verkündet, dass sie sich gegen jede Art von Steuererhöhungen wehren werden.



Dixie:

Alles SUPER!

 
09.10.02 08:50
KOALITIONSVERHANDLUNGEN

Größen-Wahn der Super-Männer

Von Markus Deggerich

Mit der Personalie Clement haben die Chefunterhändler Schröder und Fischer bereits ihre wichtigste Entscheidung getroffen. Jetzt sollte es wieder um Inhalte gehen in den Koalitionsverhandlungen. Doch mit ihrem Hang zu Superlativen haben SPD und Grüne längst das Regierungsgefüge ins Rutschen gebracht. Mindestens zwei weitere Ressortchefs müssen um ihre Posten bangen.

 
REUTERS

Alpha-Tiere: Schröder und Fischer


Berlin - Alles "Super". Der "Super"-Lativ ist die meistgebrauchte Vokabel der Unterhändler in den K-Verhandlungen dieser Tage: Stimmung super, Superministerium mit Superminister? Super Idee. Fast schon unheimlich harmonisch bereiten SPD und Grüne ihre kommenden vier Regierungsjahre vor, von denen "Großes" erwartet werden darf, wie sie auch am Dienstag nicht müde werden anzukündigen.
Der Hang zur Super-Größe ist besonders bei den beiden Alpha-Tieren Gerhard Schröder und Joschka Fischer spürbar. Mit der Berufung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement nach Berlin haben der Bundeskanzler und sein Vize die wichtigste Entscheidung für ihr neues Kabinett bereits getroffen: Eine Demonstration der Stärke, des Willens zu großen Veränderungen im Arbeitsmarkt.

Nun sollte das Personalkarussell zumindest für einige Tage still stehen. Bis zum Sonntag will man wieder dem ursprünglichen Fahrplan folgen und die Sachfragen klären. Doch mit der großen Personalie Clement ist auch das ganze Kabinettsgefüge ins Rutschen geraten, wissen die Koalitions-Unterhändler. Erst zum Abschluss der Gespräche sollte die Kabinettsliste offiziell wieder auf den Tisch kommen. Ob der Kanzler dann nach Herta Däubler-Gmelin (Justiz), Christine Bergmann (Familie), Julian Nida-Rümelin (Kultur), Walter Riester (Arbeit) und Werner Müller (Wirtschaft) noch weitere Namen streichen wird, gilt zwar als offen. Aber am Dienstag hieß es schon aus Kreisen der Unterhändler, dass Schröder Gefallen gefunden habe an der "Größe", an Superministerien mit Super-Männern, weil das so schön nach Tatkraft aussieht.

Nach der Berufung Clements müssen nun mindestens zwei weitere Ressortchefs um ihre Posten bangen: Verkehrsminister Kurt Bodewig und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Beide saßen bisher fest in ihren Kabinettssesseln, weil sie dem mächtigen nordrhein-westfälischen SPD-Landesverband angehörten. Doch der ist nun mit Clement super bedient.

   
 
Auf den Posten Bodewigs hat es die Ost-SPD abgesehen. Die Sozialdemokraten aus den neuen Ländern fühlen sich in der Regierung stark unterrepräsentiert und fordern ein Schlüsselressort. Das Schlagwort "Großes Infrastrukturministerium" macht nun wieder die Runde. Dazu könnte neben den Bereichen Bauen und Verkehr auch der Aufbau Ost zählen, der zurzeit noch im Kanzleramt angesiedelt ist. Zuständig dafür ist der zwar der Sonderbeauftragte Rolf Schwanitz, der nach dem angekündigten Rückzug Bergmanns bis jetzt der einzige verbleibende Ostdeutsche im Kabinett ist und angeblich eine Zusage von Schröder hat, weitermachen zu dürfen. Aber das dachte Wirtschaftsminister Werner Müller vor kurzem auch noch.

Als aussichtsreichster Kandidat aus der Ost-SPD für einen zusätzlichen Kabinettsposten wird immer noch der Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee gehandelt. Der betont aber unablässig, sein Platz sei in Leipzig - doch ähnliche trommelte auch Clement noch jüngst für Düsseldorf.

Als möglich gilt aber auch, dass lediglich das Familienministerium an einen Newcomer aus dem Osten geht. Der frühere brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe, der neben Bundestagspräsident Wolfgang Thierse zu den stärksten Verfechtern einer höheren Ost-Quote im Kabinett zählt, hat die frühere Wirtschaftsministerin in Sachsen-Anhalt, Katrin Budde, dem Kanzler ans Herz erlegt. Wäre für den eine Super-Quote: Weiblich und Ost in einem ansonsten westmännlich dominierten Kabinett.

 

Geklärt werden muss auch noch, wer sich aus dem Nachlass von Minister Riester bedient. Neben dem Arbeitsmarkt, der an Clement geht, war Riester auch für Soziales zuständig. Auch da denken Rote und Grüne wieder über Großes nach: Die bisher beim Arbeitsministerium angesiedelten Bereiche Rente und Behinderte könnte man dem Gesundheitsministerium zuschlagen. Das neue große Super-Sozialministerium aus Riesters Reste-Rampe wäre dann übergreifend für Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zuständig, das dann selbstredend eine starke Person an seiner Spitze bräuchte. Entschieden ist dies aber noch nicht. Offen ist auch, wer an der Spitze des neuen Ressorts stehen soll.

Viele sichere Posten

An einer ganzen Reihe von Posten gibt es nichts mehr zu rütteln. Auf jeden Fall werden alle drei bisherigen Grünen-Minister wieder im Kabinett vertreten sein: Joschka Fischer als Chef des Auswärtigen Amts und Vizekanzler, Jürgen Trittin als Umweltminister und Renate Künast als Verbraucherministerin.

Ihre deutlichen Stimmengewinne bei der Wahl wollen sich die Grünen eher mit einer Aufwertung ihrer Minister aufwiegen lassen: Mehr grüne Größe statt neuer Namen finden sie super. Trittin hat Interesse an der Energieabteilung aus dem Wirtschaftsministerium und liebäugelt auch mit Zuständigkeiten aus dem Verkehrsressort. Das Ministerium Künast könnte zu einem echten Querschnittsressort, ein anderes Wort für Super-Ministerium, mit neuen Kompetenzen aus den Bereichen Wirtschaft und Justiz gemacht werden, um gestärkt in den Kampf gegen die Agrarlobby zu ziehen.

Club der starken Männer

Neben dem "Größen"-Wahn im Ressortzuschnitt wächst damit auch das Selbstbewusstsein der zuständigen Minister. Einige Staatssekretäre und Beamte der so genannten "weicheren" Ressorts machen sich bereits Sorgen um ihr Gewicht am Kabinettstisch. Und auch die innere Chemie in der Regierungsrunde wird neu gemischt. Zu viele Alpha-Tiere, fürchten bereits einige Unterhändler, machen das Regieren für das Dreamteam Schröder-Fischer nicht leichter. Clement, der wie Schily aufbrausender Natur ist, und der ebenfalls zur Größe neigende Trittin könnten leicht aneinander geraten im Club der Super-Männer, die sich oben alle auf Augenhöhe sehen. Hans Eichel wird seinen Titel als stiller Star des Kabinetts verteidigen wollen und auch Otto Schily, weiß ein Kabinettsmitglied, hält sich für den eigentlichen Vize-Kanzler.

 

Aus der SPD sind neben Clement Peter Struck (Verteidigung), Edelgard Bulmahn (Bildung), Heidemarie Wieczorek-Zeul (Entwicklung), Eichel (Finanzen), Schily (Inneres) und Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier gesetzt. Eichel, bisher neben Schily Schröders Supermann, wird allerdings eine wichtige Abteilung aus seinem Ministerium an den neuen Starken aus Westfalen abgeben müssen: Die Grundsatzabteilung, die für den Jahreswirtschaftsbericht, die wirtschaftlichen Forschungsinstitute und den Sachverständigenrat zuständig ist.

Alpha-Tiere und ein paar Frauen

Mit Christina Weiss wird es nach Müller zwar wieder ein Kabinettsmitglied geben, das keiner Partei angehört. Aber "Großes" bekommt so jemand unter Schröder nicht mehr. Die ehemalige Hamburger Kultursenatorin löst Nida-Rümelin im Amt des Kulturstaatsministers ab. Sie darf Filmpreise verleihen und Intellektuelle pflegen. Sie findet das, dem Vernehmen nach, aber super.

Auch an der Besetzung des Justizressorts, das "Schwertgosch" Däubler-Gmelin geräumt hat, gibt es nur noch wenige Zweifel. Die bisherige Staatssekretärin im Innenministerium, Brigitte Zypries, gilt inzwischen als klare Favoritin. Die 48-Jährige hatte sich als Schröders "Deichgräfin" während der Hochwasserkatastrophe profiliert. Sie koordinierte als Chefin einer Staatssekretärsrunde den Einsatz der Hilfskräfte und die Verteilung der Mittel, gilt als durchsetzungsstark und kompetent und hat laut Schröder und Schily das Zeug zu "Größerem". Und solche Leute finden sie im Moment super.




Dixie:

Sprit muß teurer werden!

 
09.10.02 09:04
„Alte Mühle, die abgeschaltet gehört“

BUND fordert Stilllegung von AKW Obrigheim

Umweltschützer fordern Aus auch für Atommeiler Stade/ „Sprit muss teurer werden“


Von Philip Grassmann

Berlin – Einen Tag vor den Koalitionsgesprächen über die Umweltpolitik haben Umweltschützer SPD und Grüne aufgefordert, die Stilllegung der Atomkraftwerke Obrigheim und Stade im kommenden Jahr verbindlich festzuschreiben. Besonders Obrigheim sei „eine alte Mühle, die abgeschaltet gehört“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Gerhard Timm. Bei den Grünen hieß es, das Thema werde am Mittwoch auf der Tagesordnung stehen.

Während die Abschaltung des AKW Stade im Rahmen des Atomkonsens als sicher gilt, hat der Betreiber des Kernkraftwerks Obrigheim – die baden- württembergische EnBW – vor wenigen Tagen eine Verlängerung der Laufzeiten für den ältesten Atommeiler Deutschlands beantragt. Im Atomkonsens sind die Strommengen, die jedes Atomkraftwerk produzieren darf, festgelegt. Anschließend erlischt die Betriebsgenehmigung. Für Obrigheim wäre dies im Frühjahr 2003 der Fall gewesen. Allerdings erlaubt der Atomkonsens auch, Strommengen von einem AKW auf ein anderes zu übertragen. Davon will EnBW nun Gebrauch machen. Notwendig dafür ist die Zustimmung des Umweltministeriums sowie des Kanzleramts und des Wirtschaftsministeriums. Der Antrag wird derzeit geprüft. Timm sagte, Obrigheim sei störanfällig und gegen einen Flugzeugabsturz nicht ausreichend gesichert. Es wäre ein gutes Signal, wenn sich SPD und Grüne auf eine Stilllegung von Obrigheim im Jahr 2003 verständigen könnten.

Der BUND forderte außerdem einen Neuzuschnitt für das Umweltministerium. Das Wirtschaftsressort solle im Rahmen der geplanten Zusammenlegung mit dem Arbeitsministerium seine Zuständigkeiten für die Energiepolitik an Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) abgeben.

In einer „Checkliste“ verlangen die Umweltschützer ferner von den Koalitionären, die Ökosteuer weiterzuführen. Sprit solle jährlich um fünf bis 15 Cent teuerer werden. Timm forderte weiter, dass die Ausnahmen von der Ökosteuer reduziert werden müssten. Außerdem sollten die Steuerprivilegien für Flugbenzin gestrichen werden. Der BUND sprach sich auch für eine Reduzierung der Mehrwertsteuer für die Bahn auf sieben Prozent aus. Ebenso wie Timm plädierte der Präsident des Naturschutzbundes, Jochen Flasbarth, für eine Anhebung der Ökosteuer.

Horst Mierheim vom Umweltbundesamt forderte, die Koalition müsse ihre beschlossene Nachhaltigkeitsstrategie nun „mit Leben erfüllen“. Zur Begründung sagte er, bisher sei darin als einziges konkretes Ziel die Reduzierung des Flächenverbrauchs genannt. Das Bundesamt für Naturschutz verlangte ebenso wie der BUND mehr Kompetenzen für das Umweltministerium. Dort müssten künftig auch die Bereiche Fischerei und Forstwirtschaft angesiedelt werden.
flexo:

Vorschule für Politiker:

 
09.10.02 09:10
Buchstabieren sie das Wort "sparen".
Antwort:"K, o, n, s, e, n, s"
Dixie:

Rückkehr zu den Wurzeln

 
09.10.02 09:12
Späte Heimkehr
DAS SCHLAGLOCH    von MATHIAS GREFFRATH

"Ja, das hätten Sie wohl gern gehabt", sagte Sigmar Gabriel, als die Journalisten ihn fragten, warum denn all diese Umverteilungspläne kein Thema im Wahlkampf gewesen seien. Dabei lächelte er verschmitzt. Herbert Wehner hätte nicht lakonischer sein können. Wahlbetrug? Ach was. Mag die Opposition sich heiser schreien, die Springer-Presse von Steuerlüge, Neidsteuer, Krieg gegen die Reichen, Vernichtungsfeldzug gegen die Raucher, Enteignung der Erben schreiben. Was wir erleben, ist die Rückkehr der deutschen Sozialdemokratie zu ihren tiefsten Grundwerten.

Wer feine Ohren hatte, der konnte es schon im Wahlkampf hören trotz all der Sparschalmeien und Standortpauken: "Ich bin stolz auf meine Biografie als Arbeiterkind", hatte der Kanzler da gerufen und hinzugefügt, er, Gerhard Schröder, sei angetreten, den "Herrschaftsanspruch deutscher Konservativer zurückzuweisen". Späte Heimkehr nach langem Marsch, und alle die, welche kleinmütig glaubten, es reiche ihm, drin zu sein, und die Geschichtsbücher seien ihm schnuppe, die werden nun von diesem Kanzler beschämt.

Die linke Kritik an der ersten Regierung Schröder hatte das Glotzsche Theorem vergessen: Politik in komplexen Gesellschaften ähnelt dem Steuern von Tankern: sie sind langsam zu manövrieren. Aber nun sehen wir: Die Senkung des Spitzensteuersatzes um 8 Prozent in der letzten Legislaturperiode, die faktische Streichung der Körperschaftssteuer, das Steuergeschenk an die Verkäufer von Unternehmensbeteiligungen - das war nichts anderes als der lange Bremsweg vor dem Kurswechsel! Aber nun wird umgesteuert.

Freilich, bevor der Große Plan in Kraft treten konnte, musste zuerst die Wahl gewonnen werden. Denn Sozialdemokraten wollen keine Taschenbücher schreiben, sondern Wirklichkeit gestalten. Wahlen aber werden in der Mitte gewonnen. Nur deshalb all die Spar- und Kraftfahrerberuhigungsrhetorik. List der Vernunft, Realpolitik, fast machiavellistisches Verständnis von Ziel und Mitteln, rechts reden, um links zu handeln - es grenzt ans Leninistisch-Geniale, wie sie mit ihrer Austerity-Politik, mit den Plänen zur perspektivischen Senkung der Massenlöhne durch Verstaatlichung der Leiharbeit die CDU-Strategen in einen populistischen Wahlkampf gegen den Kanzler der Bosse getrieben haben und damit Verwirrung im Arbeitgeberlager stifteten. Aber dialektische Politik ist ein filigranes, riskantes Spiel, oft in der Gefahr, die eigene, kleinmütige Basis zu verwirren. Weshalb die Wahlkampfzentrale erst gegen Ende eine Prise Polemik gegen die "maßlose Raffgier" in den Chefetagen und das "Ausplündern der kleinen Leute" verordnete, rhetorisch wattiert durch die Projektionsformel vom "Deutschen Weg". Alle Achtung, Genosse Machnik, die Dosierung war doll abgestimmt. Und auch das Timing mit Clement war Taktik vom Feinsten. Seine Aufnahme ins Wahlkampfteam hätte das Risiko geborgen, genau das halbe Prozent linkstraditionalistischer und rhetorikverliebter Wähler am linken Rand der SPD in die Arme der PDS zu treiben und damit eine regierungsfähige Mehrheit für die die "Koalition der Erneuerung und Gerechtigkeit" (F. Kuhn) zu verhindern.

Aber nun ist die GERECHTIGKEITSKOALITION, wie Franz Müntefering sie offiziell getauft hat, an der Macht. Die Zeiten, in denen sich "nur noch die Reichen Bildung, Kultur und sicheres Wohnen leisten können", sind vorbei, verkündet Gabriel. Hans Eichel enthüllt, was er von nun an unter "Konsolidierung" versteht: die Wiederherstellung der "sozialen Symmetrie" vermittels einer "besseren Erfassung der Vermögen" und einer "Mindestbesteuerung für große Unternehmen". Für die kürzlich noch liberal irrlichternden Grünen gibt es nur noch "Gerechtigkeitssteuern" (Kuhn); und Porschefahrer wie Rezzo Schlauch rücken in die zweite Reihe, sie harmonieren nicht mit dem neuen Ideal des "Volksvertreters".

Ein hoffnungsvoller Anfang ist gemacht, aber der Weg ist lang. Der Modernisierungs- und das heißt Gerechtigkeitsrückstand Deutschlands ist vor allem auf dem Steuersektor erheblich. Noch immer werden hierzulande so wenig Gewinnsteuern erhoben wie in keinem anderen Land der OECD, was die staatlichen Investitionen in Infrastruktur und Bildung schmerzhaft einschränkte. Aber schon arbeiten Regierungsexperten an den Plänen, wie der Steuerstandort Deutschland etappenweise auf international übliches Niveau gehoben werden soll. Wie schnell der Anteil der Vermögenssteuern am Steueraufkommen (derzeit 3,6 Prozent) auf den Stand etwa von Frankreich (10,5), der USA (14,0) oder gar Japans (16,3) gehoben werden wird, ist im Einzelnen noch unbekannt, aber die Gerechtigkeitsregierung fängt ja erst an.

Mit dem neuen Amt Wolfgang Clements schließlich gewinnt der "Deutsche Weg" deutliche Konturen: Die lange Durststrecke, in der Wachstum mit Ungleichheit einherging, mündet in eine neue, zeitgemäße Sozialpartnerschaft. Clements oft, von links, zitierter Satz, Ungleichheiten in Einkommen, Vermögen und Lebenschancen seien "ein Katalysator für individuelle und auch für gesellschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten" war, so zeigt es sich heute, nicht affirmativ, sondern kritisch gemeint, bezogen auf die Übergangsphase vor dem Eintritt in die Gerechtigkeitsgesellschaft. Wer, wenn nicht Wolfgang Clement, der einst ein schönes symbolisches Bekenntnis zum proaktiven Primat der Politik abgelegt hat, hätte mehr Autorität, um die Unternehmer nachhaltig daran zu erinnern, dass "Arbeitsplätze in der Wirtschaft entstehen".

Den "Herrschaftsanspruch der deutschen Konservativen zurückzuweisen", wie Gerd Schröder sein "Selbstverständnis" definiert, heißt freilich auch, kulturelle Hegemonie über das sozialdemokratische Milieu hinaus zu gewinnen. Die Aussichten sind derzeit gut, die Opposition hantiert hilflos zwischen linkspopulistischen Bruchstücken und offener Parteinahme für das multinationale Großkapital. Schon setzen die Redenschreiber für die Regierungserklärung zum semantischen Angriff auf die letzten Bastionen des Besitzbürgertums an. "Meine Damen und Herren von der Opposition", so heißt es in einem der Entwürfe, "wenn Sie hier Sozialismus rufen: muss ich, der Sohn einer allein erziehenden Arbeiterfrau, Ihnen zitieren, was einer aus Ihren Kreisen, der große Modernisierer und Plutokrat Rathenau, vor 100 Jahren geschrieben hat? ,Wirtschaft ist nicht Privatsache. An der Arbeit, die in unsichtbarer Verkettung alle leisten, sind alle berechtigt. Besitzverteilung ist ebenso wenig Privatsache wie Verbrauchsanrecht. Die Anfänge eines neu sich bildenden Sittenbewusstseins haben wir wahrgenommen: ein Empfinden, das nicht mehr bereit ist, die Ansprüche auf materiellen Weltanteil, wie sie aus dem freien Spiel der Kräfte sich entwickeln, ungeprüft hinzunehmen. Und zu den unsittlich sich färbenden Ansprüchen des Spekulanten und des Monopolisten gesellt sich der Anspruch des verdienstlos auf sein Herkommensrecht pochenden Massenerben '"

Genossen, der lange Marsch hat sich gelohnt. Wir sind erst am Anfang. Und wenn wir jetzt in langen Novembernächten durch den Berliner Tiergarten gehen und es funkelt durchs Gehölz, dann ist das kein Irrlicht. Nein, beim Kanzler brennt noch Licht.

Mathias Greffrath lebt als Publizist in Berlin

taz Nr. 6873 vom 9.10.2002, Seite 12, 248 Zeilen (Kommentar), MATHIAS GREFFRATH,  taz-Debatte

Dixie:

für mara ;-) o.T.

 
09.10.02 11:34
Mara:

Dixie, die Genossen werden noch wundern.

 
09.10.02 11:37
Unsere Zeit kommt erst noch.
first-henri:

Rot/Grün will nach unbestätigten Informationen

 
09.10.02 11:47
ab sofort die Supersteuer einführen.

f-h
callput:

ich konvertiere, ich werde mich nicht mehr

 
09.10.02 11:52
waschen, ich will wie mara sein, richtig schwarz, wie in meinem sm keller mara, ich vergehe
Dixie:

Was ist eigentlich Gerechtigkeit?

 
10.10.02 08:15
Was ist eigentlich Gerechtigkeit?
In ihrer Alimentationssehnsucht vergessen viele die Voraussetzung für Hilfe: die eigene Leistung - Debatte
Von Matthias Kamann

Man kann sie fast schon riechen: Demonstrationen, Gewerkschaftsproteste, Blockaden von SPD-Linken. Sollte die Koalition tatsächlich den Haushalt konsolidieren, auf Steuererhöhungen verzichten und sparen, dann wird "Angriff auf die soziale Gerechtigkeit" zu den häufigsten Redewendungen gehören. In der Tat: Da wir es gewohnt sind, soziale Gerechtigkeit mit den Zuwendungen des Umverteilungsstaates zu verbinden, ist die soziale Gerechtigkeit bedroht, wenn die öffentlichen Kassen leer sind. Damit wäre die Legitimation der rot-grünen Regierung gefährdet. Denn diese gründet sich ja auf das Versprechen spendabler Sozialpolitik.

Aus dem Dilemma gibt es zwei Auswege. Der bequemere besteht darin, am gewohnten Konzept sozialer Gerechtigkeit festzuhalten, es aber zugleich, da es nicht mehr finanzierbar ist, in eine Beschwichtigungsformel zu verwandeln: "Wir sparen sozialverträglich." Man wird dann Rücksichten nehmen und Ausnahmen machen. Die Haushaltsziele wird man dabei nicht erreichen - die Wähler aber auch nicht befriedigen, es ist ja nichts da zum Ausschütten. Rasch würde Gerechtigkeit als Floskel ideologischer Ruhigstellung durchschaut.

