Während der Großteil der Welt unter rekordhohen Spritpreisen ächzt, feiern die Vertreter der Ölbranche im Emirat Dubai eine rauschende Party rund ums schwarze Gold.
Die untergehende Sonne färbt den Himmel über der Stadt am persischen Golf glutrot. Es ist 19 Uhr. Vor dem Eingang des Hippodroms Nad al-Sheba, wo die Scheichs von Dubai oder den benachbarten Emiraten normalerweise ihre besten Pferde anfeuern, steht die Crème de la crème der Öl-Society Schlange. Eingeladen hat das Fachmagazin "Pipeline Dubai".
Die mehr als 1500 Gäste repräsentieren Konzerne wie Halliburton, Royal Dutch Shell oder Saudi-Aramco. Ölbosse aller Länder, vereinigt Euch! So hätte das Motto dieses Spektakels lauten können. Sie kommen aus den USA, Norwegen, Saudi-Arabien, Kuwait und anderen Förderländern. Vergeblich sucht man auf der Firmenliste allerdings russische oder italienische Namen wie Lukoil oder ENI. Und auch die Chefs der ganz großen Konzerne fehlen. Dieser 9. November ist nicht der Tag der reinen Schreibtischtäter. Hier trifft sich, wer wirklich noch am Ölhahn dreht. Die Macher, die Bohrinseln in die rauhe See, Pipelines in stinkende Sümpfe und Pumpen in sengendheiße Wüsten setzen lassen.
Grund zu feiern haben sie: Für Exploration und Produktion wird die Ölindustrie in diesem Jahr 13 Prozent mehr ausgeben als 2004. Profiteure sind Servicegesellschaften wie die US-Konzerne Halliburton oder Schlumberger. Im dritten Quartal stiegen die Umsätze des ersten um sechs Prozent auf 5,1 Milliarden Dollar, der Gewinn betrug 499 Millionen. Schlumberger setzte 3,7 Milliarden um, der Gewinn betrug 540 Millionen Dollar, plus 70 Prozent. Erste Bussis werden ausgetauscht, man kennt sich. "Meine erste Party in diesem Jahr", strahlt Damien O´Brien, Nahost-Regionalmanager des texanischen Bohrspezialisten BJ Services, "die letzten Monate waren wirklich zermürbend." Phil Volet von Oil States International, nickt zustimmend, steckt sich eine Havanna-Zigarre an. Beide können sich vor Aufträgen kaum r etten, versichern glaubhaft, daß sie in letzter Zeit sogar Überstunden schieben mußten.
Die Herren erscheinen entweder im schwarzen Frack oder in ihrer jeweiligen Nationaltracht. So reihen sich Texaner wie O´Brien mit Cowboyhüten an arabische Ölchefs wie Rafat Abdullah von Dubai Petroleum mit traditioneller Kopfbedeckung Kofie und dem weißen Beduinengewand Dischdascha. Selbst Männer in Schottenröcken sind dabei. Noch interessanter ist freilich die Abendgarderobe der Damen. Auf den Kleidern von Gucci und Chanel glitzert es gewaltig, die Dekolletés sind gewagt und der Schmuck übersteigt mühelos den Wert der Luxuslimousinen vor der Arena. Skeptische Blicke erntet, wer mit dem Taxi vorfährt.
20 Uhr: Nach dem Cocktail-Empfang wird zu Tisch gebeten. Der Ball verspricht nicht nur, ein Augen-, sondern auch ein Gaumenschmaus zu werden. Viele Firmen haben sich einen der 120 Rundtische à zehn Personen gebucht, so daß man meist unter sich bleibt. Als Vorspeise werden Meeresfrüchte mit Tomatenragout serviert, für Vegetarier gibt´s gepfefferte Crêpes mit Käsesauce.
Die Tischgespräche könnten aus einer amerikanischen Seifenoper stammen. Sandie Watson, Vorstandssekretärin beim Zulieferer Certified Oilfied Rentals (COR) in Abu Dhabi, erzählt aufgeregt vom Kauf ihres knallroten, wadenlangen Abendkleids. Damien O´Brien zaudert noch immer, welche Yacht er sich zulegen soll und läßt sich dazu gerne vom Tischnachbar beraten.
Wie ein gestiefelter Kater hastet dagegen Phil Volet zwischen den Cliquen hin und her und klopft allen möglichen Leuten auf die Schulter. Er scheint sich in der Ölszene bestens auszukennen. Phil findet alles entweder "great and brilliant" oder einfach "fantastic". Die Förderausfälle in den USA durch Wirbelstürme sind heute kein Thema. "Katrina" und "Rita" waren gerade mal für Schäden von 28 Millionen Dollar bei Halliburton gut, Schlumberger wird die 44 Millionen Sturm-Miesen der Karibik auch leicht wegstecken. Und die Beschlüsse der Organisation erdölexportierender Staaten sind höchs tens einen Smalltalk wert. Heute Abend ist gute Laune angesagt.
Nur Rafat Abdullah von Dubai Petroleum will sich nicht so recht amüsieren. Ist es die starke Konkurrenz aus dem benachbarten Saudi-Arabien, die ihm die Sorgenfalten auf die Stirn treibt? Oder stört ihn der ungezügelte Alkoholgenuß der Ballgäste aus dem Westen? Im Gegensatz zu Saudi-Arabien oder Kuwait sind in Dubai Spirituosen erlaubt. Junge Kellnerinnen, als Cowgirls gekleidet, servieren eifrig Whiskey von Jack Daniel´s, einem der Sponsoren des Balls. Im Städtchen Lynchburg im US-Bundesstaat Tennessee, wo der Sprit gebrannt wird, gilt übrigens das Alkoholverbot der Prohibition aus den 20er Jahren bis heute.
