Chip-Rohstoff Silizium wird knapp
von Mark LaPedus
EE Times
May 24, 2005 (12:45 p.m. GMT)
SAN JOSE — Anhaltende Lieferengpässe habe die Preise für polykristallines Silizium in den vergangenen Tagen um 25 Prozent in die Höhe getrieben. Analysten befürchten, dass diese Liefersituation die Wachstumsraten der Halbleiter- und Solarzellen-Branche drastisch dämpfen könne.
Führende Anbieter von polykristallinem und Polysilizium - wie ASiMI, Hemlock, MEMC, Mitsubishi Materials und Wacker-Chemie - können der gewaltigen Nachfrage durch die Chiphersteller nicht mehr nachkommen. Laut Branchenexperten sollen diese Materialien für die nächsten zwei bis drei Jahre ausverkauft sein. Polysilizium - ein Material aus vielen kleinen Kristallen - dient unter anderem zur Herstellung von Silizium-Wafern und Solarzellen.
Besonders die Nachfrage nach Solarzellen ist gewaltig: Solarmodule gehen weg wie warme Semmeln, was dem Fotovoltaik-Markt laut den jüngsten Zahlen der European Photovoltaic Industry Association (EPIA) ein jährliches Wachstum von 40 Prozent beschert hat.
"Die steigende Nachfrage des Fotovoltaik-Markts nach Polysilizium für Solarzellen bringt Polysilizium-Hersteller zunehmend unter Druck", warnt Paul Leming, Analyst bei Princeton Tech Research. "Höchstwahrscheinlich werden die Rohmaterialien für die Herstellung von Silizium-Wafern - polykristallin oder Polysilizium - 2006 und 2007 äußerst knapp werden", prophezeit Leming. "Gleichzeitig wird die Halbleiterbranche gegen Jahresende oder Anfang nächsten Jahres wieder die Spitzenvolumen vom Sommer 2004 erreichen. Deshalb wird Polysilizium wahrscheinlich zur Mangelware werden - und das wird sich auch auf die Lieferung von Wafern für die Halbleiterindustrie auswirken."
Die Anbieter bemühten sich zwar derzeit um einen Ausbau ihrer Polysilizium-Produktion. Doch Leming rechnet nicht vor Ende 2007 oder Anfang 2008 mit "inkrementell" steigenden Kapazitäten.
Der Kilopreis für Polysilizium-Materialien ist laut Ted Parmigiani, Analyst bei Lehman Brothers, von Dezember 2004 bis April 2005 von 32 auf 60 Dollar gestiegen und liegt derzeit bei 80 Dollar. "Bedingt durch ein begrenztes kurzfristiges Kapazitätswachstum und die aufkeimende Nachfrage nach Silizium für Solarzellen hat der Polysilizium-Preis im vergangenen Halbjahr um 150 Prozent angezogen", so der Analyst in einem aktuellen Bericht.
Gary Homan, Vice President of Marketing and Sales bei Hemlock Semiconductor aus Michigan, nimmt den Finanzanalysten dagegen etwas den Wind aus den Segeln: Die von Leman Brothers genannten Preise seien Spot-Preise, nicht die Lieferpreise aus langfristigen Verträgen. Hemlock, ein Joint Venture des US-Unternehmens Dow Corning und der japanischen Partner Shin-Etsu Handotai Co. Ltd. und Mitsubishi Materials, ist der weltgrößte Hersteller von Polysilizium.
Die Lieferpreise für Polysilizium liegen laut Homan derzeit bei 55 Dollar pro Kilo. Vor einem Jahr war ein Kilo des Materials noch für rund 30 Dollar zu haben. Homan dazu: "Die Auswirkungen haben wir in den letzten sechs Monaten zu spüren bekommen."
Auch andere Anbieter können der starken Nachfrage nicht gerecht werden. "Wir sind für die nächsten zwei bis drei Jahre ausverkauft", erklärt Homan. "Und das geht nicht nur uns so, sondern auch allen anderen Anbietern."
Hemlocks Werke produzieren jährlich 7000 Tonnen Polysilizium-Materialien. Das Unternehmen will jetzt seine Kapazitäten ausbauen, um der Nachfrage gerecht zu werden. Bis 2006 will das Joint Venture dann 10 000 Tonnen pro Jahr herstellen.
Auch andere Anbieter reagieren auf die Engpässe. Im Februar unterzeichnete das japanische Unternehmen Komatsu einen Vorvertrag für den Verkauf von 75 Prozent seiner US-Materialtochter Advanced Silicon Materials (ASiMI) (Silver Bow, Montana) an die norwegische Renewable Energy (REC).
REC will dadurch ASiMIs Schwerpunkt bei Polysilizium-Materialien von Silizium-Wafern auf Solar-Applikationen verlagern.
Auch die deutsche Wacker-Chemie GmbH aus München hat bereits im April die Erweiterung ihrer Polysilizium-Produktion angekündigt. In ihrem Werk in Burghausen sollen künftig 2500 Tonnen pro Jahr vom Band laufen. Wacker-Chemie hat bereits im Vorjahr mit der Expansion begonnen. Derzeit produziert das Unternehmen 5000 Tonnen Polysilizium jährlich. Bis 2007 sollen es 9000 Tonnen sein.
Das Unternehmen habe 200 Millionen Euro in den Kapazitätsausbau investiert und rechne mit rund 100 neuen Arbeitsplätzen in seinem Burghausener Werk, so Peter-Alexander Wacker, Geschäftsführer des Herstellers von chemischen Produkten, Silizium-Wafern und Polysilizium.
"Der stark wachsende Solarmarkt führt bei Fotovoltaik- und Elektronikherstellern zu spürbaren Engpässen", so Wacker in einer kürzlich erschienenen Pressemitteilung. "Der Weltmarkt für Solar-Silizium ist im vergangenen Jahr um mehr als 50 Prozent gewachsen und Branchenexperten sehen mittelfristig weitere Steigerungsraten von durchschnittlich 25 Prozent pro Jahr."
Zudem hat das deutsche Unternehmen ein neues Herstellungsverfahren für granulares Polysilizium entwickelt. Das Verfahren soll nach dem so genannten Wirbelschicht-Prinzip mit Trichlorsilan als Rohstoff arbeiten. Wacker-Chemie testet den Prozess derzeit mit zwei Pilotreaktoren im großtechnischen Maßstab. Laut dem Unternehmen eignet sich granulares Silizium besonders gut für kontinuierliche Kristallisationsprozesse.
Auch MEMC Electronic Materials, ein anderer Hersteller von Silizium-Wafern aus St. Peters im US-Bundesstaat Missouri, "produziert Polysilizium und ist ein zu 90 Prozent unabhängiges Unternehmen", schreibt Leming von Princeton Tech Research in einem Bericht und weist darauf hin: "Nicht alle Silizium-Wafer-Hersteller sind unabhängig."
"Im Gegensatz zu den Scherzen, dass Halbleiter ja eigentlich aus Sand bestehen, erfordert der Reinheitsgrad, den Halbleiterhersteller für die Produktion von Polysilizium benötigen, einen komplizierter, kapitalintensiven Prozess", gibt Leming zu bedenken.