Der andere Weg ist die Neudefinition sozialer Gerechtigkeit jenseits der Alimentierung. Anders, als das Vorurteil es will, bedeutet dies keine Preisgabe linker Ideale, sondern eine Rückbesinnung auf sozialdemokratische und grüne Konzepte. Aus einer Chiffre für schwächliche Besitzstandsverteidigung kann ein Erkennungszeichen offensiver Politik werden.

Wohin man auch blickt in der Philosophie sozialer Gerechtigkeit, überall findet sich an oberster Stelle das Kriterium, dass alle Bürger möglichst große und gleiche Chancen zur Partizipation haben müssen. Gerechtigkeit ist Selbstentfaltungsgerechtigkeit. Was hieraus für die Politik folgt, verdeutlicht die Pisa-Studie, die zugleich ein Beispiel dafür ist, wie weit sich eingespielte linksliberale Politik vom Ideal der Gerechtigkeit entfernt hat. Die Pisa-Studie speist sich aus sozialdemokratischem Geist: Volksbildung. Getestet wurde, inwieweit junge Menschen den Anforderungen der Industriegesellschaft entsprechen und somit in der Lage sind, sich zu entfalten. Bei uns aber fehlen vielen Schülern die für die Partizipation erforderlichen Kenntnisse. Sie werden um ihre Entfaltungschancen gebracht, und zwar um so mehr, je ärmer und weniger gebildet ihre Eltern sind.

Statt dieses offenkundige Versagen linksliberaler Gerechtigkeitspolitik zum Anlass einer gründlichen Diskussion über Leistung und Mindestanforderungen zu nehmen, verfiel Rot-Grün in eingespielte Alimentierungsreflexe und versprach Ganztagsschul-Milliarden. Wieder einmal drückte man sich vor der Einsicht, dass Gerechtigkeit nicht durchs staatliche Spendieren gewährleistet wird, sondern durch das egalitäre Garantieren von Voraussetzungen (also von gut ausgestatteten Schulen mit jeweils höchstmöglichem Leistungsniveau) für individuelles Tätigwerden, für schülerisches Lernen und Sich-Anstrengen.

Das ist zu beachten: Politik kann nur dann gerecht sein, wenn sie davon ausgehen kann, dass die Bürger bereit sind, sich in der vorgefundenen demokratischen Marktgesellschaft nach Kräften zu entfalten. Wo sie dazu nicht bereit sind, kann staatliche Politik ein Umdenken zwar nicht erzwingen, aber auch keine Gerechtigkeit garantieren. Das kann sie nur, wenn sie Leistungsbereitschaft voraussetzen kann - eine Bereitschaft, die gerade bei Rot-Grün zum geistigen Kernbestand gehört, zeichnet sie doch die sozialdemokratische Mentalität seit dem 19. Jahrhundert ebenso aus wie die grüne Geisteshaltung der hart arbeitenden Biobauern und neubürgerlichen Angestellten.

Es entspricht somit besten linken Traditionen, wenn man durch einen verrechtlichten Niedriglohnsektor und durch flexibles Arbeitsrecht den Arbeitslosen ermöglicht, sich in der freien Wirtschaft (statt in den geschützten Werkstätten öffentlicher Beschäftigungspolitik) neue Chancen zu erarbeiten. Es ist beste linke Politik, Schüler zu fordern, damit sie etwas aus sich machen können, Ausländern gute Sprachkenntnisse abzuverlangen, damit sie nicht im Getto sitzen bleiben, und Sozialhilfeempfänger zur Arbeit zu drängen, damit sie tätig werden können und ihre Kinder bessere Chancen haben.

Nicht jeder kann hohe Steuern zahlen, Alte und Kranke brauchen Rücksicht, Eltern darf man weniger zumuten als Kinderlosen - aber sich anstrengen, das kann jeder. Und deshalb ist es nur gerecht, es in Zeiten knapper Kassen von jedem zu verlangen: von den heute lebenden Erwachsenen, deren hohe Renten und gigantische Staatsverschuldung für die nachfolgenden Generationen zur ungerechten Belastung werden; von überholten Industriezweigen, die gegen die Marktgesetze im alten Trott bleiben wollen und dafür Subventionen kassieren; und von Chief Executive Managern, die so viel leisten sollten, wie ihnen überwiesen wird.

Gerechtigkeit gibt es nur bei individueller Anstrengung. Wo diese ausbleibt, kann der Staat nicht viel machen - weil die Vertragsgrundlage entfällt. Dass es dazu nicht kommt, dass vielmehr jeder Einzelne bereit ist, sich anzustrengen - um so mehr, je schlechter es ums Bruttosozialprodukt steht -, das muss gerade eine linksliberale Regierung fordern. Denn ihr Ziel ist soziale Gerechtigkeit.




dardanus:

Seid keine Memmen!

 
10.10.02 08:53
Nach dem Urnengang muß der Blick in die Zukunft leiten. Die Faust aufs rote Herz und angstlos dem Führer nach.
Ein grünes Wirtschaftswunder leuchtet am Horizont. Lauft, rennt, beeilt Euch.

Wer braucht schon diese kapitalistischen, herzlosen, ausbeuterischen Unternehmer.

Legt die Energieerzeugung in Schutt und Asche, reisst die Straßen auf. Legt den Verkehr still.

Ich hörs schon, links zwo drei vier links zwo drei vier ........

dd
maxperforma.:

sehr interessanter Beitrag von

 
10.10.02 09:39
Dir Dixie.

Folgender Satz trifft es am besten:
"Neudefinition sozialer Gerechtigkeit jenseits der Alimentierung"

Bin gespannt ob rot-grün da ansetzt
oder nur wieder die Einnahmenseite des Staates betrachtet
kalle4712:

@Dixie

 
10.10.02 10:26
In diesem Thread hast Du Dich ja richtig abreagiert.
Alle Achtung: Die Beiträge sind interessant, obwohl die Themen seit vielen Jahren besprochen werden und man es mittlerweile eigentlich leid ist, sich das Politiker-Gefasel anzutun.

Zu einer Antwort hast Du mich  mit Beitrag 12 animiert: Da kann ich nämlich 100%-ig zustimmen: Seit vielen Jahren erlebt man nur noch Umverteilungsdebatten. Unter Rot/Grün hat sich dieser Trend sogar noch verstärkt: Man hat den Eindruck, dass die Politiker glauben, mit Geld-Verteilung irgendwelche Probleme lösen zu können - an die wirklichen Ursachen traut man sich nicht heran.
Und warum dieser Trend in der Politik? - Ganz einfach: Allen soll es gleich ungefähr gut gehen. Zu diesem Bestreben tragen vor allem die Gewerkschaften bei. Aber die Basis wird bei dieser Denkweise leider außen vor gelassen: Die Leistung. Denn wenn alle nur auf Umverteilung schielen und die Früchte der harten Arbeit zu sehr an andere verteilt werden sollen, dann lohnt sich harte Arbeit nicht mehr, und die Basis bröckelt.

Das "Bröckeln der Basis" erleben wir ja in Deutschland nun schon seit vielen Jahren: Für Leistung interessiert sich kaum jemand - die meisten Politiker engagieren sich im Bereich des Geld-Einstreichens und -Verteilens.
Jetzt schlage ich den Bogen zurück zu Deinem Beitrag 12: Die eigene Leistung steht nicht mehr im Vordergrund. Und wenn es allen gleich gut gehen soll, ohne dass dafür Leistung von jedem Einzelnen abgefprdert wird, dann wird die Leistungsbereitschaft sinken. Und unter dem Strich wird es in einigen Jahren allen eher gleich schlecht als gleich gut gehen.

Und was das Schlimmste ist: Viele Leute werden nicht mehr leistungsfähig sein, weil die Gesellschaft/Politik ihnen suggeriert, ohne Leistung auszukommen.

DAMIT BERAUBT DIE POLITIK GERADE DIE "KLEINEN LEUTE" UM IHR GRÖSSTES KAPITAL: IHRE EIGENE LEISTUNGSFÄHIGKEIT. Das ist der eigentliche Skandal.
maxperforma.:

Kalle genau richtig

 
10.10.02 11:42
ganz so unrecht hatte Altbundeskanzler Kohl nicht mit
dem Ausdruck "Kollektiver Freizeitpark", für den er viel
kritisiert wurde.

So blöd es sich anhört:
Die Garantie diesen Park weiter wie bisher betreiben zu wollen
war Schröders Joker im Wahlkampf.
Die Deutschen gerade in Ostdeutschland haben mittlerweile
Angst vor der Leistungsgesellschaft
brainman:

politik

 
10.10.02 11:56
mal sehn was noch für tolle steuern auf uns zukommen in den nächsten jahren.
wir können ja froh sein das der staat nicht pleite gehen kann, sonnst würde hier schon lange der insolvenzverwalter vorm grenzübergang stehen.
ich bin mal gespannt wie lange das noch gut geht !
Dixie:

... und gebar ein Mäuslein

 
15.10.02 08:19
... und gebar ein Mäuslein
Die Katze ist aus dem Sack: Das Land bleibt auf absehbare Zeit im Reformstau hängen - Kommentar
Von Ulrich Clauss
Es wird also weitergewurstelt. Das Gestrüpp von Steuererhöhungen, Belastungsumschichtungen, weichen Umweltzielen, anderen vagen Absichtserklärungen und vor allem neuer Schuldenmacherei, das die rot-grüne Koalition gestern als Ergebnis ihrer Koalitionsverhandlungen ausbreitete, setzt nahtlos die Linie der bisherigen Verlautbarungen fort. Unter dem Strich bestätigt sich der Eindruck, dass dem Bürger unsystematisch die Steuer-Daumenschrauben weiter angezogen werden, um das - urplötzlich nach der Wahl aufgetauchte - Haushaltsloch zu stopfen. Das Nullsummenspiel der Umverteilung aus der rechten Tasche in die linke setzt sich fort.

Von grundlegenden Strukturreformen ist keine Rede. Stattdessen wird, wie die SPD-Linke bereits jubilierend angekündigt hatte, Eichels Konsolidierungskurs aufgeweicht. Damit haben die Koalitionsverhandlungen zwar keinen Sieger, aber einen eindeutigen Verlierer: den Bundesfinanzminister. Mit ihm zusammen muss der Bürger nun für die nächsten vier Jahre alle Hoffnung auf Sanierung der maroden Staatsfinanzen und Sozialsysteme fahren lassen. Man kann nur beten, dass wenigstens die wacklige Konjunkturprognose der Regierung zutrifft. Da tröstet auch der immerhin deutlich erkennbare Akzent bei der Familienpolitik nicht wirklich. Denn weitere Steuererhöhungen werden kommen. SPD-Generalsekretär Müntefering spekulierte gestern wieder einmal ausdrücklich auf entsprechende Initiativen der Unionsländer im Bundesrat.

Den Autor erreichen Sie unter: clauss@welt.de


Dixie:

Süßes Gift

 
15.10.02 08:25
Süßes Gift

hig. Den rot-grünen Sprachverdrehern sollte der Bürger im eigenen Interesse genau aufs Maul schauen. Denn der Sinn der wortreichen Beschlüsse, die die Koalition am Montag abend verkündet haben, erschließt sich ohne ausgiebige Exegese wohl niemandem mehr. Festzuhalten ist vor allem die neue Bedeutung, die diese Regierung dem Begriff "Sparen" gibt. Unter Sparen verstehen Sozialdemokraten und Grüne nichts anderes mehr als Steuer- und Beitragserhöhungen auf breitester Front. Nur merken soll es möglichst niemand.

Daher werden zum Beispiel die Tarife der Ökosteuer "wirtschaftsverträglich nachgearbeitet" und die Gebäudeabschreibungen der Unternehmen "verlängert". Die Begrenzung der Verlustverrechnung, die die Gewinne der Konzerne mit einer Mindestbesteuerung belasten soll, ist für SPD-Generalsekretär Müntfering natürlich auch keine schnöde Steuererhöhung. Sie wird, wie alle für die Steuerzahler teuren Korrekturen, als Abbau angeblich "ungerechtfertigter Steuerprivilegien- und subventionen" verkauft. Doch nicht nur die Steuern steigen sondern auch die Schulden. Denn von den Subventionen für Kohle, Transrapid und Windräder will auch Super-Wirtschaftsminister Clement lieber nicht lassen. Für den grünen Parteivorsitzenden Kuhn vollzieht sich damit die Abkehr von einer "traditionellen" Finanzpolitik hin zu einer "nachhaltigen". Dazu gehört dann auch, daß mit den disziplinierenden Schuldenkriterien des Europäischen Stabilitätspaktes "flexibler" umgegangen wird.

Wer all das nicht versteht, sollte nicht an sich selbst zweifeln. An der Börse sorgten Müntferings besonders kryptische Andeutungen zur Unternehmensbesteuerung vorübergehend sogar für einen Kursturz. Der Nebel ist gewollt. Denn die Regierung Schröder/Fischer hat weder die Kraft, die staatlichen Ausgaben einzuschränken noch den Mut, dies offen einzugestehen. Bundesfinanzminister Eichel scheint in der Regierung isoliert. Seine einst unüberhörbaren Warnungen vor dem "süßen Gift" der Schulden sind dieser Tage nicht mehr zu vernehmen, die ehrgeizigen Ziele zur Sanierung des Haushaltes auf der Strecke geblieben. Die deutsche Finanzpolitik wird unkalkulierbar.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.2002, Nr. 239 / Seite 1
Nokiacrash:

Öffentliche Aufforderung an die Regierung

 
15.10.02 08:52
Sehr geehrter Herr Schröder, Herr Eichel, die Grünen,

bitte treten Sie von Ihren Ämtern zurück, bevor sie Deutschland völlig ruiniert haben. Daß Sie wirtschaftlich völlig inkompetent sind, haben Sie schon in den
letzten vier Jahren bewiesen. Sie brauchen dieses Fiasko nicht mehr fortsetzen.

Stellen Sie Ihre Ämter kompetenteren Politikern zur Verfügung. Ob Herr Stoiber und Herr Westerwelle es besser machen, ist ungewiss, schlechter als Sie können sie es aber auch nicht mehr machen. Geben Sie diesen Politikern eine Chance!

Wer zu Zeiten wirtschaftlicher Stagnation Steuer- und Belastungserhöhungen
einführt, hat absolut nichts begriffen.

NC
 
Apfelbaumpfla.:

@Nokia:

 
15.10.02 08:54
Blödsinn. Dazu hat man Wahlen. Man wollte es so.

Punkt.


Grüße

Apfelbaumpflanzer
post:

Hallo Ihr rot-grünen Ärs...:

 
15.10.02 08:57
Habt Ihr jetzt die Aussage begriffen:
        Vor der Wahl ist nicht nach der Wahl!
Dixie:

Oh nein! Apfelbaumpflanzer

 
15.10.02 09:01
Das wollten die rot-grünen Wähler ganz sicher nicht. Sie haben den vollmundigen Versprechungen geglaubt, die vor der Wahl so reichlich auf sie herunter geprasselt sind (vor allem die Ostdeutschen, die mit Wahllügen noch nicht so viel Erfahrung haben). Keine Steuererhöhungen, alles wird gut.
April, April! Jetzt reiben sich die Gutgläubigen entsetzt die Augen. Geht es doch an ihr eigenes Portomonaise.  
MadChart:

Das mit dem "Sparen"

 
15.10.02 09:03

haette nicht treffender formuliert werden koennen. Unser "Sparer der Nation" Hans Eichel spart naemlich gar nix. Er hat sich zwar die Haushaltskonsolidierung auf die Fahne geschrieben -was gut ist- aber eben nicht durch sparen, wie er behauptet. Er erschliesst nur neue Einnahmequellen, sprich, er presst den (arbeitenden)Buergern, die schon seit Jahren unter der Abgabenlast stoehnen, noch mehr Geld ab, statt wirklich mal Einsparpotenzial zu erschliessen. Von letzterem -da duerfte wohl auch der letze rot-gruene Feingeist meiner Meinung sein- gibts naemlich bei uns genug

Danke, Gerd und Hans! Mich kotzt das langsam kraeftig an. Und was mich am meisten weich macht ist, dass diese Politik auch noch immer mehr rot/gruene Waehler generiert.

Warum? Weil in der Regel weder erfolgreiche Unternehmer, noch gutverdienende Angestellte oder Freiberufler oder dergleichen rot/gruen waehlen. Rot/gruen rekrutieren ihre Waehlerschaft bekanntermassen aus anderen Bevoelkerungsschichten. Und diese Schichten wachsen aufgrund der eigenen Politik immer weiter.

Oder kennt ihr nen Arbeitslosen, der FDP waehlt, hm???

Und jetzt scheisst mich ruhig zu mit Erguessen wie "MadChart, Du schwarzer Sack", oder "Leuten mit Deinem Schubladendenken haben wir das dritte Reich zu verdanken"



Bin sauer

MadChart
Apfelbaumpfla.:

Dixie: aber sie hätten es wissen können o.T.

 
15.10.02 09:23
Reila:

Tja MadChart,

 
15.10.02 09:26
von Hartz läßt man sich beraten. Besser wäre aber eine Beratung vom Bund der Steuerzahler oder von den obersten Finanzrevisoren. Aber für wirkliche Änderungen fehlt unserer Regierung wohl der Wille. Da sagte mal unter Bezug auf eine andere Regierung ein Bundespräsident, ein Ruck müsse durch das Land gehen. Auf den können wir wohl noch lange warten. Die verquasten Sprachregelungen, mit denen Nichtstun und Steuererhöhungen verschleiert werden, zeigen doch die Ratlosigkeit der Regierung.
Man braucht allerdings nur wenig Mathematikkenntnisse, um zu erkennen, daß das aktuelle Steuer- und Abgabensystem nicht mehr lange funktionieren kann. Die Arbeitslosigkeit ist seit den frühen 70er Jahren nahezu kontinuierlich gestiegen und wird das weiter tun. Gleichzeitig steigt die Zahl der Rentner ständig weiter im Verhältnis zur Zahl der Arbeitenden. Die Staatsverschuldung wird nicht abgebaut. Und die Einwanderung nach Deutschland wird nicht von Leistungsträgern dominiert. Die Einführung des Dosenpfands wird auf Dauer diese Probleme nicht lösen können. Es wird noch alles andere als lustig werden.

R.
Apfelbaumpfla.:

Gibt's eigentlich irgendwo was im Netz,

 
15.10.02 09:31
wo man die Entwicklung der _gesamten_ Staatsverschulundung sehen kann?
Also Bund, Länder, Gemeinden zusammen. Denn das ist doch eigentlich von Interesse. Was hilft es mir, wenn der EIchelspart, aber meine Stadt Pleite geht?

Gibt's da irgendwo eine Übersicht? Beim Steuerzahlerbund habe ich nichts gefunden.

Grüße

Apfelbaumpflanzer
Reila:

Apfelbaumpflanzer, ja, die gibt es:

 
15.10.02 09:40
Sieh nach unter Punkt 1.2:


home.t-online.de/home/dieter.meyer/...tlicher%20Gesamthaushalt
n1608:

Steuererhöhung auf Leitungswasser + Gas =

 
15.10.02 09:59
soziale Gerechtigkeit?

Dieser von Rot-Grün bis zum Erbrechen benutzte Begriff erweist sich gerade für die Armen im Lande als Volksverarschung. Wer kann einer Steuererhöhung auf Leitungswasser am wenigsten entgehen? Natürlich Familien mit Kindern, bei denen zwangsläufig ständig die Waschmaschine läuft und natürlich all jene, deren Einkommen nur zur Abdeckung der Grundbedürfnisse reicht. Eine umweltpolitische Steuerung ist bei dieser Diskussion nicht mal angesprochen worden.

Das gleiche gilt für Gas. Warum wurde Gas bisher nur mit dem ermäßigtem Steuersatz berechnet? Die Argumentation war, dass Gas sauberer ist als andere primäre Energieträger. Wo ist die umweltpolitische Kompetenz von Rot-Grün, wenn es sie je gab, geblieben. Wo soll ich eine umweltpolitische Steuerungswirkung erkennen? Auch hier gilt, dass Volk wird verarscht und merkt zum großen Teil nicht, dass es seinen eigenen Schlächter gewählt hat.

Die unsägliche Diskussion um die Besteuerung von Aktiengeschäften will ich gar nicht erst diskutieren, weil ich sonst kotzen könnte. Erst sorgt die Politik mit Ihrem Geschwafel von Aktienkultur dafür das sich ahnungslose Anleger die DT für 62,5 € ins Depot legen und nachdem der Staat mal wieder klamm ist, dürften die armen Schweine auch noch für den Verkauf ihrer zerpflückten Positionen bezahlen. Schröder & Co. sind da nicht besser als ein übler Dealer. Erst die Bevölkerung anfixen und dann auspressen.

Gratulation!
Reila:

Apfelbaumpflanzer, Nachtrag:

 
15.10.02 10:11
Natürlich ergeben sich erhebliche und auch erheblich steigende Zahlungsverpflichtungen der "Gemeinschaft" aus den Rentenansprüchen der gegenwärtigen und künftigen Rentnergenerationen. Da es in Deutschland einen "Generationenvertrag" gibt, erscheinen diese Schulden nicht in der Aufstellung der Schulden öffentlicher Haushalte, was zu einer Verzerrung des Bildes führt, denn auch diese "Schulden" müssen künftig bedient werden. Es ist also alles noch viel schlimmer. Beispiel: Wollte man die gegenwärtige Alterstruktur in Deutschland aufrecht erhalten, müßten jährlich etwas 800.000 junge Menschen nach Deutschland einwandern.

Quelle: www.oeko-net.de/kommune/kommune9-98/tmueller.htm

Dixie:

Aber was sollen die da, Reila?

 
15.10.02 10:23
Wenn es keine Jobs für sie gibt, können sie auch keine Beiträge zahlen.
Dixie:

Krankenkassen rechnen mit Beitragserhöhungen

 
15.10.02 10:24
Höhere Beiträge "nicht vom Tisch"

Kassen schätzen Wirkung des Arznei-Sparpakets geringer ein

Von Karl Doemens

Die rot-grüne Notoperation zur Stabilisierung der Gesundheitskosten wird nach Einschätzung der Krankenkassen Beitragserhöhungen nicht verhindern können. Apotheker, Pharmaindustrie und private Versicherer melden massive Proteste an.

BERLIN, 14. Oktober. "Das Arznei-Sparpaket hat eine wichtige Wirkung in der Zukunft", sagte Hans-Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands. Doch werde der in den rot-grünen Koalitionsverhandlungen gebilligte Katalog "die Defizite der Vergangenheit nicht auffangen". Die erwarteten Beitragserhöhungen seien daher keineswegs vom Tisch, sagte Ahrens am Montag. Herbert Rebscher, der Vorstandschef des Ersatzkassenverbandes VdAK, betonte, die Anhebungen seien "nicht mehr zu verhindern".

Nach Schätzungen in Regierungskreisen dürfte die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) im Gesamtjahr ein Defizit von 1,5 Milliarden Euro einfahren. Dies würde zum Jahreswechsel eine Erhöhung des durchschnittlichen Beitragssatzes von 13,99 auf etwa 14,4 Prozent bedingen. SPD und Grüne einigten sich deshalb auf die Umrisse eines Eilgesetzes zur Kostendämpfung. Geplant sind ein Zwangsrabatt der Pharmahersteller, eine Reduzierung der Großhandelsspanne und geringere Apothekenzuschläge. Zudem sollen die Verwaltungskosten der Kassen begrenzt werden. Diese Vorhaben sollen 1,4 Milliarden Euro einsparen. Außerdem soll für Berufsanfänger der Wechsel zur privaten Krankenversicherung erschwert werden. Der Vorsitzende des Bundestags-Gesundheitsausschusses, Klaus Kirschner (SPD), schloss am Montag weitere Einschnitte nicht aus: "Wir stehen erst am Anfang."

