USA: Geschäftsinteresse vor politischen Gefühlen

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USA: Geschäftsinteresse vor politischen Gefühlen

 
26.02.03 13:30
Schadet die deutsch-amerikanische Krise unserer Wirtschaft?

Von Helmut Schmidt

Bis zur Stunde gibt es dafür keine Anzeichen. Jedoch ist auf längere Sicht nicht auszuschließen, dass andauernde Querelen zwischen Berlin und Washington die deutschen Exporte in die USA beeinträchtigen, zum Beispiel bei Auftragsvergaben im Sicherheitsbereich.

Viel wahrscheinlicher und gefährlicher sind allerdings Unsicherheiten der amerikanischen Wirtschaft allgemein, und deren Auswirkungen bekämen nicht nur die deutschen Handelspartner zu spüren. Seit dem Zusammenbruch der New-Economy-Aktienhysterie, seit dem Entschluss des Präsidenten, riesige Haushaltsdefizite einzugehen (in diesem Jahr rund 300 Milliarden Dollar), besonders aber seit dem Kolossalverbrechen am 11. September 2001 ist eine zunehmende Scheu vor unternehmerischen Risiken zu beobachten. Das gilt sowohl für amerikanische Firmen als auch für ausländische Firmen, die auf den amerikanischen Märkten tätig sind. Auch der seit Monaten fallende Wechselkurs des Dollar (oder anders ausgedrückt: die anhaltende Aufwertung des Euro) beeinträchtigt den Export nach Amerika. Dazu kommt die Ungewissheit über die ökonomischen Folgen eines Irak-Krieges. Schon jetzt ist der Ölpreis ungewöhnlich hoch, im Kriegsfall wird er weiter steigen.

Dass es der amerikanischen Wirtschaft noch relativ gut geht, beruht nicht zuletzt auf dem enormen Kapitalimport in die USA (heutige Größenordnung pro Jahr netto 500 Milliarden Dollar), der den Ausgleich der hoch defizitären US-Leistungsbilanz ermöglicht. Im Falle eines länger dauernden Irak-Krieges wird die ganze Weltwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen werden. Es ist keineswegs sicher, ob dann der Netto-Kapitalimport aus dem Rest der Welt anhalten wird.

In einigen Bereichen der amerikanischen Wirtschaft gibt es schon heute Beeinträchtigungen der Geschäftstätigkeit. Bisher ist allerdings nicht zu erkennen, dass etwa deutsche Lieferanten davon generell stärker betroffen würden als Lieferfirmen aus anderen Staaten. Die in den amerikanischen Medien verbreiteten, gegen Deutschland gerichteten Herabsetzungen werden allerdings auf Dauer eine gewisse Wirksamkeit entfalten, sofern sie von Žußerungen führender Politiker in Washington und in Berlin weiterhin angefacht werden. Selbst dann aber wird die Beeinträchtigung unserer Wirtschaft wohl begrenzt bleiben.

Rund 3900 deutsche Unternehmen sind durch eigene Niederlassungen in Amerika vertreten, 2000 amerikanische Unternehmen in Deutschland. Gegenwärtig gehen pro Jahr für knapp 70 Milliarden Euro deutsche Exporte in die USA, das sind rund zehn Prozent unseres Gesamtexportes; gleichzeitig machen unsere Importe aus den USA gut 45 Milliarden Euro aus. Es handelt sich also um Größenordnungen, die im Rahmen der beiden Volkswirtschaften erheblich ins Gewicht fallen und die deshalb nicht leicht zu erschüttern sind. Die von einigen deutschen Stellen öffentlich geäußerten Befürchtungen einer Beeinträchtigung speziell deutscher Exporte in die USA sind auch von daher verständlich, aber nicht realistisch. Da das Phänomen sich selbst erfüllender Prophezeiungen kein Märchen ist, wäre es besser, wenn alle Beteiligten ihre Sprache mäßigten.

In Summe: In Amerika ist der Vorrang des Geschäftsinteresses vor politischen Gefühlen und Ideologien noch stärker ausgeprägt als in Deutschland. Ein groß angelegter Rückzug amerikanischer Firmen aus dem deutschen Markt ist deshalb sehr unwahrscheinlich, ein Boykott deutscher Erzeugnisse in Amerika ebenfalls. Aber natürlich wird es Fälle geben, in denen ein amerikanischer Wettbewerber versucht, die außenpolitischen Dissonanzen für sich zu nutzen.
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