Quelle: http://www.rohstoff-trader.de
Seit seinen Höchstständen jenseits von 140 US-Dollar je Fass vor wenigen Monaten hat sich der Ölpreis mittlerweile gut halbiert. Diese außergewöhnlich scharfe Korrektur belegt eindrucksvoll, dass wir beim „schwarzen Gold“ entgegen vieler anders lautenden Beteuerungen eine gewaltige „Blase“ gesehen haben und wie schnell und dynamisch eine Trendwende mitunter verlaufen kann. Was die Autofahrer freut, treibt neben den Ölscheichs auch zahlreichen Anlegern, die erst spät auf den „Zug“ aufgesprungen sind, die Sorgenfalten ins Gesicht. Denn zur Stunde deutet beim „Schmierstoff der Weltwirtschaft“ noch kaum etwas auf eine nachhaltige Bodenbildung hin.
Versorgungslage nach wie vor angespannt
Dessen ungeachtet stellt sich die Versorgungssituation unverändert angespannt dar. Für das laufende Jahr rechnet das amerikanische Energieministerium mit einem Produktionszuwachs um 1,5 Millionen auf 85,9 Millionen Barrel täglich. Damit kann die Nachfrage von 86,1 Millionen Barrel nicht ganz befriedigt werden. Von daher verwundert es nicht, dass die US-Lagerbestände Anfang Oktober etwa ein Prozent unter ihrem Vorjahreswert lagen. Von einer plötzlichen „Öl-Schwemme“ zu sprechen, wäre demnach genauso verfehlt wie vom apokalyptischen Kampf und die letzten Tropfen des (noch) wohl wichtigsten Rohstoffs überhaupt.
Risikofaktor Rezession
Sorge bereitet vielen Marktteilnehmern indes die Aussicht auf eine Rezession in zahlreichen wichtigen Verbraucherländern. In Japan ist das „böse R-Wort“ bereits Realität und auch in den Vereinigten Staaten nährten die jüngsten volkswirtschaftlichen Daten entsprechende Ängste. In Euroland werden die Wachstumsziele für 2009 gekappt wie Grashalme unter dem Rasenmäher und es selbst einige der erfolgsverwöhnten asiatischen Staaten legen wirtschaftlich den Rückwärtsgang ein. Insofern ist die Erwartung einer sinkenden Nachfrage sicherlich nicht völlig unbegründet. In den USA beispielsweise ist die Benzin-Nachfrage gegenwärtig so schwach wie seit neun Jahren nicht mehr. Offenbar haben die sommerlichen Rekordpreise zu einem Umdenken in Sachen Spritverschwendung geführt. Auf der anderen Seite steht der anhaltende Autoabsatz-Boom in China und Indien. Selbst wenn sich die diesbezüglich Dynamik etwas abschwächen sollte, steht außer Frage, dass in diesen Staaten immer mehr Kraftfahrzeuge die Straßen bevölkern werden. Und der Durchschnitts-Chinese wird sein neues technologisches Statussymbol sicherlich auch nicht stehen lassen, nur weil die wirtschaftlichen Wachstumsraten von zehn auf sieben Prozent zurückgehen. Von daher erscheint die Markt von der Nachfrageseite her durchaus gut unterstützt.
Förder-Drosselungen zu erwarten
Zudem muss in den kommenden Monaten mit einer deutlichen Drosselung der Förderrate gerechnet werden. Derzeit drängt die OPEC Russland dazu, den bereits beschlossenen Förderkürzungen zu folgen und es sieht so aus, als stimmt die einstige Weltmacht zu. Auch andere nicht dem Kartell angehörende Förderländer sprechen offen über eine Absenkung des Outputs. Sollte die Nachfrage also wirklich merklich zurückgehen, dürfte das Angebot entsprechend reduziert werden. Erschwerend kommt hinzu, dass einige Erzeugerfirmen bei den momentanen Preisen nur noch schwerlich rentabel arbeiten können. Insbesondere neu erschlossene Felder in schwer zugänglichen Regionen sind hiervon betroffen. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass die dortige Produktion zumindest vorübergehend ausgesetzt wird.
Das Ende des Benzin-Zeitalters
Alles in allem spricht also aus fundamentaler Sicht einiges dafür, dass der Ölpreis sich in Bälde stabilisieren könnte. Längerfristig jedoch ist ein Risikofaktor auf keinen Fall zu unterschätzen. Unserer Einschätzung nach steht das Ende des Benzinzeitalters bevor. Das wird bestimmt noch nicht in zwei oder drei Jahren der Fall sein. Aber in zehn oder 15 Jahren wird ein Großteil der Kraftwagen über einen anderen Antrieb verfügen. Spätestens dann werden die Karten komplett neu gemischt und es könnte zu massiven Angebotsüberschüssen kommen. Diesen Umstand sollten Öl-Investoren unbedingt stets im Hinterkopf behalten.
US-Dollar vor Renaissance
Ein weiterer „Gefahrenherd“ lauert an der Währungsfront. Bereits seit einiger Zeit kann der US-Dollar gegenüber vielen anderen Leitwährungen aufwerten. Der Trend zum Wertverfall des „Greenbacks“ ist somit trotz einer fast schon erschreckenden Ausweitung des Haushaltsdefizits gebrochen. Die Mehrheit der Marktteilnehmer geht davon aus, dass die Vereinigten Staaten als erstes westliches Land das „Konjunktur-Tal“ durchschreiten werden und völlig unbegründet ist diese Hoffnung sicherlich nicht. Auch sollte man bedenken, dass Währungstrends für gewöhnlich sehr lange dauern. Es ist also durchaus möglich, dass die US-Valuta vor einer Renaissance steht, was den Ölpreis tendenziell belasten dürfte.
Wenig bullishe Saisonalität
Wenig Hoffnung auf kurzfristig steigende Kurse macht zudem die Saisonalität. Das Ende der Hurrikan-Saison naht und damit kommt es vor allem im Monat November für gewöhnlich zu weiteren Rücksetzern beim Öl. Long-Unterstützung erhält der Markt erst wieder ab Mitte Dezember, wenn die Heizperiode in den nördlichen Hemisphäre einsetzt. Bis dahin könnte es aber durchaus noch die eine oder andere Etage tiefer gehen.
Charttechnisch extrem angeschlagen
Rabenschwarz sieht es beim „schwarzen Gold“ darüber hinaus aus technischer Sicht aus. Der seit Juli vorherrschende Abwärtstrend ist vollständig intakt und kleinere Erholungsversuche werden schnell und konsequent abverkauft. So gesehen verwundert es nicht, dass beinahe sämtliche Indikatoren auf „verkaufen“ stehen. Immerhin jedoch besteht zum jetzigen Zeitpunkt noch eine gewisse Hoffnung, dass der Support bei etwa 70 US-Dollar verteidigt werden kann. Schafft der Markt in diesem Bereich eine erkennbare Bodenbildung, könnte der „Sinkflug“ gestoppt werden. Ob es dazu allerdings kommt, ist gegenwärtig noch ziemlich offen. Sollte die zentrale Marke jedoch nach unten durchbrochen werden, muss mit weiteren Rücksetzern bis auf 50 bis 55 US-Dollar gerechnet werden.
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