Der Verband Forschender Arzneihersteller nannte es "sehr bedauerlich", dass die neue Regierung vorerst keine tiefgreifenden Strukturreformen angehen wolle. "Was wir an Vorschlägen kennen, ist reines Flickwerk", monierte ein Sprecher. Der Verband der Privaten Krankenversicherungen (PKV) sprach von einem "Affront" gegen die Branche. Die neue Regelung stehe zudem "verfassungsrechtlich auf mehr als wackeligen Füßen".

Schon früher hatte der Verband mit dem Gang vor das oberste Gericht in Karlsruhe gedroht. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände warnte, der geplante "pharmapolitische Kahlschlag" bedrohe die Hälfte der mehr als 140 000 Arbeitsplätzen in den Apotheken.

Weiterer Bericht: Beitragsgrenze steigt automatisch



[ document info ]
Copyright © Frankfurter Rundschau 2002
Dokument erstellt am 14.10.2002 um 21:04:47 Uhr
Erscheinungsdatum 15.10.2002



mod:

Reila,

 
15.10.02 10:26
es fehlt nicht der Wille, sondern es fehlt
einfach an Fachkompetenz.
Mich wundert das alles nicht.

Durch Ökosteuer usw. werden vor allem die
wirtschaftlich Schwachen getroffen.
Wissenschaftliches Stichwort dazu ist seit
vielen Jahren:
"Die regressive Wirkung der indirekten Steuern".
Alle wissen das, nur nicht die jetzigen
politischen Entscheidungsträger.

Viele Grüsse
m.
Apfelbaumpfla.:

Reila: danke für den Link

 
15.10.02 10:39
extrem bedenklich...


Grüße

Apfelbaumpflanzer
MadChart:

Reila:

 
15.10.02 10:41

Das mit dem Dosenpfand war gut. :-)

Ansonsten absolut meine Meinung, die steigende Arbeitslosenzahl in Verbindung mit der konsumerstickenden Belastung von Otto Normalversager wird das System irgendwann zum Umkippen bringen. Da gibts übrigens noch so eine kleine Zeitbombe: Ich meine die EU-Ost-Erweiterung.

Was heutzutage schon jenseits der Legalität, gleichwohl großflächig und mit Erfolg im Handwerk betrieben wird, nämlich die Beschäftigung von Billigtagelöhnern aus Polen oder Tschechien, wird dann völlig LEGAL!

Da werden sich deutsche Bauarbeiter warm anziehen müssen, wenn dann richtig scharenweise Arbeitskräfte aus den neuen Beitrittsländern völlig legal den Arbeitsmarkt überschwemmen.

Da wird man sich dann ein bisschen mehr einfallen lassen müssen, als das Dosenpfand oder die siebzehnte Stufe der 'Ökosteuer'


MadChart

Dixie:

nicht nur deutsche Bauarbeiter,

 
15.10.02 10:47
es gibt auch in diesen Ländern gut ausgebildete Fachkräfte, die vom großen Kuchen im "goldenen Westen" ein Stück abhaben wollen.
Reila:

MadChart,

 
15.10.02 10:59
ich glaube nicht, daß jemand dieses Thema (EU-Osterweiterung) bis zum Ende durchdacht hat. Die EU ist finanziell ein Agrarsubventionsverein. Und es ist heute schon klar, daß die Osterweiterung mit den alten Regeln nicht finanzierbar ist. Aber Mitglieder mit ungleichem Status kann ich mir langfristig nicht vorstellen. Auch von den bisherigen Nettoempfängern will keiner so richtig verzichten. Es wird also langfristig weniger Förderung für alle geben müssen oder mehr Wettbewerb. Auf einem Markt mit großen Überschüssen führt das zur massenhaften Pleite von Produzenten. Nun, ehemalige polnische Bauern werden dann die Freiheit haben, sich in Portugal einen Job zu suchen. Ob es funktioniert? Wir werden es erleben. mod braucht nicht in die USA auswandern. wir bekommen diese Verhältnisse auch hier. Etwas später.

R.
Dixie:

Alle sollen bluten!

 
15.10.02 13:49
Pressestimmen zum Koalitionsvertrag

"Alle sollen bluten"

Der rot-grüne Koalitionsvertrag ist in der Presse vom Dienstag mehrheitlich auf Kritik gestoßen. SPIEGEL ONLINE dokumentiert Auszüge.


 
DPA

Deutsche Presse: Der neue Koalitionsvertrag stößt weitestgehend auf Kritik  


Berlin - Der Münchner Merkur schreibt: "Zufrieden können damit eigentlich nur die notorischen Umverteiler von der SPD-Linken sein. Finanzminister Eichel, der ständig vom Sparen spricht und darunter immer nur das Anziehen neuer Steuerschrauben meint (wo bleiben eigentlich die Sparanstrengungen im öffentlichen Dienst, bei den Steinkohlesubventionen oder im Gesundheitswesen?), müsste eigentlich seinen Rücktritt einreichen. Doch der einstige Sparkommissar wird noch gebraucht - zur Verschleierung eines Kurswechsels, der Berlin nun auch in der Steuer- und Finanzpolitik auf gefährliche Abwege führt."


Ähnlich kommentiert die Nordwest-Zeitung aus Oldenburg: "Das Sparpaket ist eine Mogelpackung. Natürlich müssen Ausgaben und Einnahmen des Staates ins Lot gebracht werden. Dafür stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Die Koalition hat sich allein darauf verständigt, die Abgabenschraube um einige Drehungen weiter anzuziehen. Die seit Jahrzehnten überfälligen Reformen der Sozialsysteme und des Arbeitsmarktes bleiben dagegen auf der Strecke."

Im Kleingedruckten gute Arbeit

Zurückhaltender bewertet die Abendzeitung die Ergebnisse der Verhandlungen: "Mit Hartz und leichter Anhebung der Investitionen allein werden neue Arbeitsplätze kaum zu schaffen sein. Zumal der Preis mit dem Griff in die Schuldenkasse hoch ist. Im Kleingedruckten dagegen hat die Koalition gute Arbeit geleistet: Die Grausamkeiten sind halbwegs gerecht verteilt. Aber: Ein ausgeglichener Haushalt ist noch kein Zukunfts-Programm, höchstens die Voraussetzung dazu."

Milde urteilt hingegen die Süddeutsche Zeitung: Alle berechtigte Kritik darf eines nicht übertünchen. Die Koalition hält ihre zentralen Wahlversprechen. SPD und Grüne machen erstens keine Kompromisse beim Hartz-Konzept. Und zweitens fördern sie vor allem berufstätige Eltern. Der Aufbruch in eine kinderfreundlichere Republik steht bevor - vor allem dank der Grünen, die viele Kompromisse machen mussten."

Innenpolitisch bescheiden

Konfliktfreudig sind die Koalitionspartner nach Ansicht der Frankfurter Rundschau nicht gerade: "Herausragend viel Mut zum Konflikt mit all den Lobbygruppen kann man ihnen nicht gerade bescheinigen. (...) Die groß angekündigten Subventionskürzungen fallen nun moderat und einigermaßen publikumsverträglich aus, selbst wenn es politischen Ärger sicher geben wird.(...) Die Rot-Grünen sind innenpolitisch bescheiden geworden, Relisssimos eben. Erst recht, wenn es ums Geld geht, aber nicht nur da."

Zumindestens um Gerechtigkeit bemüht zu sein, attestiert die tageszeitung Rot-Grün: Es hätte der Glaubwürdigkeit gut getan, wären einige der jetzt angekündigten Maßnahmen auch im Wahlkampf nicht ausgeschlossen worden. (...) Es mag der Regierung helfen, dass nun sehr viele unterschiedliche Gruppenzahlen sollen: die Kapitalgesellschaften, die Häuslebauer, die Arbeitnehmer, die Arbeitgeber, die Autofahrer, die Bahnfahrer, die Nutzer von Gasheizungen."

Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen ist für Die Welt ein Nullsummenspiel: "Unter dem Strich bestätigt sich der Eindruck, dass dem Bürger unsystematisch die Steuer-Daumenschrauben weiter angezogen werden, um das - urplötzlich nach der Wahl aufgetauchte - Haushaltsloch zu stopfen. Das Nullsummenspiel der Umverteilung aus der rechten Tasche in die linke setzt sich fort. Von grundlegenden Strukturreformen ist keine Rede: Wie das Sparziel erreicht werden soll, bleibt im Dunkeln."

Elefant im Porzellanladen

Ein hartes Urteil fällt hingegen die Rheinische Post aus Düsseldorf: "Gestern war die Zeit des Nachdenkens abgelaufen, und siehe da: SPD und Grüne mussten erkennen, dass sie selbst das nicht mehr können, was sie stets am besten konnten. (...) Was die Koalitionäre stattdessen beschlossen, gereicht dem Elefanten im Porzellanladen zur Ehre. Sie haben ihre eigene Einkommen- und Unternehmensteuer-Reform de facto zerschlagen. Die Entlastung für den Steuerbürger ist verschoben. Man glaubt nicht mehr daran, dass sie noch kommt."

Der Tagesspiegel wirft Rot-Grün vor, den richtigen Zeitpunkt für Reformen verpasst zu haben: "Jetzt, wo wir die Ergebnisse kennen, drängt sich der Eindruck auf: Es ging nicht um die Reformen der Bundesrepublik. Es ging um das Füllen des Staatssäckels. Dies waren nicht Koalitionsverhandlungen. Dies war eine Haushaltsrettungsaktion."

Höhere Steuern, mehr Schulden

Scheinheiligkeit wirft die Frankfurter Allgemeine Zeitung den rot-grünen Verhandlungspartnern vor: "Festzuhalten ist vor allem die neue Bedeutung, die diese Regierung dem Begriff "Sparen" gibt. Unter Sparen verstehen Sozialdemokraten und Grüne nichts anderes mehr als Steuer- und Beitragserhöhungen auf breitester Front. Nur merken soll es möglichst niemand."

Noch härter geht die Bild-Zeitung mit den Koaltionären ins Gericht: "Höhere Steuern, mehr Schulden, steigende Rentenbeiträge - so starten SPD und Grüne in ihre zweite Regierungs-Periode. Keine Rede mehr von den treuherzigen Versprechen vor der Wahl, nicht an den Steuer- und Abgabeschrauben zu drehen. (...) Unternehmen, Sparer, Häuslebauer, Rentenbeitragszahler - alle sollen nun bluten. Wieso sind unsere Politiker eigentlich immer so erfindungsreich, wenn es um Steuern und Abgaben geht?..."




Dixie:

Schröder: Definitiv KEINE Steuererhöhungen!

 
15.10.02 15:03
Bundeskanzler Schröder schließt Steuererhöhungen aus  

Fr, 26.07.2002  

 In einem Interview mit dem Sender n-tv sagte der Kanzler am 26. Juli, Steuerhöhungen seien "in der jetzigen konjunkturellen Situation ökonomisch unsinnig" und würden deshalb von der Bundesregierung nicht in Betracht gezogen.

Frage: Und nun kommt auch noch Heide Simonis, (die) sagt: Steuererhöhung, das ist es wahrscheinlich, was wir brauchen, wenn es so weitergeht mit den fehlenden Einnahmen in den Ländern und Kommunen... Sie hält es nicht für ausgeschlossen, das Steuererhöhungen kommen.

Antwort: Ich habe sie anders verstanden. Sie hat eine allgemeine Bemerkung dazu gemacht, dass sie weniger Einnahmen als Ausgaben hätte. Da gibt es ja immer zwei Wege.

Frage: Wer hat das nicht?

Antwort: Eben. Da gibt es immer zwei Wege. Steuererhöhungen sind in der jetzigen konjunkturellen Situation ökonomisch unsinnig und deswegen ziehen wir sie auch nicht in Betracht. Im Gegenteil. Wir sind es ja, die eine Steuerreform gemacht haben, die bis zum Jahre 2005 im Gesetzblatt steht und für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der einen Seite und für die Unternehmen (auf der anderen Seite) reduziert, was bezahlt werden muss an Steuern und zwar am meisten für den Mittelstand. Das ist auch so eine Legende, dass das nur für die Großen gelte. Die werden nämlich unter dem Strich belastet, deswegen schreien sie auch gelegentlich. Also, wir haben das schon gemacht, um das runterzubringen, damit wirtschaftliche Aktivitäten besser entstehen können. Wir haben keine Absicht, Steuern zu erhöhen, unabhängig von dem, was einer lieber hätte oder nicht lieber hätte.

Frage: Frau Simonis hat da ihre private Meinung geäußert oder wie?

Antwort: Ja gut, Frau Simonis ist eine geachtete Ministerpräsidentin in ihrem Land, die kann ja von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch machen. Ich stehe für das, was die Bundesregierung macht und was die SPD insgesamt für richtig hält. Das findet gelegentlich mal statt, dass auch jemand, der so tüchtig ist und eine so gute Arbeit in ihrem Land macht, zu einer Detailfrage andere Auffassungen hat. Das soll man in einer Demokratie als eine Selbstverständlichkeit nehmen. Es geschieht, wie ich (es) für die Bundesregierung sage und für die SPD - und wir sind uns in dieser Frage einig.

www.bundesregierung.de/Nachrichten/...ler-Schroeder-schlie.htm
Dixie:

Viel Staat, kein Aufbruch

 
16.10.02 08:09
Viel Staat, kein Aufbruch

Leitartikel
Von Carl Graf Hohenthal
Sehr klug und sehr mutig" hat der neue SPD-Generalsekretär Olaf Scholz die Vereinbarungen der Koalition zur Gestaltung dieser Legislaturperiode genannt. Doch es bleibt sein Geheimnis, was an den Beschlüssen klug und mutig ist. Im Kern hat sich die Koalition darauf verständigt, in einer konjunkturell sehr schwierigen Phase Steuern und Abgaben sowie die Verschuldung zu erhöhen. Das ist weder klug noch mutig. Von Mut hätte gezeugt, wenn die Koalition beschlossen hätte, einen ordentlichen Prozentsatz bei den Staatsausgaben einzusparen, und klug wäre es gewesen, diese Einsparungen an der richtigen Stelle vorzunehmen. Der Beschluss eines umfassenden Abbaus von Bürokratie und Abstriche an den gigantischen Sozialetats wären klug gewesen.

Doch zu all dem wird es nicht kommen. Wieder einmal drückt sich eine Bundesregierung davor, die dringend notwendigen "Grausamkeiten", die an den Anfang einer Legislaturperiode gehören, zu begehen. Stattdessen werden SPD und Grüne in den kommenden Jahren lustlos und unsystematisch weiterwursteln, hier ein bisschen streichen, dort ein wenig den Bürger belasten, und sie werden keinerlei Anreize zur Stärkung des Gemeinwesens setzen. Das zeichnet sich nunmehr deutlich ab.

Wie sieht eine an den Kriterien der sozialen Marktwirtschaft ausgerichtete Ordnungspolitik aus? Ihr muss es darum gehen, den Staat so klein wie möglich zu halten und dem Bürger die kraftvolle Entfaltung der größtmöglichen individuellen Freiheit zu ermöglichen. Dazu benötigt er Handlungsräume und Kapital, das er für den Konsum oder für Investitionen nutzen kann. Aufgabe des Staates ist es, ein rechtliches Gerüst zu schaffen, das die Entfaltung der individuellen Kräfte begünstigt. Außerdem muss er die Aufgaben übernehmen, die der Markt nicht leisten kann: etwa für Wertbeständigkeit des Geldes sorgen.

In der politischen Wirklichkeit hat der Staat in den vergangenen Jahrzehnten seinen Wirkungskreis beständig erweitert. Dadurch hat er seinen Einfluss verstärkt und seine Bürger gleichzeitig geschwächt, die sich vieles nicht mehr zutrauen, was ihre Eltern noch selbstverständlich fanden. Schnell ertönt heute der Ruf nach Hilfen und Unterstützung des Staates, wenn Bürger nur in geringfügigen Problemen stecken. Der Staat soll für eine kostenlose Ausbildung sorgen, er soll Kindergartenplätze bereitstellen, Häuslebauern bei der Finanzierung helfen und vieles mehr. All das wäre nicht nötig. Die Bürger könnten sich sehr gut selbst um diese Dinge kümmern. Sie könnten sie auch selbst finanzieren, wenn der Staat ihnen nur die Möglichkeit dazu ließe und die Bürger nicht so belasten würde, dass viele Menschen mehr als die Hälfte ihres Einkommens in Form von Steuern und Abgaben wieder abführen müssten.

Der Staat ist in seiner politischen und bürokratischen Allmacht zu einer Gefahr für das Gemeinwesen geworden, weil er die Entfaltung der Kräfte behindert. Die Tatsache, dass staatliche Einsparungen inzwischen von vielen als schädlich für das konjunkturelle Wachstum empfunden werden, zeigt, wie weit sich große Teile der Gesellschaft vom marktwirtschaftlichen Leitbild entfernt haben. Dabei zeigt die Geschichte, dass das marktwirtschaftliche System das leistungsfähigste ist.

Nein, umgekehrt würde ein Schuh daraus: Wenn der Staat sparen und Schulden abbauen würde, müssten die Bürger weniger Steuern zahlen. Sie hätten mehr Mittel zur Verfügung, um zu investieren und zu konsumieren. Im Staat geht es vor allem um eine gerechte, effiziente Verteilung der Mittel. In Deutschland werden inzwischen auch die unteren Mittelschichten weit über Gebühr belastet, ohne dass die Bürokratie effizient mit den eingenommenen Geldern umginge. Vielmehr werden Milliardenbeträge sinnlos in öffentlichen Projekten verschleudert, wie der Bund der Steuerzahler jedes Jahr nachweist.

Die jüngsten Beschlüsse werden über die geplanten Erhöhungen bei der Mehrwertsteuer und bei der Ökosteuer dem Konsum weiter schaden. Die Einführung einer Mindeststeuer wird sich schädlich auf die Investitionen auswirken. Und die Aufschläge bei den Rentenbeiträgen bringen zwar nichts für die Rentenversicherungsträger, werden aber zur Vernichtung weiterer Arbeitsplätze beitragen. Nur die politischen und bürokratischen Apparate selbst werden nicht angetastet. Mit Deutschland ist wahrlich kein Staat mehr zu machen.


Den Autor erreichen Sie unter: hohenthal@welt.de

Dixie:

Der Aderlass

 
16.10.02 09:27
Kommentar: Der Aderlass


Von Thomas Knipp, Handelsblatt

Herzlichen Glückwunsch zur kollektiven Entmündigung! Seit Montagabend wissen wir: Die Regierung hat sich gegen Reformen und für ein munter wurschtelndes „Weiter so“ entschieden. Mehr Obrigkeit, weniger Raum für individuelle Entscheidungen – der Nanny-Staat nivelliert die Untiefen des Lebens. Der Bürger am Gängelband des Staates. Das ist das Credo dieser Regierung. Höhere Staatsschulden, weniger Verlässlichkeit in der Steuerpolitik, höhere Abgaben für das Individuum und die Wirtschaft: Das ist der Politik-Mix, mit dem Rot-Grün in die nächsten vier Jahre steuert. Der katastrophale Ausgang dieser Politik steht schon heute fest.

Zuletzt stirbt die Hoffnung: Die Ernennung von Wolfgang Clement zum Minister für Arbeit und Wirtschaft hatte zunächst Erwartungen geweckt, die Regierung werde doch zumindest einige der größten Brocken aus dem Weg zu höherem Wachstum räumen. Jetzt aber wissen wir: Clement wird ein Superminister mit Einfluss, aber letztlich ohne Möglichkeiten sein. Die selbst gesteckten Rahmenbedingungen, innerhalb deren er und der Rest der Regierung Politik machen können, lassen große Würfe nicht zu. In Berlin versammelt sich das Kabinett der politischen und ökonomischen Dünnbrettbohrer.

Noch vor der Wahl hatten Schröder und seine Mannen treuherzig versprochen, die Steuern würden nicht steigen. Nun, nur drei Wochen nach der Wahl, outet sich der Kanzler wieder einmal als einer, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Er opfert das Versprechen auf dem Altar der politischen Bequemlichkeit. Das nun vorgelegte Programm für die nächsten vier Jahre belegt auch, wie kraftlos und handlungsunwillig diese Regierung in puncto Reformen ist. Schröder selber hatte jüngst eingeräumt, dass die Wähler mit der ersten Amtszeit nicht zufrieden waren und ihm lediglich eine zweite Chance geben wollten. „Wir haben verstanden“, fabulierte der Kanzler noch in der Wahlnacht. Mit diesem Programm macht sich Schröder zum Stillstandskanzler, der nicht verstanden hat und der den Vertrauensvorschuss der Wähler schon knapp einen Monat nach dem Urnengang verspielt hat.

Für den Wohlstand der Wohlstandsnation Deutschland wird dieser Kurs fatale Folgen haben. Die Regierung erhöht Steuern und Abgaben für Bürger und Unternehmen in einer Zeit größter wirtschaftlicher Turbulenzen. Wie sollen Unternehmen mehr Mitarbeiter einstellen, wenn sie stärker belastet werden? Wie sollen Bürger mehr Waren und Dienstleistungen konsumieren, wenn ihnen weniger Netto vom Brutto bleibt? Wie sollen die Börsenkurse wieder auf die Beine kommen, wenn die ohnehin schmalen Gewinne bei hohem Risiko mit dem Fiskus geteilt werden müssen? Wie soll die private Altersvorsorge gestärkt werden, wenn Gewinne aus Aktien und Immobilien konfiskatorisch hoch versteuert werden? Fragen, Fragen – keine Antworten, keine Auswege, kein Impuls für höheres Wachstum.

Die neue Regierung sollte sich nicht darauf verlassen, dass sich der Sturm der Empörung über diese Politik bis zur nächsten Wahl legt. Die Konsequenzen ihres Handels werden lange zu spüren sein. Den Leistungsträgern dieser Gesellschaft kann man fast nur noch raten: Wer ins Ausland gehen kann, der sollte es tun. Eine bedrückende Perspektive.


HANDELSBLATT, Mittwoch, 16. Oktober 2002, 06:02 Uhr


   

BeMi:

denkt daran

 
16.10.02 09:50
                       Noch mehr Steuern! 818211
Dixie:

Die Koalitionäre bitten zur Kasse

 
16.10.02 12:07
Die Koalitionäre bitten zur Kasse

Von Manfred Schäfers


Das Finanzpaket der rot-grünen Koalitionäre steht. Auch wenn sich alle Spitzenpolitiker von SPD und Grünen weiter zu dem Ziel bekennen, im Jahr 2006 keine Schulden mehr zu machen, ist der Kurswechsel nicht mehr zu übersehen. Nun lautet die Losung, auf dem Weg zum ausgeglichenen Haushalt sei "größere Flexibilität" notwendig. Im Klartext heißt dies: Zunächst wird wieder stärker auf Pump gelebt, Sparanstrengungen werden vertagt. Mit dieser Methode sind ehrgeizige Budgetziele nicht zu erreichen. Doch der Kanzler selber hat offenbar die Lust am Sparen verloren. Anders ist es nicht zu erklären, daß aus den Koalitionsverhandlungen nach außen drang, Gerhard Schröder habe den wichtigsten Minister seiner ersten Amtszeit, Hans Eichel, zurückgepfiffen. Der Bundesfinanzminister bleibt loyal. Er versucht, die Koalitionsbeschlüsse als Erfolg zu verkaufen. Seine angestrengte Miene aber kündet von einer Niederlage.