21 Uhr: Die Band Blue Light spielt auf, die Logos der Sponsoren leuchten auf Leinwänden. Cadillac hat einige Limousinen aufgefahren. Die Halliburton-Tochter Landmark, Software-Produzent für die Ölindustrie, hat ebenso ein paar Millionen Dollar lockergemacht wie Microsoft. Aber Jack Daniel´s und Erdöl? Das Hochprozentige wird in Flaschen namens Single Barrel ausgeschenkt. Barrel sind das Maß fürs Öl.
Die Deutsche Lufthansa an Tisch 77 hat den Titel "Offizielle Airline auf dem Ball der Ölbarone" ergattert. Sponsoring gegen billiges Kerosin? Die Antwort liefert Uwe Wriedt, Regional-Direktor für die Golfregion und Pakistan. "Ihre Verwunderung ist völlig berechtigt. Aber unser Privatjet-Service in Europa ist bei vermögenden Kunden im Nahen Osten sehr beliebt. Dazu gehört nun mal die Führungselite aus der Ölindustrie."
Die Kranich-Jets werden für die Scheichs in Zukunft wohl noch viel öfter fliegen. Denn der hohe Ölpreis ertränkt die Opec-Länder quasi mit Petro-Dollar: 450 Milliarden werden ihnen allein dieses Jahr wohl zufließen. Ein Drittel geht an Saudi-Arabien, das zweite Drittel an die fünf anderen Monarchien am Golf.
Fürs Partyfoto posiert Wriedt mit seiner Frau und drapiert dabei die Firmenbroschüre werbewirksam auf den Tisch. Einen Tag später wird Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber im fernen Deutschland verkünden, daß sich das operative Ergebnis in den ersten neun Monaten "trotz der drastisch gestiegenen Ölpreise" um 220 Millionen auf 471 Millionen Euro gesteigert hat.
21.30 Uhr: Der aufsteigende Halbmond erhellt die Galopprennbahn. Jetzt endlich kommt der Höhepunkt des Abends: Eileen Michael, Herausgeberin des "Pipeline Magazins", macht es spannend. Zehn Minuten dauert die Laudatio auf den noch Ungenannten und seine Karriere im weltweiten Öl-Business.
"Ladies and Gentlemen, der Ölbaron 2005: Frank Rooney, Country Manager der Vereinigten Arabischen Emirate von Halliburton aus Houston, Texas!" Der so Geadelte wird im Mercedes-Cabrio zur Tribüne gefahren, dazu spielt die Titelmusik der TV-Serie Dallas, brandet der Applaus. Rooney kann sein Glück kaum fassen. Huldvoll lächelnd, und doch ein wenig verlegen, schiebt er seine 190 Zentimeter vors Mikrofon.
Die Dankesrede in texanischem Akzent liest er von Spickzetteln ab. Frank sieht die goldenen Zeiten der Ölindustrie noch lange nicht! am Ende. "Im letzten Jahr wurden 80 Millionen Faß Öl pro Tag gefördert, so viel wie noch nie." Applaus. "Der Ölpreis liegt bei 60 Dollar, die Förderkapazitäten bei fast 100 Prozent - was wollen wir eigentlich mehr?" Die Menge tobt. Als Rooney zur obligatorischen Danksagung an Frau und Familie ausholt, kämpft er mit den Tränen: "Danke", schluchzt er, "daß ihr die 15 berufsbedingten Umzüge mitgemacht habt, immer für mich da wart." Soviel Emotion vom knallharten Geschäftsmann? Wie Mehltau hängt plötzlich Stille über dem Publikum. Doch dann zerreißt sie in tosendem Beifall. Die Tischrunden, allen voran Halliburton, erheben sich zu Standing Ovations.
Die Musik setzt ein. Blues, Jazz und Funk versetzen die Partygemeinde in Stimmung. Wer kann, läuft ab und an zum Tisch zurück, um das Hauptgericht, Neuseeland-Steak mit Entenleber und geröstetem Gemüse, zu genießen.
23.30 Uhr, die Party neigt sich langsam dem Ende zu. Die Reihen lichten sich, an Tisch 77 herrscht bereits Funkstille. Die Lufthansa-Crew ist geschlossen abmarschiert.
Will Phil V olet von OSI zm Abschied noch ein paar Grußworte an die Leser in Germany richten? "Na klar, macht euch auf noch höhere Ölpreise gefaßt!" Er lacht so laut, daß er sich dabei fast verschluckt. Ein Teil des Soufflés landen auf Hemd und Fliege. Also schaltet sich Walter McKinnley von Abu Dhabi Company for Oil Operations (ADCO), die eng mit Shell zusammenarbeitet, in die Ölpreisdiskussion ein. Er sehe die magische Decke von 100 Dollar pro Barrel im kommenden Jahr erreicht.
Ob er uns noch verraten könne, warum Rafat Abdullah von Dubai Petroleum so gelangweilt dreinblickt, es sollen ja Gerüchte kursieren, daß seine Firma rote Zahlen schreibt? "Ich rede nicht über Dubai Petroleum", sagt McKinnley. Weil es zwischen ADCO und Dubai Petroleum ein Gentlemen´s Agreement gibt? "Nein", entgegnet er augenzwinkernd, "meine Frau arbeitet dort."
Mitternacht: Ob dieser Ball seine letzte Party in diesem Jahr gewesen ist, wollen wir noch von Damien O´Brien wissen. "Oh Gott, ich hoffe nicht!" Für das nächste Spektakel haben Damien, Phil, Rafat, Walter, und all die andern Männer in Öl längst ihre Einladungen erhalten. Am 23. November wird im Golfstaat Katar der "Excellence for Energy Award" verliehen - untermalt von einem weiteren rauschenden Fest.
Gruß Moya