Der Opec droht schwere Krise nach Ende des Irak-Kriegs
Förderquoten müssen neu verteilt werden - Russen fürchten Ausfall westlicher Nachfrage
von Karin Kneissl und Manfred Quiring
Moskau/Wien - Der bevorstehende Sieg der Anti-Saddam-Koalition im Irak verunsichert die russische Erdölindustrie. Wenn der Irak wieder mehr Öl exportiert, werden die Marktanteile neu verteilt. Preise, Fördermengen und laufende Lieferverträge werden sich ändern. Sogar ein Austritt des Iraks aus der Opec ist denkbar.
Für Russland, dessen Staatshaushalt sich zu dreißig Prozent aus den Einnahmen der Erdöl- und Erdgasförderung speist, könnte es zu dramatischen Veränderungen kommen. Schon jetzt sehen russische Experten eines der Lieblingsprojekte des russischen Präsidenten Wladimir Putin wie Dunst in der Morgensonne schwinden: die mit seinem US-Kollegen George Bush vor Jahresfrist verabredete Energieallianz. Beide Staatschefs hatten sich darauf verständigt, dass Russland langfristig, gestützt auf kräftige Finanzspritzen amerikanischer Investoren, seine Erdölförderkapazitäten stark ausbaut und so nach und nach Lieferanten aus Nahost ersetzen könnte.
Jetzt, den amerikanischen Sieg im Irak vor Augen, glauben die russischen Analysten nicht mehr an die Realisierung der hochfliegenden Pläne. Sie rechnen damit, dass es den USA und Großbritannien innerhalb eines Jahres gelingen wird, die Vorkriegsfördermenge von 2,5 bis drei Mio. Barrel (159 Liter) pro Tag zu steigern. Nach weiteren drei Jahren könnten dann bis zu fünf, nach insgesamt sieben bis neun Jahren schließlich acht Mio. Barrel täglich aus dem irakischen Boden gepumpt werden.
Dieses Öl ist wesentlich billiger und qualitativ besser als das in Russland geförderte. Folglich, so argwöhnt man in Russland, werde das Interesse an Investitionen beispielsweise im Küstenschelf des russischen Eismeeres erheblich nachlassen. Auch das ambitionierte, milliardenschwere Projekt eines Tiefsee-Terminals in der ganzjährig eisfreien Hafenstadt Murmansk und einer Pipeline nach Westsibirien rücken in weite Ferne. Von Murmansk aus wollten russische Erdölkonzerne Öl nach Nordeuropa und in die USA verschiffen: 100 Mio. Tonnen jährlich.
Stattdessen wandert nun der Blick wieder ostwärts. "Russland ist gezwungen, seine Exportpläne zu korrigieren", titelte die angesehene Wirtschaftszeitung "Kommersant". Asien gewinne nun eine ganz neue Bedeutung. Insbesondere China, Japan und Südkorea, die weltweit zu den größten Erdöl-Verbrauchern zählen, werden als Kunden umworben. Gegenwärtig beziehen die Japaner täglich 5,3 Mio. Barrel, die Südkoreaner 2,1 und die Chinesen 1,6 Mio. Barrel.
Vor allem China, glaubt man in Russland, werde bald einen gewaltigen Erdölappetit entwickeln und im Jahr 2020 täglich 10,5 Mio. Barrel verbrauchen. Und da Peking sich nicht von einem von den USA bevormundeten Irak abhängig machen wolle, sehen russische Analysten die große Chance für ihr Land. Doch zuvor müssen neue Pipelines von Sibirien nach Asien verlegt werden. Die Experten drängen zur Eile. Wenn die Preise auf das ursprüngliche Niveau von 18 oder 19 US-Dollar zurückkehren, lohnt sich die Investition nicht mehr.
Gegenwärtig gibt der Ölpreis der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) deutlich nach. Ein Barrel habe am Montag nur noch 24,91 Dollar gegenüber 25,38 Dollar am Tag davor gekostet, berichtete das Wiener Opec-Sekretariat. Noch Mitte Februar mussten 32 Dollar gezahlt werden. Das Kartell strebt einen Preis zwischen 22 und 28 Dollar an. Mit dieser Spanne wären auch die Russen zufrieden. Fiele der Preis in naher Zukunft auf 15 Dollar, "dann brennt das Budget", warnen Experten.
Befördert werden könnte der Preissturz am Ölmarkt, wenn der Irak aus der Opec austreten würde. Das könnte zum Todesstoß für das Kartell werden, glauben westliche Beobachter. "Wenn nach dem Krieg die irakische Ölindustrie privatisiert wird, können Sie die Opec vergessen", glaubt etwa Leo Drollas vom Londoner Zentrum für globale Energiestudien.
Am 24. April hat die Opec ein Sondertreffen einberufen. Experten erwarten ein Hauen und Stechen, wenn das Gründungsmitglied Irak wieder in das offizielle Quotensystem zurückkehrt.