Eichel argumentiert mit vielen Zahlen. Glaubt man ihm, werden Ausgabenkürzungen und Abbau von Steuervergünstigungen in den nächsten vier Jahren insgesamt 35 Milliarden Euro mehr in seine Kasse bringen. Dabei verschweigt er die offenen Posten: So sollen 2005 und 2006 zusammen mehr als zehn Milliarden Euro im Haushaltsverfahren eingespart werden. Wie diese Summe aufgebracht wird, dazu haben die Koalitionäre noch keine konkreten Beschlüsse gefaßt. Was aber in diesen Tagen nicht festgezurrt wird, hat wenig Aussicht, durchgesetzt zu werden. Auch die Milliarden, die bei der Bundesanstalt für Arbeit und der Arbeitslosenhilfe eingespart werden sollen, sind Hoffnungswerte. Die dazu notwendigen Reformen müssen gegen den Widerstand der Gewerkschaften erst einmal verwirklicht werden.

Weil rasch wirksame Sparmaßnahmen offenbar nicht konsensfähig waren, hat sich die Koalition auf rasche Einnahmeerhöhungen verlegt. Über eine kaum zu überblickende Zahl von Steueränderungen erhöht sie die Belastung von Bürgern und Unternehmen. Das gefährdet das übergeordnete Ziel, die Wirtschaft anzukurbeln und Beschäftigung zu schaffen. Mit der Anhebung des Rentenbeitragssatzes und der Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung erhöhen sich zudem die Arbeitskosten unmittelbar. Mit der Beschränkung des Verlustvortrags entzieht der Staat den Unternehmen Liquidität. Gewinne sollen ungeachtet vorangegangener Defizite mindestens zur Hälfte versteuert werden, Verluste dürfen höchstens sieben Jahre geltend gemacht werden. Beides wird nicht nur das Steuerrecht noch komplizierter machen, sondern auch die Unternehmen hart treffen. Sie tragen den größten Anteil am Konsolidierungspaket. Ein Anreiz zum Investieren ist dies nicht.

Viele Bürger sind ebenfalls betroffen. Der eine muß künftig mehr für seinen Dienstwagen zahlen, den er auch privat nutzt. Der andere muß die Gewinne versteuern, die er mit Wertpapieren macht. Ihn trifft die "Spekulationssteuer", auch wenn er die Aktien schon Jahrzehnte im Depot hat. Der nächste wird sein Haus ohne Zuschüsse des Staates bauen müssen. Teurer werden auch Bilder, Blumen oder Zahnprothesen. Für diese Güter gilt - ebenso wie für landwirtschaftliche Vorprodukte - nicht mehr der ermäßigte, sondern der volle Mehrwertsteuersatz. Auch den Fluggast bittet Eichel zur Kasse, dafür sollen Bahnfahrer entlastet werden.

Einige Maßnahmen mögen für sich genommen zu rechtfertigen sein. Beispielsweise muß der Staat nicht den Hausbau fördern. Er sollte den Bürgern von ihrem Einkommen soviel lassen, daß sie es sich auch ohne Hilfe leisten können. Aber genau das Gegenteil ist geplant. Der Staat sammelt noch mehr Geld ein, um es dann großzügig umverteilend wieder unters Volk zu bringen. Im vergangenen Jahr haben die Steuerzahler schon mehr als 200 Tage für den Staat gearbeitet. Diese Frist wird nun wohl noch länger.

Die Prioritäten haben sich verschoben. Statt Eichel heißt der mächtigste Minister Wolfgang Clement, statt "Sparen" heißt die Devise "Machen". Der Raum der privaten Wirtschaft wird zugunsten höherer staatlicher Investitionen beschnitten. Von der langfristigen Orientierung in der Finanzpolitik wechselt Rot-Grün zur kurzfristigen Konjunktursteuerung. Nebenbei arbeiten die Koalitionäre an der Demontage des Europäischen Stabilitätspakts. An dem Pakt will Schröder nun "in wachstumsorientierter Weise" festhalten. Das verheißt nichts Gutes. Wer heute den Stabilitätspakt opfert, darf sich nicht wundern, wenn die Defizite morgen wieder unkontrolliert wuchern. Höhere Zinsen und damit höhere Refinanzierungskosten fressen dann die schuldenfinanzierten Ausgabenspielräume auf.

Eichel war der wichtigste Stützpfeiler der rot-grünen Koalition. Er ist beschädigt. Der Mann aus Hessen hatte der Regierung, die nach dem Abgang von Oskar Lafontaine ins Schlingern geraten war, zwei Leitlinien vorgegeben: konsolidieren und neue Spielräume nutzen, um Steuern und Abgaben zu senken. Eichel hat in den Koalitionsverhandlungen wichtige Positionen aufgeben müssen. Sein Versuch, die mittelfristige Finanzplanung näher an der Wirklichkeit zu orientieren, indem das niedrige Wachstum der vergangenen zehn Jahre zur Grundlage macht wird, gelang nur halb. Daher wird der Konsolidierungsbedarf weiterhin zu niedrig veranschlagt. Zugleich rückte er von der Sparvorgabe für das nächste Jahr ab. Zu geplanten Krediten von 15,5 Milliarden Euro kommen 2,6 Milliarden Euro Schulden hinzu.

Der Blick zurück zeigt, in welche Gefahr sich die rot-grüne Koalition begibt. Anfang der siebziger Jahre sind kurz hintereinander zwei Finanzminister der SPD zurückgetreten, weil sie dem Hang ihrer Partei zu höheren Ausgaben und Schulden nicht nachgeben wollten: erst Genosse Generaldirektor Alex Möller, dann Superminister Karl Schiller. Danach begann das große Schuldenmachen - stets unter Hinweis auf die Notwendigkeit, die Konjunktur zu stützen. Diese Geschichte darf sich nicht wiederholen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.10.2002, Nr. 240 / Seite 11
     
 
 
 
Dixie:

bis zu 225 Euro höhere Sozialbeiträge im Monat

 
18.10.02 08:53
Im Monat bis zu 225 Euro höhere Sozialbeiträge

Zwangskopplung der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung / Gesetzgeber unter Zeitdruck


nf. BERLIN, 17. Oktober. In sämtlichen Zweigen der Sozialversicherung stehen massive Erhöhungen der Höchstbeiträge bevor. Denn die im Koalitionsvertrag angekündigte Heraufsetzung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung von 4500 auf 5100 Euro Monatseinkommen im Westen und von 3750 auf 4250 Euro im Osten wirkt sich automatisch auf Kranken- und Arbeitslosenversicherung aus. Die Mehrbelastungen betreffen alle Arbeitnehmer, deren Monatseinkommen oberhalb von 3375 Euro liegt. Die Abzüge steigen bis zu einem Einkommen von 5100 Euro. Von diesem Betrag an werden Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen mit höchstens 225 Euro (Westen) und 200 Euro (Osten) zusätzlich belastet.

Die Regierung steht unter Zeitdruck, wenn die Änderungen im kommenden Jahr in Kraft treten sollen. Denn die jetzt vorgesehene Grenze kann nicht vom zuständigen Ministerium durch Rechtsverordnung festgelegt werden, da sie die jährlich vorgeschriebene Erhöhung deutlich übersteigt. Regulär wäre nur eine Anhebung der Bemessungsgrenze auf 4600 Euro zulässig.

Ändert der Gesetzgeber die automatische Kopplung nicht, gelten die neuen Grenzen von 5100 und 4250 Euro ebenfalls für die Arbeitslosenversicherung. Auch die Bemessungsgrenze in der Krankenversicherung, die gesetzlich bei 75 Prozent der Bemessungsgrenze der Rentenversicherung festgeschrieben ist, würde sich damit erhöhen, und zwar von derzeit 3375 auf 3825 Euro Monatseinkommen. Eine solche Steigerung dürfte auch in der Pflegeversicherung bevorstehen. Nach Aussage des Gesundheitsministeriums soll die Bemessungsgrenze in der Krankenversicherung aber nur im üblichen Rahmen erhöht werden. Die Mehrbelastung fiele dann geringer aus.

Die Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung, von der an ein Wechsel zu privaten Gesellschaften möglich ist und die bisher mit der Bemessungsgrenze identisch war, soll dagegen auf die Höhe der neuen Rentengrenzen heraufgesetzt werden, aber nur für Berufsanfänger.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) warnt die Bundesregierung davor, "die Personalzusatzkostenschraube noch weiter anzuziehen". Schon die geplante Anhebung der Bemessungsgrenze für die Rentenversicherung sei "extrem arbeits- und wirtschaftsfeindlich", sagte BDA-Sozialfachmann Volker Hansen. Die automatische Kopplung an die anderen Sozialversicherungszweige dürfe es trotz des zu erwartenden Finanzbedarfs nicht bestehen bleiben. "Das wäre das schlimmste aller Ergebnisse und würde noch mehr Arbeitsplätze vernichten."

Die Rentenkasse ist auf die zusätzlichen Einnahmen angewiesen, um den sonst drohenden Anstieg der Rentenbeiträge auf bis zu 19,8 Prozent zu verhindern. Genaue Angaben über die Finanzlage der Rentenversicherung werde der Schätzerkreis zwar erst im November veröffentlichen, heißt es beim Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR). Doch schon jetzt sei erkennbar, daß die im zweiten Halbjahr wirksam werdenden Tariferhöhungen nicht die erhoffte Entlastung gebracht haben. Zusätzliche Einnahmen seien dadurch "kaum eingegangen", betont VDR-Sprecherin Renate Thiemann. "Die Entwicklung ist nicht so, wie man sich das vorgestellt hat."

Weitere Belastungen sind zu erwarten, falls die Entgeltumwandlung zur zusätzlichen Altersvorsorge stark in Anspruch genommen wird; die entsprechenden vom Bruttoeinkommen abgeführten Beiträge sind von Steuern und Abgaben befreit. "Wenn die Arbeitnehmer von dieser Möglichkeit massiv Gebrauch machen, könnte es schwierig werden, den Satz von 19,3 Prozent zu halten", warnt Thiemann.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.10.2002, Nr. 242 / Seite 11
callput:

jammer, heul, jammer, die börse läuft doch....... o.T.

 
18.10.02 08:58
Dixie:

Wie schön für Dich.

 
18.10.02 09:00
Und nicht vergessen, Deine Spekulationsgewinne brav zu versteuern, neh?
Denk dran, Kontrollmitteilungen der Banken ans FA, auch rückwirkend sind jederzeit möglich.
Dixie:

Der Anfang vom Ende

 
18.10.02 09:09
Anfang vom Ende

nf. Die Finanzentwicklung in den Sozialversicherungen läuft aus dem Ruder. In der Krankenversicherung drohen zum Jahreswechsel weitere Beitragserhöhungen, in der Rentenversicherung ist der Anstieg von 19,1 auf 19,3 Prozent beschlossene Sache. Vermutlich wird nicht einmal das reichen, da die Tariferhöhungen im zweiten Halbjahr kein zusätzliches Geld in die Rentenkasse spülen. Ausgabenwirksame Strukturreformen könnten die Finanzierung der Sozialversicherungen dauerhaft sichern. Doch davor schrecken SPD und Grüne zurück. Sie wollen statt dessen noch mehr gutes Geld in schlechte Systeme pumpen. Wer soll das bezahlen? Den Normalverdienern mag die Koalition keine weitere Anhebung des Beitragssatzes zumuten. Daher nimmt sie die Besserverdiener ins Visier und schraubt mit der Bemessungsgrenze den Höchstbeitrag nach oben - als ob dies keine Steigerung der Lohnzusatzkosten bedeutete. Schlimmer noch: Was im Koalitionsvertrag nach einer singulären, allein auf die Rentenversicherung bezogenen Maßnahme klingt, löst - wenn es nicht gesetzlich verhindert wird - eine Lawine an Beitragssteigerungen auch in der Arbeitslosen-, Kranken- und wohl auch Pflegeversicherung aus. Unter dieser Kostenlawine können Schröder und Fischer alle ihre Beschäftigungshoffnungen begraben. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist am Ende, noch ehe er begonnen hat.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.10.2002, Nr. 242 / Seite 11
Dixie:

Attacke auf das Bürgertum

 
18.10.02 09:20
Attacke auf das Bürgertum

Leitartikel
Von Guido Heinen

Vom Eindruck gewisser Konfusion, den die neue alte Regierung derzeit vermittelt, lasse man sich nicht täuschen. So erratisch der Koalitionsvertrag auch wirkt mit seinen pompösen Formulierungen, seinen unzähligen thematischen Fußnoten und versteckten Eingriffen - er ist das Manifest eines großen Projekts: der tief greifenden gesellschaftlichen Umwandlung Deutschlands. So, wie vor vier Jahren das Versprechen, wenig anders, aber vieles besser machen zu wollen, nicht ernst gemeint war, geschweige denn eingehalten wurde, so wenig trifft jetzt der oberflächliche Eindruck der Konzeptlosigkeit den Kern des Geschehens.

Auf zwei Ebenen wird die Veränderungskraft der rot-grünen Koalition sichtbar: auf der Zeitschiene, wo der fühlbare Stillstand bei allen anstehenden Reformen eben nicht Stagnation, sondern Bewegung bedeutet - jedoch als Rückfall in die falsche Richtung. Und es wird deutlich in der Auswahl der Köpfe, denen die Politik im Kabinett anvertraut ist.

Der Stillstand, das Nichtangehen von Reformen in zentralen Politikfeldern, ist keine Verlegenheit, es ist Programm. Denn es gibt eine mächtige, im sozialdemokratischen und grünen Milieu verankerte Variante des bräsig-bürgerlichen "Weiter so", das 1998 abgewählt wurde. Es ist das "Weiter so" des Versorgungsstaates, der sich erst beim Bürger das Geld holt, das er ihm, nach saftiger eigener Alimentierung, dann wieder zurück- und umverteilt. Beim gerade noch zurückgezogenen Anschlag auf das Familien-Splitting wurde dieser gedankliche Horizont der neuen Mannschaft deutlich. Dass einer gescheiterten Ministerin für Gesundheit nun noch die Großbaustellen Soziales und Renten anvertraut werden, zeigt: Schröder nimmt "Erneuerung" und "Nachhaltigkeit", die Titelschlagworte des Koalitionsvertrags, zumindest nicht sonderlich ernst, wenn es um die Sozialsysteme geht.

Den Koalitionären fällt als Antwort auf die noch im Sommer heftig diskutierten PISA-Ergebnisse nur staatliche Kinderverwahrung und ein nationaler Bildungsstandard ein. Die Botschaft ist klar: der Staat kann es besser. Weshalb Schröder, Erfinder der fragwürdigen Parole "Familie ist da, wo Kinder sind", die Familie dem Betreuungsfan Renate Schmidt an die Hand gibt. Der bundesweite Bildungsstandard kann, anders als es das regierungsoffizielle Neusprech verheißt, nur die Absenkung der Standards in den Südwest-Bundesländern im Sinn haben. So stehen am Ende einfach die roten und grünen Bundesländer besser da, weil keine Vergleichsmöglichkeit mehr besteht. Nivellierung ersetzt den Wettbewerb.

Der Kanzler wurde am Ende gewählt von Wählern aus Ostdeutschland, die mehr ihm als der PDS glaubten, dass ein Krieg drohe und es nach der Flut keinem schlechter gehen werde als vorher. Dieses Signal eines allmächtigen, intervenierenden Staates, gepaart mit einem irrationalen pazifistischen Reflex, der nicht eine sehr wohl notwendige Debatte auslöste, sondern mit Kriegsangst Wahlkampf trieb, wird an dieser Regierung noch Monate haften bleiben. Schröder wurde schließlich auch von einem längst vergessen geglaubten Milieu unterstützt: staatlich subventionierten Kulturschaffenden, öffentlich-rechtlichen Meinungsverwaltern und gewerkschaftlichen "Weiter so"-Ideologen. Sie alle fordern jetzt den Tribut für ihre Last-Minute-Solidarität: die Vollendung eines Generationenprojekts, das über Strukturen und Steuern die Felder Erziehung, Familie und Wirtschaft umgestaltet.

Die oppositionelle Empörung über "Betrug" und "Steuerschraube" trifft dabei nur die Symptome des rot-grünen Projekts. So, wie in der vergangenen Legislatur entscheidende Reformprojekte, vielleicht abgesehen von ersten Schritten im Rentensystem, nicht angepackt, dafür jedoch Klientelthemen in die Mitte der Politik gerückt wurden, soll es offenbar weitergehen.

Die Entschlossenheit, mit der Schröder sein Kabinett nahezu frei von frischen Gesichtern und Gedanken hält, zeigt die Not einer Generation, die es offenbar noch immer nicht verstanden hat, was der Unterschied zwischen Macht und Verantwortung für ein gesamtes Gemeinwesen ist. Die ihr Gesellschaftsprojekt seit dreißig Jahren hindurchträgt - und doch spürt, dass die jüngeren unter den eigenen Anhänger ihm nicht mehr folgen wollen. Diese Generation rot-grüner Politiker weiß, dass sie vor vier Jahren aufgrund von Überdruss und jüngst mit Taschenspielertricks an die Macht kam. Insgeheim scheint sie zu merken: Ihr Kredit schwindet, und ihr gerade ausgerufenes Jahrzehnt könnte ein sehr kurzes werden.

Den Autor erreichen Sie unter: heinen@welt.de

Dixie:

Der süße Abschied der Ex-Minister

 
22.10.02 07:59
Den Ex-Ministern wird der
Abschied von der Macht versüßt

Gestern erhielten sie ihre Entlassungsurkunden – die bisherigen Minister Herta Däubler-Gmelin, Riester, Müller, Bodewig, Christine Bergmann. Nun müssen sie sich von vielen kleinen Annehmlichkeiten trennen. Zum Beispiel von ihrem Dienstwagen. Wer schlau ist, bestellt sich sicherheitshalber zur Amtsübergabe ein Taxi. Sonst könnte es ihm ergehen wie weiland Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff, der 1982 nach der Amtseinführung seines Nachfolgers von einer Funkstreife nach Hause gefahren werden musste. Den Dienstwagen beanspruchte bereits der Neue.

Vorbei auch mit anderen Annehmlichkeiten – Benutzung der Regierungsflugzeuge, Ruheraum mit Dusche im Ministerium, „Chef-Klo“, reservierter Parkplatz, Fahrstuhlschlüssel, Blumenschmuck, Etagenservice, Spesenfonds. Nicht zu vergessen das Diensthandy, mit dem auch mal die Frau Gemahlin die Freundin in Übersee anrufen konnte.

Keine Bodyguards mehr, die wie Schneepflüge lästige Journalisten beiseite schoben. Kein Pressereferent, der den „Boss“ bei Sabine Christiansen oder Maybrit Illner andiente. Kein Referent, der die schweren Aktentaschen schleppte – die neue deutsche Armut.

Die Ehepartner müssen über den Schock der Entlassung hinweghelfen. Der/die Entlassene ist plötzlich ein „loser“, ein Verlierer. In Interviews gibt er sich gelassen („Endlich habe ich mehr Zeit für die Familie“), zu Hause kann er die Enttäuschung, von Schröder fallen gelassen worden zu sein, nicht verbergen.

Immerhin, drei Monate zahlt der Bund weiter volles Gehalt (monatlich 14 000 Euro), drei Jahre (!)  ( Arbeitslosengeld gibt's wie lange? )die Hälfte. Die monatlichen Pensionen für vier Jahre Arbeit laut Bund der Steuerzahler für Däubler-Gmelin, Müller, Riester 3720 Euro. Christine Bergmann bekommt wegen Anrechnung der Berliner Senatorenzeit 5960, Bodewig, weil nur knapp zwei Jahre im Amt, 2000 Euro. Bis auf Müller haben alle zusätzlich Abgeordnetendiäten!

Außerdem: Ihren in blaues Leder gebundenen Diplomatenpass dürfen die Ex-Minister behalten! Also nie mehr Zollkontrollen, kein lästiges Anstellen bei irgendwelchen Abfertigungen. Nur die Ehepartner müssen diesen Nobelpass abgeben. Da bleibt die Gleichberechtigung auf der Strecke.


Dixie:

Und ist der Ruf erst ruiniert......

 
22.10.02 08:10
Vom Sparhans zum Buhmann
Kommentar
Von Cornelia Wolber

Wäre es nach Bundesfinanzminister Hans Eichel gegangen, hätte er schon im Frühjahr Zweifel angemeldet. Doch er durfte nicht. Schließlich war Wahlkampf und der Kanzler mangels alternativer Themen gezwungen, mit dem bis dahin scheinbar so erfolgreichen Konsolidierungskurs weiter Staat zu machen. Doch nun ist die Wahl vorüber. Statt der Finanzen steht jetzt die Umsetzung des Hartz-Konzeptes zur Reform des Arbeitsmarktes im Mittelpunkt des Kanzlerinteresses und mit ihm der neue Superminister Wolfgang Clement.

Eichel hat ausgedient und mit ihm der rigide Konsolidierungskurs. Und so hat die Koalition binnen kürzester Zeit mit allem gebrochen, wofür der eiserne Hans einst stand. Das Finanzierungskonzept für die kommenden vier Jahre ist alles andere als solide. Statt Steuern zu senken, wird die Schraube fester angezogen, wenn auch nur indirekt über die Streichung zahlreicher Vergünstigungen. Die Neuverschuldung wird erhöht und der Stabilitätspakt in Frage gestellt.

Frei nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert...., scheint ausgerechnet Eichel für all das gerade stehen zu müssen. Fast jeden Abend sitzt er in irgendeiner Talkrunde und muss sich wüst beschimpfen lassen. Da hilft es auch nichts, dass er Verständnis für die Wut der Bürger zeigt. Seine neue Rolle ist die des Buhmannes. Und daran wird sich so schnell nichts ändern. Denn die nächsten Hiobsbotschaften über die Finanzlage sind programmiert. Das Defizit klettert und klettert. Und mit ihm steigt der Konsolidierungsdruck. Im Klartext: Wenn die Regierung am Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes bis 2006 festhalten will, muss sie das gerade eben geschnürte Finanzpaket noch einmal aufmachen und zusätzliche Grausamkeiten verüben. Schon macht etwa das Gerücht einer Erhöhung der Mehrwertsteuer die Runde. Und klar ist auch, wer das der Bevölkerung erklären muss: Hans Eichel. Denn ist der Ruf.....

Den Autor erreichen Sie unter: wolber@welt.de



Dixie:

Deutschland lernt zu leiden

 
22.10.02 09:16
Deflationsgefahr


Deutschland lernt zu leiden


Von MARIETTA KURM-ENGELS


Deutschland droht eine Deflation. Die Weichen dafür wurden bereits in den neunziger Jahren gestellt. Damals bestand aber noch die Hoffnung auf befreiende Reformen. Die neue Berliner Regierungskoalition hat diese Hoffnung zerstört. Eine Hand voll wirtschaftspolitischer Dilettanten ist angetreten, um mit lähmender Politik das Land zu ruinieren, das noch vor wenigen Jahren an der Spitze Europas stand.

Was ist Deflation? Allgemein wird darunter ein anhaltender Rückgang des Preisniveaus verstanden – eine Situation, in der sich die Verbraucher in Attentismus üben, in der die Unternehmer Angst vor der Produktion haben, die Kreditnehmer auf einem Berg real wachsender Schulden sitzen und Notenbanken mit der Schwierigkeit konfrontiert sind, dass sie die Zinsen nicht unter null senken können. Diese Definition wurde aus den Erfahrungen mit der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932 geboren. Noch scheint Deutschland von diesem Szenario weit entfernt. Die Inflationsrate liegt bei etwa einem Prozent. Die Beschwerden, dass nach der Einführung des Euros alles teurer geworden sei, hallen noch nach.

Die auf die Weltwirtschaftskrise und Japan begrenzte Erfahrung mit der Deflation verengt aber den Blick für ihre Ursachen: Es bedarf keines Aktiencrashs, damit ein Land in die Deflation abgleitet. Die entscheidenden Voraussetzungen sind Verunsicherung, gestörtes Vertrauen und daraus resultierender Pessimismus.

Selbst in Japan ist die Anfang der neunziger Jahre geplatzte Spekulationsblase am Aktien- und Immobilienmarkt längst nicht mehr das Problem. Nach Angaben der japanischen Notenbank haben die Banken die damit verbundenen Belastungen abgeschrieben. Wenn sie jetzt mehr denn je ums Überleben kämpfen, ist das eine Folge unterlassener Reformen. Japans Banken stehen zwar im Fokus der Aufmerksamkeit. Hinter jedem faulen Kredit aber verbirgt sich ein nicht mehr wettbewerbsfähiges Unternehmen. Und das ist Teil der Japan AG, eines paternalistischen Systems, in dem sich untereinander beteiligte Unternehmen gegenseitig nicht im Stich lassen und die Firma für den Mitarbeiter die zweite Familie ist.

Die Parallele zur Japan AG ist der deutsche Sozial- und Subventionsstaat. Gemeinsam ist beiden Ländern die Unfähigkeit der Politik zu Reformen. Fast ein ganzes Jahrzehnt lang hat sich Japan mit schwachen oder negativen Wachstumsraten herumgeschlagen. Die Japaner wurden von der Politik immer wieder enttäuscht. Auf die Preise dauerhaft durchgeschlagen ist die Misere erst 1999. Seither sinkt in Japan das Preisniveau. Deutschland verzeichnet seit Mitte der neunziger Jahre enttäuschende Wachstumsraten. In der Europäischen Währungsunion bildet es das Schlusslicht.

Um Deutschland wieder flottzumachen, müssten unternehmerische Initiative und Eigenverantwortung gefördert werden. Die neue Regierung unterlässt aber nicht nur dringend notwendige Reformen. Schlimmer noch: Sie tut das Falsche. Gleichzeitig hat sie jede Glaubwürdigkeit verspielt.

So werden Menschen erst ermutigt, durch Wertpapiere für ihr Alter vorzusorgen; dann werden die Kursgewinne aus heiterem Himmel der Steuer unterworfen. Die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung kann nur in dem Wissen beschlossen worden sein, dass die dadurch begründeten höheren Anwartschaften niemals zum Tragen kommen. Langfristig ist das Rentensystem schon bei den niedrigeren Renten nicht mehr bezahlbar.

Den meisten Privathaushalten dürfte überhaupt noch nicht bewusst sein, wie teuer sie das rot-grüne Feuerwerk zusätzlicher Abgaben zu stehen kommt. Vor allem Mittelständlern, die sich bisher mühsam über Wasser gehalten und auf Besserung gehofft haben, droht reihenweise der Konkurs. Sicher ist jetzt nur eins: Die Steuerschraube wird weiter angezogen. Die Sozialabgaben werden weiter kräftig steigen. Erbschaftsteuer, Vermögensteuer, Tabaksteuer und Ehegattensplitting sind nicht vom Tisch.

Das könnte der Auslöser für eine Deflationsspirale sein: Die Verbraucher sind um die Steuerlast ärmer. Es fällt Nachfrage aus. Wer seine Altersvorsorge auf Wertpapierbesitz stützt, muss mehr Vorsorge als bisher treffen. Dafür fällt Nachfrage aus. Wegen der Unberechenbarkeit künftiger Lasten werden Käufe aufgeschoben. Wer kann, stimmt mit den Füßen ab. Kapital flieht. Auch hier fällt Nachfrage aus.

Was bei den Unternehmen passiert, demonstriert eindrucksvoll der Einzelhandel. Auf einen massiven Umsatzeinbruch im ersten Halbjahr reagiert er mit Personalabbau und drastisch gekürzten Investitionen. Die Anbieter umwerben die zurückhaltenden Kunden mit immer neuen Sonderaktionen; es kommt zu wahren Rabatt-Schlachten. Dem Handwerk und dem Dienstleistungsgewerbe könnte es ähnlich ergehen. Die Folge: noch mehr Arbeitslose, eine noch kleinere Steuerbasis, noch größere Löcher im Staatshaushalt, weitere Steuererhöhungen . . .

Nach der Geldpolitik als erster Verteidigungslinie rufen diejenigen, die immer noch nicht begriffen haben, dass diese keine nationale Angelegenheit mehr ist. Die Europäische Zentralbank ist nicht nur Deutschland, sondern elf weiteren europäischen Staaten verpflichtet. Den Wechselkurs als Anpassungsmechanismus gibt es nicht mehr. Atmen können nur noch die Staatsausgaben und der Arbeitsmarkt. Höhere Staatsausgaben bedeuten aber nichts anderes als höhere Steuern in der Zukunft. Deutschland wird unter der Unfähigkeit von Rot-Grün lernen zu leiden.

Nach der Geldpolitik als erster Verteidigungslinie rufen diejenigen, die nicht begriffen haben, dass diese keine nationale Angelegenheit mehr ist. Die EZB ist nicht nur Deutschland, sondern elf weiteren Staaten verpflichtet.


HANDELSBLATT, Dienstag, 22. Oktober 2002, 06:02 Uhr

Dixie:

Alles Super II

 
31.10.02 08:17
Alles super

G.H. Es war der Tag der Superminister - des ehemaligen und des neuen. Eichel, der nicht wegen eines erweiterten Ressorts, sondern wegen einer eisernen Politik als der Superminister im ersten Kabinett Schröder galt, hat jetzt wieder Normalmaß. Sein Schicksal sollte dem neuen Supermann Mahnung sein. Keines der Ziele seiner Supersparpolitik (Sparen ist ohnehin der Dauerauftrag jedes Finanzministers) hat Eichel wirklich erreicht, schließlich nicht einmal einen stabilitätsvertragsgetreuen Haushalt. Sein größter Erfolg: Er hat seine eigenen Kollegen ein bißchen im Zaum gehalten. Die anfänglichen guten Jahre sind jedoch nicht nachhaltig genutzt worden. Kein Bürger erwartet nun von ihm, daß Eichel die Konjunkturflaute wettmache, aber seine neuen "Einnahmeverbesserungen" eignen sich nicht dazu, die Stimmung der Konsumenten wie der Produzenten zu heben.

Der neue Titelträger Clement, "super" wegen der Breite seiner Zuständigkeit, kommt einer liberalen Wirtschaftsordnung nicht näher als Eichel. Der Kanzler läßt ihm mit dem Auftrag, "Hartz" eins zu eins umzusetzen, keinen Spielraum. In seiner Einstandsrede mußte sich Clement als Verfechter unter anderem der Leiharbeit geben - und tat dies mit Leidenschaft. Den Arbeitgebern wird's recht sein, als Hauspsychologe deutscher Arbeitnehmer hat sich der Arbeitsminister damit allerdings - noch - nicht qualifiziert. Arbeiter und Angestellte fürchten die Mitnahmeeffekte, welche die einschlägige Gesetzgebung den Unternehmern ermöglichen könnte. Die Konsumlaune wird so nicht gesteigert - und bei schwachem Konsum lohnt sich die Erweiterung der Produktion selbst bei stabilen Nebenkosten nicht ohne weiteres. Clements zweiter Schwerpunkt, die staatlich initiierten Kreditangebote an Anfänger und Mittelständler, wird nicht nur einen Wust an Bürokratie nach sich ziehen, anstatt - wie von ihm angekündigt - den Bürokratiedruck zu mindern, sondern letztlich auch die Staatsquote steigern.

Was Clements und Eichels selbstbewußte Rhetorik verdecken sollte, hat der Superoppositionssprecher Merz umgehend aufgedeckt: die Gefahr einer Staatswirtschaft mit abnehmendem privaten Sektor. Weil Eichel und Clement rasches Handeln versprachen, ist Merz' Forderung, nach hundert Tagen eine erste Bilanz zu ziehen, berechtigt. Das wäre wenige Tage vor den Wahlen in Hessen und Niedersachsen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.10.2002, Nr. 253 / Seite 1
Dixie:

Am eigenen Zopf aus dem Sumpf

 
31.10.02 08:25
Am eigenen Zopf aus dem Sumpf

mas. Miese Stimmung, schlechte Wirtschaftsdaten, leere öffentliche Kassen. Dieser schrille Dreiklang droht die rot-grüne Koalition nach unten zu ziehen, kaum daß sie ihre zweite Amtsperiode angetreten hat. Wie will sie sich aus dieser mißlichen Lage befreien? Wer sich eine ernstzunehmende Antwort auf diese Frage vom zweiten Tag der Debatte zur Regierungserklärung erhofft hat, wurde enttäuscht. Vielmehr erinnern die Rezepturen an den legendären Baron von Münchhausen, der sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen wollte.

Die Richtung gab der neue Superminister für Wirtschaft und Arbeit vor. Die Botschaft von Wolfgang Clement lautet: Wir schaffen Arbeit, dann gibt es mehr Wachstum, dadurch erhalten wir die Einnahmen, die wir brauchen, um die Lohnnebenkosten zu senken. Seine Stichworte lauteten "Hartz" und "eins zu eins". Übersetzt heißt dies: Die Arbeitsämter sollen zu einem der größten Arbeitgeber im Land werden. Und den Unternehmen soll das Einstellen von Arbeitslosen mit erheblichen Subventionen schmackhaft gemacht werden - denn nichts anderes ist der vielgepriesene Job-Floater, der jetzt "Kapital für Arbeit" heißt. So soll der Staat schaffen, was an Anreizen für die private Wirtschaft fehlt.

Die Finanzpolitik paßt sich in den neuen Kurs ein. Hans Eichel redet zwar noch mit Blick auf die Jahre 2004 und 2005 von großen Steuerentlastungen, aber er handelt anders. Mit seinem Konsolidierungspaket werden Bürger und Betriebe zur Kasse gebeten. Damit verabschiedet sich die Koalition vom allgemeinen Konsens, den sie bis vor vier Wochen selbst mitgetragen hat: Wer die Wirtschaft stärken will, muß Betriebe und Bürger entlasten. Nur so faßt der Mittelstand den Mut, den er zum Investieren braucht. Nur so steigt die Lust der Verbraucher, einkaufen zu gehen. Nur so entstehen Arbeitsplätze. Dieser Weg ist nicht leicht. Wer ihn gehen will, muß im Haushalt kürzen, Subventionen und Steuersätze gleichermaßen zurücknehmen (das eine ohne das andere wirkt wie eine Steuererhöhung) und die Sozialbeiträge über Einschnitte bei den Leistungen senken. Wie Eichel selbst sagt, tut es weh, den Menschen Geld wegzunehmen. Aber anders als die Regierung glauben macht, gibt es für die deutsche Krankheit keine schmerzfreie Therapie.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.10.2002, Nr. 253 / Seite 11
Dixie:

ftd: Nichts wie weg von hier!

 
31.10.02 08:33
ftd.de, Do, 31.10.2002, 2:00  
Die neuen Steuerpläne: Nichts wie weg von hier
Von Anton-Rudolf Götzenberger

Es gibt noch Flecken auf der Landkarte, wo Anleger ihr Geld im Verborgenen arbeiten lassen. Doch die Schlupflöcher werden kleiner. Hier jeweils ein Pro und Contra zum Thema Kapitalflucht.

 

Steueroasen im Vergleich


Pro Kapitalflucht

Das umstrittene Steuerpaket der rot-grünen Regierung hat ein Thema wieder aktuell ins Blickfeld gerückt: Steueroasen. Sechs Gründe, sein Geld außer Landes zu schaffen.


1. Schutz für Privatsphäre und -vermögen. Weil Privatvermögen durch Rot-Grün eine immer stärkere Bedrohung erfährt und Konten oder Depots ziemlich präzise das Privatleben eines jeden Bankkunden spiegeln, bleibt vermögenden Familien, die ihren Reichtum gerade in der heutigen Zeit nicht zur Schau stellen wollen, nur die Flucht ins Ausland.


2. Geringe Aufdeckungsgefahr. Befindet sich das Vermögen erst einmal im Ausland, ist es dort weitgehend sicher. So kam der Bundesrechnungshof in seinem Sonderbericht vom 24. April zu dem Ergebnis, dass wer Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (In- und Ausland) wahrheitswidrig verneint und diese Erklärung gegebenenfalls nochmals bestätigt, im Regelfall nicht befürchten muss, dass seine Einkünfte vom Fiskus entdeckt werden. Dies gilt besonders dann, wenn alles über ausländische Nummernkonten abgewickelt wird.


3. Strikte Wahrung des Bankgeheimnisses. Während hier zu Lande der gläserne Bankkunde zur realen Horrorfigur zu werden droht, steht das Bankgeheimnis in klassischen Anlageländern wie Österreich, Luxemburg, der Schweiz oder Liechtenstein unverändert hoch im Kurs und bietet Anlegern Sicherheit gegen eine drohende Zentralisierung von Bankdaten bei staatlichen Behörden. In Liechtenstein und der Schweiz gilt das Bankgeheimnis als Grundrecht, in Österreich genießt es Verfassungsrang.


4. Restriktive Rechtshilfe in Steuersachen. Das "Territorialitätsprinzip" untersagt es deutschen Steuerfahndern, eigenständige Suchaktionen nach Steuersündern in Österreich, Luxemburg oder der Schweiz durchzuführen. Stattdessen sind deutsche Ermittler auf die Mithilfe ihrer ausländischen Kollegen angewiesen (Rechtshilfe). Trotz massiver Angriffe seitens der EU leistet das Fürstentum Liechtenstein den "Europäern" nach wie vor keinerlei Rechtshilfe in Steuersachen. In Luxemburg und der Schweiz wird man nur dann tätig, wenn seitens eines ersuchenden Staates aus der EU ein Steuer- oder Abgabebetrug nachgewiesen werden kann. Ein solcher liegt vor, wenn eine Täuschung der Steuerbehörden durch gefälschte, verfälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden wie Geschäftsbücher oder Bilanzen erfolgt. Nicht als Steuer- oder Abgabebetrug gilt die Auslandsgeldanlage selbst oder das "Vergessen" von Kapitaleinkünften in der Steuererklärung. Besonders Freiberufler können sich in Sicherheit wiegen: Da sie keine Bilanzen erstellen müssen, können sie auch keinen Steuerbetrug begehen, auch wenn Einkünfte nur unvollständig erklärt worden sind.


5. Neue Möglichkeiten durch neue Medien. Das Internet ermöglicht Steuerflüchtigen die Verwaltung eines Wertpapierdepots auf Gibraltar, den Kanalinseln oder den Cayman Islands genauso mühelos wie bei der Hausbank um die Ecke. Auch die Erteilung von Kauf- und Verkaufsaufträgen kann via Internet erfolgen, egal ob der Discount Broker in München oder in Vaduz sitzt. Und mittels Kreditkarte, im Regelfall ausgestellt von einem mit der Vermögensverwaltungsbank nicht in Verbindung stehenden Kreditinstitut, lässt sich ein Konto im Ausland so bequem händeln wie zu Hause.


6. Diskretion bei der Vermögensplanung. Häufig geht es diskretionsbedürftigen Geldanlegern nicht primär um die Steuer, sondern um interne familiäre Belange. Gesetzlich verankerte Bankgeheimnisse bieten persönliche Sicherheit, schützen vor neidischen Blicken oder einem unersättlichen Anspruchsverlangen geschiedener Ehefrauen. Diskrete Instrumente zur Vermögens- und Nachfolgeplanung wie beispielsweise vertrauliche Ermessensstiftungen in Liechtenstein werden diesen vorrangigen Zielen dadurch gerecht, indem sie im Rahmen des Stiftungszwecks Ausschüttungen tätigen, ohne Bedingungen zu nennen. Des weiteren hebeln solche Stiftungen das deutsche Außensteuerrecht aus: Vermögen und Ertrag können den Begünstigten solcher Stiftungen nicht zugerechnet werden, da diese über keine gesicherte Rechtsposition auf Vermögen und/oder Ertrag verfügen.









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Contra Kapitalflucht


Die Hürden, sein Angespartes vor dem Zugriff des Fiskus in Sicherheit zu bringen, werden immer höher. Sechs Gründe, sein Vermögen in heimischen Gefilden zu lassen.


1. Lockerung des Bankgeheimnisses. Die Diskussionen über die Lockerung der Bankgeheimnisse in Drittländern wie der Schweiz und Liechtenstein werfen erste Schatten voraus. Dahinter steht die Absicht der EU, im Sinne der geplanten Richtlinie der EU bei der Besteuerung von Zinserträgen ein automatisches Verfahren zum Austausch von Informationen zu etablieren. Bereits 2001 schrumpfte das betreute Kundenvermögen der knapp 20 Liechtensteiner Banken um rund sechs Prozent. In der Schweiz verhält es sich nicht anders.


2. Verschärfung der Bargeld-Grenzkontrollen. Bis dato gilt, dass Steuerflüchtige Bargelder von mehr als 15.000 Euro den Zollbediensteten nur auf Verlangen mitteilen müssen, welche ihrerseits dann Kontrollmitteilungen an die Finanzbehörden erstatten. Eine neue EU-Verordnung über die "Verhinderung der Geldwäsche durch Zusammenarbeit im Zollwesen zwischen den EU-Staaten und Drittstaaten" soll künftig dafür sorgen, dass Bargeldtransfers in Drittländer ab einem Betrag von 15.000 Euro grundsätzlich meldepflichtig werden. Die Anmeldepflicht soll sowohl bei der Einreise als auch bei der Ausreise und unabhängig davon gelten, ob es sich bei dem Reisenden um den Eigentümer des Geldes handelt oder nicht.


3. Striktere Bekämpfung der Geldwäsche. In Liechtenstein war es bis vor kurzem so, dass die Bank, die das Vermögen einer Stiftung verwaltet, den Geldanleger nicht kennen musste. Dieses Privileg ist der Bekämpfung der Geldwäsche zum Opfer gefallen. Auch in anderen Steueroasen ist ein Verstecken hinter juristischen Personen oder Treuhändern nicht mehr möglich. Damit wurde der Steuerflucht ins Ausland ein wesentlicher Anreiz entzogen.


4. Geplante Zahlstellensteuer. Als Ersatz für den geforderten Informationsaustausch bieten die Eidgenossen der EU seit Jahren die Einführung einer Zahlstellensteuer an. Schweizer Banken sollen hierbei einer steuerlichen Verpflichtung unterworfen werden und als "Zahlstelle" eine Quellensteuer auf Zinszahlungen erheben, die auf Konten natürlicher Personen mit Ansässigkeit in der EU fließen. Einziger Trost: Die Zahlstellensteuer soll nur zwischen 15 und 20 Prozent betragen.


5. Meldepflichten nach dem Tod. Spätestens mit dem Tod eines Steuerflüchtlings wird deutlich, dass dessen Steuerersparnis nur vorübergehend war. Denn deutsche Banken melden regelmäßig das Ableben eines Kunden an den Fiskus. Diese Meldepflichten gelten auch, wenn eine inländische Bank für einen deutsch-ansässigen Erblasser Konten- und Wertpapiergeschäfte über eine rechtlich unselbstständige ausländische Niederlassung abwickelt. Abgesehen davon ist der Fiskus oftmals auch der größte Nutznießer von Familienerbstreitigkeiten; erfährt er doch spätestens auf diese Weise von der Existenz größeren Auslandsvermögens auf diversen Nummernkonten und -depots. Die Erben nicht versteuerter Vermögenswerte sind gesetzlich verpflichtet, die Fluchtgelder nachzudeklarieren und nachzuversteuern, was in den meisten Fällen dazu führt, dass der Fiskus Alleinerbe wird. Nur die Erben jener Anleger, die ihr Geld schon zu Lebzeiten über einen angelsächsischen Trust oder etwa eine liechtensteinische Verbandsperson angelegt haben, müssen nichts befürchten. Denn diese Instrumente leben auch nach dem Tod ihres Gründers weiter.


6. Legale Steuersparmodelle. Das geltende Steuerrecht lässt dem Anleger immer noch attraktive Schlupflöcher. Wer etwa sein Aktiendepot in eine Vermögensverwaltungs-GmbH einbringt, braucht das von Rot-Grün angestrebte Kontrollmitteilungsverfahren über Spekulationseinkünfte nicht zu fürchten. Denn die GmbH kann Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften steuerfrei veräußern (uneingeschränktes körperschaftsteuerliches Schachtelprivileg).


Anton-Rudolf Götzenberger ist Experte und Verfasser zahlreicher Bücher zu den Themen Steueroasen und diskrete Geldanlagen.



© 2002 Financial Times Deutschland , © Illustration:  FTD
vega2000:

Diesen Monat habe ich ungelogen

 
31.10.02 08:36
62,87% Steuern & Abgaben gezahlt, -langsam bin ich diese Wegelagerei satt !
Noch mehr Steuern! 835913
gut-buy:

warum gehst du nicht nach Monaco oder in Schweiz o. T.

 
31.10.02 08:50
Dixie:

Streicht die Streichliste

 
31.10.02 11:09
G L O S S E



Streicht die Streichliste

Mit höheren Abgaben macht Rot-Grün die Wirtschaft kaputt

Von Wilfried Herz



Trotz aller gegenteiligen Versprechen von Kanzler Gerhard Schröder und anderen Koalitionsoberen - es gehört nur wenig Fantasie zu der Prognose, dass in der rot-grünen Streichliste für Abschreibungsmöglichkeiten und Vergünstigungen wieder einiges gestrichen wird.

Macht nichts. Es gibt zwar für jeden einzelnen Punkt im Kürzungskatalog von Finanzminister Hans Eichel einen einleuchtenden Grund. Doch so sinnvoll es ist, das Vorschriftendickicht zu lichten und unwilligen Steuerzahlern Ausweichwege zu versperren, so macht ein wahlloses Einsammeln von Steuervergünstigungen noch kein besseres Steuersystem.

Es ist widersinnig, bis in alle Ewigkeit Kursgewinne von Wertpapieren oder gar Lebensversicherungen zu besteuern, wenn man gerade erst die Riester-Rente auf den Weg gebracht hat und die kapitalgedeckte Altersvorsorge mit Staatsgeldern fördert. Und es zeugt von unüberlegtem Handeln, wenn der Finanzminister an einem Tag verkündet, dass wohltätige Spenden nicht mehr abzugsfähig seien - und kurz darauf der Kanzler höchstselbst nach massiven Protesten diese Abzugsfähigkeit wieder zugesteht.