Förderquoten müssen neu verteilt werden - Russen fürchten Ausfall westlicher Nachfrage
von Karin Kneissl und Manfred Quiring
Moskau/Wien - Der bevorstehende Sieg der Anti-Saddam-Koalition im Irak verunsichert die russische Erdölindustrie. Wenn der Irak wieder mehr Öl exportiert, werden die Marktanteile neu verteilt. Preise, Fördermengen und laufende Lieferverträge werden sich ändern. Sogar ein Austritt des Iraks aus der Opec ist denkbar.
Für Russland, dessen Staatshaushalt sich zu dreißig Prozent aus den Einnahmen der Erdöl- und Erdgasförderung speist, könnte es zu dramatischen Veränderungen kommen. Schon jetzt sehen russische Experten eines der Lieblingsprojekte des russischen Präsidenten Wladimir Putin wie Dunst in der Morgensonne schwinden: die mit seinem US-Kollegen George Bush vor Jahresfrist verabredete Energieallianz. Beide Staatschefs hatten sich darauf verständigt, dass Russland langfristig, gestützt auf kräftige Finanzspritzen amerikanischer Investoren, seine Erdölförderkapazitäten stark ausbaut und so nach und nach Lieferanten aus Nahost ersetzen könnte.
Jetzt, den amerikanischen Sieg im Irak vor Augen, glauben die russischen Analysten nicht mehr an die Realisierung der hochfliegenden Pläne. Sie rechnen damit, dass es den USA und Großbritannien innerhalb eines Jahres gelingen wird, die Vorkriegsfördermenge von 2,5 bis drei Mio. Barrel (159 Liter) pro Tag zu steigern. Nach weiteren drei Jahren könnten dann bis zu fünf, nach insgesamt sieben bis neun Jahren schließlich acht Mio. Barrel täglich aus dem irakischen Boden gepumpt werden.
Dieses Öl ist wesentlich billiger und qualitativ besser als das in Russland geförderte. Folglich, so argwöhnt man in Russland, werde das Interesse an Investitionen beispielsweise im Küstenschelf des russischen Eismeeres erheblich nachlassen. Auch das ambitionierte, milliardenschwere Projekt eines Tiefsee-Terminals in der ganzjährig eisfreien Hafenstadt Murmansk und einer Pipeline nach Westsibirien rücken in weite Ferne. Von Murmansk aus wollten russische Erdölkonzerne Öl nach Nordeuropa und in die USA verschiffen: 100 Mio. Tonnen jährlich.
Stattdessen wandert nun der Blick wieder ostwärts. "Russland ist gezwungen, seine Exportpläne zu korrigieren", titelte die angesehene Wirtschaftszeitung "Kommersant". Asien gewinne nun eine ganz neue Bedeutung. Insbesondere China, Japan und Südkorea, die weltweit zu den größten Erdöl-Verbrauchern zählen, werden als Kunden umworben. Gegenwärtig beziehen die Japaner täglich 5,3 Mio. Barrel, die Südkoreaner 2,1 und die Chinesen 1,6 Mio. Barrel.
Vor allem China, glaubt man in Russland, werde bald einen gewaltigen Erdölappetit entwickeln und im Jahr 2020 täglich 10,5 Mio. Barrel verbrauchen. Und da Peking sich nicht von einem von den USA bevormundeten Irak abhängig machen wolle, sehen russische Analysten die große Chance für ihr Land. Doch zuvor müssen neue Pipelines von Sibirien nach Asien verlegt werden. Die Experten drängen zur Eile. Wenn die Preise auf das ursprüngliche Niveau von 18 oder 19 US-Dollar zurückkehren, lohnt sich die Investition nicht mehr.
Gegenwärtig gibt der Ölpreis der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) deutlich nach. Ein Barrel habe am Montag nur noch 24,91 Dollar gegenüber 25,38 Dollar am Tag davor gekostet, berichtete das Wiener Opec-Sekretariat. Noch Mitte Februar mussten 32 Dollar gezahlt werden. Das Kartell strebt einen Preis zwischen 22 und 28 Dollar an. Mit dieser Spanne wären auch die Russen zufrieden. Fiele der Preis in naher Zukunft auf 15 Dollar, "dann brennt das Budget", warnen Experten.
Befördert werden könnte der Preissturz am Ölmarkt, wenn der Irak aus der Opec austreten würde. Das könnte zum Todesstoß für das Kartell werden, glauben westliche Beobachter. "Wenn nach dem Krieg die irakische Ölindustrie privatisiert wird, können Sie die Opec vergessen", glaubt etwa Leo Drollas vom Londoner Zentrum für globale Energiestudien.
Am 24. April hat die Opec ein Sondertreffen einberufen. Experten erwarten ein Hauen und Stechen, wenn das Gründungsmitglied Irak wieder in das offizielle Quotensystem zurückkehrt.