Der vielstimmige Chor der Protestler in der Koalition und sogar in der Regierung gegen weitere Änderungen - von der Kürzung der Eigenheimzulage bis zur höheren Besteuerung von Dienstwagen - lässt das Schicksal des Eichel-Katalogs erahnen. Und nach dem Bundestag hat der Bundesrat dasSagen. Dort droht die Union mit ihrer Mehrheit. Sie ist zwar bis heute ein eigenes Konzept schuldig geblieben, lehnt aber das Regierungspaket ab.

Aus politischen Motiven könnte die Union der Wirtschaft einen Gefallen tun. Denn in der gegenwärtigen ausgeprägten Konjunkturschwäche ist es ökonomisch falsch, die Steuerlast zu erhöhen, um neue Löcher im Staatshaushalt zu stopfen. Nichts anderes ist es aber, wenn die Regierung Subventionen abbaut, um Geld zusammenzukratzen, und nicht gleichzeitig die Steuersätze senkt.

Richtig wäre es, die so genannten automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen: Wenn wegen der anhaltend lahmen Konjunktur die Steuereinnahmen spärlicher fließen und Mehrausgaben für Arbeitslose notwendig werden, führt kein sinnvoller Weg an einer höheren Neuverschuldung des Staates vorbei. Das muss und darf dann keine Abkehr vom Sparkurs bedeuten.

Höhere Schulden jetzt und Sparen im Aufschwung - dieses Konzept erfordert vom Finanzminister Standfestigkeit und Glaubwürdigkeit. Beides hat Hans Eichel in der vergangenen Legislaturperiode mit seiner Haushaltskonsolidierung und der im Großen und Ganzen gelungenen Steuerreform bewiesen. Jetzt muss er alles tun, um diesen Ruf wiederherzustellen.



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(c) DIE ZEIT   45/2002  
JoBar:

Gestern abend in einer Talkshow

 
31.10.02 11:28
kam ein Anrufer mit folgendem Vorschlag: "14 Tage Rückgaberecht für neue Regierungen"
:-)
Dixie:

:-)))

 
31.10.02 11:31
vierzehn Tage Rücktrittsrecht wegen arglistiger Täuschung vor der Wahl. Wie bei Haustürgeschäften. ;-)
Dixie:

Können diese Augen lügen?

 
31.10.02 11:40
Dixie:

Da ist noch Saft drin!

 
04.11.02 08:22
 
RENTE, GESUNDHEIT, ARBEITSLOSENGELD

"Da ist noch Saft drin!"

Von Markus Deggerich

Die Koalition steht vor der ersten Woche der Wahrheit. Mit harten Sofortmaßnahmen will sie in die sozialen Sicherungssysteme eingreifen. Gesundheitswesen, Rente und Arbeitslosengeld - alles steht auf dem Prüfstand. Aus den Millardentöpfen sollen alle verfügbaren Euros herausgepresst werden.

 
DDP

Unter Zeitdruck: Clement (r.) und Schröder im Bundestag


Berlin - SPD und Grüne suchen nicht nur Geld, sondern auch eine gemeinsame Position. In der kommenden Woche sollen die ersten Schnell-Gesetze auf den Weg gebracht werden, um die Finanzkrater bei Rente und Gesundheit zu stopfen und den Arbeitsmarkt in Schwung zu bringen. Doch hinter dem Ringen um die Einzelpunkte stecken auch politische Fernziele.
Vor allem bei der Rente sträuben sich die Grünen noch gegen die schlichte Erhöhung der Beiträge. Ulla Schmidt will sie von 19,1 aus 19,5 Prozent hochschrauben. Nicht dass die Grünen irgendetwas gegen mehr Cash in der Rentenkasse hätten. Aber sie wollen über den Finanzdruck in der Altersversorgung noch mal eine ihrer Lieblingsideen reaktivieren. Zwar hatte die SPD im Koalitionsvertrag durchgesetzt, dass die Ökosteuer nach 2003 keine weiteren Stufen erklimmt. Doch da diese Abgabe in das Rentensystem floss, hoffen die Grünen, dass sich ihr Partner in der Frage doch noch überzeugen lässt: Immerhin hatte die SPD im Wahlkampf versprochen, die Beiträge stabil zu halten. Über eine neue Form der Ökosteuer Arbeit nicht zu verteuern, Energieverbrauch zu besteuern und Geld für die Rente einzunehmen, lautet der grüne Plan.

   
 IN SPIEGEL ONLINE
 

·  Schmidts Not-Therapie: "Alle fürchten um ihre Pfründe" (31.10.2002)

·  Gesundheitssystem vor Finanz-Kollaps: Rot-Grün packt den Sparhammer aus (30.10.2002)

·  Clements Antrittsrede: Schattenboxen der Super-Kontrahenten (30.10.2002)

·  Gesundheits-Sparpaket: Trotz breiter Kritik - Rot-Grün will es machen (01.11.2002)

·  Schröders Regierungserklärung: Was Gerhard Nebel mit Willy Wolke gemeinsam hat (29.10.2002)

·  Willy Wolke und Gerd Nebel: Wie Schröder bei Brandt abkupferte (30.10.2002)


 

Verbraucherschutzministerin Renate Künast geht auch schon in Stellung: "Vereinbart ist 19,3 Prozent. Das diskutieren die Fraktionen noch. Auch bei den Sofortmaßnahmen in der Gesundheitspolitik müssen sich SPD und Grüne bis kommende Woche einigen. Nachdem Grüne-Fraktionschefin Krista Sager noch Zweifel anmeldete an den Schmidtschen Plänen, hatten die betroffenen Interessengruppen bereits wieder Hoffnung geschöpft, einen Keil in die Koalition treiben zu können und das "Schlimmste" für sie zu verhindern.

Doch Schmidt hat die Einwände der Grünen abgefangen. Über das Wochenende will sie ihrem Partner die Details erläutern. "Das Konzept halte ich nach wie vor für richtig und sozial ausgewogen", begegnete sie am Freitag der Kritik aus dem grünen Lager. Zum geplanten Einfrieren der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und der daran geäußerten Kritik von Sager wies Schmidt auf vorgesehene Ausnahmeregelungen hin. Sollte die Leistungsfähigkeit einer Kasse existenziell betroffen sein, seien ausnahmsweise weitere Beitragserhöhungen möglich.

"Alle sollten auf den Boden der Vernunft zurückkehren"

Die Kritik der Ärzteschaft an der geplanten Honorar-Nullrunde hält sie für überzogen und Panikmache. Die Ärzte müssten im Monat auf lediglich 158 Euro Zuwachs durchschnittlich verzichten. "Alle sollten auf den Boden der Vernunft zurückkehren", versucht sie zu beruhigen. Das Sparpaket insgesamt bedrohe niemanden in der Existenz. Krankenhäuser, die bereits mit dem Fallpauschalensystem (DRG-System) arbeiten, seien von der Nullrunde ausgenommen, sagte Schmidt. Dies gelte auch bei den Sonderregelungen im Osten, wo die Honorare und Arbeitsbedingungen für Ärzte noch immer schwieriger sind.

Schmidt kennt das Sankt-Florians-Prinzip. Die Betroffenen hielten in der Regel 95 Prozent des Sparpakets für gut - kritisierten aber immer den sie selbst betreffenden Teil. Doch sie will das durchziehen: "Wir brauchen Luft, um im nächsten Jahr die große Strukturreform auf den Weg zu bringen", begründet die Ministerin ihre Sofortmaßnahmen, die bereits kommenden Donnerstag in erster Lesung beraten werden sollen.

Doch Sager beurteilt die geplante Nullrunde mit Blick auf die gerade stattfindende Wettbewerbsorientierung in den Krankenhäusern skeptisch. "Wir brauchen auf der Einnahmeseite die Einbeziehung aller Einkommensarten und auf der Ausgabenseite mehr Wettbewerb und die Stärkung der Patientenrechte", erklärt sie.

Mit den im Beitragssicherungsgesetz geplanten Maßnahmen hätten die Kassen die Möglichkeit, die Beiträge im nächsten Jahr stabil zu halten: "Wenn diese Pläne schnell umgesetzt werden, sind dirigistische Akte wie die Festschreibung der Beiträge per Gesetz nicht mehr notwendig", hofft Sager. Doch Schmidt sieht das anders und die Kassen wollen in einer Hauruck-Aktion am Wochenende eventuell ihre Beiträge erhöhen. Das dürfte Schmidt als Kriegserklärung empfinden.

Kommt die Kriegserklärung der Kassen?

 
DPA

Gegen den Kassen-Knebel: Krista Sager


Sager versucht zu vermitteln. Sie warnt die Kassen davor, "jetzt noch hastig flächendeckend die Beitragssätze zu erhöhen", bevor es am Donnerstag kommender Woche zu der ersten Beratung des Vorschaltgesetzes im Bundestag kommt. Sonst müssten sie "sich nicht wundern, wenn der Gesetzgeber doch eingreifen muss", drohte auch Sager am Freitag.

Dass es bei den Not-Gesetzen nur um den schnellen Euro geht und die eigentlichen Reformen noch ausstehen, kündigt auch der Grünen-Vorsitzende Fritz Kuhn an. Er will weitere Einschnitte bei der Arbeitslosenhilfe sowie weitergehende Reformen der Sozialversicherungen: "Wenn sie den Bundeshaushalt kennen und um die Arbeitslosenhilfe einen Bogen machen, dann werden sie nicht sparen", sagte Kuhn und machte die finanzielle Dimension klar, die rund vier Millionen Arbeitslose für den Bundeshaushalt bedeuten. Deshalb werde auch über die Veränderungen beim Arbeitslosengeld noch bis kommende Woche verhandelt, kündigte Kuhn an.

Blinder Fleck bei den Renten

Wie Schmidt sieht der Wirtschafts- und Finanzexperte der Grünen bei Rente und Gesundheit weiteren Reformdruck: "Wenn das Sparpaket irgendwo einen blinden Fleck hat, dann bei den Renten." Wenn in Deutschland in der Praxis wenigstens annähernd das reguläre Rentenalter erreicht würde, ergäbe sich eine enorme Kostenreduktion.

Woran die Grünen denken, es aber ebenso wie die SPD nicht wagen auszusprechen, ist die Schieflage in den Sozialsystemen: Ganze Bevölkerungsgruppen wie Beamte und Selbständige zahlen nicht in das System ein. Doch solche Fragen sollen im Rahmen der Schnell-Gesetze noch nicht diskutiert werden.

Denn auch auf der dritten Baustelle nach Rente und Gesundheit gibt es noch Abstimmungsbedarf für die kommende Woche. Das Spar- und Reformpaket von Bundeswirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) ist in Zeitnot geraten. Obwohl das Gesetzespaket, das auch Teile der Hartz-Reform enthält, am kommenden Montag den Koalitionsfraktionen zur Beschlussfassung zugeleitet werden muss, waren wesentlichen Abschnitte am Freitag noch nicht abschließend geregelt.

Im neuen Doppelministerium wurde bei der Ausarbeitung des Gesetzespakets noch fieberhaft nach Sparpositionen gesucht. "Der Beratungsprozess ist im Gange, er läuft auf Hochtouren", sagt Clements Sprecherin Sabine Maass. Details nannte sie nicht. Für Montagabend ist eine Koalitionsrunde im Kanzleramt zur Feinabstimmung angesetzt.

Clement unter Zeitdruck

Nachdem Clement unter dem Druck aus den eigenen Reihen kurzfristig pauschale Leistungskürzungen für Arbeitslose mit Kindern im Volumen von etwa 200 Millionen Euro fallen ließ, muss er nach alternativen Einsparmöglichkeiten suchen. Dem Vernehmen nach war noch ein Betrag von 700 Millionen Euro im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit offen. Insgesamt will Clement satte 6,5 Milliarden Euro einsparen. Rund 1,85 Milliarden soll die Umsetzung der Hartz-Vorschläge bringen. Allein die Verkürzung der durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit um eine Woche brächte eine Milliarde Euro.

Noch unklar sind nach Informationen aus der Koalitionsspitze auch die steuerlichen Regelungen für die Förderung von haushaltsnahen Minijobs sowie für Gründer einer Ich-AG, zwei zentralen Elementen der Hartz-Reform zum Abbau der Arbeitslosigkeit. Auch an den tarifvertraglichen Regelungen für Leiharbeiter bei den neuen Personal-Service-Agenturen - auf die vor allem die Gewerkschaften großen Wert legen - wird noch gefeilt. Diese Elemente sind Teil des ersten Gesetzes zur Reform des Arbeitsmarktes, das am Donnerstag kommender Woche in den Bundestag eingebracht werden soll.

Arbeitgeber warnen vor Rohrkrepierer

Am Freitag startete als erster Baustein aus dem Katalog der Hartz-Reformvorschläge das Mittelstands-Förderprogramm "Kapital für Arbeit". Es soll Unternehmen über zinsverbilligte Kredite bis zu 100.000 Euro - von denen die Hälfte der Stärkung des Eigenkapitals dient - Anreize zur Einstellung von Erwerbslosen bieten. Die Regierung hofft damit auf bis zu 50.000 neue Jobs.

Weniger optimistisch über dieses neue Mittelstandsprogramm äußerte sich Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser: "Ich fürchte, das wird ein Rohrkrepierer". Ein weiteres Förderprogramm für den Mittelstand werde angesichts der vielen Programme, die schon existierten, nicht gebraucht. Dagegen warnte die DGB-Vize-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer davor, das Programm "madig zu machen". Wenn es gelinge, über billigere Kredite Unternehmen zur Einstellung von Arbeitskräften zu mobilisieren, könne dies "Hilfestellung leisten".

Die Koalition geht in eine harte Sitzungswoche, in der die ersten Weichen gestellt werden. Dass da noch mehr kommt, kündigt auch Fritz Kuhn an: "Was wir jetzt machen, ist mehr aus der Zitrone herauszupressen. Da ist noch Saft drin."






Dixie:

Mehrheit ist Mehrheit!

 
04.11.02 08:34
Schröders Wagenburg
Leitartikel
Von Torsten Krauel
Mehrheit ist Mehrheit, verkündet ein reizbarer Gerhard Schröder seit fünf Wochen. Reizbar deswegen, weil seine Mehrheit eben gerade nicht steht, sondern immer wieder neu erkämpft und abgesichert werden muss. Nichts anderes als dies bestimmt sein Auftreten.

Schröders Rechnung ist simpel: Vier Stimmen über der Kanzlermehrheit hat er, sechs bis acht Grüne gehören zum Pazifistenflügel, über die Hälfte der SPD-Fraktion ist Gewerkschaftsmitglied. Also muss er in der Wirtschafts- und in der Außenpolitik - ausgerechnet den Gebieten, die einmal seine Domäne waren - Konzepte präsentieren, die auch für renitente Mitglieder seiner Koalition akzeptabel sind. (Ganz abgesehen davon, dass auch Chirac und Bush und Aznar Schröders neue Verwundbarkeit spüren.)

Das zwingt ihn natürlich zu unaufhörlichem Manövrieren, und so verhält er sich auch. Die Blässe der Regierungserklärung war das Ergebnis des Willens, sich niemanden zu verprellen. Welche konkreten Vorhaben auch immer die Redenschreiber in sein Manuskript geschrieben hatten - Schröder ließ sie entweder vorsichtshalber ganz weg (wie 20 000 streichbare Vorschriften in Eichels Bereich: das hätte diesen ja öffentlich desavouieren und somit in Fraktion und Partei Begehrlichkeiten wecken können) oder schwächte sie ab (aus "Lohnnebenkosten senken" wurde "Lohnnebenkosten, wo immer dies möglich ist, senken"), oder er trug Konzessionen dort, wo es politisch nicht weh tat, mit Leuchtfarbe auf (sein gravitätisch hervorgehobener "erweiterter Sicherheitsbegriff" stammt aus dem grünen Wertefundus, hat aber operativ keinerlei Bedeutung).

Der völlig erratische, überstürzte Kurs seiner SPD und der Koalition seit der Bundestagswahl spiegelt die Gratwanderung zwischen Mehrheit und Notwendigkeit. Zum einen ging es Schröder darum, das Eisen zu schmieden, solange es noch heiß war - Reformvorhaben galt es festzuklopfen, solange die Interessengruppen in der Fraktion sich ihrer vollen Macht noch nicht bewusst geworden sind. Zum anderen zeigte sich aber rasch, dass einige SPD-Politiker sich über ihre gestärkte Position sofort im Klaren waren, zum Beispiel Sigmar Gabriel. Dessen fortgesetzter Kampf um die Eigenheimzulage, mithin der fortgesetzte Tritt gegen Schröders Schienbein, wäre in der vergangenen Legislaturperiode mit massivem Liebesentzug sanktioniert worden. Jetzt indes sind Schröder die Hände gebunden, ja, er braucht einen solchen Gabriel sogar. Denn als Mitinitiator einer vom Kanzler pro forma abgelehnten Steuererhöhung für Millionäre (Vermögen- und Erbschaftsteuer) trägt Gabriel zu dem von Schröder, dem Koalitionstaktiker, durchaus erwünschten Eindruck bei, die SPD nehme den Reichen etwas weg.

Die ganze Steuer-Kakophonie, die nach dem Wahltag losbrach, kam Gerhard Schröder sehr zupass: Es setzte sich der Eindruck fest, nicht er allein, sondern die SPD wolle irgendwie umsteuern. Dieser Eindruck ist seine einzige Chance, knappe Abstimmungen nicht zum Votum für oder gegen Schröder werden zu lassen. So schwieg er, gerne und beredt. Außerdem rief er den künstlichen Belagerungszustand durch "die anderen" aus - die Union, "konservative Kettenhunde", mittelbar auch Bush. Er braucht die imaginäre Wagenburg, um seine Leute zusammenzuhalten. Das öffentliche Bewusstsein und die Seele der Fraktion soll in einem teils orchestrierten, teils einfach laufen gelassenen Meinungschaos ertränkt werden. Jeder Abstimmungssieg Schröders erschiene dann als Führungsstärke.

Die zweite Novemberwoche wird hier zur ersten Bewährungsprobe. Es stehen an: eine gräuliche Steuerschätzung, der Nachtragshaushalt 2003 mit seinen Grausamkeiten sowie die Abstimmung über die Verlängerung des Bundestagsmandates für einen nun durchaus aktiven Antiterrorkrieg. Da muss Schröder zeigen, ob er als Integrator einer Mehrheit taugt, die, gemessen an den Notwendigkeiten, kaum eine ist.

Angela Merkel hat Schröder vorgehalten, Politik für den Augenblick zu machen. Schröder hat das geärgert, weil es wahr ist. Der erzwungene Tagestaktiker ist jeder autonomen Gestaltungshoheit beraubt; das zerrt an seinen Nerven. Aber damit, dass Mehrheit nicht Mehrheit ist, muss er, der Einzelkämpfer ohne Teambedürfnis, leben - für vier lange, elende Jahre.

Den Autor erreichen Sie unter: krauel@welt.de

Dixie:

Doppelt grausam

 
04.11.02 08:53
Doppelt grausam

Von Stefan Dietrich


Grausamkeiten müssen am Anfang der Legislaturperiode begangen werden. Regierungen, die sich an diese demokratische Faustregel halten, fahren meistens ganz gut mit ihr. Sie handeln sich damit zwar unmittelbar nach der Wahl den Vorwurf der Wählertäuschung ein, doch wenn es gutgeht - das heißt, wenn nach und nach die Zinnen der goldenen Berge in Sicht kommen, von denen vor der Wahl die Rede war -, haben die Wähler den Schmerz nach zwei, spätestens vier Jahren auch wieder vergessen. Was die rot-grüne Koalition gerade in die Wege leitet, ist jedoch doppelt grausam: Es schmerzt, verspricht aber keine Linderung. Am Ende dieser Wahlperiode wird dieses Land aller Voraussicht nach schlechter dastehen als an deren Anfang.

Zugegeben - goldene Berge hatte vor allem die Union im Wahlkampf verheißen: eine Verringerung der Steuerlast, mehr Geld für Familien, Wachstumsimpulse für die Wirtschaft. Stoiber wäre heute in einer nicht geringeren Kalamität als Schröder, wenn es am 22. September zu einer schwarz-gelben Koalition gereicht hätte. Die meisten seiner ins Schaufenster gestellten Sonderangebote hätte er der Vorgabe opfern müssen, daß die Stärkung der Wirtschaftskraft für eine unionsgeführte Regierung Priorität genieße.

Im nachhinein scheint es fast, als habe sich die SPD seit Monaten auf nichts anderes vorbereitet als auf den Augenblick, in dem sie über einen Wahlsieger Stoiber und dessen gebrochene Versprechungen herfallen könnte. Nun aber muß sie selbst den deutschen Karren weiterziehen, der nicht zuletzt durch die steuer- und arbeitsmarktpolitischen Beschlüsse der rot-grünen Koalition so unbeweglich geworden ist wie nie zuvor.

Vom Start weg erweckt diese Regierung den Eindruck der Orientierungslosigkeit. Wie anders soll man es deuten, wenn der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung zwar die klassischen Instrumente der Konjunktursteuerung verwirft, drei Absätze weiter aber schon wieder eine "konjunkturgerechte Ausgestaltung" des Stabilitätspakts propagiert, das heißt den Rückgriff auf eine höhere Neuverschuldung? Verheißungsvoll klang zwar Schröders Wort, es sei "jetzt nicht die Zeit, immer nur neue Forderungen zu stellen" und auf das erreichte Leistungsniveau fortwährend "draufzusatteln"; der Staat müsse auch einmal langsamer treten. An die eigene Adresse war dieser Appell aber nicht gerichtet.

Denn im Koalitionsvertrag, den der Kanzler anpries, haben SPD und Grüne die Traglast des Staates noch einmal hemmungslos erhöht. Nicht genug damit, daß selbst in einer haushaltspolitischen Notlage die volkswirtschaftlich fragwürdige Steinkohlesubvention und die langfristig noch erheblich teurere Förderung der Wind- und Solarenergie unangetastet bleiben - sogar für das Subventionsgrab Metrorapid ist noch Geld da -, nun müssen auch noch Ganztagsschulen und Kinderkrippen her, weil es die eigene Klientel so will. Auf die Baustellen der Alters- und Gesundheitsvorsorge, die im Sinne des Gemeinwohls am dringendsten der Sanierung bedürften, schickt die Koalition indessen eine Ministerin ohne Ideen und ohne Durchsetzungskraft.

Weil sich die Koalitionsparteien nicht von gesamtwirtschaftlichen, sondern von partikulären Interessen leiten ließen, haben sie sich angreifbar gemacht. Seit sich der Kanzler auf die Seite der Gewerkschaften gestellt hat, schlägt er einen zunehmend gereizten Ton gegen andere Lobbyorganisationen an, die ebenso legitime Interessen vertreten. Angreifbar zeigte sich in der vergangenen Woche aber vor allem Schröders Ministerriege.

Der Bauminister konnte die Kürzung der Eigenheimzulage nicht verteidigen, weil er selbst nicht davon überzeugt war, "Superminister" Clement war in Erklärungsnöten wegen der Erhöhung der Gasverbrauchsteuer und der Kürzung der Arbeitslosenhilfe, die Gesundheits- und Sozialministerin Schmidt geriet gleich an beiden Fronten ihres Ressorts ins Trudeln. Die geplante Anhebung des Rentenbeitrags um 0,2 Prozentpunkte mußte kurzfristig verdoppelt werden. Zusammen mit der sprunghaften Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze ist das nun sogar den Grünen zuviel. In der Gesundheitspolitik fiel dem Kanzler und seiner Ministerin wiederum nichts Besseres ein, als den zahlreichen Reformkommissionen eine weitere hinzuzufügen und für die Zeit der Untätigkeit Dirigismus walten zu lassen. Finanzminister Eichel, der demnächst einen Nachtragshaushalt vorlegen soll, war indessen dazu verurteilt, die finanziellen Auswirkungen der Zickzackbewegungen in sein Zahlenwerk einzuarbeiten.

Daß die absehbare Neuverschuldung im Wahljahr unterderhand von 21 in die Nähe von 35 Milliarden Euro stieg, ist im nachhinein schon nicht mehr abzuwenden. Schlimmer ist, daß auch in den kommenden vier Jahren von Einsparungen nicht die Rede sein kann. Zusammen mit den neun Milliarden Euro, die schon durch die Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform den Bürgern vorenthalten werden, summieren sich die im Koalitionsvertrag geplanten Mehrbelastungen bis 2006 auf 76 Milliarden Euro. Von der Steuerentlastung, welche die "Jahrhundertreform" von 2000 versprach, war bei den Bürgern schon bisher wenig zu spüren. Sie wird sich aber spürbar ins Gegenteil verkehren, bevor die dritte Stufe 2005 in Kraft tritt. Wachsen wird in dieser Zeit allein die Staatswirtschaft.

"Wir wollen ein Land schaffen, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht." Mit den ersten Schritten in die neue Legislaturperiode straft der Bundeskanzler seine Regierungserklärung Lügen. Diese Regierung fragt nicht wirklich danach, wie Menschen leben wollen. Sie fragt zuerst, wieviel sie den Bürgern abnehmen muß, um ihre gesellschaftlichen Vorstellungen verwirklichen zu können. So hält es der Obrigkeitsstaat mit Untertanen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.11.2002, Nr. 256 / Seite 1
TK-ONE:

Ständig werden politische Signale erwartet

 
04.11.02 09:12
In den Jahren 1-4 gab es von der Regierung kleine Signale die nach Aufbruchstimmung rochen.

Im Jahr 5 wird es plötzlich ganz wie erwartet düster.
Das Ende naht, die Schuldigen werden freigesprochen, die Schäden übernimmt das Volk.
Wieder nichts neues.

Gruss TK
Dixie:

Spekulationssteuer - Rolle rückwärts?

 
04.11.02 12:18
Eichel erwägt Verzicht auf rückwirkende Aktien-Steuer

Im Gesetzentwurf halte Eichel aber noch an der rückwirkenden Besteuerung fest
Berlin - Bundesfinanzminister Hans Eichel ist nach einem Magazinbericht bereit, notfalls auf eine Besteuerung von bereits vorhandenem Aktien- und Immobilienbesitz zu verzichten. Die Fachleute des Ministers rechneten damit, dass sich eine rückwirkende Besteuerung nicht durchsetzen lasse, berichtete "Focus" am Samstag vorab. Alle nach dem 1. Januar 2003 erworbenen Aktien und Immobilien sollten aber nach dem bisherigen Gesetzentwurf voll der Einkommenssteuer unterworfen werden. Eine Sprecherin Eichels wollte sich nicht dazu äußern.

Im Gesetzentwurf halte Eichel aber noch an der rückwirkenden Besteuerung fest, berichtete das Magazin weiter. Auch Finanzstaatssekretärin Barbara Hendricks (SPD) hatte sich entsprechend geäußert. Jedoch waren schon im von der rot-grünen Koalition beschlossenen Finanztableau keine zusätzlichen Einnahmen für 2003 eingeplant. Damit wäre aber im Fall einer rückwirkenden Besteuerung zu rechnen. Erst für 2004 hatte Eichel Mehreinnahmen von rund einer Mrd. Euro durch die Steuern auf Spekulationsgeschäfte eingeplant.

Nach dem Bericht des "Focus" will Eichel auch daran festhalten, eine Meldepflicht auf Kapitalerträge und Spekulationsgewinne einzuführen. Darauf sollten Banken und Immobilienfonds nach dem Gesetzesentwurf verpflichtet werden. Mit diesem Beschluss wird das Bankgeheimnis in Deutschland nach allgemeiner Einschätzung weitgehend ausgehöhlt. Bislang müssen Anleger Spekulationsgewinne nur versteuern, wenn sie Aktien innerhalb eines Jahres und Immobilien innerhalb von zehn Jahren verkaufen. rtr



Dixie:

Flucht aus Aktien?

 
04.11.02 14:29
ftd.de, Mo, 4.11.2002, 12:54  
Aktionärschützer befürchten Flucht aus Aktien
Von Heino Reents, Hamburg

Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) macht mobil gegen die geplante Spekulationssteuer auf Aktiengewinne. In einem offenen Brief an Bundesfinanzminister Hans Eichel fordern die Aktionärsschützer eine schnelle Rücknahme der Pläne - ansonsten drohe eine Flucht aus Aktien.

Viele Anleger hätten sich wegen der Steuerpläne in "heller Aufregung" an die Schutzgemeinschaft gewandt, heißt es in dem Schreiben. "Viele reagieren bereits panisch", so SdK-Vorsitzender Klaus Schneider. Auf Grund der zahlreichen Anfragen fürchtet die SdK, dass mit einer Flucht aus der Aktie zu rechnen ist, wenn die bislang bekannten Pläne eins zu eins umgesetzt werden.

Besonders belastet sei die Stimmung unter den Anlegern wegen der Gefahr einer rückwirkenden Besteuerung auf bereits seit längerem gehaltene Aktien. Aktionäre hätten vielfach angekündigt, solche Aktien notfalls noch vor Jahresende zu veräußern, um mögliche Kursgewinne steuerfrei vereinnahmen zu können. Ein massenhafter Aktienverkauf von Privatanlegern hätte gravierende Folgen für den Aktienmarkt, so Schneider.



Furcht um Altersvorsorge

Viele Aktionäre seien Aktiensparer und wehrten sich dagegen, durch die geplante Spekulationssteuer nun zu Spekulanten herabgewürdigt zu werden. "Diese Generation fürchtet jetzt um ihre Altersvorsorge und fühlt sich vor dem Hintergrund der Pläne teilweise betrogen", schreiben die Aktionärsschützer an den Finanzminister.


Für die Zukunft werde die Attraktivität der Aktienanlage deutlich abnehmen, weil dem höheren Risiko dieser Anlageform nur noch geringere Erträge gegenüberstehen. "Wir mahnen schnelle Entscheidungen an, denn die Tatsache, dass die Anleger nicht genau wissen, was auf sie zukommt, führt möglicherweise zu falschen Reaktionen", lautet abschließend die Forderung an Minister Eichel.



© 2002 Financial Times Deutschland
Dixie:

Roman Herzog: Die Krise ohne Chance

 
05.11.02 08:18
Die Krise ohne Chance
Kolumne
Von Roman Herzog

Das deutsche Volk weiß es schon seit langem, und der Bundesregierung scheint es in der Nacht vom 22. auf den 23. September aufgegangen zu sein: Die öffentlichen Kassen sind leer. Dass das misslich ist, braucht man keinem besonders zu erklären, auch wenn nun wieder das alte Spiel beginnt, in dem jeder der Regierung mitteilt, was und wie viel sie bei den anderen sparen soll. Viel schlimmer ist, dass es jetzt, trotz aller vorgefassten und laut verkündeten Ansichten, wieder zu Erhöhungen statt zu Verringerungen des so genannten öffentlichen Sektors kommt, also jenes Anteils am Bruttosozialprodukt, der der Gesellschaft und damit der Wirtschaft entzogen und über staatliche Kassen umgesteuert und umverteilt wird.

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Steigt der öffentliche Sektor, so verringert sich beim einzelnen Bürger der Spielraum, der ihm nach Abzug seiner monatlichen Fixkosten zur freien Gestaltung seines Lebens noch verbleibt. Und bei der Wirtschaft geht mehr und mehr der Spielraum für Investitionen und die damit verbundenen Innovationen verloren - ohne die es nach allen Erfahrungen auch keinen späteren Aufschwung mehr gibt.

Ich will hier nicht darüber rechten, ob die beabsichtigten Abgabenerhöhungen notwendig sind, und auch nicht darüber, ob sie bejahendenfalls ausreichen. Und nur mit Spott verfolge ich, wie sich in unseren Medien selbst für die Gesetze, die uns jetzt ins Haus stehen, allmählich schon wieder die Bezeichnung "Reform" einschleicht. Wenn man nur die Steuern erhöhen muss, um ein Reformer zu sein - dann prost Mahlzeit!

Dabei wäre es ohne weiteres möglich, der Wirtschaft auch in Zeiten knapper Kassen mehr Spielraum als bisher zu geben, und sogar ohne dass es den Staat Geld kostet. Man müsste sich nur wieder einmal an das erinnern, was die Vertreter der Wirtschaft schon seit Jahren predigen: Ihre Entscheidungsfreiheit leidet nicht nur unter der Überfülle bürokratischer Rechtsvorschriften, deren Beachtung und Einhaltung die Betriebe - und hier vor allem die kleinen - nicht nur wiederum Geld, sondern vor allem auch Zeit und Kraft kosten. Und schon seit Adam Riese wissen wir: Wenn es zwei Gründe gibt, warum eine Sache nicht läuft, und wenn einer davon im Augenblick nicht behoben werden kann, dann ist das noch lange kein Grund, auch den zweiten nicht in Angriff zu nehmen!

Da ließe sich bei Gott manches tun, was der Wirtschaft die bitteren Pillen, die sie jetzt schlucken muss, wenigstens einigermaßen erträglich machen könnte, und ich frage mich schon, warum der Bundeskanzler, der doch sonst ein gewiefter, psychologisch geschickter Taktiker ist, nicht zugleich mit seinen Tatarennachrichten noch ein paar andere, wirtschaftsfreundlichere Parolen ausgibt, als da wären:

* Reduzierung der die Wirtschaft strangulierenden Vorschriften, und wenn es zunächst einmal nur um zehn Prozent ginge,

* Abschaffung weiterer statistischer Erhebungen, die dem Staat wenig bringen, die Unternehmen aber schwer belasten, und dazu gleich auch noch die Abschaffung überflüssiger oder nur wenig nützlicher Melde- und Anzeigepflichten,

* Verringerung oder wenigstens Abkürzung zahlreicher Genehmigungsverfahren. Man könnte die zuständigen Behörden viel öfter dazu verpflichten, ein Genehmigungsverfahren binnen vier oder meinetwegen auch sechs Wochen abzuschließen, und wenn das nicht geschieht, die Genehmigung einfach als erteilt fingieren.

Es gäbe noch viele weitere Möglichkeiten, aber ich will meinen Lesern solche Details für heute ersparen. Vieles wäre möglich, um die Wirtschaft freier zu stellen, auch in Zeiten knapper Kassen. Warum tut man es dann nicht? Sind wir hier wieder einmal an einer Stelle, an der den leitenden Politikern das Detailwissen, den zuständigen Abteilungen der Ministerien dafür aber die Fantasie fehlt? Wenn man schon eine Krise wie die gegenwärtige hat und wenn es wahr ist, dass Krisen immer auch etwas an Chancen in sich bergen, warum nimmt man sie dann nicht wahr?

Es ist mehr als ein Jahr her, dass der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof den Entwurf eines kurzen, bündigen und für jedermann verständlichen Einkommensteuergesetzes der Öffentlichkeit vorgelegt hat. Geschehen ist seither nichts. Es mag ja sein, dass Kirchhof in der einen oder anderen Frage zu optimistisch ist - wie sollte er den augenblicklichen Steuerdschungel sonst auch ertragen? Wenn es aber so ist, warum setzt man sich mit ihm dann nicht wenigstens auseinander? Und warum schweigt man auch sonst zu den berechtigten Einwänden?


Roman Herzog war von 1994 bis 1999 Bundespräsident.

An dieser Stelle lädt die WELT täglich Persönlichkeiten desöffentlichen Lebens ein, ihren Standpunkt zu vertreten.



Dixie:

Das wird ein bitterer Winter

 
05.11.02 08:36
Kommentar

Das wird ein bitterer Winter
Von Hans-Jörg Vehlewald

 


Schöne Bescherung: Jetzt werden sogar noch die Weihnachtsbäume teurer...
Das ist die nächste von zahllosen Schlechte-Laune-Meldungen, mit denen uns die Regierung das Leben schwer macht.

Für viele Bürger hat es schon fröhlichere Weihnachten gegeben als in diesem Jahr.

Erinnern wir uns! Im Sommer hieß es noch: Steuerentlastung ab 2003. Der Aufschwung kommt!

Und jetzt? Benzin, Strom, Heizung, Gas, Wohnen – alles wird teurer.

Jeder wird am Ende des Winters ein paar Hundert Euro weniger in der Tasche haben.

Wofür? Damit Renten- und Krankenversicherer uns weiter vorgaukeln, unser Geld sei sicher angelegt?

Damit Beamte weiter Milliarden durch Steuerschlamperei und Fehlplanung verschleudern?

Damit Politiker weiter üppige Diäten und Pensionen kassieren?

Die Regierung muss endlich sagen, wo sie bei sich selbst sparen will, statt immer weiter nur die Bürger zu schröpfen!

www.bild.de
Trader:

Regierung macht das Heizen teurer

 
05.11.02 11:18

Eichel plant Steuererhöhung auf Heizöl um 22 Prozent. Abstriche bei der Erdgas-Steuer sind nicht vorgesehen

Berlin – Das Bundesfinanzministerium will der Koalitionsrunde aus Spitzenpolitikern von SPD und Grünen auch eine höhere Steuer auf leichtes Heizöl vorschlagen. „Nach dem überarbeiteten Gesetzentwurf des Ministeriums soll die Steuer auf 75 Euro von derzeit 61,35 Euro pro 1000 Liter steigen“, hieß es am Montag in Koalitionskreisen. Insgesamt rechne Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) durch die Veränderungen im Rahmen der Ökosteuer mit Mehreinnahmen von 1,7 Mrd. Euro im kommenden Jahr.

Der Gesamtverband des deutschen Brennstoff- und Mineralölhandels (GDBM) reagierte empört auf die Pläne der Bundesregierung: „Die mittelständische Branche kann die Erhöhung in dem harten Wettbewerb nicht mehr auffangen“, sagte GDMB- Geschäftsführer Günther Jäckel: „Die Steuererhöhung wird sich voraussichtlich voll auf die Endverbraucherpreise durchschlagen.“ Nach Schätzung seines Verbandes werden sich die Heizkosten eines Vier-Personen-Haushalts pro Jahr um rund 41 Euro erhöhen. Dies sei auch deshalb bedenklich, weil überproportional viele Heizöl- Kunden Geringverdiener sind.

Nach den ursprünglichen Plänen der Regierung sollten Energiesteuern lediglich 1,2 Mrd. Euro für den Bundeshaushalt bringen. Dazu war vorgesehen, die Besteuerung von Erdgas von 35 auf rund 58 Cent pro Kilowattstunde anzuheben und somit dem leichten Heizöl gleichzustellen. Als Begründung hieß es, für eine steuerliche Bevorzugung von Gas gebe es keinen Grund mehr, da sich inzwischen ohnehin 75 Prozent aller Häuslebauer für diesen Brennstoff entscheiden. Die Gas-Wirtschaft bestand jedoch aus Klimaschutzgründen bis zuletzt auf einen gewissen steuerlichen Abstand gegenüber dem Heizöl – und fand damit beim Bund, insbesondere bei Bundesumweltminister Trittin, Gehör. Zwar wird die Erdgas-Steuer nach wie vor um 66 Prozent auf 58 Cent pro Kilowattstunde erhöht. Doch durch die Belastung des Konkurrenzproduktes Heizöl um rund 520 Mio. Euro bleibt die steuerliche Belastung von Gas immer noch um 18 Prozent unter der des Heizöls. dgw
Dixie:

Können die die alten Leute ja einen Pullover mehr

 
06.11.02 08:11
anziehen. :-(
maxperforma.:

da kommt dann die

 
06.11.02 08:15
Zentralkompetenz von rot-grün -
wieder voll zum tragen:

das Stricken von Wollpullis  
Trader:

Welche Steuern gibt es in Deutschland?

 
06.11.02 08:42


Zu den bekanntesten Steuern in Deutschland zählen wohl die Lohn- und Einkommensteuer und die Kraftfahrzeugsteuer. Immer dann, wenn das Benzin wieder einmal teurer wird, gerät auch die Mineralölsteuer in die Schlagzeilen. Und wer einen üppigen Nachlass antreten darf, wird sich mit der Erbschaftssteuer auseinandersetzen müssen.
Aber in deutschen Landen gibt es weitaus mehr als nur diese Steuern. Wie wär's zum Beispiel mit der Branntwein- oder der Schaumweinsteuer oder mit der Steuer für das Vergnügen? Wir haben für Sie einmal zusammen getragen, welche Steuern in Deutschland gezahlt werden. Alle Steuern, die keiner anderen Steuerart zugeornet sind, wie etwa die Biersteuer gelten als so genannte Hauptsteuern.

Übrigens: Es gab schon einmal mehr. Viele Steuern wie die Leuchtmittel-, die Kupon oder die Zuckersteuer sind inzwischen abgeschafft.



Steuerarten


Abgeltunqsteuer (gehört zur Kapitalertragsteuer)
Abzugsteuern bei beschränkt Steuerpflichtigen
Aufsichtsratsteuer (gehört zu den Abzugssteuern bei beschränkt Steuerpflichtigen)
Automatensteuer (gehört zu Vergnügungssteuer)

Besitz- und Verkehrsteuern
Biersteuer
Branntweinsteuer

Einfuhrumsatzsteuer
Einkommensteuer
Erbanfallsteuer (gehört zur Erbschaftsteuer)
Erbschaftsteuer/ Schenkungsteuer

Feuerschutzsteuer

Gemeindesteuern (zählen zu den Örtlichen Steuern)
Getränkesteuer
Gewerbesteuer
Grunderwerbsteuer
Grundsteuer

Heizöhlsteuer (gehört zur Mineralölsteuer)
Hundesteuer

Jagd- und Fischereisteuer

Kaffeesteuer
Kapitalertragsteuer
Kinosteuer (gehört zur Vergnügungssteuer)
Kirchensteuer
Körperschaftsteuer
Kraftfahrzeugsteuer

Lohnsteuer

Lustbarkeitsteuer (gehört zur Vergnügungssteuer)
Luxussteuer (ist in einigen Fällen im Rahmen der Hundesteuer, der Jagd- und Fischereisteuer, der Kraftfahrzeugsteuer und der Tabaksteuer zu zahlen)

Mehrwertsteuer (gehört zur Umsatzsteuer)
Mineralölsteuer

Örtliche Steuern

Personensteuer (gehört zur Körperschaftsteuer)

Quellensteuer (allgemeiner Begriff für verschiedene Steuerarten, z. B. Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer oder Zinsabschlagsteuer)

Realsteuer (ist bei der Grund- und der Gewerbesteuer eingeordnet)
Rechtsverkehrsteuer (gehört zur Grunderwerbsteuer )
Rennwett-, Lotterie- und Sportsteuer

Schankerlaubnissteuer
Schankverzehrsteuer (gehört zur Getränkesteuer)
Schaumweinsteuer
Schenkungsteuer (gehört zur Erbschaftsteuer)
Solidaritätszuschlag
Spielbankabgabe
Straßengüterverkehrsteuer (fällt im Rahmen der Beförderungsteuer an)
Stromsteuer

Tabaksteuer

Umsatzsteuer

Verbrauchsteuern
Vergnügungsteuer
Verpackungsteuer
Versicherungsteuer
Vorsteuer (ist beim Vorsteuer-Vergütungsverfahren im Rahmen der Umsatzsteuer zu zahlen)

Zweitwohnungsteuer
Zwischenerzeugnissteuer

Gruss
Trader
Dixie:

Kalte Enteignung

 
08.11.02 09:48
Kalte Enteignung

Von Joachim Jahn


Wenn Wahlbetrug ein Straftatbestand wäre, müßte die Berliner Staatsanwaltschaft gegen diese Bundesregierung ermitteln - von Amts wegen. Im Wahlkampf hatte die rot-grüne Kabinettsmannschaft Steuererhöhungen (außer zur Finanzierung der Hochwasserschäden) ausgeschlossen. Unmittelbar nach dem Urnengang folgte der finanzpolitische Offenbarungseid; wie leer die Haushaltskassen sind, war vorsätzlich verschwiegen worden. Und nun prasselt eine Anhebung von Abgaben und Sozialbeiträgen nach der anderen auf die wehrlosen Bürger und Unternehmen nieder.

Am schlimmsten trifft es die Privatleute, die ihr Geld in Immobilien oder Aktien angelegt haben und damit vielfach für ihr Alter vorsorgen wollten. Für diese Langzeitsparer schnellt der Abgabensatz schlagartig von null auf (rund) fünfzig Prozent hoch, sollten die bisherigen "Spekulationsfristen" tatsächlich übergangslos gestrichen werden. Selbst wer jahrzehntelang eine vermietete Eigentumswohnung abbezahlt oder ein Wertpapierdepot aufgebaut hat, müßte künftig bei einem Verkauf rund die Hälfte des Gewinns an den Fiskus abtreten.

Abzocken, Abkassieren, Auspressen - die Heerschar der Betroffenen zeigt sich zu Recht empört. Viele setzen darauf, daß das Bundesverfassungsgericht diesen "enteignungsgleichen Eingriff" verhindert. Doch die Hoffnung könnte trügen. In ihrer umstrittenen Rechtsprechung haben die Hüter des Grundgesetzes dem Bundestag bisher meist einen weiten Handlungsspielraum eingeräumt. Natürlich muß die Politik in der Lage sein, auf Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft mit neuen Steuergesetzen zu reagieren. Paragraphen und Regeln sind nicht in Stein gemeißelt. Doch die Verfassungsrichter haben dem Gesetzgeber manchen Freibrief ausgestellt, um das Vertrauen der Steuerzahler in die Rechtsgrundlagen ihrer einmal getroffenen Entscheidungen noch nachträglich zu enttäuschen.

Bald wird man sich in Karlsruhe mit einer Klage dagegen befassen müssen, daß Rot-Grün bereits in der vergangenen Wahlperiode die "Spekulationsfristen" drastisch und obendrein rückwirkend verlängert hat. Zu befürchten ist aber, daß die Robenträger ihrer bisherigen Zurückhaltung treu bleiben. Dann würden sie den Bundestag nicht dazu zwingen, daß er die damaligen - und die nun geplanten - Verschärfungen auf jene Steuerzahler beschränkt, die ihre Immobilien oder Wertpapiere erst nach den Regeländerungen angeschafft haben. Auf Schutz können wohl am ehesten jene Steuerzahler hoffen, die ihren Besitz erst nach Ablauf der ursprünglichen Frist abgestoßen hatten.

Wenn die Regierung also vielleicht auch keinen Verfassungsbruch plant - einen Vertrauensbruch begeht sie auf jeden Fall. Bundestags-Finanzausschuß und Bundesrat müssen diese Steuereintreiberei stoppen. Die Opposition muß der Versuchung widerstehen, angesichts der ebenfalls klammen Kassen ihrer Ministerpräsidenten bei dem Handstreich mitzumischen. Wer die Bürger vier Jahre lang in die private Altersvorsorge treibt, indem er sie mit der "Riester-Rente" und dem Ausbau des Anlegerschutzes ködert, darf sie nicht schlagartig um die Früchte ihrer Rücklagen bringen. Die "Staatsrente" ist unsicherer denn je - doch wer wollte noch langfristige Sparpläne abschließen, wenn er die Rendite am Ende mit dem Fiskus teilen muß? Wer wagt es angesichts derart unkalkulierbaren Handelns der Regierung noch, eine Lebensversicherung abzuschließen? Schon länger brütet schließlich eine ihrer denkwürdigen Kommissionen darüber, ob die "Privilegierung" dieser Vorsorgeform weiter zu rechtfertigen sei. Düstere Aussichten sind dies für die deutsche Assekuranz.

Steuersystematisch zwingend ist die Ausweitung der Abgabenpflicht ohnehin nicht. Wertsteigerungen im Privatvermögen waren bis vor vier Jahren nur innerhalb recht kurzer Ausnahmefristen abgabepflichtig. Zwar trifft das Argument der Befürworter zu, auch solche Vermögensmehrungen steigerten die individuelle Leistungsfähigkeit, den einzig gerechten Maßstab einer Steuerpflicht. Doch Ketzer meinen ohnehin, das einzig Systematische am geltenden Steuerrecht sei seine Unsystematik. Angesichts eines fatalen Haushaltsnotstands wird nun trotzdem der Zugriff des Staates auf das letzte Reservat der Privatsphäre ausgedehnt.

Doch auch dabei dürfen äußerste Grenzen nicht überschritten werden: So muß der Vertrauensschutz gewahrt werden, etwa durch langjährige Übergangsregelungen. Auch sollte die Steuerpflicht für den Verkauf von Immobilien und Aktien auf solche Vermögensgegenstände beschränkt werden, die erst nach der Verschärfung erworben worden sind. Jegliche Rückwirkung ließe sich auch dadurch vermeiden, daß als Anschaffungspreis der Wert am Stichtag der Gesetzesänderung gilt (sofern er über dem früheren Kaufpreis liegt).

Außerdem sollte ein deutlich ermäßigter Steuersatz gelten. Immerhin ist ein erheblicher Teil der Wertsteigerung von Grundstücken und Wertpapieren auf die Inflation zurückzuführen; solche Scheingewinne darf der Staat nicht mit Abgaben belegen. Bei Wohnungen und Häusern kommt dazu, daß die Eigentümer auch mancherlei Aufwand hineinstecken müssen. Die Bundesregierung will aber auf den rechnerischen Veräußerungsgewinn sogar die Abschreibungen draufschlagen, die die Besitzer im Lauf der Zeit vorgenommen haben. Zudem hat das Steuerrecht den sogenannten Zusammenballungseffekt zu respektieren: Wer auf einen Schlag viel Geld ausgezahlt bekommt, auf das er sich nur nach und nach einen Anspruch aufgebaut hat, darf bloß mit einer niedrigeren Tarifstufe in der Progressionskurve belegt werden. Dieser Steuersatz sollte zudem wie im Ausland mit der Dauer des Besitzes absinken.

Und wenn alle politische und juristische Gegenwehr versagt? Von Notverkäufen kurz vor Toresschluß ist Anlegern abzuraten. Wer aber seine Wohnung noch rechtzeitig vor dem Verkauf lange genug selbst nutzen kann, fällt aus der Steuerpflicht heraus. Und wer besonders gut betucht ist, kann überlegen, ob er noch schnell eine kleine Vermögensverwaltungsfirma gründet, um dort sein Hab und Gut unterzubringen. So hat diese Regierung zwar noch nicht die Hartzsche "Ich-AG", auf jeden Fall aber die "Ich-GmbH" vorangebracht.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.11.2002, Nr. 260 / Seite 13
Dixie:

Regierung rudert zurück

 
12.11.02 12:24
Generelle Steuer auf Aktienkursgewinne soll doch nicht kommen




Berlin (dpa) - Besitzer von Aktien, Investmentfonds und Immobilien sollen nun doch nicht generell Steuern auf Gewinne zahlen müssen. Die Finanzpolitiker von SPD und Grünen erzielten eine entsprechende Verständigung, wie die finanzpolitische Sprecherin der Grünen- Fraktion, Christine Scheel, am Dienstag auf dpa-Anfrage mitteilte.

Demnach soll es bei der heutigen Spekulationsfrist für Immobilien von zehn Jahren bleiben. Nur bei einem Verkauf innerhalb dieser Frist seit der Anschaffung muss der Wertzuwachs besteuert werden. Bei Aktien und Fonds solle die heute für Kursgewinne geltende Spekulationsfrist von einem Jahr verlängert werden, sagte Scheel. Im Gespräch seien fünf Jahre. Dies sei aber noch nicht entschieden.

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hatte geplant, die Spekulationsfristen abzuschaffen und Kursgewinne von Aktien und Fonds sowie den Wertzuwachs von Immobilien bei einem Verkauf generell zu besteuern.

Wirtschaft, Börse und Aktionärsvertreter hatten besonders kritisiert, auch früher erworbene Anlagen in die Steuerpflicht einzubeziehen. Scheel sagte dazu: «Auf keinen Fall wird es eine Rückwirkung der Besteuerung geben.» Denn «dies würde exakt die treffen, die im Vertrauen auf das Steuerrecht frühzeitig private Altersvorsorge betrieben haben». Wichtig bleibe, dass jetzt über Kontrollmitteilungen der Banken an den Fiskus «ein ganzes Stück Steuerehrlichkeit» hergestellt werde.
© dpa - Meldung vom 12.11.2002 11:18 Uhr
special:

jaaaaaaaa

 
12.11.02 12:34
Noch mehr Steuern! 848713images3.zyn.de/ic/34/19/02269874334.png" style="max-width:560px" >
Dixie:

Ohne Kompass

 
13.11.02 10:22
Ohne Kompass
Kommentar
Von Nikolaus Blome
Gewurstel, dein Name sei Rot-Grün. Das tägliche Hin und Her der zweiten Regierung Schröder nimmt erratische Züge an. Zyniker würden sagen: Die Rot-Grünen haben keine Linie - und die wird jetzt auch noch verlassen.

Wohlgemerkt: Die Rücknahme einiger Knebelpläne bei der Besteuerung von Aktien- und Immobiliengeschäften ist richtig - weil es immer richtig ist, einen Fehler zu korrigieren. Aber warum werden die Fehler überhaupt erst gemacht? Was hat die jetzt aufbegehrenden Grünen bewogen, all diesen kruden Vorhaben während der Koalitionsverhandlungen noch zuzustimmen? Die Antwort kann nur sein: weil sie ihren inneren Kompass fürs Erste verloren haben. Weil sie sich ihrer zum Teil reformorientierten Abgrenzung zur Traditions-SPD erst erinnerten, als sie sich aus eigenem Versagen von Gerhard Schröder vorführen lassen mussten.

Bei Spekulationssteuer und möglicher Rentenreform hat der kleinere Koalitionspartner in wenigen Tagen zwar eineinhalb Punktsiege eingefahren. Wenn es in der Sache wirklich so kommt, macht sich das auf ihrem machtpolitischen Konto nicht schlecht, und mancher Anleger kann aufatmen. Aber mit solchen Hüpfspielchen lässt sich ein ganzes Land nicht aus der Krise führen. Denn sie kosten zugleich den letzten Rest von Glaubwürdigkeit, zum Beispiel bei der Europäischen Union: Der Finanzminister kriegt den "blauen Brief" ja nicht, weil sein Sparpaket in jedem Fall zu klein wäre - sondern weil niemand glaubt, dass selbst für Notoperationen politischer Mumm und Verstand derzeit reichen. Dieses Urteil ist vernichtend.

Den Autor erreichen Sie unter: blome@welt.de



Dixie:

Am Ende des Wohlfahrtsstaats

 
14.11.02 08:39
Am Ende des Wohlfahrtsstaats

Wie die Regierung uns bestiehlt


In Deutschland gibt es mehr Arbeitnehmer als Rentner. Noch. Auch in Hessen, auch in Niedersachsen, wo demnächst gewählt wird. Handelt es sich mithin um einen Akt politischen Selbstmords, wenn die rot-grüne Regierungsfraktion am Freitag entgegen allen Versprechen und Absprachen den Rentenbeitragssatz auf 19,5 Prozent des Bruttolohnes erhöht? Oder glaubt sie, der Begriff "Beitragsbemessungsgrenze" ist für Absolventen hessischer oder niedersächsischer Schulen viel zu lang, als daß ihnen auffallen würde, wenn diese Grenze nach oben verschoben wird?

Zählt man zu den Arbeitnehmern die Arbeitslosen hinzu, dann steht den Rentnern, deren Sonderinteressen so zu Staatsinteressen gemacht werden, eine noch größere Gruppe gegenüber, die unter der Verteuerung von Arbeit - im Abschwung! - leiden wird. Zusätzlich zu den Abgaben werden die Steuern angehoben, allerorten die Gebühren für staatliche Leistungen erhöht, die Neuverschuldung wird ausgeweitet, was einer Steuererhöhung von morgen entspricht. Der Glaube jener geschröpften Alterskohorten an zukünftige Gegenleistungen entsprechenden Umfanges ist längst verdampft. "Generationenvertrag" bedeutet inzwischen ungefähr dasselbe wie "Lüge". Nichts von dem, was jetzt eingezahlt wird, um den Rentnern ja nichts zuzumuten, wird den Einzahlern jemals vergolten werden. Um 1980 Geborene werden für einen Euro im besten Fall achtzig Cent Rente erhalten; wer Jahrgang 1930 ist und regelmäßig eingezahlt hat, erhält für einen Euro zwei. Zum entsprechenden Verlust an Vertrauen ganzer Generationen in den Sozialstaat kommt schließlich das ebenso berechtigte Mißtrauen in die Finanzmärkte, die soeben noch als "zweite Säule" der Alterssicherung empfohlen worden waren. Bilanzfälschung, Konkursverschleppung, betrügerischer Bankrott - die gesamte Terminologie des Wirtschaftsstrafrechts empfiehlt sich als Vokabular für staatswissenschaftliche Seminare und Übungen in vergleichender Regierungslehre.

Beispiellos ist diese Situation, weil in ihr Aufblähung und Ruin des Wohlfahrtsstaats zusammenfallen. Wie alle Staatsformen begründet sich auch seine Existenz nicht nur auf Zahlungsströmen und Machtverteilungen, sondern auf der Plausibilität der Programme, die sie steuern. Sie ist gerade dabei, zerstört zu werden. Denn wenn nur 1,4 Prozent aller mehr als Fünfundsechzigjährigen Sozialhilfe beanspruchen, wenn weder Beamte noch Selbständige in die Rentenkasse einzuzahlen haben, wenn für die jetzt Geschröpften ein Rentenzugangsalter von siebzig in den Blick genommen wird - dann ist das mit der Mär von der Altersarmut dekorierte Argument, es gehe hier um Gerechtigkeits- und Solidaritätsfragen, um die Abwehr sozialer Kälte und um einen Sozialstaat für die Schwachen, dann ist dies alles nur ein riesiger Intelligenztest, den die Regierung mit ihrem Volk veranstaltet.

Und doch gibt es in diesem Land kein Anzeichen für Steuerunruhen, wie sie im Mittelalter und der frühen Neuzeit bei ähnlichen Zumutungen aufflammten. Aller möglichen Themen haben sich soziale Bewegungen angenommen, aber Steuerverweigerungsaktivisten, die sich auf den Dächern von Finanzämtern oder an den Pforten von Bundesversicherungsanstalten anketten, sind bislang nicht gemeldet worden. Wir haben streng beobachtete Maßzahlen für den zulässigen Lärm an Fließbändern, Höchstmengen für den Anteil von Farbstoff in unseren Marmeladen, und wenn irgendwo ein Geigerzähler ausschlägt, setzen sich Leute auf Eisenbahnschienen. Aber wenn der Rentenbeitragssatz von 19,1 auf 19,3 und 19,5 Prozent ansteigt und es gar keinen Grund zur Annahme gibt, damit sei schon Schluß, dann kommt das soziale Grenzwertbewußtsein selber an eine Grenze.

Nach politökonomischer Lehre ist es am schwierigsten, den Widerstand gegen das zu organisieren, was alle schädigt. Kleine Gruppen bilden ihren Willen leichter, einigen sich auf die notwendigen Beiträge zu seiner Durchsetzung schneller als große. Darum sind die Belange der Konsumenten politisch so schwach vertreten und die der Bauern so gut, haben die Stromhersteller und die Zahnärzte eine so starke Lobby, die Steuerzahler aber eine so ohnmächtige. Doch im vorliegenden Fall erklärt diese Lehre zuwenig. Denn die Rentner obsiegen über die Arbeitnehmer wohl kaum aufgrund von Organisationsvorteilen älterer Bürger bei der Lobbyarbeit für ihre Sache. Auch die Rentner sind eine heterogene Großgruppe. Selbst der Hinweis, es seien ihre Sprachrohre in den Wohlfahrtsverwaltungen und den angeschlossenen Beratungs- und Betreuungsindustrien, die für den nötigen Druck sorgen, macht nicht einsichtig, weshalb Sozialdemokraten und die inzwischen vollends sozialdemokratisierten Grünen offenbar gewillt sind, den Leuten nur noch eine zynische Haltung zum Sozialstaat übrigzulassen.

Vielleicht muß neben politökonomische Erklärungen eine sozialpsychologische treten. Der programmatische Erschöpfungszustand der deutschen Parteien ist offenkundig. Das Wort "Zukunft" ist seit langem schon nur mehr eine Phrase zur Durchsetzung von ganz gegenwärtigen Aneignungsinteressen. Ferne Ziele, die den bürgerlichen Charakter einst entsagungsbereit sein ließen, werden für unwählbar gehalten. Das politische Vorstellungsvermögen ist auf den Augenblick geschrumpft. Kann es sein, daß die Politik sich in dieser Lage am besten in Personenkreise einfühlen kann, für die objektiv mehr endet als neu beginnt? Die mehr Vergangenheit als Zukunft haben? In Abwandlung einer berühmten finalen Geste, die einst den "Verfall einer Familie" besiegelte kann man über die Sozialpolitik der Regierungsparteien sagen: Sie denken, es komme nichts mehr.

JÜRGEN KAUBE

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.11.2002, Nr. 265 / Seite 39
SchwarzerLor.:

Aber dafür ist genug Geld da?

 
14.11.02 17:51
STAATSVERTRAG

Mehr Geld für Zentralrat der Juden

Fast 60 Jahre nach dem Holocaust soll erstmals ein Staatsvertrag die Beziehungen zwischen dem Bund und dem Zentralrat der Juden in Deutschland regeln. Zudem hat die rot-grüne Bundesregierung die finanzielle Unterstützung für das wieder erwachte jüdische Leben in Deutschland deutlich angehoben.
 
DPA

Paul Spiegel nannte den Staatsvertrag ein historisches Ereignis

Berlin - Die Mittel für die Integrationsarbeit des Zentralrats der Juden in Deutschland werden auf drei Millionen Euro erhöht und damit verdreifacht. Als Grund nannte Bundeskanzler Gerhard Schröder nach einem Gespräch mit dem Präsidenten des Zentralrats, Paul Spiegel, die gestiegene Zahl der Mitglieder der jüdischen Gemeinden. Spiegel nannte den Staatsvertrag ein historisches Ereignis.
Als Juden 1945 nach Deutschland zurückkehrten, hätten sie sich nicht vorstellen können, dass es jemals wieder in Deutschland aktives jüdisches Leben geben werde, sagte Spiegel. Nach seinen Angaben haben die 83 Jüdischen Gemeinden inzwischen wieder 100.000 Mitglieder. Viele von ihnen kamen aus dem Gebiet der früheren Sowjetunion nach Deutschland. Als der Zentralrat 1950 in Frankfurt am Main gegründet wurde, lebten nur noch 15.000 Jüdinnen und Juden in Deutschland. Vor der Machtergreifung der Nazis zählten die Jüdischen Gemeinden etwa 600.000 Mitglieder.

Der Staatsvertrag soll die Beziehungen zwischen dem Zentralrat und dem Bund regeln, sagte Innenminister Otto Schily, der jetzt die Einzelheiten vereinbaren soll. Nach den Worten Schröders übernimmt der Zentralrat eine wichtige Integrationsaufgabe für die ganze Gesellschaft. Der Betreuungsaufwand für die jüdischen Mitbürger sei gewaltig gestiegen. Die deutlich gewachsene Mitgliederzahl bezeichnete Schröder als einen wirklichen wichtigen und wertvollen Beitrag für das Land. Die Erhöhung der Mittel sei eine "sachliche Notwendigkeit". Es gebe ein eminentes staatliches Interesse, dass die Integrationsarbeit gelinge und antisemitische Strömungen in Deutschland zurückgedrängt würden.

Mit dem Geld des Bundes werden keine Sprachkurse finanziert. Dies ist Aufgabe der Gemeinden. Für Zuwanderer schreibt das neue Zuwanderungsgesetz, das am 1. Januar in Kraft treten soll, generell Sprachkurse vor. Nach Worten von Spiegel müssen die in der früheren Sowjetunion verfolgten Juden mit dem Judentum vertraut gemacht werden. Dazu gehörten auch die Riten und Gebräuche - dafür brauche man Personal. In Deutschland müssten auch Rabbiner ausgebildet werden. Die 83 jüdischen Gemeinden hätten derzeit nur 30 Rabbiner.

Die Antisemitismus-Debatte der vergangenen Monate ist nach Worten Spiegels am Zentralrat nicht spurlos vorübergegangen. "Es war eine Debatte, wie wir sie uns nicht haben vorstellen können, dass sie in Deutschland wieder stattfinden würde." Das Thema ist laut Spiegel nicht beendet, "da wir mit dem Protagonisten, der Auslöser dieser Debatte war, keinerlei Gespräche haben und keinerlei Gesprächsbedarf haben". Die Debatte hatte der inzwischen von allen Parteiämtern zurückgetretene FDP-Politiker Jürgen Möllemann ausgelöst, der die Politik der israelischen Regierung und Spiegel-Vize Michel Friedman mehrfach scharf kritisiert hatte.

Zu den Terrordrohungen islamistischer Organisationen sagte Spiegel, in den Jüdischen Gemeinde herrsche pure Angst. Viele lehnten es ab, in Synagogen zu gehen, wenn davor keine Polizisten stünden. Schily bekräftigte zum wiederholten Mal, dass Deutschland Ziel ernsthafter Bedrohung sein könnte. Es gebe aber keine konkreten Hinweise. Er warnte vor einer Panikstimmung.

Quelle: www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,222833,00.html
Dixie:

Steuern weiter rauf - Reformen nicht nötig

 
02.12.02 09:04
SPD IM KLARTEXT

Steuern statt Reformen

Von Michaela Schießl  

Müntefering will ganz offen noch mehr Steuern erheben, Scholz trotz Reformkommission keine Reform durchführen - in der SPD setzt man nach den wochenlangen Lügenvorwürfen auf harte Wahrheiten.

Berlin - Die anhaltende Beschimpfung als Lügner und Betrüger ist SPD-Fraktionschef Franz Müntefering offenbar zu Herzen gegangen. Seit neuestem nämlich spricht er Klartext zu seinem Volk - und das klingt so: "Weniger für den privaten Konsum - und dem Staat das Geld geben, damit Bund, Länder und Gemeinden ihre Aufgaben erfüllen können“, forderte er in einem Interview mit dem "Tagesspiegel am Sonntag“.
Wer nun mit einem schrillen Schrei krampfhaft sein Sparschwein umkrallt, für den hat Müntefering aufmunternde Worte parat: Schließlich liege doch "auch eine Herausforderung" darin, den privaten Konsum zurückzuführen. Der Staat jedenfalls brauche das Geld, um handlungsfähig zu sein, hierzu müsse sich die Politik bekennen.
Damit sich der Bürger von seinem Konsumzwang befreien kann, will Müntefering zügig in die Geldbeutel fassen. Eine "zeitlich befristete Steuer- und Abgabenerhöhung für einen bestimmten Zweck“ schwebt ihm vor, keine generelle Mehrwertsteuererhöhung.
Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD), der wahlkämpfend die Vermögenssteuer einführen will, schloss sich ohne Zögern Münteferings Offenheitskampagne an. "Wir dürfen nicht verschweigen, dass in den nächsten Jahren Anstrengung und Verzicht auf uns alle zukommen", sagte er der Zeitung "Die Welt“.

Da wollte auch Olaf Scholz in puncto Klartext nicht mehr nachstehen. Obwohl die Regierung gerade eine Reformkommission in Sachen Gesundheit und Rente eingesetzt hat, bekannte der Generalsekretär, dass bis 2010 keine Rentenreform mehr nötig sei. Die Reform vor zwei Jahren sei ein erster Schritt zur Zukunftssicherung der Rente gewesen und trage die nächsten Jahre. Unterstützung bekam Scholz indirekt von Arbeits- und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD).
Bei der Rentenversicherung "dürfen wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Die wichtigste Reform, die Einführung der kapitalgedeckten Altersvorsorge, hat stattgefunden“, sagte er dem Bonner "General-Anzeiger“. Jetzt gehe es um die Balance von Einnahmen und Ausgaben und um die Konsequenzen aus der Bevölkerungsentwicklung.
Damit ist klar: die Arbeit der Reformkommission ist praktisch ad absurdum geführt. Eingesetzt, um linke SPDler und die Grünen zu beruhigen, stoßen die Vorschläge der Rürup-Reformer bei den maßgeblichen Sozialdemokraten schon jetzt auf taube Ohren. Wenig nutzt da die wütende Forderung der Grünen an den Kanzler, eine ähnliche Zusage wie beim Hartz-Konzept zur Arbeitsmarktreform abzugeben, wonach die Überlegungen der Rürup-Kommission sofort umgesetzt werden sollen. Wo doch bekannt ist, dass das Hartz-Konzept derart entstellt wurde, dass sich selbst der Namensgeber dafür schämt.
Die neue Ehrlichkeit reichte am Wochenende bis hin zum Schuldeingeständnis. Müntefering räumte angesichts der drastischen Vertrauenskrise "ein Problem mit der Darstellung nach außen“ ein: "Das ist nicht alles optimal gelaufen." Clement bekennt: "Da gab es Probleme“, aber "wir mussten es so machen und eine gewisse Unübersichtlichkeit in Kauf nehmen“. Und Finanzminister Hans Eichel glaubt: "Wir haben nicht klar genug beschrieben, was wir eigentlich wollen und wohin die Reise geht." Zurücktreten will er trotz der heftigen Kritik allerdings nicht. "Das wäre wohl ein zu billiger Ausweg. Finanzpolitik ist leicht in guten Zeiten. Einfach in den Sack zu hauen, sobald es schwierig wird - das ist nicht meine Art“, sagte der Minister der "Welt am Sonntag“. Zuvor hatte das "Hamburger Abendblatt“ berichtet, Eichels Entlassung stehe möglicherweise bevor. Die Bundesregierung dementierte umgehend. "Wir werden Hans Eichel noch lange als Bundesfinanzminister brauchen“, sagt Olaf Scholz. Wer würde ihm nicht glauben.
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